Selektion, Initiation und Repräsentation: Die Ahnenprobe in der Vormoderne

Selektion, Initiation und Repräsentation: Die Ahnenprobe in der Vormoderne

Veranstalter
Historisches Seminar, Westfälische Wilhelms-Universität/ Sonderforschungsbereich 496 „Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme“, Münster
Veranstaltungsort
Ort
Münster
Land
Deutschland
Vom - Bis
05.11.2009 - 07.11.2009
Deadline
15.05.2009
Von
Harding, Elizabeth


Die Ahnenprobe gilt als ein wirksames Selektionsmittel spätmittelalterlicher und frühneuzeitlicher Eliten, das im Zuge zunehmender Juridifizierung von ständischen, in der Wahrnehmung der Zeitgenossen gleichsam natürlich vorgegebenen Ordnungsvorstellungen an erheblicher Bedeutung gewann. In den unterschiedlichsten Kontexten diente sie als Nachweis einer geburtsständischen Qualität, womit sich zugleich bestimmte Sozialgruppen den Zugang zu materiellen und politisch-sozialen Ressourcen exklusiv sicherten. Auch der Blick auf die bildlichen (meist heraldischen) Darstellungen von Ahnenproben auf Grabsteinen, Porträts, alltäglichen Gebrauchsgegenständen und Bauwerken lässt das Denkmuster „Ahnenprobe“ – so die Arbeitshypothese der geplanten Tagung – als eine dominierende Ordnungsvorstellung der Vormoderne von konstitutiver Geltungskraft erscheinen.

Ihre Verbreitung und Bedeutung steht in deutlichem Gegensatz zum geringen Interesse, das die historische Forschung bislang der Ahnenprobe als sozialem Phänomen entgegengebracht hat. So richtet etwa die sozialgeschichtliche Forschung ihren Blick primär auf die ökonomisch-funktionale Bedeutung dieses Selektionsverfahrens, nicht jedoch auf die kommunikative Praxis der Ahnenproben. Dies gilt gleichermaßen für die historische Rechtswissenschaft, die im Zusammenhang mit Fragen des adligen Erbrechts die Ahnenprobe als ständisches Zuweisungsprinzip vormoderner adliger Korporationen thematisiert.

In den letzten Jahren gehen im Umgang mit dem Phänomen „Ahnenprobe“ neue Impulse von einer kulturwissenschaftlich geprägten Forschungsrichtung aus, die jenseits von ökonomischem Kalküldenken und normativen Ordnungsmustern vermehrt auch nach Handlungsformen und Sinndeutungen fragt. So hat etwa die Kunstgeschichte auf die vielfältigen, in den Kunstwerken präsentierten und auf geburtsständische Abstammung beruhenden Legitimationsstiftungen hingewiesen. Dabei ist deutlich geworden, dass die Symbolisierung von Ahnenproben auch dort anzutreffen ist, wo nicht vorrangig um materielle Ressourcen konkurriert wurde. Jüngste geschichtswissenschaftliche Untersuchungen haben darüber hinaus am Beispiel städtischer und niederadliger Gruppen die mit dem Ritual der Ahnenprobe verbundene ordnungs- und gemeinschaftsstiftende Wirkung herausgestellt.

Die angekündigte Tagung möchte diese Neuausrichtung aufnehmen und fortführen. Auf drei Ebenen soll sich der Ahnenprobe genähert werden:

Zum einen sollen die im Zusammenhang mit der Ahnenprobe stehenden Diskurse und ihre Medialität in den Mittelpunkt gerückt werden. Zu thematisieren sind etwa theoretische Abhandlungen über die Praxis der Ahnenprobe. Diese suchten die scheinbar natürlich gesetzten, genealogisch begründeten Ordnungsvorstellungen mit biblischen Bezügen zu legitimeren und fanden nicht selten auch im sakral aufgeladenen Ritual eine symbolische Überhöhung. In diesem Zusammenhang ist ebenfalls die Repräsentation von Ahnenproben in unterschiedlichen Medien (Publizistik, Kunstwerke, Architektur) zu untersuchen.

Zum zweiten gilt es, die Ahnenprobe als entscheidungsorientiertes Verfahren zu begreifen. Zu fragen ist nach den Mechanismen der Willensbildung, die im Zusammenhang mit der „Probe“ ausgemacht werden können, sowie nach den Formen der Schriftlichkeit, wie sie etwa in zusätzlichem „Beweismaterial“ einen Niederschlag erfuhr. Diese Bereiche der Entscheidungspraxis sind im Hinblick auf die Handlungs- und Interpretationsräume der beteiligten Akteure zu beleuchten.

Zum dritten soll der Blick auf die eigentliche „Aufschwörung“ (feierliche Aufnahme) gerichtet werden, womit sowohl Überlegungen der Ritualtheorie als auch der Erinnerungsforschung zusammengeführt werden können. Nicht nur wurden im Ritual bestimmte Familienbeziehungen erinnert und gestiftet, auch wurden zugleich ständische Unterscheidungen konstituiert und fortgeschrieben. Zu fragen ist somit ferner nach den symbolisch-performativen Arrangements der Ahnenprobe sowie der damit verbundenen Visualität und Öffentlichkeit.

Ziel der interdisziplinär angelegten Tagung soll es demnach sein, die kommunikative Praxis der Ahnenprobe anhand von unterschiedlichen Beispielen zu untersuchen und ihre grundlegende Bedeutung für die Ständegesellschaft zu diskutieren.

Die Tagung wird in Kooperation mit dem Sonderforschungsbereich 496 „Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme“, Teilprojekt C 1 „Zur symbolischen Konstituierung von Stand und Rang in der Frühen Neuzeit“ von Frau Prof. Dr. Barbara Stollberg-Rilinger veranstaltet.

Es werden Reise- und Übernachtungskosten übernommen.

Interessenten werden gebeten, eine kurze Skizze ihres Vortragsthemas (max. eine Seite) bis zum 15. Mai 2009 an die u.g. Adresse zu senden.

Programm

Kontakt

Elizabeth Harding/ Michael Hecht

eharding@uni-muenster.de/ michael.hecht@uni-muenster.de

Westfälische Wilhelms-Universität
Historisches Seminar
Domplatz 20-22
48143 Münster

http://www.uni-muenster.de/Geschichte/hist-sem/LG-G/