'Der Spur auf den Spuren'. Viertes transdisziplinäres Forschungsatelier des deutsch-französischen Doktorandenvereins GIRAF-IFFD

'Der Spur auf den Spuren'. Viertes transdisziplinäres Forschungsatelier des deutsch-französischen Doktorandenvereins GIRAF-IFFD

Veranstalter
Verein GIRAF-IFFD (deutsch-französischer Verein von Nachwuchswissenschaftlern)
Veranstaltungsort
Heinrich Heine Haus - Fondation de l'Allemagne, 27 boulevard Jourdan, F-75014 Paris
Ort
Paris
Land
France
Vom - Bis
27.11.2009 - 28.11.2009
Von
Verein GIRAF-IFFD

Das vierte transdisziplinäre Forschungsatelier des Doktorandenvereins GIRAF-IFFD soll deutschen und französischen Nachwuchswissenschaftlern die Gelegenheit bieten, sich in gemeinsamen Diskussionen und im fächerübergreifenden methodischen Vergleich mit dem Thema „Der Spur auf den Spuren“ auseinanderzusetzen.

Die Idee zu dieser wissenschaftlichen Begegnung ist aus der Feststellung heraus entstanden, dass das in der Umgangssprache sowie in unterschiedlichen wissenschaftlichen Kontexten (Naturwissenschaften, Philosophie, Literatur, Geschichte, Kunstgeschichte und Archäologie etc.) vielfach und mitunter unreflektiert gebrauchte Wort „Spur“ sich in seiner scheinbaren Einfachheit letztlich als von „unerwarteter Komplexität“ (Berthet) erweist. Folgende Fragestellungen werden im Mittelpunkt der gemeinsamen Reflexion stehen: Was ist eine Spur? Wodurch ist die Spur gekennzeichnet, wie funktioniert sie und in welcher Weise wird sie verwendet?
Die Spur, von Derrida als „fortbestehende Präsenz eines Restes“ definiert, weist zunächst auf die Vergangenheit zurück. Als Figur der Abwesenheit dient sie allerdings nicht einer exakten Reproduktion der Vergangenheit, sondern ermöglicht lediglich eine Rekonstruktion derselben, welche ebenso sehr vom Interpreten der Spur abhängt wie von ihrem Urheber (Krämer). Die Spur erscheint mithin als ein Ort, an dem Vergangenheit und Gegenwart sich kreuzen. Insofern sie durch von außen kommende Tätigkeiten sowohl verursacht als auch gelesen wird, ist die Spur passiver Natur; sie kann erhalten, ausgelöscht, rekonstruiert werden. Die Frage nach dem Umgang einer bestimmten Gesellschaft mit der Spur führt somit zu Erkenntnissen über ihr Verhältnis zu Vergangenheit, Geschichte und Identität. Die Spur besitzt eine identitäre und politische Dimension, was sich in der großen Bedeutung zeigt, die Erinnerung und Gedächtnis in der zeitgenössischen Gesellschaft zugemessen wird. Gleichzeitig bildet die Spur ein ästhetisches Paradigma und eine Strategie im Bereich von Literatur und bildenden bzw. visuellen Künsten.

Die politischen, identitären und ästhetischen Implikationen des Spurenbegriffs verweisen auf das Problem des Lesens und der Interpretation der Spur und damit auf dasjenige ihres epistemologischen Status. Inwiefern kann man im Falle der Spur von einer „kulturellen Technik“ (Krämer) der Wissenserzeugung (Ginzburgs „Indizienparadigma“) sprechen? Welchen heuristischen Wert hat die Spur und wie sieht ihr Realitäts- und Wahrheitsbezug aus?

Das Forschungsatelier umfasst zwei auf den genannten Fragestellungen aufbauende Hauptsektionen. Im Eröffnungsvortrag des Kolloquiums wird Frau Prof. Dr. Sybille Krämer (Freie Universität Berlin) eine theoretische Einführung in das Konzept der Spur geben. Die Vorträge des ersten Tages befassen sich sodann mit der politischen, identitären und erkenntnistheoretischen Dimension des Spurenbegriffs. Am Beispiel konkreter Fälle aus unterschiedlichen disziplinären Feldern – Städtebau (Rolle der historischen Spur in städtebaulichen Projekten), Psychoanalyse (körperliche Spuren des psychischen Leidens), Philosophie (Spuren des Verbrechens und ihre Auslöschung im ehemaligen Jugoslawien), Archäologie (Abgüsse von Kadavern in Pompei) – sollen dabei zunächst der epistemologische Status der Spur und ihre Rolle in individuellen und kollektiven Identitätsbildungsprozessen reflektiert werden. In einem weiteren Schritt werden anhand des paradigmatischen Falles der Shoah die politischen Dimensionen des Verhältnisses zur Vergangenheit vertieft: Warum, wie und durch wen werden die Spuren der Judenvernichtung überliefert, interpretiert, ausgelöscht oder bewahrt, wenn nicht gar sakralisiert? Der transdisziplinären Ausrichtung des Forschungsateliers entsprechend sollen unterschiedliche Standpunkte und disziplinäre Herangehensweisen miteinander konfrontiert werden. So befassen sich zwei Vorträge mit Gedenkstätten der Shoah, während ein dritter Beitrag dem literarischen Umgang mit Spuren gewidmet ist.

Die zweite Sektion des Kolloquiums befasst sich mit der Thematik „Spur und Ästhetik, Ästhetik der Spur“. Ziel ist hierbei die Kombination einer theoretischen Reflexion über das Verhältnis von Spur und Ästhetik (Konzepte der Aura und der Spur bei Benjamin und Derrida) mit Fallstudien aus unterschiedlichen künstlerischen Bereichen: Literatur (Poetik und Schreiben der Spur bei Autoren wie Perec und Bloch), Malerei (Paul Klee), Fotografie, Film und Performance-Kunst. Im Mittelpunkt des zweiten Tages stehen somit Aspekte des Verhältnisses von Werk und Spur(en): Schreiben und Werk als Sammeln, Lesen und Interpretieren von Spuren, Fragen der Authentizität usw. Eine die Diskussionen und Debatten des Forschungsateliers resümierende Schlussfolgerung wird die Veranstaltung abrunden.

Programm

4ème atelier interdisciplinaire franco-allemand de jeunes chercheurs GIRAF-IFFD
Groupe Interdisciplinaire de Recherche Allemagne France /
Internationale Forschungsgemeinschaft Deutschland-Frankreich

Sur les traces de la trace / Der Spur auf den Spuren
Organisatorinnen: Sandie Attia (université du Maine), Nathalie Le Bouëdec (université de Bourgogne), Ingrid Streble (université de Limoges), Alice Volkwein (université Paris 3-Sorbonne nouvelle)

Freitag, den 27. November 2009

9h00-10h00. Eröffnungsvortrag: Sybille Krämer, Spuren, Graphé, Wissenskünste. Zur Episteme der Spur.

10h00-10h15. Diskussion

10h15. I. Trace et histoire – enjeux identitaires, politiques et épistémologiques / Spur und Geschichte – Identität, Politik, Epistemologie

Moderation : Alice Volkwein, Nathalie Le Bouëdec

10h15-10h35. Jan Gerstner, „Verwisch die Spuren!“ – Walter Benjamins fragmentarische Theorie der Spur
10h35-10h55. Lionel Rebout, La trace du crime : le conflit en ex-Yougoslavie
10h55-11h10. Diskussion

11h30-11h50. Béatrice Robert, De la trace à l’empreinte : pour une épistémologie des moulages de Pompéi
11h50-12h10. Association Urban Addict, Trace et genius loci
12h10-12h30. Diskussion

14h00. II. Trace et histoire : un cas paradigmatique – traces de la Shoah / Spur und Geschichte – Ein paradigmatischer Fall: Spuren der Shoah

Moderation : Nathalie Le Bouëdec, Sandie Attia

14h00-14h20. Sibylle Schmidt, Spur und Zeugenschaft. Über die kulturelle Kodierung von Authentizität
14h20-14h40. Diane Gilly, Les monuments commémoratifs des camps de concentration de Dachau et de Natzweiler : entre effacement et sacralisation des traces du passé
14h40-15h00. Nathanaël Wadbled, L’esthétique transcendantale du lieu de mémoire. Les monuments comme traces de l’histoire (lecture de Maurice Halbwachs)
15h00-15h30. Diskussion

16h00-16h20. Frédéric Marteau, « Die untrügliche Spur » : La poétique des traces chez Paul Celan
16h20-16h40. Clélie Millner, Peter Handke, Der Chinese des Schmerzes, archéologie du vide : traces et malaise existentiel
16h40-17h00. Diskussion

Abendessen

۰۰۰۰۰

Samstag, den 28. November 2009

9h00. III. Trace et esthétique – esthétique de la trace / Spur und Ästhetik – Ästhetik der Spur

Moderation : Alice Volkwein, Ingrid Streble

9h00-9h20. Jacques Brunet-Georget, Trace et symptôme corporels dans la psychanalyse (trace et psychanalyse)
9h20-9h40. Lutz Hengst, Spurensicherung als wissenschaftliches Paradigma und als ästhetische Kulturtechnik
9h40-10h00. Benjamin Renaud, L’aura et la trace : de Walter Benjamin à Jacques Derrida
10h00-10h30. Diskussion

11h00-11h20. Marie-Jeanne Zenetti, Notations et enregistrement : poétiques de la trace demeurée trace
11h20-11h40. Sonja Arnold, Die Subjektfrage als Spurensuche im Werk Max Frischs
11h40-12h00. Uta Schürmann, Interieur und Kriminalistik: Die erzählerische Kraft der Spur
12h00-12h30. Diskussion

14h00. IV. Trace et esthétique – esthétique de la trace : suite / Spur und Ästhetik – Ästhetik der Spur: Fortsetzung

Moderation : Sandie Attia, Ingrid Streble

14h00-14h20. Lars Köllner, Spuren im Film No Country for Old Men
14h20-14h40. Isabel Richter, Fotografie als Spur des Wirklichen. Roland Barthes medientheoretische Reflexionen zur Porträtfotografie
14h40-15h00. Corina Golgotiu, La trace du petit Walter
15h00-15h30. Diskussion

16h00-16h20. Lydie Rekow-Fond, Que reste-t-il d’une performance ? – La question de la trace d’une action
16h20-16h40. Florence Rougerie, Du signe à la trace dans l’œuvre de Paul Klee
16h40-17h00. Diskussion

17h00. Bilanz

Kontakt

Nathalie Le Bouëdec

Université de Bourgogne 2 boulevard Gabriel F-21000 Dijon

nathalielb2000@yahoo.fr

www.giraf-iffd.ways.org
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Sprach(en) der Veranstaltung
Französisch, Deutsch
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