Spanische Erinnerungsorte

Spanische Erinnerungsorte

Veranstalter
Institut für Europäische Geschichte
Veranstaltungsort
Alte Universitätsstr. 19, 55116 Mainz, Konferenzraum 1. OG
Ort
Mainz
Land
Deutschland
Vom - Bis
25.05.2010 -
Von
Wiehl, Stefanie

Seit Pierre Nora das monumentale Unternehmen wagte, die symbolische Landschaft Frankreichs zu kartieren, und zu diesem Zweck den Begriff der lieux de mémoire in die historiographische Debatte einführte, hat sich die von Nora angestoßene Forschung zu einem fruchtbaren und etablierten Feld der Geschichtswissenschaft entwickelt. Allerdings hat das Konzept der Erinnerungsorte auch Kritik hervorgerufen. Sie entzündete sich unter anderem an seiner Tendenz zur Vereinheitlichung und Kanonisierung, seiner begrifflichen Unschärfe und seinen mythenbildenden Nebenwirkungen. Gerade die relative Offenheit des ursprünglichen Entwurfs hat Historiker indes dazu angeregt, den historischen und gegenwärtigen Prozess nationaler, regionaler oder lokaler Bewusstseinsbildung am Beispiel bestimmter »Kristallationspunkte kollektiver Erinnerung und Identität« (E. François/H. Schulze) zu untersuchen. Projekte in unterschiedlichen Ländern, wie die »Deutschen Erinnerungsorte« von Etienne François und Hagen Schulze, zeugen von einer regen Rezeption des Ansatzes über den französischen Kontext hinaus. Ein weiteres Großvorhaben dieser Art wird derzeit unter Federführung von Heinz Duchhardt am Institut für Europäische Geschichte in Mainz durchgeführt und ist den »Europäischen« Erinnerungsorten gewidmet.

In Spanien wurde Pierre Noras Ansatz bislang noch wenig rezipiert und diskutiert; eine Sammlung spanischer »lugares de memoria« ist nicht in Sicht. Dies mag mehrere Gründe haben; mit an erster Stelle wären hier wohl die komplizierte Frage der nationalen und regionalen Identitäten auf der Iberischen Halbinsel zu nennen sowie die umkämpfte Erinnerung an den Spanischen Bürgerkrieg, die heute mehr denn je zum Streitpunkt von Parteien und gesellschaftlichen Gruppen geworden ist. Das Spannungsfeld, in dem sich Geschichte, Erinnerung und Politik in Spanien in Vergangenheit und Gegenwart bewegten und bewegen, bietet aber gerade deshalb reichlich Anlass zur Diskussion. Der Workshop möchte dazu Gelegenheit geben und der Frage nachgehen, inwieweit das Konzept der lieux de mémoire für die Iberische Halbinsel fruchtbar gemacht werden könnte. Anhand konkreter Beispiele ließe sich zeigen, dass auch im spanischen Kontext durchaus Konsens über zentrale Erinnerungsorte erzielt werden könnte: Covadonga, 1492, die Schwarze Legende, das Siglo de Oro, Don Qujote, der 2. Mai 1808, die Verfassung von Cádiz, 1898, die Semana Trágica, der Spanische Bürgerkrieg – unzweifelhaft verdichtet sich in diesen und anderen symbolträchtigen Ereignissen, Orten und Begriffen historische Erinnerung. Ob und wie solche Erinnerungsorte in den unterschiedlichen nationalen, regionalen, politischen oder religiösen Kontexten jeweils angeeignet wurden und werden, ist eine der Fragen, die im Rahmen des eintägigen Workshops diskutiert werden sollen.

Anhand ausgewählter Texte werden zunächst die theoretischen und methodischen Grundlagen des Konzepts der lieux de mémoire erschlossen. Im weiteren Verlauf des Workshops werden konkrete Fallbeispiele vorgestellt und diskutiert.

Wir laden alle Interessierten herzlich zur Teilnahme ein. Um Voranmeldung bis zum 18.05. wird gebeten.

Organisation: Ditte Gurack, Frauke Kersten-Schmunk, Jorge Luengo, Kai Müller, Thomas Weller

Programm

09:00-09:15
Heinz Duchhardt (Mainz)
Begrüßung

09:15-09:30
Thomas Weller (Mainz)
Einführung in das Thema des Workshops

09:30-11:30
Lektüre und Diskussion einschlägiger Theorietexte (P. Nora, E. François, A. Assmann)

12:00-12:45
Steffen Jost (München)
1492 - Ein Erinnerungsort für ganz Spanien? Konflikte um das kulturelle Gedächtnis im 19. und 20. Jahrhundert

12:45-13:30
Kai Müller (Mainz)
Die Leyenda Negra

13:30-14:30
Gemeinsamer Mittagsimbiss am Institut

14:30-15:15
Antonio Sáez-Arance (Köln)
Die 200 Jahrfeiern der Verfassung von Cádiz 1812 -2012

15:15-16:00
Sören Brinkmann (Erlangen-Nürnberg)
Bürgerkrieg als Erinnerungsort – Erinnerungsorte des Bürgerkriegs

16.30-17:15
Frauke Kersten-Schmunk
Das Valle de los Caídos

17:15-18:00
Nina Elsemann (Berlin)
Die desaparecidos des Spanischen Bürgerkriegs: Zwischen lokalen Erinnerungsorten und globalen Diskursen

18:00-18:30
Schlussdiskussion

Kontakt

Dr. Thomas Weller

Alte Universitätsstr. 19
55116 Mainz
06131-3930310
06131-3930154
weller@ieg-mainz.de

www.ieg-mainz.de