Von der Pressegeschichte zur Web History. Forschungsfelder, Methoden und Quellen im digitalen Zeitalter

Von der Pressegeschichte zur Web History. Forschungsfelder, Methoden und Quellen im digitalen Zeitalter

Veranstalter
Fachgruppe Kommunikationsgeschichte der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft; Staatsbibliothek zu Berlin; Zentrum für Zeithistorische Forschung, Potsdam (ZZF)
Veranstaltungsort
Ort
Berlin
Land
Deutschland
Vom - Bis
20.01.2011 - 21.01.2011
Deadline
01.11.2010
Website
Von
Susanne Kinnebrock, Maria Löblich, Joachim Zeller, Jürgen Danyel

Soziale Kommunikation verlagert sich zunehmend ins Internet. Etablierte Presseverlage entwickeln zusätzliche Online-Ausgaben, Rundfunkanstalten machen ihr Programm in webbasierten Mediatheken zugänglich, Multimedia-Konzerne testen völlig neue crossmediale Angebotsformen. Technischer Hintergrund dieser Entwicklung ist die Digitalisierung, die nicht nur neue mediale Angebotsformen bzw. Quellen generiert, sondern auch die Aufbereitung und Verfügbarmachung traditioneller Quellenbestände im Netz ermöglicht hat. Diese medialen Umbrüche stellen die Medien- und Kommunikationsgeschichte vor ganz neue Herausforderungen – nicht nur hinsichtlich ihres Untersuchungsmaterials, das zunehmend in leicht reproduzierbarer digitalisierter Form vorliegt, sondern auch mit Bezug auf Fragestellungen und methodische Zugriffe, die gewandelte Medialitäten und Kommunikationsabläufe berücksichtigen müssen.
Aus kommunikationshistorischer Perspektive sind die neuen digitalen Möglichkeiten durchaus als ambivalent zu beurteilen. Die erleichterte Zugänglichkeit wird konterkariert von Selektionsnotwendigkeiten, die einerseits durch die Flut an aktuellem digitalen Material verursacht werden, andererseits durch Selektionsentscheidungen darüber, welche der traditionellen Quellen es wert sind, aufwändig digitalisiert, bewahrt und allgemein zugänglich gemacht zu werden.
Mit Blick auf traditionelle Corpora der Medien- und Kommunikationsgeschichte (z.B. Zeitungs- und Zeitschriftenbestände) stellt sich die Frage, nach welchen Kriterien Bestände zur Digitalisierung ausgewählt werden, inwieweit Aufbereitungsentscheidungen und unterschiedliche Regime des Zugangs die künftige Nutzung durch Forscher steuern. Sind hier neue Formen und Routinen der Quellenkritik erforderlich, um bei der Rekonstruktion historischer Kommunikationsprozesse eine Verzerrung durch Verfügbarkeit abzuwenden? Was bedeutet die digitale Verfügbarkeit einzelner Printprodukte für die Pressegeschichtsschreibung? Wie sieht die Zukunft der Pressegeschichtsschreibung aus? Ähnliche Fragen stellen sich auch für Rundfunkbereich – auch in Zusammenhang mit der Migration von Beständen auf neue Datenträger.
Die Verlagerung von sozialer Kommunikation in das Internet wirft zudem Fragen des Umgangs mit originären Online-Quellen auf. Die Schnelllebigkeit von Webinhalten in ständig upgedateten, erweiterten, verlinkten und andernorts reproduzierten Versionen sowie der rasante technische Wandel der Kommunikationsplattformen machen die Frage nach dem „Original“ im Netz virulent. Dabei sind besonders die Einbindung von multimedialen Inhalten sowie Verweise auf externe Websites und Interaktionsangebote für Nutzer problematisch und in den archivierten Versionen unvollständig enthalten. Inwieweit entsprechen archivierte Webinhalte exakt jenen Versionen von Webseiten, die zu einem bestimmten Zeitpunkt online zugänglich waren? Welches Material geht verloren, weil es gar nicht oder nur zeitweilig archiviert wird? Und inwieweit beeinflussen etwaige Abweichungen die historische Rekonstruktion? Nach welchen Kriterien der Quellenkritik kann in der digitalen Kommunikation der kostbare Fund vom wertlosen Schund geschieden werden? Welche methodologischen Anforderungen ergeben sich weiterhin, um angesichts der niedrigen Zugangsbarrieren zur öffentlichen Kommunikation, der vielfältigen Partizipationsmöglichkeiten im Web und der fließenden Grenzen zwischen öffentlicher, halb-öffentlicher und privater Kommunikation (etwa in Social Media oder Email-Verkehr), relevante Quellen als solche zu identifizieren? Wie können der Zugang der wissenschaftlichen Forschung zu diesen Quellen gewährleistet und ihre effiziente Auswertung ermöglicht werden? Welche Antworten hat die Medien- und Kommunikationsgeschichtsforschung auf solche Fragen bisher gefunden? Inwiefern verschieben sich durch die Digitalisierung die Aufmerksamkeiten der Medien- und Kommunikationsgeschichte in neue Richtungen z.B. der visuellen Kommunikation (pictorial turn), von räumlichen Konfigurationen (spatial turn) oder der Veränderung von medienkulturellen Praktiken im Umgang mit neuen Medientechnologien (cultural turn). Nicht zuletzt stellt sich angesichts der Digitalisierung von sozialer Kommunikation die Frage, ob historische Kommunikationsprozesse künftig noch als Geschichte einzelner Medien untersucht werden oder ob die Kommunikationsgeschichte nicht eher crossmedial-integrativ ausgerichtet sein muss.

Um diesen und weiteren Fragen nachzuspüren, werden Einreichungen zu folgenden fünf Themenfeldern erbeten:

1. Pressegeschichte
Hier steht die Auseinandersetzung mit den aktuellen Problemen der Pressegeschichtsschreibung, die durch Digitalisierung und medialen Wandel auftreten, im Mittelpunkt des Interesses. Sind die Selektion und Aufbereitung digitalisierter Bestände die zentralen Herausforderungen oder wo sonst liegen die großen Zukunftsfragen für die Erforschung der Pressegeschichte? Konkrete Fallstudien aus dem Bereich der Pressegeschichte sind soweit von Interesse, als sich grundsätzliche Probleme des Fachbereiches an ihnen identifizieren und diskutieren lassen. Gibt es eine „digitale Wende“ der Pressegeschichtsschreibung?

2. Web History
Welches sind die neuen und veränderten Problem- und Fragestellungen, denen sich eine „Kommunikationsgeschichte des Digitalen“ stellen muss? Konkrete Fallstudien aus dem Bereich der Web History und Internetgeschichte sind dabei ebenso willkommen, wie grundlegende Debattenbeiträge zur wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit diesem sich dynamisch entwickelnden neuen Feld der kommunikationshistorischen Forschung.

3. Digitale Quellen, Speicher und Archive
Es interessieren Einreichungen zu aktuellen Problemen der Auswahl, des Sammelns, der Archivierung und des Zugänglichmachens von Quellen, sowohl bezogen auf die Digitalisierung traditioneller Quellenbestände wie auch auf originäre Online-Quellen. Dabei können sowohl konkrete Archivierungsprojekte wie auch generelle Betrachtungen zu den Erfordernissen, Risiken und Potentialen digitaler Archive von Interesse sein. Wer speichert was (Bestände), warum (Motive der Dokumentation und Konservierung), wie (nach welchen Selektionskriterien und nach welchen technischen Verfahren) und für wen (für kommerzielle, fachwissenschaftliche oder allgemein öffentliche Nutzung)?

4. Methodologische und theoretische Herausforderungen
Medienumbrüche machen es angesichts neuer Quellen und Phänomene oftmals erforderlich, das methodologische Instrumentarium der Forschung neu zu bewerten und anzupassen. Die Erklärungskraft und Angemessenheit traditioneller Theoriebestände wird dabei häufig in Frage gestellt. Gleichzeitig ist nicht alles, was als Wandel und „neu“ thematisiert wird, historisch betrachtet wirklich neu. Vielfach werden im Lichte sich wandelnder Medien und veränderter Medialitäten Phänomene als „neu“ apostrophiert, die sich sowohl hinsichtlich ihrer Funktionalität im Kommunikationsprozess als auch bezogen auf den theoretischen und methodischen Zugriff von traditionellen Forschungsproblemen nur wenig unterscheiden. Es interessieren theoretische und methodologische Einreichungen, die sich mit (vermeintlich) neuen Herausforderungen befassen und sie vor dem Hintergrund etablierter Theorie- und Methodenbestände verorten.

5. Kommunikationsgeschichte crossmedial
Historisch betrachtet, erfolgt soziale Kommunikation schon seit geraumer Zeit quer über verschiedenste Medienplattformen und -angebote. In Anbetracht der fortschreitenden Digitalisierung und der Entwicklung medienübergreifender Angebotspakete wird die Notwendigkeit einer Kommunikationsgeschichte ersichtlich, die über unterschiedliche Medienkanäle vernetzt gestaltete Inhalte auch systematisch crossmedial-integrativ betrachtet. Es interessieren daher Einreichungen, die eine crossmedial ausgerichtete Kommunikationsgeschichte in Bezug auf ihre theoretischen und methodischen Schwierigkeiten diskutieren oder konkrete Fallstudien aus diesem Bereich vorstellen.

Vortragsvorschläge (je 20 Minuten) zu einem der fünf Themenfelder sind als „extended abstracts“ (max. zwei Seiten Text) bis Montag, den 1. November 2010, möglichst in elektronischer Form als E-Mail-Attachment einzureichen bei der Sprecherin der Fachgruppe Kommunikationsgeschichte der DGPuK Susanne Kinnebrock (s.kinnebrock@isk.rwth-aachen.de). Die Tagungssprache ist deutsch, englischsprachige Einreichungen und Vorträge sind aber ebenso willkommen. Der Beitrag darf in dieser Form nicht bereits in einer Verlagspublikation veröffentlicht oder auf einer wissenschaftlichen deutschsprachigen Tagung präsentiert worden sein. Die Vorschläge werden in einem anonymisierten Review-Verfahren begutachtet. Deshalb bitten wir, die Abstracts mit einem abnehmbaren Deckblatt zu versehen, auf welchem der Beitragstitel sowie Name und Adresse des Einreichenden vermerkt sind. Die Abstracts sollen auf den Inhalt des Vortrags, dessen theoretische Fundierung der Fragestellung und/oder die eingesetzte Methode eingehen, weiter den Bezug zum Tagungsthema sowie die Relevanz und Originalität der Fragestellung verdeutlichen. An diesen Aspekten werden sich auch die Reviewer orientieren.
Die Tagung wird am Donnerstag, den 20. Januar 2011, um die Mittagszeit beginnen und am Freitagabend, den 21. Januar 2011, enden. Genauere Angaben zum Veranstaltungsort in Berlin, Unterkünften etc. werden rechtzeitig in einer Einladung zur Tagung bekannt gegeben.

Programm

Kontakt

Kontakt und Einsendungsadresse für die Abstracts:
Prof. Dr. Susanne Kinnebrock
RWTH Aachen University / Institute of Language and Communication Studies
Theaterplatz 14
52056 Aachen
Phone: ++49-(0)241-8096450
Email: s.kinnebrock@isk.rwth-aachen.de


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Deutsch
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