Depot und Plattform. Bildarchive im post-fotografischen Zeitalter

Depot und Plattform. Bildarchive im post-fotografischen Zeitalter

Veranstalter
Sektion Geschichte und Archive der Deutschen Gesellschaft für Photographie (DGPh) in Kooperation mit der Professur für Geschichte und Theorie der Fotografie an der Universität Duisburg-Essen
Veranstaltungsort
Museum für Angewandte Kunst in Köln
Ort
Köln
Land
Deutschland
Vom - Bis
05.06.2009 - 07.06.2009
Deadline
08.03.2009
Website
Von
Prof. Dr. Herta Wolf

Call for Papers
für eine Tagung

Depot und Plattform: Bildarchive im post-fotografischen Zeitalter

vom Freitag, den 5. bis zum Sonntag, den 7. Juni 2009

Deadline: 08. März 2009

„Es werden Sammlungen jeder Art entstehen,“ hatte Jacques Louis Mandé Daguerre 1838 in dem Handzettel geschrieben, mit dessen Hilfe er das von ihm und Joseph Nicéphore Niépce entwickelte fotografische Verfahren ökonomisch gewinnbringend zu verkaufen suchte. Und in der Tat hat sich Daguerres kommerziell motivierte Prophezeiung im doppelten Sinn bewahrheitet: Sind doch einerseits „Sammlungen jeder Art“ auf fotografischen Bildträgern entstanden, die andererseits immer Verwertungszusammenhängen, nicht zuletzt ökonomischen, eingebunden waren und bis heute noch sind. Bei diesen Sammlungen fungierte die Fotografie zugleich als Medium (d.h. als Wissensspeicher) und als Gegenstand (d.m. als fotografisches Objekt) des Archivs.
Durch Konzentrationsprozesse auf dem Bildermarkt einerseits und durch die Digitalisierung der Bilddaten andererseits haben sich die ehedem fotografiebasierten Archive radikal transformiert. Nicht nur dass ein Speichermedium, die Fotografie, durch ein anderes, elektronische Datenspeicher, ersetzt wurde, verändern sich durch diesen Transformationsprozess sowohl die Ordnung und damit die Verwaltung von Bilddatenbanken als auch der Zugriff auf Bildarchive und damit die Disseminationsbedingungen der in diesen gesammelten Bilder.
Denn da – dank unzähliger (im Wortsinn) Einzelbilder – nicht alle Fotografien eines Archivs digitalisiert werden können, bedeutet jegliche elektronische Erfassung von analogen Bildern, dass aus gewachsenen Sammlungsbeständen eine Auswahl getroffen werden muss. Diesem Selektionsprozess kommt allerdings – gerade weil Bilder, die nicht digitalisiert werden, nicht sichtbar sind – eine mehrfache Bedeutung zu: Einerseits repräsentiert die Auswahl den Zensus, das Vermögen des Bildarchivs; andererseits wird durch den mit der Digitalisierung einhergehenden Auswahlprozess das Archiv selbst reorganisiert, d.h. unter anderem eine Unterscheidung zwischen elektronisch auf Plattformen zuhandenen Bildern und solchen getroffen, die im Depot lagern, und auf die nicht mehr (so einfach) zugegriffen werden kann.

Beiträge zu folgenden Fragestellungen sind denkbar:

– Weil heute sowohl öffentlich-rechtliche Bildarchive ihre Bestände zunehmend verwerten (müssen) als auch kommerziell geführte Bildarchive, die – um ihre Sammlungen zu bewerben – Teile ihrer historischen Sammlungen kostenlos zur Verfügung stellen, um eine Digitalisierung eines Teils ihrer Bestände nicht umhinkommen, stellt sich die Frage nach den jeweiligen Selektionsinstanzen und deren Auswahlkriterien.

– Der Verlust der Materialität des fotografischen Objekts ist begleitet von medialen Transformationsprozessen, die sich, unter anderem, in veränderten Nutzungsarten von Bildarchiven manifestieren. Wie verändert sich die Bildrecherche? Welche Auswirkungen hat der Übergang von einer Ordnung des Nebeneinanders zur Hierarchisierung der digitalen Recherche auf die Verwertung fotografischer Bilder bzw. auf die Bedeutungskonstituierung vermittels des Archivs?

– Bestehen Differenzen und/oder Kontinuitäten zwischen den um 1900 konstituierten „Weltbildarchiven“ (wie z.B. Albrecht Meydenbauer oder Richard Hamann und Foto Marburg) bzw. „Weltprojekten“ (Markus Krajewski 2006) und den ebenfalls Vollständigkeitsphantasmen verdankten, durch Konzentrationsprozesse seit 1989 akkumulierten Fotobildarchiven von Corbis und Getty Images?

– Wie sehen die epistemologischen und fotohistoriografischen Implikationen aus, die sich durch die elektronische Transformation in der Verwaltung und Verwertung großer Bilddaten ergeben? Lassen sich aus diesen neue Erkenntnisse über den epistemologischen Charakter bzw. mediale Aspekte der Fotografie gewinnen?

– Wie sehen die Veränderungen im „Handel mit Fotografien“ (Allan Sekula 1981/2002 und 2002; Matthias Bruhn 2003) seit den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts aus?

– Und wie verändert sich mit diesen die „Rechtsrealität“ (John Tagg 1981/2002) von Produzenten, Eignern und Nutzern elektronisch erfasster Fotoarchive?

– Kann von einem Verlust von „Identität“ und damit Lesbarkeit bzw. Bedeutung(skonstituierung) von auf konkrete Verwertungszusammenhänge abzielenden, gewachsenen Archiven durch ihren Verkauf und die damit einhergehende materielle und elektronische Ver-Ortung gesprochen werden?

– Während mit den Jahrzehnten die Historizität von analogen Fotografien in den Vordergrund tritt und damit das „Medium“ die „Botschaft“ verdrängt (Angela Matyssek 2009) verhält es sich bei den elektronisch gespeicherten und zirkulierenden Bildern umgekehrt: die Botschaft der Bilder bringt ihre Medialität zum Verschwinden, d.h. die Fotografie wird von der immateriellen fotorealistischen Repräsentation auf dem Bildschirm verdrängt.

– Der Mythos der Digitalisierung als "Demokratisierung" und "Öffnung" der Archive, der Diskussionen der 1990er Jahre bestimmt hat, könnte im Hinblick auf die von Nutzern generierten Bilddatenbanken wie Flickr, Facebook und Google Images neu diskutiert werden.

– Anhand der Geschichte von konkreten Fallbeispielen könnte das Bildarchiv im Hinblick auf die Überlieferung von visuellem Kulturgut und die Bedeutung, die dem auf Bildträgern gespeicherten visuellen Gedächtnis zukommt, thematisiert und kritisch erläutert werden.
Der Call for Papers richtet sich an Fotohistoriker aus den Kunst-, Medien-, Kultur- und Literaturwissenschaften sowie der Wissenschaftsgeschichte.

Konzeption: Herta Wolf und Estelle Blaschke

Für die Tagung sind bis zum 08. März 2009 Vorschläge einzureichen, die den Vortragstitel, ein Abstract von maximal 400 Wörtern, einen kurzen CV und die Adresse der Einreichenden/des Einreichenden umfassen. Die Vortragsdauer sollte 35 Minuten nicht überschreiten.
In der zweiten Märzhälfte 2009 werden die Einreichenden über Annahme oder Ablehnung ihrer Vortragsvorschläge informiert.

Die Tagungssprache ist deutsch.

Tagungsort: Museum für Angewandte Kunst in Köln (An der Rechtsschule, 50667 Köln)

Die Tagung wird in Kooperation mit der Kunst- und Museumsbibliothek und dem Museum für Angewandte Kunst, Köln ausgetragen.
Die Teilnahme an der Tagung steht allen Interessierten nach Anmeldung und Bezahlung eines Tagungsbeitrags am Tagungsort offen. Die Tagungsgebühr beträgt 24 Euro, für Studierende 12,00 Euro; für Mitglieder der DGPh ist die Teilnahme an der Tagung gratis.

Anmeldungen bis spätestens 1. Juni postalisch an:

Deutsche Gesellschaft für Photographie e.V.
Geschäftsstelle
Tagung „Bildarchive“
Rheingasse 8 - 12
50676 Köln
oder per E-Mail an:
Betreff: Anmeldung Tagung „Bildarchive“
dgph@dgph.de

Termine:
– Deadline für das Abstract: 08.März 2009
– Auswahl der Vortragenden: Zweite Märzhälfte 2009

Das Abstract senden Sie bitte mit einem kurzen CV und mit Ihren Kontaktdaten mit dem Betreff: CFP Bildarchive entweder per E-Mail an:
office.wolf@uni-due.de
oder postalisch an:
Prof. Dr. Herta Wolf
Geschichte und Theorie der Fotografie
Universität Duisburg-Essen
FB Geisteswissenschaften
45117 Essen

Programm

Kontakt

Estelle Blaschke oder
Prof. Dr. Herta Wolf
Universität Duisburg-Essen
FB Geisteswissenschaften
45117 Essen
office.wolf@uni-due.de