'Was ist soziale Ungleichheit?' Konzeptualisierungen und Wirklichkeiten in den letzten 60 Jahren

'Was ist soziale Ungleichheit?' Konzeptualisierungen und Wirklichkeiten in den letzten 60 Jahren

Veranstalter
Netzwerk Geschichte der Hans-Böckler-Stiftung
Veranstaltungsort
ver.di-Bildungsstätte, Berlin-Wannsee
Ort
Berlin
Land
Deutschland
Vom - Bis
28.05.2011 - 29.05.2011
Deadline
10.02.2011
Website
Von
Knud Andresen, Hamburg

Call for Papers:

„Was ist soziale Ungleichheit?“
Konzeptualisierungen und Wirklichkeiten in den letzten 60 Jahren
Workshop des Netzwerk Geschichte der Hans-Böckler-Stiftung

Die OECD konstatierte 2009 in ihrer Studie „Mehr Ungleichheit trotz Wachstum?“, dass die Einkommensschere in Deutschland in den vergangenen zehn Jahren drastisch weiter auseinandergegangen ist. Zunehmende soziale Ungleichheit ist dabei kein spezifisch deutsches Phänomen. Vielmehr lassen sich vergleichbare Transformationsprozesse bereits seit geraumer Zeit in vielen Industrie- und Entwicklungsländern beobachten. Die historische und sozialwissenschaftliche Forschung hat jedoch nur mit erheblicher Verspätung auf diese Entwicklung reagiert. Nach einem Boom der Forschungen zu sozialer Ungleichheit in den 1970er und 1980er Jahren haben sich erst in jüngster Zeit auch die Geschichts- und historisch orientierten Sozialwissenschaften dem Thema wieder verstärkt zugewandt. So stand z.B. der Historikertag 2008 unter dem Oberthema „Ungleichheiten“.

Aber was ist unter sozialer Ungleichheit eigentlich zu verstehen? Die OECD-Studie nimmt als wesentliches Kriterium in klassischer Weise die Einkommensverhältnisse als Zugang zu Ressourcen in den Blick. Es ist allerdings zu Fragen, ob der Begriff der sozialen Ungleichheit nicht erheblich weiter zu fassen ist, insbesondere, welche Bedeutung nichtökonomischen Faktoren wie ethnische Herkunft, Geschlecht oder Alter zukommt. Welche unterschiedlichen sozial- oder kulturwissenschaftlichen Konzepte und Zugänge in historischer Perspektive gibt es also im Hinblick auf soziale Ungleichheit? Welche Rolle spielen dabei beispielsweise Zugänge zu öffentlichen Ressourcen wie Wasser oder Strom oder strukturelle Bedingungen wie zum Beispiel Kinderbetreuung? Und ist 'das' Konzept sozialer Ungleichheit – wie auch spiegelbildlich 'das' der sozialen Gleichheit – eines mit universaler Gültigkeit oder trifft es im 'neuen' globalen Diskurs auf konkurrierende Ansätze? – mit welchen Konsequenzen?

Dass soziale Ungleichheit ein genuines Thema der Gewerkschaften ist, scheint auf der Hand zu liegen. Aber auch die politische Arbeiterbewegung hat ihren Anspruch auf soziale Gleichheit häufig genug exklusiv als Interessenvertretung ihrer Mitglieder verstanden, wobei soziale Gruppen außerhalb ihrer Kernklientel nur bedingt erfasst worden sind.

Das altstipendiatische Netzwerk Geschichte der Hans-Böckler-Stiftung möchte daher das Thema neu sondieren und Konzeptionalisierungen sozialer Ungleichheit ebenso wie deren Ursachen und gesellschaftliche Konsequenzen diskutieren. Die Beiträge sollen zeitgeschichtlich orientiert und geographisch offen sein, um auch Diskurse über die westeuropäische Perspektive hinaus anzuregen. Angesprochen für Beiträge sind Geschichts-, Kultur- und SozialwissenschaftlerInnen mit zeitgeschichtlichen Perspektiven.

Die Vorschläge für Beiträge sollen sich auf eines der drei folgenden Oberthemen beziehen:
1. Konzeptionalisierung sozialer Ungleichheit in den Kultur- und Sozialwissenschaften der vergangenen 60 Jahren.
Forschungen zur sozialen Ungleichheit sind zumeist auch Forschungen zur Sozialstruktur einer Gesellschaft. Stefan Hradil verstand zum Beispiel 1987 die Soziale Ungleichheitsforschung als Überwindung von Klassentheorien oder Schichtmodellen und zielte auf eine Milieustruktur der Gesellschaft, mit der ein weites Verständnis von sozialer Ungleichheit angewendet werden konnte. Wie wurde in den verschiedenen Kultur- und Sozialwissenschaften, zum Beispiel der Bildungs- oder Migrationsforschung, soziale Ungleichheit konzeptionalisiert? Lassen sich diachrone Konjunkturen oder Abschwünge bestimmter Kategorien erkennen? Wie waren diese ggf. gesellschaftlich oder wissenschaftshistorisch kontextualisiert? Und welche Rückschlüsse lassen sich hierbei hinsichtlich der gesellschaftlichen Entwicklung oder des akademischen Betriebs gewinnen? Als Beiträge zu diesem Themenkomplex sind insbesondere wissenschaftsgeschichtliche Untersuchungen denkbar.

2. Wirklichkeiten sozialer Ungleichheit
Im zweiten Themenkomplex soll die Realität sozialer Ungleichheit beleuchtet werden. Wie stellt sich zum Beispiel die von der OECD in Deutschland konstatierte Einkommensentwicklung im internationalen Vergleich dar? Wie haben sich Bildungs- und Karrierechancen für verschiedene gesellschaftliche Gruppen über die letzten Jahrzehnte entwickelt? Und: Welche Erklärungsansätze stehen für solche Entwicklungen zur Verfügung?
Kurz: In dieser Sektion soll die Bedeutung von sozialer Ungleichheit an Hand von empirischen Studien diskutiert werden.

3. Konsequenzen sozialer Ungleichheit
Im dritten Themenkomplex sollen politische, soziale und ökonomische Folgen sozialer Ungleichheit fokussiert werden. In welcher Beziehung steht zum Beispiel soziale Ungleichheit zu fundamentalistischen Bewegungen, deren Entstehung häufig primär auf religiöse Motive zurückgeführt wird? Wie ist es zu erklären, dass die ‚Sockelarbeitslosigkeit’ in den Industrieländern seit den 1970er Jahren kaum zur einer Radikalisierung der gesellschaftlich oft langfristig ausgeschlossenen Arbeitslosen geführt hat? Genauso ist zu fragen, welche makroökonomischen Folgen eine zunehmend ungleiche Einkommensverteilung hat und welche Rolle ungleiche Bildungschancen für die Sozialstruktur einer Gesellschaft spielen. Auch hier sind theoretisch fundierte und empirisch abgesicherte Beiträge gewünscht, die Erkenntnisse über die Auswirkungen sozialer Ungleichheit auf Wert- und Normvorstellungen liefern.
Die Tagung ist interdisziplinär und steht für Beiträge aus einem weiten Spektrum von Geistes- und Sozialwissenschaften offen. Dabei steht der Workshopcharakter im Vordergrund. Bei den Beiträgen muss es sich nicht notwendigerweise um Ergebnisse abgeschlossener Forschungen handeln. Auch Arbeitsberichte aus noch laufenden Forschungsprojekten sind ausdrücklich erwünscht. Ebenso werden auch Promovierende und Forschende am Anfang ihrer Kariere zur Einsendung von Beiträgen aufgefordert.
Die Einsendung eines Abstracts (500 Worte) für einen 20-minütigen Beitrag erbitten wir bis zum 10. Februar 2011. Zur Vorbereitung des Workshops wird bei Annahme um eine Vortragsfassung bis zum 1. Mai 2011 gebeten, die im Vorwege an die Teilnehmer(innen) versandt wird. Reise- und Übernachtungskosten für Referentinnen und Referenten übernimmt die Hans-Böckler-Stiftung.
Das Vorbereitungsteam
Dr. Knud Andresen, Hamburg
Dr. Britta Behm, Berlin
Dr. Florian Schui, London
Dr. Stefan Müller, Duisburg

Programm

Kontakt

Einsendung von Abstracts und Nachfragen an Ralf Richter, Ralf-Richter@BOECKLER.DE


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Sprach(en) der Veranstaltung
Deutsch
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