Als 2010 gravierende Fälle von sexuellem Missbrauch in pädagogisch hoch angesehenen Schulen und Internaten bekannt wurden, standen in der nachfolgenden Debatte nicht zuletzt auch die Gefühlwelten der Bildung zur Disposition. Die emotionale Nähe der Beteiligten geriet unter Verdacht, denn ohne sie – so die Vermutung – wäre es nicht zu solchen Übergriffen gekommen. Erziehungswissenschaftler riefen demgegenüber in Erinnerung, dass es in pädagogischen Konstellationen „ohne Zuneigung“ nicht gehe und Schulen „nicht zum gefühlsneutralen Ort werden“ dürfen (Heinz-Elmar Tenorth). Seitdem sind die emotionalen Dimensionen extrafamiliärer pädagogischer Verhältnisse – allen voran die Frage des „richtigen Abstandes“ – wieder ins Zentrum von Kontroversen gerückt. Gleichzeitig beschäftigen sich Historiker vermehrt mit der Geschichte von Gefühlen, auch und gerade in institutionellen Kontexten. Die Frage nach dem „pädagogischen Eros“ und seinen wechselnden Konjunkturen scheint hier von besonderer Relevanz.
Vor dem Hintergrund dieser sich überschneidenden gesellschaftlichen, erziehungs- und geschichtswissenschaftlichen Interessen widmet sich der Schwerpunkt des Jahrbuchs für Historische Bildungsforschung (Bd. 18, 2012) der Erkundung von Emotionen in der Bildungsgeschichte. Wir wünschen uns Beiträge, die die Rolle einer ganzen Bandbreite von Gefühlen – wie beispielweise die Gefühlkälte bestimmter Erziehungsorte, das Gefühl der Überbürdung in Schulen, Gefühlsbeherrschung in unterschiedlichen Sozialisationssettings, oder die Produktion von Heiterkeit, Enthusiasmus und Begeisterung in pädagogischen Beziehungen – in allen Feldern von Bildung, Erziehung und Sozialisation historisch-kritisch reflektieren und dabei nicht nur theoretische Konzepte, sondern auch soziale Praxen und Orte analysieren.
Bezüglich des Umfangs und der Form der Beiträge gelten die einschlägigen Manuskript-Richtlinien des Jahrbuchs (siehe: http://www.bbf.dipf.de/hk/jahrbuch.htm).
Die Einsendung eines Exposés im Umfang von einer Seite mit kurzer Darstellung der Fragestellung, Thesen und Materialien wird bis 1. September 2011 an folgende (elektronische) Korrespondenzadresse erbeten:
Prof. Dr. Marcelo Caruso; E-mail: marcelo.caruso@hu-berlin.de
Postalische Adresse: Humboldt-Universität zu Berlin
Institut für Erziehungswissenschaften, Unter den Linden 6 (Sitz GS 7), 10099 Berlin; Tel +49 (30) 2093 4102; Fax +49 (30) 2093 4159
Abgabetermin für die Manuskripte ist der 31. März 2012. Alle Beiträge unterliegen einem peer-review-Verfahren mit zwei Gutachter(inne)n.