Die Institution des Vermittlers hat in der Gegenwart national wie international eine beachtliche Konjunktur. Die lange Geschichte dieser Institution wird dabei oft vergessen. Allerdings ist es keine bruchlos verlaufende Geschichte. Vermittler scheinen ihre Rolle bei der Beilegung von Konflikten immer wieder neu gefunden zu haben. Ohne genaueres Wissen um Vorgänger oder Vorstufen wurde das Rad dabei mehrfach neu erfunden.

Umso interessanter erscheint, welche Rahmenbedingungen und welche Problemlagen den Ruf nach Vermittlern laut werden ließen und welche anderen Institutionen sie ergänzten oder auch verdrängten. Welche Befugnisse hatten Vermittler? Führten sie das Ende des Konflikts autoritativ herbei, oder hielten sie vorrangig die Kommunikation zwischen den Parteien aufrecht, bis sie soviel Überzeugungsarbeit geleistet hatten, dass die Parteien selbst sich auf eine Lösung einigten? Wie stark prägt religiöses Gedankengut, das in den vormodernen Epochen der europäischen Geschichte eine große Rolle spielte, auch heute noch die Vermittlung?

Die Ringvorlesung beschäftigt sich sowohl mit Zeiten, in denen staatliche Strukturen kaum entwickelt waren, wie mit solchen, in denen die Souveränität des Staates als sehr hohes Gut galt, wie auch mit der Gegenwart, in der die staatliche Omnipotenz und Omnipräsenz auf vielen Gebieten an deutliche Grenzen stößt. Welche staatlichen Bedingungen und Problemlagen begünstigten oder behinderten Vermittlung? Ist Vermittlung eine Art Staatsersatz, die sowohl vor als auch nach der Blütezeit des modernen Staates besonders gefragt ist?

Der Leitgedanke des Exzellenzclusters „Religion und Politik in den Kulturen der Vormoderne und Moderne“ ist auch die Richtschnur für unsere erste Ringvorlesung: Durch die Beschäftigung mit verschiedenen Erscheinungsformen des Verhältnisses von Religion und Politik von der Antike bis in die Gegenwart versuchen wir, gegenwärtige Erscheinungen und Problemlagen besser zu verstehen. Die Kompetenz verschiedener Disziplinen erlaubt dabei, Horizonte einzelner Themen auszumessen, die Einzelforschung überfordern würde.