Wissenschaft im Museum - Ausstellung im Labor

Wissenschaft im Museum - Ausstellung im Labor

Veranstalter
Anke te Heesen, Ludwig-Uhland-Institut für Empirische Kulturwissenschaft, Eberhard-Karls-Universität Tübingen; Margarete Vöhrunger, Zentrum für Literatur- und Kulturforschung, Berlin
Veranstaltungsort
Eberhard-Karls-Universität Tübingen, Schloss Hohentübingen, Fürstenzimmer
Ort
Tübingen
Land
Deutschland
Vom - Bis
08.04.2010 - 09.04.2010
Website
Von
Christian Vogel, Zentrale Kustodie, Universität Göttingen

Das Wissenschaftsmuseum wird gemeinhin als ein Ort anerkannt, an dem Geschichte und aktuelle Aspekte der (Natur-)Wissenschaften behandelt und in Dauerpräsentationen und Wechselausstellungen dargeboten werden. Prominente Beispiele sind das Deutsche Museum in München, das Deutsche Hygiene-Museum in Dresden oder das Science Museum in London. Daneben sind seit dem 19. Jahrhundert zahlreiche Museen aufgebaut worden, die in direktem Zusammenhang mit einem bestimmten, meist durch seine Forschungen bekannten Wissenschaftler stehen wie das Darwin Museum in Moskau, das Freud Museum in London, das Roentgen-Museum in Remscheid, das Pathologische Museum in Berlin oder das Phyletische Museum in Jena. Ein genauer Blick auf diese Häuser zeigt, dass es hier feine, aber wichtige Unterschiede gibt: Zum einen handelt es sich um Museen, die in Gedenken an Wissenschaftler eingerichtet wurden und nicht selten ihre Wohn- und Arbeitsräume zum Ausgangspunkt musealer Präsentationen nehmen. Daneben existieren solche Museen, die dezidiert die Arbeiten und Entdeckungen von Wissenschaftlern zum Ausgangspunkt nehmen, gleichzeitig aber auch versuchen, ihre Theorien in aktuelle Bezüge zu stellen. Schließlich ist eine dritte Kategorie zu benennen, in der Ausstellungen von Wissenschaftlern selbst aktiv betrieben, begründet und eingerichtet wurden. Diese drei Kategorien sollen vergleichend in den Blick genommen werden.
Wurde in den letzten Jahren vermehrt das Augenmerk darauf gerichtet, welchen zentralen Stellenwert Museen in der geistes- wie naturwissenschaftlichen Forschungslandschaft besitzen, soll die geplante Tagung die Perspektive verkehren und danach fragen, welche Präsentationspraktiken aus den Museen und Ausstellungen in die Wissenschaftsräume diffundierten. Kurz gesagt: Neben die Forschung im Museum tritt die Ausstellung im Labor. Als prominentes Beispiel kann der Ausstellungsraum Vladimir Bechterevs angesehen werden, der Anfang des 20. Jahrhunderts in seinem psycho-physiologischen Labor in Sankt Petersburg ein ganzes Stockwerk der Ausstellung seiner Apparate und Versuchsaufbauten widmete. Aber auch das Phyletische Museum in Jena entstand in enger Verknüpfung mit den Darstellungspraktiken und Arbeitsweisen des Biologen Ernst Haeckel. In welchem Verhältnis stehen solche Ausstellungsräume zu den an den Universitäten üblichen Lehrmittelsammlungen? Welche gemeinsamen Praktiken wie etwa der Modellbau wurden gepflegt?
Ein Schwerpunkt der Tagung soll auf der Differenz zwischen Arbeitspraxis und Ausstellungspraxis liegen. These ist, dass der Gegenverkehr von Praktiken zwischen Museum und Labor nicht nur auf der Ebene der Repräsentation stattfindet, sondern ebenso auf der Ebene der Wissensproduktion. Das Ausstellen von wissenschaftlichen Objekten ist genauso historischen Wandlungen unterworfen wie die wissenschaftlichen Objekte selbst. Mehr noch – das Ausstellen von Wissen ist nicht als Repräsentation von diesem Wissen unterscheidbar. Es ist Teil seiner Produktion.

Die Tagung wird die Darstellung, Ausstellung und Musealisierung von wissenschaftlichen Objekten in historischen wie aktuellen Dimensionen herausarbeiten. Während der erste Schwerpunkt der Tagung die „Ausstellung im Labor“ thematisiert, soll der zweite Schwerpunkt den Auswirkungen einer „longue durée“ der Präsentationspraktiken gewidmet werden, die auch heute noch unseren Wissenschaftsalltag bestimmen. Wie viel Museum steckt in der Wissenschaft?

Konzeption und Organisation
Anke te Heesen (Ludwig-Uhland-Institut für Empirische Kulturwissenschaft, Eberhard-Karls-Universität Tübingen)
Margarete Vöhrunger (Zentrum für Literatur- und Kulturforschung, Berlin)

Anmeldungen werden erbeten (siehe Kontakt)

Programm

Donnerstag, 8. April 2010

13:30 Uhr Stefanie Gropper (Prorektorin der Universität Tübingen)
Begrüßung

Anke te Heesen (Universität Tübingen), Margarete Vöhringer (Zentrum für Literatur- und Kulturforschung, Berlin)
Einführung

14:00 Uhr Annegret Pelz (Universität Wien)
Schreibtisch im Museum. Arbeitsgerät, Sammlungsraum, exemplarisches Objekt

15:00 Uhr Thomas Schnalke (Berliner Medizinhistorisches Museum der Charité)
Die Dynamisierung des Sehens. Rudolf Virchow und die Idee eines plastischen Körpermuseums

16:00 Uhr Kaffeepause

16:30 Uhr Lena Christolova (Universität Konstanz)
Das Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseum von Otto Neurath und das Mundaneum von Paul Otlet als Vorläufer
der Idee der globalen Wissensvernetzung

17:30 Uhr Alexandre Métraux (Otto-Selz-Institut Mannheim)
Das Labor im Kopf und das Experiment im Ausstellungsraum

19:30 Uhr Tony Bennett (University of Western Sydney)
Laboratories of Difference: Museums, Anthropology, Colonialism

Freitag, 9. April 2010

9:00 Uhr Christian Vogel (Universität Tübingen)
Zwischen Labor und Klinik. Im Museum des Röntgenhauses Hamburg 1914/15

10:00 Uhr Alena Williams (Columbia University New York)
„Lernen und Lehren“ at the AEG

11:00 Uhr Kaffeepause

11:30 Uhr Philipp Aumann (Museum der Universität Tübingen)
Das Objekt – das Institut – das Museum
Das Verhältnis von Forschung und Museum in der praktischen Arbeit

12:30 Uhr Mittagspause

14:00 Uhr Martha Fleming (Natural History Museum London),
Susanne Bauer (Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte Berlin)
Displaying Observational Practice: Split + Splice as a mirror structure between laboratory and museum

15:00 Uhr Kaffeepause

15:30 Uhr Martina Dlugaiczyk (RWTH Aachen)
‚Architektur im Labor‘ – Lehrmittelsammlungen an Architekturfakultäten Technischer Hochschulen

16:30 Uhr Ulrike Vedder (Humboldt-Universität zu Berlin, vormals Zentrum für Literatur- und Kulturforschung, Berlin)
Aus der Nacht des Museums: Tod und Wissen

17:30 Uhr Abschlussdiskussion

Kontakt

Monika Leibfahrt

Ludwig-Uhland-Institut für Empirische Kulturwissenschaft
Burgsteige 11 (Schloss), 72070 Tübingen
+49 7071/2974886

chbvogel@gmx.de


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