Vietnamesische Diaspora and Beyond

Vietnamesische Diaspora and Beyond

Veranstalter
Kuratiert von Kien Nghi Ha in Kooperation mit dem Hebbel am Ufer 2 Theater
Veranstaltungsort
Hebbel Theater am Ufer, HAU 2, Hallesches Ufer 32, 10963 Berlin
Ort
Berlin
Land
Deutschland
Vom - Bis
26.11.2010 - 27.11.2010
Von
Kien Nghi Ha

Während die dominanten Integrationsdebatten immer noch nationalkulturell geprägt sind und oftmals kaum über rassistische Plattitüden hinauskommen, vollzieht sich in der sozialen Realität ein fundamentaler gesellschaftlicher Wandel. Am Beispiel der vietnamesischen Migration, die gerade in Berlin stark präsent ist, lässt sich aufzeigen, dass das Leben in der Diaspora vielgestaltige Formen annimmt und dieser Prozess von der Perspektive der migrantischen Subjekte zu denken ist. Mit diesem Perspektivwechsel vollzieht sich auch eine Verschiebung der gewohnten Wahrnehmungsmuster und der damit verbundenen Inhalte. In dem die Nation von ihren Rändern aus neu gedacht wird, wird es möglich bisher vernachlässigte Fragen aufzuwerfen und marginalisierte Räume in den Fokus zu nehmen.
Zu dieser Revision gehört es nicht nur essentialistische Identitätskonstruktionen und das homogenisierende Kulturverständnis zu überprüfen, sondern auch den Begriff „Diaspora“ einer zeitgenössischen Bedeutung zuzuführen. Darin wird Migration nicht länger als ein zu bewältigendes Problem begriffen, sondern die Diaspora als eine kosmopolitische Form der Vergesellschaftung diskutiert, die Berlin mit Vietnam, Orange County (USA) und anderen diasporischen Orten vernetzt. Das Zuhause-Sein zwischen hybriden Kulturen, politischen Grenzen und konstruierten Nationen, das transnationale Verbundenheit ermöglicht und Forderungen nach „cultural citizenship“ provoziert, stellt die tatsächliche Zukunftsaufgabe der Migrationsgesellschaft dar.
Solche komplex zusammengesetzten Identitäten in diasporischen Communities reflektieren unterschiedliche geschichtliche Erfahrungen mit Exil, genderspezifischer Ausbeutung und Rassismus, die einerseits kulturell verarbeitet werden und andererseits eine gesellschaftspolitische Dimension in sich tragen. Dabei geht es keinesfalls um Defizit-Kompensationen und Integrationsleistungen, sondern um gleiche Rechte und demokratische Ansprüche. Diese universellen Kategorien deuten gleichzeitig auf die Notwendigkeit hin nicht in die „Ethno-Falle“ zu tappen, sondern die Diskussion über anti-asiatische Rassifizierung und Exotismen für andere Erfahrungen zu öffnen und grenzüberschreitende Solidaritätsformen zu suchen.
Kuratorisches Statement von Kien Nghi Ha

Programm

Programm

HAU 2 / 26.11.2010 / 18:00 Uhr
Einführung von Kien Nghi Ha

HAU 2 / 26.11.2010 / 18:15 - 19:30 Uhr
Twilight Walk: The Time of Metamorphoses
„Wieso sind Sprechen und Schweigen gleichermaßen mit Scham befleckt? Manchmal friert der Verstand ein, und das Herz schlägt weiter: Name, Nation, Identität, Staatsangehörigkeit verschwinden. Mit jedem Schritt kommt die Welt dem Wanderer näher, und allüberall, auf der riesigen Leinwand des Lebens, spricht jedes Ereignis.“ Im dichten Dschungel der Begebenheiten, Taten und Ereignisse erscheint Geschichte in Form zusammenhängender Fragmente, die aufgespürt werden müssen; verfolgt, geschluckt, festgehalten oder ausgespien auf der Wanderung ums Überleben. Der Geist dieser Wanderung hat die Autorin zu einer ganzen Tradition unabhängiger Wanderer im alten Asien geführt. Gleichzeitig bietet er ihr eine Verbindungslinie zu den Kämpfen in der ganzen Welt, genauer gesagt, zu den Kämpfen von Frauen in den USA, in Argentien, Mexiko und China.
Vortrag: Trinh T. Minh-ha ist Filmemacherin, Autorin, Komponistin und Professorin für Gender & Women's Studies und Rethoric (Film) an der Universität von Kalifornien in Berkeley. Moderation: Anna Babka ist Literatur- und Kulturwissenschaftlerin am Institut für Germanistik der Universität Wien.

HAU 2 / 26.11.2010 / 20:00 - 21:00 Uhr
„Qua cầu gió bay – Als ich die Brücke überquerte ...“. Audio-visuelle Betrachtungen von Flucht, Exil und Diaspora
Der bekannte vietnamesische Folklore Song „Qua cầu gió bay“ liefert den musikalischen und thematischen Rahmen für meine Gedanken über diasporische brückenwege. In einer kurzen Hiphop inspirierten Adaption des Liedes flechte ich daher verschiedene vietnamesische Stimmen ein, um die gemeinsame Erfahrung von Flucht, Exil und Diaspora in einem transnationalen vietnamesischen Raum zu reflektieren.
Vortrag: Nguyễn Quốc Toản ist Diplom-Pädagoge, Doktorand, politischer Bildungsarbeiter, Musik- und Filmschaffender. Moderation: Sun-Ju Choi arbeitet als Autorin und Kuratorin in Berlin.

HAU 2 / 26.11.2010 / 21:00 - 22:30 Uhr
Selbstorganisation und (pan-)asiatische Identitäten
Die verschiedenen Facetten und Erfahrungsräume „asiatischer“ Präsenzen sind ein wichtiger Bestand der deutschen Gesellschaft. Obwohl das „Asiatische“ als Identitätskonstrukt weitreichende Fragen aufwirft und oftmals als exotistische Projektionsfläche der Fremdzuschreibung dient, ist es zugleich auch eine Ressource der eigenen Selbstverortung wie politisch-kulturellen Vernetzung. Vor dem Hintergrund dieses Spannungsverhältnisses werden die Chancen und Probleme des identitätspolitischen Empowerment kritisch reflektiert.
Diskussion: Urmila Goel forscht zu jungen Menschen, die als Inder_innen in Deutschland wahrgenommen werden. Jee-Un Kim ist Vorstandsmitglied des deutsch-asiatischen Vereins „korientation“ und Rechtsanwältin in Berlin. Nivedita Prasad, promovierte Sozialwissenschaftlerin, arbeitet bei Ban Ying – einer Beratungsstelle vorwiegend für südostasiatische Frauen. Moderation: Kien Nghi Ha forscht als Kultur- und Politik-wissenschaftler zu Asian German Studies aus einer postkolonialen Perspektive.

HAU 2 / 27.11.2010 / 18:00 - 19:30 Uhr
Asiatische Diaspora: Begriffe, Geschichte, Debatten
Vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte um den Begriff „Diaspora“ wird hier das Konzept einer asiatischen Diaspora konturiert. Im Fokus steht zunächst die Konstruktion eines Asian American Movement in den USA, einer Bewegung, die sich gegen identitätspolitische und essentialistische Zuschreibungen sperrt, weil sie unterschiedliche Einzelinteressen strategisch zusammenführt. Davon ausgehend wird die Frage erörtert, ob dieser strategische Zusammenschluss aus dem sehr konkreten Kontext der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung herausgelöst werden kann oder sollte – ob er auf andere Räume und Konstellationen übertragbar ist.
Vortrag: Ruth Mayer ist Professorin für American Studies an der Leibniz Universität Hannover. Moderation: Iman Attia ist Professorin für Diversity Studies (Rassismus und Migration) an der Alice Salomon Hochschule Berlin.

HAU 2 / 27.11.2010 / 20:00 - 21:00 Uhr
„Heimat ist da, wo man verstanden wird“: Vietnamesisch-deutsche Communities, zweite Generation und differente Migrationserfahrungen
Nicht nur Berlin, sondern auch Vietnam war im Laufe seiner jüngsten Vergangenheit politisch und kulturell geteilt. Diese doppelte Teilung hat die Migrationserfahrungen der deutsch-vietnamesischen Communities wesentlich mitgeprägt und ist auch in der Gegenwart von Bedeutung. Inzwischen ist Berlin eine neue Heimat für viele VietnamesInnen, vietnamesische Deutsche und junge „VietlinerInnen“ der nachfolgenden Generationen geworden, die früher als Studierende, „Boat People“, VertragsarbeiterInnen und illegalisierte MigrantInnen ankamen bzw. in Deutschland geboren wurden.
Diskussion: Uta Beth war über 15 Jahre leitende Rundfunkredakteurin, lebt heute als freie Journalistin und Autorin in Berlin. Pham Thi Hoai, preisgekrönte vietnamesische Schriftstellerin und Übersetzerin, lebt in Berlin. Anja Tuckermann schreibt Romane, Erzählungen und Theaterstücke, gibt Schreibwerkstätten, lebt in Berlin. Moderation: Petra Isabel Schlagenhauf vertritt als Rechtsanwältin vietnamesische MandantInnen in Berlin.

HAU 2 / 27.11.2010 / 21:00 - 22:30 Uhr
Eine Integrationsdebatte der anderen Art – Von der illegalisierten „Zigarettenmafia“ zum „Musterschüler“?
Vietnamesische MigrantInnen werden in den deutschen Medien zunehmend als „gut integrierte Modellminorität“ hervorgehoben und in der politischen Debatte gegen andere Zuwanderergruppen ausgespielt. Ein genauerer Blick auf die Geschichte und soziale Realität der vietnamesischen Communities in Berlin zeigt jedoch, dass sie wie andere rassifizierte Menschen weiterhin mit Problemen der gesellschaftlichen Ausgrenzung konfrontiert sind. Dazu zählen etwa fehlende Gleichberechtigung, ungesicherter Aufenthaltsstatus, Zwangsselbstständigkeit, sozio-kulturelle Marginalisierung und rassistische Angriffe.
Diskussion: Tamara Hentschel, Geschäftsführerin des Vereins „Reistrommel e.V.“, arbeitet seit 1988 mit VietnamesInnen. Thúy Nonnemann vertritt den Migrationsrat in der Härtefallkommission und ist Mitglied des Berliner Vollzugsbeirats. Günter Piening ist Beauftragter des Senats von Berlin für Integration und Migration. Moderation: Alke Wierth ist Redakteurin für Bildung und Migration in der Berlin-Redaktion der tageszeitung.

Kooperationspartner:
Lehrstuhl für Geschichte und Gesellschaft Südostasiens (Humboldt Universität zu Berlin).
Das Festival wird gefördert aus Mitteln des Hauptstadtkulturfonds, präsentiert vom tip.

Kontakt

Hebbel Theater am Ufer Berlin
HAU 2
Hallesches Ufer 32
10963 Berlin

Kien Nghi Ha: nghi5@hotmail.com

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