Das Programm der Medien. Medienwissenschaftliches Symposium der DFG

Das Programm der Medien. Medienwissenschaftliches Symposium der DFG

Veranstalter
Prof. Dr. Dieter Mersch Institut für Künste und Medien Universität Potsdam
Veranstaltungsort
‚Kutschstall im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte’ 14467 Potsdam, Schlossstrasse 12
Ort
Potsdam
Land
Deutschland
Vom - Bis
21.09.2009 - 24.09.2009
Deadline
31.03.2009
Website
Von
Prof. Dieter Mersch

Zum ersten Mal wird 2009 ein ‚Medienwissenschaftliches Symposium’ der DFG stattfinden. Es wird das erste einer Reihe von Symposien sein, die danach alle 2 Jahre unter verschiedenen Themen von der DFG veranstaltet werden sollen. Ihre Aufgabe wird es sein, die Entwicklung der Medienwissenschaft in Deutschland und ihres geistes- und kulturwissenschaftlichen Selbstverständnisses durch die Diskussion zentraler, gemeinsam interessierender Themen voranzubringen.

Die Teilnahme am Symposium setzt voraus:
- die Zusendung des Titels eines Beitrags im Rahmen einer der 4 Sektionen bitte möglichst bis zum 31. März 2009 und eines Abstracts (ca. 1 Seite) bis Ende April,
- die schriftliche Vorlage des Beitrags (nicht mehr als 30 Seiten) bis zum 30. Juni 2009
- die Bereitschaft, ein kurzes Korreferat zu einem der jew. anderen vorgelegten Beiträge zu übernehmen
- die Bereitschaft, während der gesamten Zeit des Symposiums an den Diskussionen teilzunehmen

Das erste ‚Medienwissenschaftliche Symposium’ wird sich dem Thema 'Das Programm der Medien' widmen. Indem der Programm-Begriff ins Zentrum gerückt wird, ergeben sich verschiedene Möglichkeiten einer Annäherung an den Medien-Begriff: So kann Programm traditionell als diskursive Verlautbarung oder Struktur und Anordnung medialer Formen in den handwerklichen Künsten ebenso wie in den technischen Massenmedien verstanden werden. Die Programmierung ordnet mediale Verfahren zwischen symbolischen und technischen Registern an. Programmierbar scheint inzwischen alles zu sein, was zwischen Medium und Form als Programm (auch des Lebens?) artikuliert und (re-)organisiert werden kann. Programme organisieren und artikulieren Macht, was auch bedeutet, ihre Wirkungsdimensionen genderkritisch reflektieren zu müssen.
In diesem Sinne kann der Programm-Begriff programmatisch für eine Medienwissenschaft werden, die sich auch künftig immer wieder neu erfinden und im Milieu der Wissenschaften ebenso wie in ihren Beziehungen zu den Künsten und alten und neuen Medien wird behaupten müssen.

Die große Vielfalt der Beziehungen zwischen Programm und Medium wurde für das Symposium in vier Sektionen gebündelt, die innerhalb von zwei Tagen nacheinander ihre Schwerpunkte behandeln. Dieses Tagesprogramm soll durch ein Abendprogramm (moderierte künstlerische Performance, verantwortlich: Mersch, Ungeheuer) und eine musikbezogene Begleitausstellung (Konzertprogramme, Programmmusik, programmatische Manifeste, Programmierschriften, verantwortlich: Ungeheuer) ergänzt werden, die jeweils auf unmittelbar sinnliche Weise zum Programm-Begriff Stellung nehmen.

Rückfragen:
Prof. Dr. Joachim Paech (Jopaech@aol.com)

Programm

Sektion 1: Programme (verantwortlich Joachim Paech, Konstanz)

In der 1. Sektion sollen Programme in ihrer medialen Form und Bedeutung für die diskursive, textuelle etc. Ankündigung von religiösen, politischen, künstlerischen, massenmedialen etc. Ereignissen und deren Anordnung in zeitlichen Abläufen im Mittelpunkt stehen. Chiliastische Erwartungen und politische Versprechungen sind immer wieder in Programmen formuliert worden. Über Programme werden Machtansprüche formuliert. Mechanisch programmierte Produktionsabläufe haben das Modell auch für die Programme der Vermarktung ihrer Produkte (z.B. in Waren-Katalogen) abgegeben. Künstlerische Formen sind in Programmen ihrer Autoren identifizierbar, in Museen und in Katalogen angeordnet; das Transitorische ihrer Ereignishaftigkeit macht die Erreichbarkeit musikalischer, theatraler oder kinematographischer Aufführungen von ihrer Anordnung in Programmen geradezu abhängig. Das gilt auch für die Elemente massenmedialer Angebote, die ohne ihre Ordnung in Gattungen, Genres und Formaten und ihre Anordnung in Programmen ihrer Medien-Institutionen in der Form gar nicht möglich wären. Massenmedien wie Radio oder Fernsehen sind in erster Linie ihre Programme, die als zeitliche Sequenzen in speziellen Programm-Medien (Zeitschriften, online-Programmen etc.) räumlich übersichtlich erscheinen. Ihre Aufgabe (das bei Programmänderungen oder –ausfällen nicht immer eingelöste Versprechen) ist, dass die Unwahrscheinlichkeit, eine bestimmte Sendung (oder Ereignis) zu finden oder überhaupt zu identifizieren, wahrscheinlich wird und deren Rezeption an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt gelingt. Programme sind so gesehen Transformationen oder (nach Luhmann) ‚Medien’ mit der Besonderheit ihrer operativen Verwendung in medialen Prozessen. Programmgeschichte wird im Wesentlichen institutionell geschrieben (Kirche, Parteien, Staat, Firmen, Künstlergruppen etc.): Wie organisieren Programme soziokulturelle Prozesse, aus denen heraus sie wiederum formuliert werden? Wie ordnen Programme (religiöse, politische, künstlerische, massenmediale) Ereignisse an, die in ihrem Programm überhaupt erst als Ereignis strukturiert werden? Wie haben sich Programme in bestimmten (künstlerischen oder Massenmedien) charakteristisch entwickelt? Ist das Programm der Moderne ein Medien-Programm und programmiert es unterschiedliche Gender-Aspekte? Systematisch zielt die Sektion auf Untersuchungen zum Verhältnis Programm / Medium über die Frage zum Beispiel, wie Medien die Formen, in denen sie erscheinen, zwischen Medium und Form (à la Luhmann durch die festere Koppelung ihrer Elemente – aber wie?) ‚programmieren’?

Sektion 2: Was ist Programmieren? (verantwortlich Hartmut Winkler, Paderborn)

Fasst man Programmieren als Tätigkeit, denkt man zunächst an den Computer. Menschen sagen Computern, was sie tun sollen; das Programmieren geht der maschinellen Ausführung notwendig voran. Aber sind es in jedem Fall Menschen, die die Programme schreiben? Am Programmieren sind immer schon Programme beteiligt. Programme selbst führen Handlungen aus und eine bestimmte Sorte Programme nennt man Software-‚Agenten’. Wenn Programme also symbolische Konstrukte sind, sind diese in besonderem Maße ‚performativ’?
Und ähnlich im Fall der technologischen Basis, der Hardware. Latour hat am Beispiel des ‚Berliner Schlüssels’ beschrieben, dass materielle Objekte ganze Handlungssequenzen enthalten. Kann man Technologien also als eine Form der Programmierung verstehen? Schreiben Objekte bestimmte Nutzungsformen fest? Dann wären es letztlich die Nutzer, die ‚programmiert’ werden. Oder greift dies zu kurz, insofern Technik immer Folgen hat, die gerade nicht intendiert waren. Zumindest scheint es Programme zu geben, die mehr oder minder resultatoffen sind. In welchem Verhältnis stehen Programmieren, faktische Folgen und Intention?
Allgemeiner kann man nach dem Handlungsmodell und der Handlungsfähigkeit ‚Agency’ fragen. Ist, wer programmiert, in einer machtvollen Position? Es fällt auf, dass Computerprogramme in Imperativen formuliert werden. Programm und ‚Ausführung’ sind strikt getrennt, die Kybernetik trägt den Anspruch auf ‚Steuerung’ schon im Namen. Kehrt hier die Logik von Herr und Knecht, von Kopf- und Handarbeit wieder? Gleichzeitig erscheint die Handlungsmacht zwischen Menschen und Technik verteilt.
Wenn man den Blick auf die anderen Medien erweitert: Sind Programme auch dort zwangsläufig mit bestimmten Rollen verknüpft? Gibt es Gegenprogramme, die die in Programmen abgelagerte Macht konterkarieren?
Und schließlich scheint Programmieren nicht in jedem Fall an Bewusstsein und Planung gebunden. Gibt es Formen der ‚Programmierung’ z.B. auch im Unbewussten? In Konvention und Gewohnheit? In den Festlegungen des Instinkts? In der Natur? Wenn dies der Fall ist, wäre zu fragen, im welchem Sinne. Handelt es sich um eine Metapher, oder um mehr? Beziehen sich die semiotisch-technischen Verfahren des Programmierens auf diese unbewussten Register zurück?

Sektion 3: Was ist programmierbar ? (verantwortlich Lorenz Engell, Weimar)

„Nur antizipierbare Welten sind programmierbar, nur programmierbare sind konstruierbar und human bewohnbar.“ (Max Bense, 1969)
Max Benses entschlossenes Statement würde in dieser Form heute gewiss nicht mehr vertreten werden können und ruft zumindest Fragen auf. Trotz der Rede vom „Programm des Lebens“ würde gegen die Identifikation ausgerechnet des Humanen mit dem Programmierbaren vermutlich Einspruch eingelegt. Aber auch die Gleichsetzung des Programmierbaren mit dem Antizipierbaren ist nicht mehr auf dem Stand der Dinge, wenn längst auch der Zufall, Inbegriff des Unvorhersehbaren, von Programmen erzeugt werden und nur im Rahmen strukturierter Notwendigkeit vorkommen kann. Und schließlich kann auch nicht übersehen werden, dass Konstruieren und Programmieren zwei durchaus verschiedene welterzeugende Tätigkeiten sein können, die sich unterscheiden mögen wie die List vom Wissen und die einander wohl eher durchkreuzen, allenfalls ergänzen. Sinn macht Benses Äußerung jedoch durchaus als – polemisches – Dokument. Es belegt, daß das Programmieren einmal ein heroischer Abwehrgestus gegen eine wilde, unvorhersehbare, unverfügbare und menschenfeindliche Welt sein konnte, die es zurückzudrängen galt wie, so Bense im selben Atemzug, das Metaphorische zugunsten des Mathematischen, das Problematische zugunsten des Systematischen.
Was ist aber aus dieser wilden Welt und dieser Abwehrgeste in den letzten vierzig (und mehr) Jahren geworden? Die Grenzen der Programmierbarkeit sind nicht mehr so einfach auszumachen. Längst ist z.B. Systematische, die bewohnbare Welt, das Programm der Intelligenz selbst das Problem; wird die Metapher ihrerseits mathematisch erzeugt. Unvorhersehbarkeit und Unmenschlichkeit haben sich ihrerseits als programmierbar erwiesen, und die Experimente programmierter Kreativität schaffen es genau so in die Museen und Galerien wie andererseits die trotzige Behauptung eines Eigensinns der Materiellen. Auch Wirtschaft und Politik, Lust und Liebe werden wider besseres Wissen mitten im Bewohnbaren sorgsam als Restsphären nicht durchgängig programmierter Emergenz ausgewiesen und adressiert, gehegt und gepflegt. Das Spiel ist zum Inbegriff des Programms geworden. Was ist dann der spezifische Status, technologisch, ontologisch, ästhetisch gesehen, des Programmierbaren, und im Gegensatz oder wenigstens im Spannungsverhältnis wozu entfaltet es sich?
Oder aber kann das Programmierbare gar nicht mehr an seinen Außengrenzen sistiert werden? Dann wäre die Welt des Programmierbaren nur über ihre Binnengliederungen zu begreifen, über das Nebeneinander und Gegeneinander verschiedener und widerstreitender Programme, und deren Interaktion und wechselseitige Produktion käme als immanente Außenseite des Programmierbaren mitten in der Programmwelt in Frage. Was für eine Welt wäre das? Das Programmieren können wir aber auch als – im Doppelsinne – das Anordnen zu begreifen versuchen. Eigentlich geht es dann sogar um das Anordnen von Anordnungen, die zu befolgen sind, die Folgen zeitigen und also lineare, allenfalls rückgekoppelte Zeit generieren. Temporalisierbarkeit wäre dann ein weiterer möglicher Grundzug des Programmierbaren, und seine Grenze fände es in allem Zeitresistenten, in Augenblick und Ewigkeit. Das Programm wäre dann im Spannungsverhältnis zum Projekt zu lesen. Auch Anordnungen im Raum wären dann zwar möglicherweise als Programme anzusehen, etwa des Verhaltens und der Bewegung, aber dennoch zugleich als Komplement zum Programmierbaren wirksam.
Aber auch das Umgekehrte ist denkbar: Nur Programme sind programmierbar. Nur, was schon vor dem Programmieren die Form des (Vor-)Programms hat, lässt sich programmieren. Wenn nämlich Programme als Formen, d.h. als Kopplungen von Ereignissen fungieren, dann bedürfen sie der Medien, in denen sie diese Kopplungen vornehmen. Medien jedoch haben die Ereignisse immer schon vorsortiert, haben ihnen schon immer – locker - programmförmige Anordnung verliehen. Medien und Programme wären dann zwar voneinander und relativ zueinander unterscheidbar, aber zugleich nahtlos ineinander konvertierbar. Die gleichsam vorbereitende Herstellung von Programmierbarkeit wäre dann die Funktion der Medien. Das Programmierbare wäre das Mediale schlechthin.

Sektion 4: The Research Program of Media Studies [Medienwissenschaft] (verantwortlich John Durham Peters (Department of Communication Studies), University of Iowa, USA)

Media Studies has a long past but a short history, as Ebbinghaus supposedly once said of psychology. Precipitously coming together in the late twentieth century, the academic field of media studies has been fiercely interdisciplinary in its ambitions and voracious in its interdisciplinary borrowings. For some of its practitioners, media studies is not just one among many competing fields: it is a new meta-field that promises to engulf and govern several older fields by bringing together the natural and the social sciences, the humanities and the fine arts, mathematics and philosophy. On some campuses around the world, departments of media studies recreate the intellectual and disciplinary diversity once found across several faculties. If media are indeed fundamental to political and cognitive order, then media studies endorses a vision of history, culture, and society that promises to rewrite our understanding of the past, present, and future.
The last thing to be secured in a science is its foundation, quipped Alfred North Whitehead, and media studies has reached a point in which it needs to shore up and secure its intellectual resources and disciplinary identity. This section proposes to make a critical inventory of the traditions and opportunities as well as pitfalls found in the new blossoming of media studies. To what extent is there a canon of media studies? What are its central methods and questions? What is the legitimacy of the practice of rereading older authors and texts, retroactively baptizing them as media scholars? To what degree are different traditions of scholarship ripe for interdisciplinary dialogue with media studies? To what degree can media studies in the German language exist apart from its strong philological method and philosophical inheritance? To what degree may we incorporate diverse intellectual traditions into the ambit of media studies—such as German idealism, psychoanalysis, American pragmatism, the Frankfurter Schule, Canadian political economy, art history, the sociology of media and Publizistik, Foucaultian archaeology, feminist and critical race analysis, etc.? To what degree is the intellectual heritage of media studies a wish-list or fantasy of noble ancestors? What principles can help produce a useable past for media studies that is equal to the ambition and intellectual excitement of the field?

Some specific areas for consideration:
Classics: orality and literacy, the Homer problem,
Comparative religion: ritual practice as cosmological media
History: the record and its transmission as a media problem
Literature: the seedbed of modern media studies
Law: inscription, filing, and documentation practices
Mathematics: paper-machines as the context of mathematical production
Medicine: the body as fundamental datum of media studies
Music: performance, notation, and reproduction
Theology: “media salutis”

Kontakt

Prof. Dr. Dieter Mersch

Institut für Künste und Medien Universität Potsdam
Am Neuen Palais 10 14469 Potsdam
0331 977 4160

dmersch@uni-potsdam.de


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