Gender im Pietismus: Netzwerke und Geschlechterkonstruktionen

Gender im Pietismus: Netzwerke und Geschlechterkonstruktionen

Veranstalter
Vorbereitungsgruppe "Gender im Pietismus" in Kooperation mit dem Interdisziplinären Zentrum für Pietismusforschung (IZP) an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg; Prof. Dr. Ruth Albrecht, Hamburg, Prof. Dr. Ulrike Gleixner, Wolfenbüttel; PD Dr. Eva Kormann, Karlsruhe, Dipl.-Päd. Katja Lißmann, Halle Prof. Dr. Pia Schmid, Halle; PD Dr. Christian Soboth, Halle
Veranstaltungsort
Franckesche Stiftungen
Ort
Halle an der Saale
Land
Deutschland
Vom - Bis
27.10.2011 - 29.10.2011
Deadline
15.06.2010
Website
Von
Katja Lißmann, MLU Halle-Wittenberg

In Kooperation mit dem Interdisziplinären Zentrum für Pietismusforschung der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg planen wir eine Arbeitstagung zu Genderforschung innerhalb der Pietismusforschung. Der Schwerpunkt soll dabei auf Netzwerken und Geschlechterkonstruktionen liegen. Mit dem Ziel, den Gender-Begriff systematisch mit dem Pietismus in Beziehung zu setzen und auf einer umfassenden und theoriebildenden Ebene nach Gender-Konstruktionen im Pietismus zu fragen, laden wir hiermit Forscherinnen und Forscher aller Disziplinen, die sich mit pietistischen Quellen des 17. und 18. Jahrhunderts befassen, ein, ihre Überlegungen und Ergebnisse in einer internationalen Arbeitstagung vorzustellen und zu diskutieren.

Die interdisziplinäre Pietismusforschung hat in den letzten Jahren viele Themenbereiche neu erschlossen und alte Standards revidiert, sozial- und kulturhistorische Ansätze sind in breitem Umfang rezipiert worden und haben zu neuen Sichtweisen auf das Phänomen Pietismus geführt. Eine gezielte Inblicknahme der Gender-Aspekte muss jedoch noch erfolgen. Die neueren Publikationen insbesondere zu pietistischen Frauen zeigen die Fülle der zu gewinnenden Erkenntnisse; sie dokumentieren aber auch die Eindimensionalität der Fragestellungen: Wenn der Gender-Diskurs systematisch auf die Pietismusforschung bezogen wird, dann geht es um eine sehr viel breitere Debatte auf mehreren Ebenen:

Frömmigkeitskonzepte und Gender-Konzepte: Zeitgenössische Konzeptionen von Frömmigkeit zu möglichen – zu rekonstruierenden – ‘pietistischen’ Weiblichkeits- und Männlichkeitskonzeptionen in Beziehung zu setzen, steht noch aus. Zu verweisen wäre hier beispielsweise auf Vorstellungen ‘weiblicher’ / ‘männlicher’ Frömmigkeit im Zusammenhang mit Konzeptionen geschlechtsspezifischer Rollenbilder (Pfarrer, Gouvernante, Hausmutter, Professor, Prophetin, Politiker). Im Sinne des Programms der Gender-Forschung ist hier auch explizit die Männlichkeitsforschung gefragt.

Pietistische Netzwerke: Um die Integration von Frauen – als Akteurinnen, Mäzenatinnen, Lehrende, Schreibende und Denkende in pietistischen Netzwerken und „Denkräumen“ pietistischer Konstellationen – in die Historiographie des Pietismus zu erreichen, muss auf theoretisch-systematischer Ebene und hinausgehend über Detailstudien die Dynamik deutlich gemacht werden, welche Frauen innerhalb pietistischer Netzwerke entfalteten. Dies berührt die Ebene der Koordinaten, Funktionen, Binnenräume und Grenzen von Netzwerken im Pietismus aus geschlechterhistorischer Perspektive und führt weiter zu historiographischen Gender-Konstruktionen und Tradierungen im Kontext der Pietismusforschung.

Religiöse Vergemeinschaftung als Netzwerkhandeln: Geschlechterkonstruktionen und-beziehungen gilt es zudem auf der Ebene konkreter Netzwerkpraktiken zu beleuchten. Ausgehend davon, wie Frauen und Männer in pietistischen Netzwerken – in Korrespondenzen, Konventikeln, auf Besuchsreisen, in Ekstasen etc. – agierten, ist nach der Konstruktion von Geschlechterbeziehungen in pietistischen Netzwerken zu fragen und damit die Aushandlung von Geschlechterkonstellationen in konkreten Gender-Praktiken in den Blick zu nehmen. Hierbei müssen, gemäß der theoretischen Grundsätze der Gender-Forschung, mehrdimensionale Fragestellungen im Zentrum stehen, die beispielsweise wichtige soziale Differenzen in die Analyse einbeziehen (sozial ‘typische’ Geschlechterkonstellationen, adliges Netzwerkhandeln, .Mägde und Handwerker etc.): Auf dieser Ebene muss also danach gefragt werden, wie und durch welche performativen pietistischen Praktiken Gender geprägt und konstruiert wird.

Intertextualität: Der hohe Vernetzungsgrad pietistischer AkteurInnen lässt sich ebenso auf textueller Ebene konkretisieren. Pietistische Schriften sind keine Solitäre; sie zeichnen sich durch eine hohe Intertextualitätsdichte aus und richten sich nicht nur an ein Netzwerk von ausdrücklich oder implizit markierten Empfängerinnen und Empfängern, sondern beziehen sich auch auf Prätexte, die zitiert, variiert, weitergeführt, kommentiert, parodiert oder kritisiert werden. Zudem aber ist pietistisches Schreiben keineswegs gender-neutral: Auf einer umfassenden Ebene muss im Anschluss an die oben skizzierten Aspekte gefragt werden, wessen Texte (im Rahmen welcher Gattungen) in welchen Zusammenhängen mit welcher Wirkungsintention wie von welchen Texten (und Gattungen) aufgegriffen werden.

Die zeitliche Eingrenzung geschieht aus pragmatischen Gründen; wir hoffen, in Fortsetzungsveranstaltungen weitere Zeiträume und Themenstränge einzubeziehen. Neben der zeitlichen Beschränkung soll die Frage nach Netzwerkbeziehungen und Geschlechterkonstruktionen dazu dienen, die umfangreiche Arbeitsaufgabe zu strukturieren. Das Vorbereitungsteam ist interdisziplinär zusammengesetzt. Wir möchten mit dieser Initiative auch die Zusammenführung der unterschiedlichen Fächerperspektiven verstärken. Wir laden Sie herzlich ein, sich mit Ihrem Beitrag an diesem Gespräch zu beteiligen.

Vorschläge für einen Beitrag mit einem Exposé von einer halben bis einer Seite bitte bis zum 15. Juni 2010 per Email, Brief oder Fax an die unten angegebene Adresse.

Für Rückfragen steht Ihnen die Vorbereitungsgruppe gerne zur Verfügung:

Prof. Dr. Ruth Albrecht, Hamburg (Ruth.Albrecht@uni-hamburg.de)
Prof. Dr. Ulrike Gleixner, Wolfenbüttel (gleixner@hab.de)
PD Dr. Eva Kormann, Karlsruhe (eva.kormann@geist-soz.uni-karlsruhe.de)
Dipl. päd. Katja Lißmann, Halle (katja.lissmann@paedagogik.uni-halle.de)
Prof. Dr. Pia Schmid, Halle (pia.schmid@paedagogik.uni-halle.de)
PD Dr. Christian Soboth (soboth@pietismus.uni-halle.de)

Programm

Kontakt

Pia Schmid

Philosophische Fakultät III, Institut für Pädagogik, Franckeplatz 1, Haus 5 D-06110 Halle

++49(0)345 - 5527133
pia.schmid@paedagogik.uni-halle.de