10 Jahre Forschungsstelle Nachkriegsjustiz

10 Jahre Forschungsstelle Nachkriegsjustiz

Veranstalter
Zentrale österreichische Forschungsstelle Nachkriegsjustiz
Veranstaltungsort
Bundesministerium für Justiz
Ort
Wien
Land
Austria
Vom - Bis
27.11.2008 - 28.11.2008
Deadline
24.11.2008
Von
Dr. Claudia Kuretsidis-Haider

Die Ahndung nationalsozialistischer Verbrechen war bis 1955 in Österreich eigenen Gerichten (den „Volksgerichten“) übertragen. Prozesse wegen NS-Gewaltverbrechen fanden noch bis 1975 statt, vereinzelt werden bis in die Gegenwart Ermittlungen gegen mutmaßliche NS-Täter geführt. Auch nach dem Tod des letzten Angeklagten, Dr. Heinrich Gross, im Jahre 2005, ist – wie der Fall der ehemaligen Aufseherin des KZ und Vernichtungslagers Lublin-Majdanek 2007 zeigte – die Möglichkeit nicht auszuschließen, dass Tatverdächtige bekannt werden. Die Strafverfolgung bisher unbestrafter NS-Verbrechen zu gewährleisten, ist Ziel der vom Simon Wiesenthal Center Jerusalem (Dr. Efraim Zuroff) initiierten Operation: Last Chance, die in zahlreichen Ländern, darunter Österreich, öffentlich in Erscheinung getreten ist.
Unabhängig vom Ausgang derartiger Verfahren ist die Strafverfolgung von Verbrechen, die zur Zeit ihrer Begehung staatlich angeordnet oder geduldet wurden, ein Indikator für den Umgang des demokratischen Rechtsstaats mit vergangenem Unrecht. Die Ermittlungen in derartigen Strafverfahren haben auch in jenen Fällen, in denen Tatverdächtige nicht vor Gericht gestellt werden konnten, der Geschichtswissenschaft wertvolle Quellen über die nationalsozialistische Diktatur gesichert, die auch von zivilgesellschaftlichen Initiativen zur Bewahrung des Andenkens an die Opfer der Gewaltherrschaft genutzt werden.

Die Zentrale österreichische Forschungsstelle Nachkriegsjustiz wurde am 15. Dezember 1998 mit dem Ziel gegründet, mit der Erfassung und Erschließung der Akten der Staatsanwaltschaften und Gerichte die Auseinandersetzung der österreichischen Justiz mit den NS-Verbrechen zu dokumentieren, zur Sicherung dieses Teils des europäischen Rechtskulturerbes beizutragen und die historische Erfahrung in die Auseinandersetzung mit Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen der Gegenwart einzubringen.

Das Symposium aus Anlass des zehnjährigen Bestehens der Forschungsstelle Nachkriegsjustiz gliedert sich in zwei Teile:

- Die Auftaktveranstaltung Wozu heute noch justizielle Verfolgung von NS-Tätern? am Abend des Donnerstags, 27. November 2008, soll ein breiteres Publikum ansprechen,

- auf der Fachtagung am Freitag, dem 28. November 2008 („Nachkriegsprozesse als Bestandteil von Transitional Justice und als Impulsgeber für die NS-Forschung“) werden WissenschaftlerInnen aus den Bereichen Zeitgeschichte, Politikwissenschaft und Strafrecht aus dem In- und Ausland die Rolle der Justiz als Impulsgeberin für die NS-Forschung und die Bedeutung von Nachkriegsprozessen für die Entwicklung einer demokratischen Gesellschaft diskutieren.

2007 hat die Bundesministerin für Justiz Dr. Maria Berger eine Belohnung für Hinweise, die zur Ergreifung der international gesuchten NS-Täter Alois Brunner und Dr. Aribert Heim führen, ausgesetzt. Alois Brunner, die „rechte Hand“ Adolf Eichmanns, war führend tätig bei der Deportation Zehntausender jüdischer Männer, Frauen und Kinder aus Österreich, Griechenland, Frankreich und der Slowakei in die Vernichtungslager. Der Arzt Aribert Heim wird für entsetzliche Menschenversuche im KZ Mauthausen verantwortlich gemacht.

Ebenfalls 2007 ist seitens der österreichischen Justiz das Ermittlungsverfahren gegen eine ehemalige Wärterin des KZ und Vernichtungslagers Lublin-Majdanek wieder aufgenommen worden. Die neuen Tatvorwürfe gegen die Verdächtige, Erna Wallisch, waren von Efraim Zuroff im Rahmen der Operation: Last Chance publik gemacht worden. Das Verfahren wurde im Februar 2008 eingestellt, nachdem die mutmaßliche Täterin verstorben war.
Die meisten der Tatverdächtigen sind inzwischen über neunzig Jahre alt. Immer wieder wird daher in Frage gestellt, ob es heute – noch – Sinn macht, Gerichtsprozesse wegen nationalsozialistischer Verbrechen zu führen. Dies ist die leitende Fragestellung für die öffentliche Abendveranstaltung. An der Podiumsdiskussion werden u.a. Efraim Zuroff und ein Vertreter des Bundesministeriums für Justiz teilnehmen.

Die Fachtagung am Freitag, den 28. November, im Bundesministerium für Justiz ist öffentlich. In drei Panels sollen folgende Themen diskutiert werden:
1. Der Gerichtsakt als Geschichtsquelle (archivalische und geschichtswissenschaftliche Aspekte des Umgangs mit Justizakten)
2. „Vergangenheitsbewältigung“ durch Strafverfahren – ein Auslaufmodell oder wesentlicher Bestandteil des Transitional Justice-Prozesses?
3. Auswirkungen und Einflüsse der NS-Prozesse auf heutige Prozesse wegen Humanitätsverbrechen

Die Ergebnisse der Fachtagung sowie der Podiumsdiskussion am Vorabend werden in der Reihe „Veröffentlichungen der Forschungsstelle Nachkriegsjustiz“ publiziert.

Programm

Podiumsdiskussion und internationale Fachtagung
anlässlich
10 Jahre Zentrale österreichische Forschungsstelle Nachkriegsjustiz
am Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes

Donnerstag 27. November 2008

Podiumsdiskussion:
Wozu heute noch justizielle Verfolgung von NS-Tätern?

Begrüßung: Bundesministerin für Justiz Dr. Maria Berger

TeilnehmerInnen: Lt. Staatsanwalt Mag. Viktor Eggert, Österreich (BM für Justiz Abt. IV/3, Strafsachen wegen nationalsozialistischer Gewaltverbrechen sowie nach dem Verbotsgesetz)
Prof. Dr. Henry Friedlander, USA (Professor in the department of Judaic studies at Brooklyn College of the City University of New York i.R.)
Hermann Frank Meyer, Deutschland (Mitbegründer von Amnesty International Belgien; Sachbuchautor über den 2. Weltkrieg in Südosteuropa – vor allem in Griechenland)
Prof. Dr. Peter Steinbach, Deutschland (Professor für Politische Wissenschaft und Zeitgeschichte an der Universität Mannheim sowie wissenschaftlicher Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin)
Dr. Marion Wisinger, Österreich (Historikerin und Politologin)
Dr. Efraim Zuroff, Israel (Simon Wiesenthal Center Jerusalem)
Übersetzung: Dr. Stefan Klemp, Deutschland (Simon Wiesenthal Center Jerusalem; Villa ten Hompel, Münster)

Diskussionsleitung: Richter Mag. Friedrich Forsthuber, Österreich (Vertreter der Medienstelle beim OLG Wien)

Ort: Bundesministerium für Justiz / Großer Festsaal
Museumsstraße 7, 1070 Wien
(Veranstaltung im Rahmen der Wiener Vorlesungen)

Uhrzeit: 16 – 18 Uhr

Freitag, 28. November 2008

Internationale Fachtagung

„Nachkriegsprozesse als Bestandteil von Transitional Justice
und als Impulsgeber für die NS-Forschung“

Ort: Bundesministerium für Justiz / Kleiner Festsaal
Museumsstraße 7, 1070 Wien

Programm:

Begrüßung: 10.30 Uhr
Prof. Dr. Martin F. Polaschek, Österreich
(Präsident der Zentralen österreichischen Forschungsstelle Nachkriegsjustiz)

Panel 1: 10.30 bis 13 Uhr
Der Gerichtsakt als Geschichtsquelle

Vorträge und Diskussion

Dr. Dick de Mildt, Niederlande
(Ex Post Facto Productions; Mitherausgeber der Urteilssammlung „Justiz und NS-Verbrechen“)
Oberstaatsanwalt Willy Dressen, Deutschland
(ehem. Leiter der Zentralen Stelle Ludwigsburg)
Prof. Dr. Witold Kulesza, Polen
(Universität Łódź, ehem. Leiter der Hauptkommission zur Verfolgung von Verbrechen am polnischen Volk)
Hon.-Prof. Hofrat Dr. Lorenz Mikoletzky, Österreich
(Generaldirektor des Österreichischen Staatsarchivs)
Prof. Dr. Wolfram Pyta, Deutschland
(Forschungsstelle Ludwigsburg der Universität Stuttgart)
Dr. Joachim Riedel, Deutschland
(Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen Ludwigsburg)
Prof. Dr. Wolfgang Scheffler, Deutschland
(Gutachter im Düsseldorfer Majdanek-Prozess)

Moderation:
Dr. Winfried R. Garscha, Österreich
(Zentrale Forschungsstelle Nachkriegsjustiz)

13.00 bis 14.00
Empfang des Bundesministeriums für Justiz

Panel 2: 14.00 bis 16.00 Uhr
„Vergangenheitsbewältigung“ durch Strafverfahren – ein Auslaufmodell oder wesentlicher Bestandteil des Transitional Justice-Prozesses?

Vorträge und Diskussion

Ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Thomas Albrich, Österreich
(Institut für Zeitgeschichte Universität Innsbruck)
Prof. Dr. Klaus Marxen, Deutschland
(Humboldt-Universität zu Berlin)
Prof. Dr. Martin F. Polaschek, Österreich
(Institut für Österreichische Rechtsgeschichte und Europäische Rechtsentwicklung der Karl-Franzens-Universität Graz)
Prof. Dr. C. F. Rüter, Niederlande angefragt
(Institut für Strafrecht der Universität von Amsterdam; Herausgeber der Urteilssammlung „Justiz und NS-Verbrechen“)

Moderation:
Dr.in Claudia Kuretsidis-Haider, Österreich
(Zentrale Forschungsstelle Nachkriegsjustiz)

16.00 – 16.30
Kaffeepause

Panel 3: 16.30 – 18 Uhr
Auswirkungen und Einflüsse der Prozesse wegen NS-Gewaltverbrechen auf heutige Prozesse wegen Humanitätsverbrechen

Vorträge und Diskussion

Dr. Wolfgang Form, Deutschland
(Forschungs- und Dokumentationszentrum Kriegsverbrecherprozesse, Marburg/Lahn)
Prof. Dr. Reinhard Merkel, Deutschland
(Fakultät für Rechtswissenschaft, Universität Hamburg)
Dr. Roland Miklau, Österreich
(Leiter der EU-Mission EURALIUS in Tirana)
Mag.a Astrid Reisinger Coracini, Österreich
(Institut für Völkerrecht und Internationale Beziehungen, Universität Graz)

Moderation:
Univ.-Prof. Dr. Otto Triffterer, Österreich
(Universität Salzburg Institut für Strafrecht und Strafverfahrensrecht; Verfasser des Kommentars zum Rom-Statut für den Internationalen Strafgerichtshof)

18 Uhr Schlussworte und Ende der Fachtagung

Kontakt

Claudia Kuretsidis-Haider

Zentrale öster. Forschungsstelle Nachkriegsjustiz

0043 1 22 89 469-315

kuretsidis@hotmail.com

http://www.nachkriegsjustiz.at/aktuelles/10_Jahre_FStN.php
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