Donnerstag, 18.3.2010, 9.30-17.30 Uhr, Zentrum für interdisziplinäre Forschung, Bielefeld
I. Biographische Erfahrung und wissenschaftliche Arbeit. Zur Doppelrolle von Zeitzeuge und Wissenschaftler
9.30
Empfang
10.00-12.30
Gespräch mit Alain Krivine und Emmanuel Terray
Gesprächsleitung: Ingrid Gilcher-Holtey, Silja Behre und Björn Lück
Alain Krivine und Emmanuel Terray engagierten sich in den 1960er Jahren in politisch unterschiedlichen Gruppierungen. Worin unterschieden sich ihre Utopien und ihr Engagement? Wann und warum entschlossen sie sich, die Rolle des Zeitzeugen und Zeitdiagnostikers zu reklamieren? Welches Urteil fällen beide über die Stellungnahmen von Zeithistorikern bzw. anderen Zeitzeugen in ihrem Land zu „1968“?
Mittagspause
14.00-15.30
Gespräch mit Gerd Langguth
Gesprächsleitung: Ingrid Gilcher-Holtey, Silja Behre und Björn Lück
Gerd Langguth hat als Wissenschaftler nach Ende der Protestbewegung über die Ereignisse und ihre Folgen reflektiert und Deutungen vorgelegt. Stellte sich ihm seine Doppelrolle als Zeitzeuge und wissenschaftlicher Zeitdiagnostiker als Problem? Wie kristallisierten sich seine Erklärungsmuster sowie analytischen Bezugsrahmen heraus? Wann setzte der Prozeß der Rekonstruktion ein? Von welchen Deutungen grenzte er sich ab?
Kaffeepause
II) Mein „68“ – Biographische Selbstkonstruktion im Spiegel der Protestbewegung. Das Beispiel Literatur der Arbeitswelt
16.00-17.30
Einführung
Rainer Winter: Autobiographieforschung und Cultural Studies
Freitag, 19.3.2010, 9.00-12.30 Uhr, Zentrum für interdisziplinäre Forschung, Bielefeld
9.00-11.00
Gespräch mit Erasmus Schöfer
Der Autor hat in seiner Tetralogie „Die Kinder des Sisyfos“ eine Autopsie der deutschen Nachkriegszeit zwischen 1968 und 1989 unternommen. Politisch engagiert, mit Erfahrung in der Fabrikarbeit und als Mitbegründer des Werkkreises Literatur der Arbeitswelt, übernimmt er als Schriftsteller die Rolle des Zeitzeugen, Zeitdiagnostikers sowie des Zeithistorikers.
Zudem soll die Herangehensweise Schöfers abgeglichen werden mit Beispielen aus der französischen Literatur (vorgestellt von Silja Behre und Björn Lück):
Daniel Rondeau, Journalist und Romancier, sowie Robert Linhart, Soziologe, waren Protagonisten der Pariser 68er-Bewegung und haben in den 1970er Jahren ihre Erfahrungen aus der Bewegung der „Betriebsarbeiter“, der sogenannten „Établis“, literarisch verarbeitet (zu nennen sind beispielsweise „L´Enthousiasme“ und „L´Établi“).
Wir möchten diskutieren: Wie kommt Zeitgeschichte in den Roman? Welche Rolle spielt die eigene biographische Erfahrung für den und in dem Roman? Ist die Literatur die bessere Zeitgeschichte? Wird das, was von der Geschichte übrig bleibt, letztlich allein durch die Literatur transferiert?
Gesprächsleitung: Franziska Schößler
Kaffeepause
III. Ererbte Erinnerung – Zu innerfamiliären Tradierungsmustern in der 68er-Literatur
11.15-12.30
Marie-Claire Lavabre: Virginie Linhart – eine kritische Lektüre
Gesprächsleitung: Silja Behre und Björn Lück
In Deutschland und Frankreich hat seit einigen Jahren das Phänomen der schreibenden „68er-Erben“ – zumeist Kinder ehemaliger Akteure der Protestbewegung – die scheinbar mit der Elterngeneration „abrechnen“ wollen, Furore gemacht. Virginie Linhart, Richard David Precht und Sophie Dannenberg sollen hier exemplarisch im Rahmen einer Soziologie der kollektiven Erinnerung vorgestellt werden. Die historischen Ereignisse haben sie, wenn überhaupt, unbewusst in der frühen Kindheit miterlebt. Doch die den Protesten zugeschriebenen Folgen haben, so ihre These, Erziehung und Werdegang nachhaltig geprägt, und werden ex post einer literarischen Prüfung unterzogen. Wie erinnern die „Kinder des Protestes“ die Bewegung? Welchen Schemata unterliegt ihre autobiographische Konstruktion?