Raum. Theorie und Figuration

Raum. Theorie und Figuration

Veranstalter
Stephan Brössel, Julia Ilgner, Lukas Werner
Veranstaltungsort
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Ort
Freiburg
Land
Deutschland
Vom - Bis
21.01.2011 - 22.01.2011
Deadline
15.01.2011
Website
Von
Stephan Brössel

›Raum‹ und ›Zeit‹ bilden in Kants transzendentaler Ästhetik den irreduziblen Rahmen menschlicher Erfahrung. Der Raum ist dabei »eine notwendige Vorstellung, a priori, die allen äußeren Anschauungen zum Grunde liegt« (KANT 1781/1787). Dass es sich bei diesem Apriori aber nicht um eine transkulturelle und transhistorische Universalie handelt, dass der Raum vielmehr aus der Gemengelage historisch variabler Diskurse hervorgeht, zeigte u.a. aus kunstwissenschaftlicher Perspektive Panofsky. Er zeichnete die Transformation der Raumvorstellung vom »Aggregatraum« der Antike zum »Systemraum« der in der Renaissance einsetzenden Moderne nach (PANOFSKY 1927). Damit ist der Raum nicht ein universales, sondern ein ›historisches Apriori‹ (FOUCAULT 1969): Er ist Produkt sozialer und kultureller Praktiken und manifestiert sich folglich in verschiedenen (ästhetischen) Diskursen in immer neuen Figurationen.

Aus kulturwissenschaftlicher Perspektive gab es eine Vielzahl von Versuchen, diese Figurationen in ihrer Historizität theoretisch zu denken: Bachtin hat bereits Ende der 1930er Jahre – im Einflussbereich der Einsteinschen Relativitätstheorie – auf den »grundlegenden wechselseitigen Zusammenhang« der Zeit-und-Raum-Beziehungen hingewiesen und sie unter dem Begriff des ›Chronotopos‹ zu fassen gesucht (BACHTIN 1937/1938). Foucault hat die »Gegenorte« einer Kultur als »tatsächlich verwirklichte Utopien« mit Spiegelungsfunktion unter dem Konzept der »Heterotopie« subsumiert (FOUCAULT 1967). Das Museum sowie die Bibliothek stellen für Foucault räumliche Eigentümlichkeiten der westlichen Kultur des 19. Jahrhunderts dar. Und so wie diese Signa des 19. Jahrhunderts sind, werden für Augé die »non lieu« Indikatoren der »supermodernity«: shopping malls, Bahnhöfe und Flughäfen sind Manifestationen geschichts- und identitätsloser Orte, an denen der Mensch seine Einsamkeit schmerzlich erfährt (AUGÉ 1992). Gerade in den letzten Jahren wurde die Theorielandschaft der verschiedenen Disziplinen – Physik, Phänomenologie, Soziologie und Ästhetik u.a. – immer wieder kartographiert (JÖRG DÜNNE/STEPHAN GÜNZEL 2006; GÜNZEL 2010).

Obgleich sich in der frühen Erzählforschung bereits systematisierende Überlegungen zum Raum finden (z.B. KÄTE FRIEDEMANN 1910; ROBERT PETSCH 1934), Jurij Lotman im Kontext der Tartu-Moskauer Schule ein semiotisches Modell der Raumsemantik mit universalem Anspruch (LOTMAN 1970) formulierte, das immer wieder adaptiert und transformiert wurde (z.B. ANDREAS MAHLER 1998, KRAH 1999, KARL N. RENNER 2004), klammerte die vom französischen Strukturalismus geprägte Narratologie den Raum als ein konstitutives Element der Diegese größtenteils aus. Die Konjunktur des Raumes, die man ab dem Ende der 1980er Jahre mit dem Schlagwort spatial turn versah, blieb auch für die Erzählforschung nicht folgenlos. Gerade in der jüngsten Vergangenheit wurden aus narratologischer Perspektive Versuche vorgelegt (RYAN 2009; DENNERLEIN 2009), den Raum systematisch in den Blick zu nehmen und eine ›Narratologie des Raumes‹ in das gängige Analyseraster zu implementieren. Barbara Piatti hat durch ihre Studie zur Literaturgeographie die Wechselbeziehungen zwischen realem Raum und seinen fiktionalen Entwürfen vermessen (PIATTI 2008).

Das Ziel des Workshops ›Raum. Theorie und Figuration‹ ist es, die drei skizzierten Themenbereiche in den Blick zu nehmen und damit 1) nach historisch und kulturell variablen Figurationen von Räumen, 2) nach den Möglichkeiten und Grenzen der Raumtheorien sowie 3) nach den besonderen Anforderungen an eine Narratologie des Raumes zu fragen. Damit rücken sowohl theoretische Frage wie auch exemplarische Analysen in den Fokus.

Leitung:
AG Erzählforschung (Zentrum für Erzählforschung, Bergischen Universität Wuppertal) / Promotionskolleg „Geschichte und Erzählen“ (Albert-Ludwigs-Universität Freiburg)

Programm

Freitag, 21. Januar 2011
09.00 Uhr Ralf von den Hoff (Freiburg): Begrüßung

Sektion I Raumtheoretische Grundlagen
09.15-09.45 Uhr Zur Einführung
Lukas Werner/Stephan Brössel (Wuppertal)/Julia Ilgner (Freiburg)

09.45-10.45 Uhr Irene Breuer (Wuppertal): Atopie: Die ereignishafte Erfahrung des Raumes
Moderation: Julia Ilgner

10.45-11.30 Uhr Diskussion I: Raum als symbolische Form (Cassirer – Panofsky – Bourdieu)
Moderation/Impulsreferat: Lukas Werner/Julia Ilgner (Freiburg)

11.30-13.30 Uhr Gemeinsames Mittagessen in der Mensa Rempartstraße

Sektion II Raum: semantische Konstruktion und mentale Repräsentation
13.30-14.30 Uhr Konstantin Rapp (Freiburg): Raum als Konstante in der russischen Kulturgeschichte
Moderation: Sonja Arnold

14.30-15.30 Uhr Werner Schäfke (Freiburg): Merkmalsgeometrische Raumsemantik
Moderation: Sonja Arnold

15.30-16.00 Uhr Kaffeepause

16.00-16.45 Uhr Diskussion II: Textuelle Beschreibung vs. mentale Repräsentation – Erzählter Raum aus kognitiver Perspektive
Moderation/Impulsreferat: Maria Leopold

16.45-17.45 Uhr Christoph Bartsch (Wuppertal): Mental Spaces und ihre Grenzen. Kognitiv-linguistische
Überlegungen zu Jurij M. Lotmans raumsemantischem Strukturmodell
Moderation: Stephan Brössel

17.45-18.15 Uhr Kaffeepause

Öffentlicher Vortrag
18.15-19.00 Uhr Dr. Kathrin Dennerlein (TU Darmstadt): Narratologie des Raumes (HS 1015)
Moderation/Diskussion: Stephan Brössel

Ab 19.30 Uhr Gemeinsames Abendessen in der Mehlwaage (Metzgerau 4)

Samstag, 22. Januar 2011
Sektion III Mediale Räume
09.30-10.30 Uhr Christiane Scheeren (Bochum): Erzählter Raum
Moderation: Julia Ilgner

10.30-11.30 Uhr Stephan Brössel (Wuppertal): Mimesis des filmischen Raums in der Literatur
Moderation: Julia Ilgner

11.30-12.00 Uhr Kaffeepause

Sektion IV Erinnerungsräume
12.00-13.00 Uhr Christopher Meid (Freiburg): Griechenland als Erinnerungsraum in der Literatur der
klassischen Moderne (Hauptmann, Hofmannsthal, Th. Mann)
Moderation: Lukas Werner

13.00-14.00 Uhr Leni Perencevic (Freiburg): Die Jugoslawiendeutschen in Historiographie, Literatur und
öffentlicher Erinnerung in Kroatien und Serbien
Moderation: Lukas Werner

Abschlussdiskussion

14.00 Uhr Ausblick
Lukas Werner/Stephan Brössel (Wuppertal)/Julia Ilgner (Freiburg)

Ab 14 Uhr Gemeinsames Abschlussessen

Anmeldungen zum Workshop sind herzlich willkommen. Bitte melden Sie sich bei Stephan Brössel (s.broessel@uni-wuppertal.de), Julia Ilgner (Julia.Ilgner@gmx.de), Lukas Werner (lukas-werner@cantab.net).

Kontakt

Stephan Brössel (s.broessel@uni-wuppertal.de)
Julia Ilgner (Julia.Ilgner@gmx.de)
Lukas Werner (lukas-werner@cantab.net)


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