Kreativität des Findens. Figurationen des Zitats

Kreativität des Findens. Figurationen des Zitats

Veranstalter
Internationales Kolleg Morphomata
Veranstaltungsort
Internationales Kolleg Morphomata, Universität zu Köln3.11.: Hörsaal II, Hauptgebäude, Universität zu Köln / 4.11.: Neuer Senatssaal, Hauptgebäude, Universität zu Köln / 5.11.: Internationales Kolleg Morphomata, Weyertal 59 (Rückgebäude), 50937 Köln
Ort
Köln
Land
Deutschland
Vom - Bis
03.11.2010 - 05.11.2010
Von
Christina Borkenhagen

»Zitate in meiner Arbeit sind wie Räuber am Weg, die bewaffnet hervorbrechen und dem Müßiggänger die Überzeugung abnehmen«, bemerkt Walter Benjamin in der Einbahnstraße über die implizite Logik kultureller Formen in Texten. Wie die Figu­ration des Lesers als »Müßiggänger« deutlich macht, handelt es sich hierbei um eine Lektüreszene oder -beschreibung, die zugleich eine Figur der Erschließung kultureller Räume und Gegenstände überhaupt meint.

Während gängige kulturwissenschaftliche Konzepte wie das der symbolischen Formen, des kulturellen Netzes oder vergleichbare kultursemiotische Ansätze von Begriffen wie ›Text‹ oder ›Lesbarkeit‹ ausgehen, zeigt sich im Benjamin-Zitat gerade der Bruch kultureller Ordnung als Voraussetzung für Bedeutung. Der Unterschied liegt in der Auf­fassung des Zeichens: Dient die Lektüre als Paradigma kultureller Wahrnehmung, oder gibt es eine zwar signifizierende, aber nicht signifikante Logik figurativer Konkretion, die für künstlerische Artefakte genauso anzusetzen ist wie für die Zeichen eines Buches?

Solche heterogenen Bedeutungsebenen innerhalb von Zeichengefügen werden typographisch durch Anführungszeichen markiert, die im ›eigenen‹ Text den ›fremden‹ aus­weisen. Anführungszeichen sind also allgemeine Operatoren, die konkrete Aussagen funktional einklammern. Die Spannung, die sich aus dieser konkretisierten Funktion ergibt, unterstützt ein morphomatisches Verständnis des Schöpferischen in der Kultur. Mit dem Konzeptbegriff des Kölner Kollegs argumentiert, gibt sich in der kontingenten, beiläufigen Wahrnehmung kultureller Formen der Überlieferung eine Ausformung kul­tu­reller Wirklichkeit zwischen alten Texturen oder Überlieferungen und deren Refiguration in einer Neubestimmung ihrer Funktion einerseits sowie andererseits zwischen der Aushöhlung oder dem Verfall der genuinen Bedeutung kultureller Formen und ihrer Persistenz in der Präsenz des Zitats. Denn in den Indikatoren des Zitierens verbinden sich allgemeines Formverständnis – das Zitat als Figur der Einlassung auf den Wortlaut eines anderen – und konkrete Anführung eines – gesicherten – Wortlautes.

Zitate wer­den gefunden, sie sind konkrete Aussagen, die über die Ränder ihrer Zitatform hinaus ›überzeugend‹ wirken. Während so einerseits die Zitatform eine parergonale Logik des Rahmens einschließt, entfaltet das Zitat als Fundstück in neuem Kontext auch neue Bedeutung: Eine Kreativität des Findens schließt die Vergangenheit als Moment einer Logik des Neuen in der Präsenz des Zitats zusammen.

Programm

Mittwoch 03.11.2010 Hörsaal II, Hauptgebäude

19.30 Hans Ulrich Reck (Köln): »Ein Gedanke ist doch nicht die kürzeste Verbindung zwischen zwei Zitaten« – aber manchmal eben doch

Donnerstag 04.11.2010 Neuer Senatssaal, Hauptgebäude

9.00 Günter Blamberger: Grußwort
Martin Roussel: Einführung
9.30 Uwe Wirth (Gießen): Aufpfropfung als Figuration des Zitats
10.20 Bettine Menke (Erfurt): Praktiken der Zitation
11.10 Kaffeepause
11.30 Daniel Müller Nielaba (Zürich): »Stoff« – »Motiv« – »Zitat«: Einige Grundsatzüberlegungen zur (De)Figuration textueller Entitäten
12.20 Henry Sussman (Yale): Citation in the Age of Virtual States and Displays
13.10 Mittagspause
14.30 Carol Jacobs (Yale): Endloses zitieren: Atom Egoyans »Artaud Double Bill«
15.20 Volker Pantenburg (Weimar): Filme zitieren. Zur medialen Grenze des Zitatbegriffs
16.10 Kaffeepause
16.40 Ursula Frohne (Köln): Found Footage: Re-Inszenierungen filmischen Materials in der Gegenwartskunst
17.30 KEY NOTE Anselm Haverkamp (New York): Nicht Figur, nicht Zitat - Theorie der flüchtigen Figur
18.20 Thomas Meinecke: Lesung & Werkstattgespräch (mit Christina Borkenhagen)

Freitag 05.11.2010 IK Morphomata, Weyertal 59, 3. Stock

9.30 Teruaki Takahashi (Tokyo): Zitate als Grundstruktur der Mischkultur. Überlegungen anhand von japanischer Literatur
10.20 Kosuke Tsuchida (Osaka): The Progress of the Methodology of Honka-dori in Medieval Waka as the Process of Formation of a Database for Quotation
11.10 Kaffeepause
11.30 Inge Baxmann (Leipzig): Constructing a National Style: Incorporated Quotations and the Performance of “Mexicanidad”
12.20 Dan O‘Hara (Köln): Skeuomorphology and the Evolution of Literary Quotation
13.10 Mittagspause
14.30 Matthias Bickenbach (Köln): Die zitierte Angst. Diktionen der Emotion im Schauerroman um 1800
15.20 Sibylle Benninghoff-Lühl (Berlin): Mit den Augen blättern. Zur Figuration des visuellen Zitats im Buch der Natur am Beispiel der Holzbücher des 18. Jahrhunderts
16.10 Kaffeepause
16.40 Oliver Kohns (Köln): Zitate des Erhabenen (Longinus, Burke, Kant, Hegel)
17.30 Thomas Schestag (München): Pausen. Baudelaire und Poe

Kontakt

Internationales Kolleg Morphomata
Weyertal 59 (Rückgebäude)
50937 Köln

http://www.ik-morphomata.uni-koeln.de/
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Land Veranstaltung
Sprach(en) der Veranstaltung
Englisch, Deutsch
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