Erschließen – Übersetzen – Verstehen – Anwenden. Kulturpraktiken in Pietismus und Aufklärung

Erschließen – Übersetzen – Verstehen – Anwenden. Kulturpraktiken in Pietismus und Aufklärung

Veranstalter
Franckesche Stiftungen zu Halle in Kooperation mit dem Interdisziplinären Zentrum für Pietismusforschung und dem Interdisziplinären Zentrum für die Erforschung der Europäischen Aufklärung der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Veranstaltungsort
Franckesche Stiftungen zu Halle, Historisches Waisenhaus (Haus 1), Russlandzimmer und Amerikazimmer, Franckeplatz 1, 06110 Halle a.d. Saale
Ort
Halle an der Saale
Land
Deutschland
Vom - Bis
03.03.2009 - 04.03.2009
Website
Von
Franckesche Stiftungen zu Halle, IZP und IZEA

Seit dem Jahr 2000 fördert die Fritz Thyssen Stiftung ein interdisziplinäres kulturwissenschaftliches Stipendienprogramm in den Franckeschen Stiftungen zu Halle, um WissenschaftlerInnen aus dem In- und Ausland die Möglichkeit zu geben, während eines dreimonatigen Aufenthalts in Halle Themen aus dem Bereich der Pietismus- und Aufklärungsforschung an Hand der herausragenden Bibliotheks- und Archivbestände vor Ort zu bearbeiten. Bei der Vergabe der Stipendien und der wissenschaftlichen Betreuung der StipendiatInnen kooperieren drei wissenschaftlich arbeitende Institutionen, die ihren Sitz auf dem Gelände der Franckeschen Stiftungen haben: das Studienzentrum August Hermann Francke mit Archiv und Bibliothek der Franckeschen Stiftungen, das Interdisziplinäre Zentrum für die Erforschung der Europäischen Aufklärung der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg sowie das Interdisziplinäre Zentrum für Pietismusforschung der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg in Verbindung mit den Franckeschen Stiftungen.
Die internationale Tagung „Erschließen – Übersetzen – Verstehen – Anwenden. Kulturpraktiken in Pietismus und Aufklärung“ zieht eine Bilanz und führt ehemalige StipendiatInnen in Halle zusammen. Der Titel setzt den in den gegenwärtigen kulturwissenschaftlich-methodologischen Diskussionen erprobten Begriff der Kulturpraktiken zentral: Das weite Feld von Aufklärung und Pietismus wird nicht in klassisch ideengeschichtlicher Manier von seiner theoretischen Dimension her, sondern vom Konkreten des Machens und Handelns, der Praxis auf unterschiedlichen Feldern und in unterschiedlichen Ausprägungen her untersucht, und zugleich und darüber hinaus werden dabei die von den StipendiatInnen geübten Arbeitstechniken in den unterschiedlichen von ihnen vertreten Disziplinen reflektiert.
Zudem befördert diese ortsbezogene Zusammenschau von Forschungsthemen und -feldern die wechselseitige Erhellung von Aufklärung und Pietismus. Damit stärkt sie grundsätzlich die inhaltliche Verzahnung und methodische (Selbst-)Reflexion von Aufklärungs- und Pietismusforschung und liefert zugleich konkrete Impulse für die insbesondere in Halle angestrebte interdisziplinäre Forschung zur „Halleschen Konstellation“, die im Unterschied zu den Bemühungen vergangener Zeiten nicht mehr so sehr das Trennende zwischen Pietismus und Aufklärung akzentuiert, sondern diese gerade in ihrer steten, engen und durchaus konfliktuösen Bezogenheit aufeinander in den Blick nimmt. Die „Hallesche Konstellation“ konnte deshalb – nicht nur in ideengeschichtlicher Hinsicht – Modellcharakter gewinnen, weil sich beide Strömungen in actu formierten und profilierten und diesen Prozess selbst unter den besonderen Bedingungen einer verstärkten Selbst- und Fremdbeobachtung reflektierten.
Insofern verfolgt die Tagung mehrere Ziele: Sie versteht sich als ein Ausweis für die in den vergangenen neun Jahren im Rahmen des Fritz Thyssen-Stipendienprogramms geleistete Arbeit, sie will mit der Leitkategorie der Kulturpraktik einen neuen methodischen Ansatz innerhalb bibliotheks- und archivbasierter Quellenforschungen ausloten und darüber Aufklärungs- und Pietismusforschung synergetisch zusammenführen, zum einen mit der lokal- und regionalgeschichtlichen Fokussierung auf die „Hallesche Konstellation“, zum andern mit dem Blick auf die europäischen und außereuropäischen Wirkungen und Rezeptionen sowohl des Pietismus als auch der Aufklärung.

Programm

Dienstag, 3. März 2009

14.00 Begrüßung und Einführung
Thomas Müller-Bahlke, Daniel Fulda, Udo Sträter

Sektion I: Aneignen / Begreifen
Einführung und Moderation: Thomas Müller-Bahlke

14.30
Kelly Whitmer (CND-Vancouver / Berlin)
Versöhnung durch Modelle? Christoph Semlers Lehrpläne und die Macht der Anschauung

15.15
Eva Dolezel (Berlin)
„Von Schräncken und andern Repositoriis auff denen die Raritäten ausgeleget werden.“ Ausstellungsarchitekturen der Kunstkammer in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts

16.00 Kaffeepause

Sektion II: Wahrnehmen / Vermitteln
Einführung und Moderation: Daniel Fulda

16.15
Christoph Schmitt-Maaß (Köln / Halle a.d. Saale)
Gottesdiener und honnête homme: Die Erziehungs-instruktionen für Friedrich Wilhelm I. von Brandenburg durch August Hermann Francke und Gottfried Wilhelm Leibniz

17.00
Simon Grote (USA-Berkeley)
Das Gottesgesetz und die Ursprünge der ästhetischen Theorie in Halle (Divine Law and the Origins of Aesthetic Theory in Halle)

19.30 Öffentlicher Abendvortrag, Amerikazimmer
Martin Mulsow (Gotha)
Mikrogramme des Orients. Johann Christoph Wolfs Praktiken der Gelehrsamkeit

20.30 Kleiner Empfang auf der Konferenzetage

Mittwoch, 4. März 2009

Sektion III: Reisen / Übersetzen
Einführung und Moderation: Daniel Fulda

9.00
Jan Doktór (PL-Warschau)
Die Polenreisen der Emissäre des Callenbergschen Institutum Judaicum – Missionsstrategien und Wahrnehmung des Fremden

9.45
Carola Hilmes (Frankfurt a. Main)
„Schildkröten werden von Türken nicht gegessen“. Anmerkungen zu den großen Reisesammlungen im 18. Jahrhundert

10.30 Kaffeepause

Sektion IV: Kommunizieren / Vernetzen
Einführung und Moderation: Thomas Müller Bahlke

10.45
Gita Rajan (Halle a.d. Saale)
Wort – Ort. Zur Topographie der Missionskorrespondenz aus Tranquebar, Südindien (1706-1720)

11.30
Alexander Pyrges (Trier)
Innerkirchliche Erneuerungsbewegungen in der atlantischen Welt: Protestantische Vergesellschaftung in einem Globalen Interaktionsraum am Beispiel des Kolonialprojekts ‚Ebenezer’, 1730-1780

12.15 Pause

Sektion V: Lesen / Verstehen
Einführung und Moderation: Udo Sträter

14.00
Marianne Schröter (Frankfurt a. Main)
Aufklärung durch Historisierung. Johann Salomo Semlers Hermeneutik des Christentums

14.45
Malte van Spankeren (Münster)
Historia magistra vitae: Johann August Nösselts Hermeneutik der Geschichte und die Hochschulpolitik an der Fridericiana

15.30 Kaffeepause

Sektion VI: Selbst-Erfahrung und Selbst-Formung
Einführung und Moderation: Udo Sträter

15.45
Anne Lagny (F-Lille)
Wechselbeziehungen zwischen religiösem Denken, Ich-Bewusstsein und literarischen Texten im deutschen Pietismus

16.30
Matthias Graf (Büdingen)
„Ach Gott, wie muss das Glück erfreuen, der Retter einer Seele sein.“ Ehestiftung im pietistischen Adel am Beispiel von Auguste Friederike zu Ysenburg-Büdingen (1743-1783)

17.15 Schlussdiskussion

Die Tagung wurde großzügig von der Fritz Thyssen Stiftung unterstützt.

Kontakt

Dr. Christiane Holm
Interdisziplinäres Zentrum für die Erforschung der
Europäischen Aufklärung
Franckeplatz 1, Haus 54, 06110 Halle a.d. Saale
christiane.holm@izea.uni-halle.de