Hat Strafrecht ein Geschlecht?

Hat Strafrecht ein Geschlecht?

Veranstalter
Dr. Christine Künzel und Prof. Dr. Gaby Temme, Sektion Genderperspektiven der GiwK in Kooperation mit der GiwK (Gesellschaft für interdisziplinäre wissenschaftliche Kriminologie), dem Zentrum für interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung der Universität Oldenburg und dem Zentrum für Gender Studies der Universität Bremen.
Veranstaltungsort
BIS-Saal der Universität Oldenburg
Ort
Oldenburg
Land
Deutschland
Vom - Bis
12.06.2009 - 13.06.2009
Deadline
15.05.2009
Website
Von
Christine Künzel

Recht ist kein geschlechtsneutraler Diskurs, sondern hat gewissermaßen ein „Geschlecht“. Dies wurde sowohl von Seiten einer feministischen als auch von einer gendertheoretisch ausgerichteten Rechtswissenschaft (Legal Gender Studies) und Kriminologie längst festgestellt und auf unterschiedlichen Ebenen diskutiert.

Insbesondere abweichendes, kriminelles Verhalten ist in historischer Perspektive geschlechtsspezifisch aufgeladen bzw. markiert (vgl. u. a. Begriffe wie „der Lustmörder“, „die Giftmörderin“, „der Kinderschänder“, „die Kindsmörderin“). Deshalb ist in einem weiteren Schritt zu fragen, wie es sich mit der Kategorie des Geschlechts im Bezug auf das Strafrecht verhält. Hat auch das Strafrecht ein Geschlecht?

Ziel der Tagung ist es, einen multiperspektivisch-interdisziplinären Blick auf das Thema „Geschlecht und Strafrecht“ zu werfen. Es geht darum, sich mit möglichen Konstruktionsmechanismen von Geschlecht im Strafrechtssystem näher auseinandersetzen.

Leitend sind die folgenden Fragen:

- Inwiefern war und/oder ist dem Strafrecht in seiner gesetzlich festgelegten Form ein Geschlecht bzw. eine Geschlechterdifferenz eingeschrieben?

- Ist aus der Anwendungspraxis des Strafrechts eine Relevanz der Kategorie Geschlecht erkennbar?

- Produzieren bzw. verstärken oder vermindern Akteure in Strafrechtsinstitutionen oder mit dem Strafrecht verbundene Institutionen das Moment einer Geschlechtsspezifik des Strafrechts?

- Gibt es bestimmte Delikte, die (immer noch) geschlechtsspezifisch aufgeladen sind?

- Bei der Strafrechtsreform 1997/98 wurde bei bestimmten Delikten (u.a. Vergewaltigung) eine geschlechtsneutrale Formulierung (Person) eingeführt. Wie sind derartige Neutralisierungsversuche zu bewerten?

Anmeldungen zur Tagung bitte bis zum 15.05.2009 an Christine Künzel (ch.kuenzel@freenet.de) oder Gaby Temme (gabytemme@gmx.de).

Tagungsbeitrag: 16.00 Euro (2 Tage); 10 Euro (1 Tag); Studierende: 5.00 Euro (pro Tag)

Der Tagungsbeitrag wird vor Ort erhoben.

Programm

Freitag, 12.06.09

ab 9.00 Uhr: Ankunft der TeilnehmerInnen und gemeinsames Kaffeetrinken

9.30 – 10.00 Uhr: Begrüßung durch die Veranstalterinnen

10.00 – 11.00 Uhr:
Prof. Dr. Gerlinda Smaus (Soziologin, Saarbrücken, Brno/Teschechien):
Welchen Sinn hat die Frage nach dem Gender des Strafrechts?
Eröffnungsvortrag mit anschließender Diskussion

11.00 – 11.30 Uhr: Kaffeepause

I. Kindsmord und Abtreibung

Moderation: Dr. Christine Künzel, Literatur- u. Kulturwissenschaftlerin, Hamburg)

11.30 – 12.15 Uhr:
Annika Lingner (Literaturwissenschaftlerin, Leipzig):
„Schröcklich pocht schon des Gerichtes Bote“: Zur Medialität des Strafrechts – Kommunikation und Infantizid in der Literatur des 18. Jahrhunderts

12.15 – 13.00 Uhr
Sara Jackson (Germanistin, Ann Arbor/Michigan/USA):
Die Strafbarkeit und der Kindesmord um die Jahrhundertwende (1900): die Kriminalität der Kindesmörderin

13.00 – 13.45 Uhr
Dr. Szilvia Bató (Rechtswissenschaftlerin, Budapest/Ungarn):
„Erprobte Weibspersonen“ oder unwissende Mädchen? Geschlechtsspezifische Straftaten: Kindsmord und Abtreibung

13.45 – 15.00 Uhr: Mittagspause

II. Sexualstrafrecht

(Moderation: Prof. Dr. Konstanze Plett, Juristin & Rechtssoziologin, Bremen)

15.00 – 15.45 Uhr
Dr. Susanne Hehenberger (Historikerin, Wien/Österreich):
Sexualstrafrecht und Geschlechterordnung im frühneuzeitlichen Österreich

15.45 – 16.30 Uhr
Dr. Dorota Schreiber-Kurpiers (Historikerin, Opole/Polen) / Dr. Marie-Emanuelle Reytier (Historikerin, Quebec/Kanada):
Die vergewaltigten Frauen: Opfer oder Verführerinnen? Die Haltung der Militärjustiz angesichts der von den deutschen und französischen Truppen verübten Fällen von Vergewaltigung (1914-1925)

16.30 – 17.00 Uhr: Kaffeepause

17.00 – 17.45 Uhr
Isabel Kratzer (Rechtswissenschaftlerin, Augsburg):
Die Entwicklung des Vergewaltigungstatbestandes, § 177 StGB: Ausdruck einer patriarchalisch geprägten Gesellschaft

III. Strafvollzug

17.45 – 18.30 Uhr
Torsten Sander (Germanist & Antiquar, Dresden):
Das Buch in der Zelle – Geschlechterpädagogik im Strafvollzug am Beispiel des „Bücherverzeichnis für Frauen“ der Bücherei der Vereinigten Gefangenenanstalten zu Waldheim (1928)

19.00 Uhr: Treffen für Interessierte: Spaziergang durch die Oldenburger Innenstadt und gemeinsamer Abend
Samstag, 13.06.09

Ab 10.00 Uhr Morgenkaffee

IV. Geschlecht und Strafrecht im NS-Staat

(Moderation: Prof. Dr. Gaby Temme, Rechtswissenschaftlerin & Kriminologin, Oldenburg)

10.30 – 11.15 Uhr:
Karen Holtmann (Historikerin, Bielefeld):
Zwischen Politisierung und Entpolitisierung: Wahrnehmungen, Zuschreibungen und (Selbst-) Deutungen von Frauen und Männern in Hochverratsprozessen vor dem nationalsozialistischen Volksgerichtshof am Beispiel der Saefkow-Jacob-Bästlein-Gruppe (1944/45)

11.15 – 12.00 Uhr:
Michael Löffelsender (Historiker, Köln):
Frauen vor Gericht. Die nationalsozialistische Strafrechtsprechung in den Jahren 1939 bis 1945

12.00 – 13.00 Uhr: Mittagspause

V. Strafrecht, Gesellschaft, Politik und Kultur

(Moderation : Petra Schmittner, Politologin & Kriminologin, Marburg)

13.00 – 13.45 Uhr:
Jutta Elz (Pädagogin & Rechtswissenschaftlerin, Wiesbaden) / Prof. Dr. Dagmar Oberlies (Rechtwissenschaftlerin, Frankfurt/Main):
Lesarten – Kriminalität, Geschlecht und die amtliche Statistik

13.45 – 14.30 Uhr:
Dr. Martina Althoff (Soziologin & Kriminologin, Groningen/Niederlande):
„Intersectionality“ und das Strafrecht

14.30 – 15.00 Uhr
Abschlussdiskussion: „Hat Strafrecht ein Geschlecht?“

Kontakt

Christine Künzel

Institut für Germanistik II, Universität Hamburg

ch.kuenzel@freenet.de


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