American Modernism: Die Vereinigten Staaten auf dem Weg in multiple Modernen, 1900-1940

American Modernism: Die Vereinigten Staaten auf dem Weg in multiple Modernen, 1900-1940

Veranstalter
Prof. Dr. Thomas Welskopp (Stipendiat des Historischen Kolleg), Historisches Kolleg
Veranstaltungsort
Historisches Kolleg, Kaulbachstraße 15, 80539 München
Ort
München
Land
Deutschland
Vom - Bis
16.04.2009 - 18.04.2009
Von
Gelberg, Karl-Ulrich

Die Zwischenkriegszeit gilt für die Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika als die Ära ungebremster „Modernität“ schlechthin. Das sahen schon viele Zeitgenossen so und man kann das „Jazz Age“ mit Francis Scott Fitzgerald auch als Zeit eines bestimmten Habitus, eines radikalen, tollkühnen „Modernismus“, begreifen, als kulturelle Überformung, die für Fitzgerald freilich nur wenige Jahre Bestand hatte.

Doch wie tief ging und was umfasste diesen vermeintlichen Katapultstart in die „Moderne“ amerikanischer Prägung? Charlie Chaplin präsentierte uns 1936 in „Modern Times“ eine karikierte Ultramoderne als dünne Spitze eines Eisbergs. Nach seiner psychopathologischen Entfernung aus der „fordistischen“ Fabrik nahm sein Held, der Tramp, nacheinander immer altertümlichere Jobs in zunehmend traditionellen Arbeitsumgebungen an, bis er auf der Stufe eines Hilfsarbeiters, der Gräben schaufelt, angekommen war. Auch sonst bergen die 1920er und 1930er-Jahre eine Vielzahl gesellschaftlicher, kultureller und politischer Phänomene, die an der Einheitlichkeit einer „amerikanischen Moderne“ zweifeln lassen: unter anderem die Prohibition, der religiöse Fundamentalismus, Gewalt und Rassismus im „Alten Süden“, der zweite Ku Klux Klan, der Scopes-Prozess usw. Man darf auch nicht vergessen, wie viel völlig unzugängliche Provinz die Vereinigten Staaten am Anfang des ersten Automobilisierungsjahrzehnts noch waren.

Auf der anderen Seite konnten sich selbst als „modern“ empfindende wissenschaftliche Bewegungen wie die Eugenik in Sachen Prohibition unverdrossen Allianzen mit den protestantischen Evangelikalen eingehen. In der ersten Hälfte des Jahrzehnts dominierte ein repressiver Antiindividualismus das Recht, auch das Verfassungsrecht, nur um gegen Ende der 1920er-Jahre einem betont männlichen Liberalismus Platz zu machen. Werbestrategen entwarfen für amerikanische Präsidentschaftskandidaten marketinggerechte Wahlkampagnen, die die Politiker aber als leutselige Vertreter eines „Small Town America“ aus den 1890er-Jahren aussehen ließen. Entsprach die Laisser-faire-Wirtschaft der Coolidge- und Hoover-Jahre der „amerikanischen Moderne“ oder eher die Interventionsökonomie des „New Deal“?

In den letzten Jahren hat die Forschung einen eigenen, amerikanischen Weg in die „Moderne“ propagiert, der von der zum Beispiel in der deutschen Entwicklung verkörperten abgewichen sei, wenn die „Modernisierungspfade“ auch – zwar nicht völlig parallel – aber doch in dieselbe Richtung liefen.

Aber könnte es nicht sein, dass es gar keinen als besondere Variante abgrenzbaren, einigermaßen einheitlichen „amerikanischen“ Typus der „Moderne“ gegeben hat, sondern dass sich von vornherein eine ganze Bandbreite von widersprüchlichen „Modernen“ entwickelte, gespeist aus sowohl allgemeinen transnationalen als auch spezifisch amerikanischen Traditionen und pfadabhängigen Entwicklungen? Wenn „die Moderne“ keine spezifische Gestalt hat, sondern eine beschleunigte Zunahme von institutionalisierten Selektions- und Evolutionsmechanismen zum Inhalt hat, die sich auf jedwede „traditionelle“ Sozialform „aufsetzen“ und sie auf Dauer „auszehren“ können, dann erschließt sich eher ein Bild der regional gefärbten Vielfältigkeit. Eine solche Vorstellung zwingt aber auch zu einem viel genaueren Hinsehen, wenn wir Phänomene als eher „modern“ oder eher „traditionell“ kategorisieren wollen.

Die geplante Tagung soll sich diesen Fragen in der Arbeitsweise eines Workshops annehmen. Gefragt sind weniger geschliffene Vorträge als vielmehr explorative Überlegungen, die erst nach der Tagung zu einem in Aussicht gestellten Sammelband ausgearbeitet werden sollen. Die Teilnehmer werden eingeladen, der Frage nach den „multiplen Modernen“ in den USA des frühen 20. Jahrhunderts in ihrem engeren Interessengebiet nachzugehen. Sie mögen aber gern auch aus ihrem jeweiligen Blickwinkel synthetische Überlegungen beisteuern. Die Beiträge können sowohl primär empirisch als auch überblicksartig oder systematisch-theoretisch angelegt sein. Im Zuschnitt ihres Beitrags sind die eingeladenen Teilnehmer weitgehend frei, und auch experimentelle Ideen für die Beiträge sind hoch willkommen. Das konzeptionelle Problem der „multiplen Modernen“ wird bei dieser Tagung sicher auch theoretisch-methodologische Entwürfe herausfordern, die über den Gegenstand der Vereinigten Staaten in der Zwischenkriegszeit hinausschauen. Auf der anderen Seite ist die Frage nach der oder den „amerikanischen Modernen“ zweifellos von großer tagespolitischer Aktualität.

Programm

Donnerstag, 16.04.2009

16:00 Uhr
Thomas Welskopp (Bielefeld/München): Begrüßung

16:30 Uhr
Alan Lessoff (Normal, Ill.): Transnational Perspectives on Understanding American Progressivism

18:00 Uhr
Buffet im Gartensaal des Historischen Kollegs

Freitag, 17. 04. 2009

9:00 Uhr
Daniel Siemens (Bielefeld): Der Kult des Lebens. Einige Bemerkungen zu Individualität, Glück und Moral in den USA und Deutschland zwischen 1900 und 1940

9:20 Uhr
Jürgen Martschukat (Erfurt): Sport und das moderne Subjekt

9:40 Uhr
Angelika Epple (Bielefeld): Kommentar

10:00 Uhr
Disskusion

11:00 Uhr
Kaffeepause

11:30 Uhr
Rainer Prätorius (Hamburg): Pragmatismus und Pluralismus als Modernisierungs-Kitt: Public Intellectuals am Vorabend des New Deal (z.B. Lippmann)

11:50 Uhr
Michael Hochgeschwender (München): Scopes Trial und die Hintergründe des Stadt-Land-Gegensatzes in den 1920er-Jahren

12:10 Uhr
Kiran Patel (San Domenico di Fiesole): Kommentar

12:30 Uhr
Diskussion

13:30 Uhr
Mittagessen

15:00 Uhr
Manfred Berg (Heidelberg): Lynchjustiz

15:20 Uhr
Silvan Niedermeyer (Erfurt): Folter, Rassismus und Bürgerrechte in den amerikanischen Südstaaten (1930-1955)

15:40 Uhr
Wolfgang Knöbl (Göttingen): Kommentar

16:00 Uhr
Diskussion

17:00 Uhr
Kaffeepause

17:30 Uhr
Norbert Finzsch (Köln): Afroamerikanische Geschichte

17:50 Uhr
Frank Uekötter (München): Conservation. Ein amerikanischer Sonderweg des modernen Umweltmanagements

18:10 Uhr
Christof Mauch (München): Kommentar

18:30 Uhr
Diskussion

Samstag, 18. 04. 2009

9:00 Uhr
Thomas Welskopp (Bielefeld/München): Anti-Saloon League und Klu Klux Klan: Die Stunde der „charismatischen Verbände“

9:20 Uhr
Linards Udris (Zürich): Veränderungen in der amerikanischen Medienlandschaft in den 1920er-Jahren

9:40 Uhr
Andreas Etges (Berlin): Kommentar

10:00 Uhr
Kaffeepause

10:30 Uhr
Abschlußdiskussion

12:30 Uhr
Abreise/Ende der Tagung

Kontakt

Prof. Dr. Thomas Welskopp (thomas.welskopp@historischeskolleg.de)

Historisches Kolleg, Kaulbachstraße 15, 80539 München

http://www.historischeskolleg.de/vortraege/frame.htm
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Deutsch
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