Ansätze und Methoden zur Erforschung politischer Ideen

Ansätze und Methoden zur Erforschung politischer Ideen

Veranstalter
Institut für Politikwissenschaft, Universität Hamburg
Veranstaltungsort
Ort
Hamburg
Land
Deutschland
Vom - Bis
16.07.2010 - 17.07.2010
Deadline
30.05.2010
Website
Von
Andreas Busen, Alexander Weiß

Während das Interesse an der Erforschung politischer Ideen – sei es unter dem Namen politische Ideengeschichte, Intellectual History, oder Geschichte des politischen Denkens – seit Jahrzehnten als unvermindert beschrieben werden kann, ist ein spezifisches Interesse an den Methoden und Ansätzen, mit denen eine solche Erforschung betrieben werden kann oder soll (bzw. implizit immer betrieben wird), gerade in der deutschsprachigen Politikwissenschaft erst in den letzten Jahren wieder erstarkt.

Dies zeigt sich nicht nur daran, dass zuletzt immer mehr zentrale Texte einer solchen Methodendiskussion in deutschen Übersetzungen breit zugänglich gemacht werden (Mulsow et al. 2010; Skinner 2009), sondern auch in einer expliziten Auseinandersetzung und Reflexion methodischer Fragen in politiktheoretischen Lehrbüchern (Llanque 2008), monographischen Studien (Palonen 2003b, Palonen 2003a) und einer neugegründeten Zeitschrift (Zeitschrift für Ideengeschichte 2007), sowie schließlich in aktuellen Veröffentlichungen, die sich gezielt mit methodischen Fragen auseinandersetzen (Saar 2007). Damit ist im deutschsprachigen Forschungsraum ein Trend zu beobachten, der in großen Teilen einer international beobachtbaren Entwicklung entspricht. So finden sich dort nicht nur entsprechende Publikationen (Richter 2009), sondern auch Tagungen, Workshops und Panels auf großen Konferenzen (ECPR 2009, APSA 2009; in Deutschland u.a. die Tagung „Die Ideengeschichte und ihre Nachbardisziplinen“ 2008)). Schließlich sind in der jüngeren Vergangenheit Arbeitsgruppen, Netzwerken und Organisationen gegründet worden, die sich der Erforschung politiktheoretischer Methoden widmen (Concepta (2006), Britain and Ireland Association for Political Thought (2009), in Deutschland: Netzwerk Diskursanalyse (2008)).

Das hier skizzierte (Wieder-)Aufkommen eines spezifischen Interesses an Methoden und Ansätzen zur Erforschung politischer Ideen bringt damit zentrale Fragestellungen zurück auf die Forschungsagenda, ist aber noch weit von einer Beantwortung dieser entfernt. Das liegt unter anderem an den folgenden Charakteristika der aktuellen Entwicklung: So ist zwar verstärkt eine Reflexion über die methodischen Voraussetzungen und Implikationen der eigenen Forschung zu beobachten, diese gehen aber oftmals nicht deutlich über eine Verortung der je eigenen Arbeit innerhalb eines „Ansatzes“ bzw. einer „Schule“ hinaus, wobei hier mit der so genannten „Cambridge School“, der an Reinhard Koselleck anschließenden „Begriffsgeschichte“ und zumeist von Michel Foucault inspirierten „genealogischen“ Ansätzen drei große „Schulen“ den typischen Referenzrahmen bilden. Zum einen findet dabei aber meist keine kritische Auseinandersetzung mit diesen Ansätzen, d.h. keine Hinterfragung einzelner Annahmen, keine Weiterentwicklung oder auch nur Explikation der Voraussetzungen, Interessen und Folgen des jeweiligen Ansatzes statt. Während beispielsweise einzelne Ansätze eng mit bestimmten Epochen und Kulturkreisen verknüpft zu sein scheinen, wird ihre Verwendbarkeit für und ihre Erweiterbarkeit auf andere Bereiche und Zeiträume (bzw. umgekehrt: ihre entsprechend beschränkte Erklärungskraft) nur selten explizit hinterfragt (stellvertretend für die seltene Beschäftigung mit politischen Ideen in nicht-kanonisch-strukturierten Denkräumen und außerhalb Europas sei hier auf die Tagung „Modern Indian Intellectual History“ 2007 am Wissenschaftskolleg Berlin verwiesen). Zum anderen versperrt die Dominanz dieser drei „Schulen“ den Blick auf mögliche Verbindungen zwischen diesen Ansätzen sowie insbesondere auf gänzlich alternative Ansätze. Vernachlässigt wird hier oft der Blick auf stärker individuell vertretene Ansätze (wie z.B. bei Niklas Luhmann (2008), Charles Taylor (1994; 2010) oder Raymond Geuss (2002)) sowie auf aus spezifischen, eher „exotischen“ Forschungsinteressen resultierende Kombinationen unterschiedlicher „Schulen“ (als Versuche solche Kombinationsmöglichkeiten auszuloten können allerdings Tully 2007 sowie die Beiträge in Bödeker 2002 gelten). In diesem Zusammenhang wäre auch ein kritisch-reflexives Unterfangen anzusiedeln, das hinterfragt, warum, zu welchen Zeitpunkten und auf welche Art und Weise bestimmte Ansätze und Methoden jeweils Deutungshoheit gewinnen oder abgelöst werden.
Mit einem – expliziten oder impliziten – Ansatz sind aber weitreichende Vorentscheidungen schon getroffen, für die die Autorin oder der Autor sich jeweils zu rechtfertigen hätte. So legt etwa eine begriffsgeschichtliche Anlage nahe, sich auf einen eher auf Texte der 'Hochkultur' limitierten Textkorpus zu beziehen, während eine an Foucault angelehnte Arbeit eine weit größere Varianz von Textsorten berücksichtigt. Eine Arbeit im Rahmen der Cambridge School wird einen Text eher politisch kontextualisieren, während eine an Luhmann orientierte Arbeit Kontexte eher weiter fasst und gesellschaftstheoretisch formuliert. Gerade im Vergleich der Konsequenzen verschiedener Ansätze sollte die Verantwortung ideengeschichtlich arbeitender Autorinnen und Autoren darin liegen, solche Konsequenzen als Folgen theoretischer Entscheidung sich und anderen transparent und damit kritisierbar zu machen.

Was mit Blick auf die hier beschriebenen aktuellen Entwicklungen bisher fehlt ist eine solche systematische und vergleichende Erfassung der unterschiedlichen – expliziten wie impliziten, dominanten wie randständigen – Ansätze, Methoden und „Schulen“. Es ist dabei eine durchaus offene Frage, welcher Abstraktionsgrad dem Fragenkomplex dienlich ist. Das Spektrum reicht hier von rein forschungsorientierten Reflexionen über die Arbeit in der Ideengeschichte bis hin zu wissenschaftstheoretisch interessierten, komplexeren Anbindungen.

Der Workshop soll dazu dienen, junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die im Bereich der politischen Ideen forschen und ein besonderes Interesse an methodischen Fragen haben, zusammenzubringen und einen Austausch über die hier dargestellten Entwicklungen, Probleme und Perspektiven ermöglichen. Dabei dürften über die grundsätzliche Perspektive einer systematischen Erfassung der derzeitigen Trends und Entwicklungen hinaus besonders auch die folgenden Themen und Fragen interessant sein:

- Ziele, Voraussetzungen und Konsequenzen von Methoden zur Erforschung politischer Ideen: Welche spezifischen Ziele und Erkenntnisinteressen führen zur Wahl jeweils spezifischer Methoden? Welche Voraussetzungen – etwa mit Blick auf Quellen, Forschungsinstrumente oder Kontexte – gehen mit der Wahl einzelner Methoden einher? Welche – intendierten wie nicht-intendierten – Folgen hat die Wahl eines Ansatzes?

- Verbindung zu benachbarten Disziplinen: Offensichtlich ist die Erforschung politischer Ideen keine Aufgabe, die nur von einer Disziplin wahrgenommen wird. Vielmehr treffen hier Politik-, Geschichts-, Kultur-, Sprachwissenschaft wie auch die Philosophie zusammen. Welche Überschneidungen und Gemeinsamkeiten lassen sich hier konstatieren, und welche Unterschiede oder Möglichkeiten der gegenseitigen Ergänzung?

- Die Ideengeschichte mit ihren Methoden ist zu einem auch in ihrem Textkorpus abgrenzbaren Teilgebiet der Politischen Theorie geworden. Dieses Teilgebiet hat inzwischen eine eigene Geschichte, die als Geschichte der Ideengeschichtsschreibung und ihrer Methoden beobachtbar ist. Hier stellen sich Fragen nach dem Zusammenhang methodischer Reflektion und Forschungspraxis im Fach: Inwieweit hat methodische Reflexion Einfluss auf Methodenanwendung gehabt, bzw. inwieweit kann und soll ein solcher Einfluss bestehen?

- Forschung und Lehre: Inwiefern gelten die o.g. Fragen nicht nur für die Erforschung von politischen Ideen, sondern auch für deren Vermittlung in der Lehre? Eignen sich bestimmte Ansätze und Methoden in spezifischer Weise für die Lehre oder auch in der außerakademischen Behandlung politischer Ideen in der Erwachsenenbildung und in massenmedialen Kontexten? Wie wirken sich die je eigenen methodischen Überzeugungen und Ansätze auf die Lehre von politischen Ideen aus? Und: wie kann oder soll die Vermittlung methodischer Kenntnisse selbst didaktisch erfolgen?

Willkommen sind neben „fertigen“ Vorträgen und Papers sowie „work in progress“ insbesondere auch Impulsreferate, Literatur- und Forschungsberichte sowie perspektivische Überlegungen. Da der Workshop außerdem der Initiierung eines längerfristig angelegten Forschungszusammenhangs (mit Schwerpunkt im Nachwuchsbereich) dienen soll, sind hierzu entsprechende Diskussionsrunden und Ideensammlungen zu möglichen Teilprojekten geplant, weshalb nachdrücklich interessierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eingeladen sind sich hieran auch ohne einen Beitrag der oben angeführten Art zu beteiligen.

Vorschläge für Beiträge jeder Art sollten in Form einer kurzen Beschreibung bis spätestens zum 30. Mai 2010 eingereicht werden. Bei Interesse an einer Teilnahme ohne einen eigenen Beitrag wird um eine unverbindliche Anmeldung bis zum 4. Juli 2010 gebeten.
Für Referentinnen und Referenten wird eine (teilweise) Erstattung der entstehenden Unkosten angestrebt.

Programm

Kontakt

Andreas Busen

Institut für Politikwissenschaft, Universität Hamburg, Allende-Platz 1, 20146 Hamburg

andreas.busen@wiso.uni-hamburg.de