Fachtagung: "Erinnerungs- und Gedenkkulturen im Dialog. Herausforderungen
fuer die politische Bildung"
Ort: DGB-Haus, Movimento, Besenbinderhof 60, 20097 Hamburg
Termin: 10./11.11.2001
Veranstalter: Arbeit und Leben Hamburg e.V. / Neue Gesellschaft in
Kooperation mit verschiedenen weiteren Traegern
Idee der Tagung
Aus der Erwachsenen- und Jugendbildung, Gedenkstaetten, Museen, Schulen und
anderen Einrichtungen kommen zunehmend Klagen ueber zurueckgehendes Interesse
an historisch-politischen Themen. Alle in diesem Bereich Taetigen wissen,
wie schwer es ist, die Bedeutung von Erinnerung und Auseinandersetzung
insbesondere mit der deutschen Geschichte waehrend des Nationalsozialismus
angesichts der sich vergroessernden zeitlichen Distanz zu vermitteln. Ausgehend
von dieser Beobachtung soll auf der Tagung diskutiert werden, welche
gesellschaftliche Funktion Gedenk- und Erinnerungskultur hat, wie
historisch-politische Bildung wirkt und welche Intentionen dahinter stehen.
Im Vergleich mit der Praxis aus dem europaeischen Ausland und mit innovativen
Ansaetzen sollen Konzepte neu ueberdacht werden. Die Tagung "Erinnerungs-
und Gedenkkulturen im Dialog. Herausforderungen fuer die politische Bildung"
soll ein Forum sein, um sich ueber die Moeglichkeiten und Grenzen der
Erinnerungsarbeit in der heutigen Gesellschaft auszutauschen. Was kann
Erinnerungsarbeit etwa fuer die Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus
leisten? Wie begegnet die historisch-politische Bildung den Herausforderungen
einer Einwanderungsgesellschaft? Was bedeutet der endgueltige Verlust von
ZeitzeugInnen fuer die Erinnerungsarbeit? Zentral dabei ist der Austausch
von Erfahrungen. Die Tagung moechte unterschiedliche Institutionen (Museen,
Gedenkstaetten, Schulen/Schulbehoerde, Weiterbildungstraeger), die in diesem
Bereich arbeiten, an einen Tisch bringen. Gemeinsam Strategien zu entwickeln,
ist das Ziel.
In Panels wird die Gelegenheit geboten, Fragestellungen und Themenschwerpunkte
gemeinsam zu diskutieren. Je zwei kontroverse Kurzreferate sollen den Blick
fuer das Thema oeffnen. Dabei ist je nach Thema an WissenschaftlerInnen,
MitarbeiterInnen von Gedenkstaetten- und Museen oder an VertreterInnen
staatlicher Bildungspolitik gedacht. Im Anschluss daran diskutieren die
TeilnehmerInnen in Kleingruppen. Die Kleingruppen werden, so ist der Plan,
moderiert u.a. von MitarbeiterInnen der Hamburger KooperationspartnerInnen.
Die Ergebnisse werden danach im Plenum vorgestellt und gemeinsam diskutiert.
Vorlaeufiger Ablaufplan
Freitag 09.11.01
20:00
Abendveranstaltung: Lesung mit Michael Grill und Doerte Harksen-Pott
Samstag 10.11.01
09:30
Begruessung der Teilnehmenden und Eroeffnung der Tagung
10:00
Panel 1: "Erinnerung - Identitaet - kulturelle Teilhabe"
(zwei Vortraege und Plenumsdiskussion)
13:00 Mittagspause
14:00
Panel 2: "Aktuelle Fragestellungen in der historisch-politischen Bildung"
(Einleitungsvortrag mit UEberblickscharakter)
15:45
Arbeitsgruppen:
- Erinnerungsarbeit in der Einwanderungsgesellschaft
- Umgang mit dem Verlust von ZeitzeugInnen
- Bedeutung der hist.-pol. Bildung fuer den Kampf gegen den
Rechtsextremismus
- Erinnerungsarbeit in der Mediengesellschaft
17:30
Zusammenfuehrung im Plenum
20:00
Kulturelle Abendveranstaltung
Sonntag 11.11.01
10:00
Panel 3: "Erinnerungsarbeit im europaeischen Vergleich"
Schwerpunkt Frankreich und Polen (Vortraege und AG-Diskussionen)
13:00 Mittagessen
14:00
Panel 4: Beispiele aus der Praxis - innovative Projekte
16:00
Panel 5: Abschlussdiskussion und gemeinsamer Ausblick
17:30 Schluss
Fuer die Panels 2-4 gibt es die Moeglichkeit, sich als ReferentInnen oder
mit der Vorstellung von Projekten an den Arbeitsgruppen zu beteiligen. Wir
bitten, Vorschlaege in Form eines etwa zweiseitigen Expos einzureichen.
Kurze inhaltliche Vorstellung der Panels:
Panel 1: Erinnerung - Identitaet - kulturelle Teilhabe
Dieser einleitende Teil der Tagung soll die grundsaetzlichen kulturtheoretischen
Bedeutungen von Vergangenheitsbezuegen, Erinnerung und
Tradierung aufzeigen. Das heisst einerseits die elementare identitaetsstiftende
Funktion von Vergangenheitsbezuegen, andererseits die Tatsache der
"Konstruiertheit" dieser Bezugssysteme. Damit waere ein Rahmen gesteckt,
der jede Geschichtsschreibung und kollektive Erinnerung als Gegenstand der
politischen Ver- und Aushandlung bestimmt, nicht nur die Erinnerung an den
Nationalsozialismus.
In eroeffnenden Vortraegen sollen zwei Positionen entwickelt werden, die
sich gewissermassen als Orientierungspunkte der Diskussion und roter Faden
durch die weiteren Panels hindurch ziehen sollen.
Diese Positionen stehen im Kontext der kulturtheoretischen Auffassung, dass
Erinnerungs- und Gedenkkultur immer eine vermittelte und nachtraeglich
konstruierte Sicht auf Vergangenheit entwirft, wobei diese Vergangenheitsbezuege
jedoch gleichzeitig eine unabdingbare Grundlage fuer kulturelle Identitaet
und die Stabilitaet eines politischen Gemeinwesens sind.
Bedeutet das fuer politische Bildung,
1) dass sie die Aufgabe hat, die Offenheit, Relativitaet und politische
Verhandelbarkeit von Geschichtsbildern und historischem Wissen, die in der
Rede von den "Lehren" aus der Geschichte immer unterschlagen wird, kenntlich
zu machen? Soll im Wesentlichen sie einen Beitrag zur Kritik von
"Geschichtsmythen" und ihrer politischen Funktionalisierung, also vor allen
Dingen "Dekonstruktionsarbeit" leisten?
Oder muss politische Bildung in einer Situation, in der Orientierungsdefizite
beklagt werden,
2) dazu beitragen "das moralische Bewusstsein zu schaerfen, dem
'Urteilsvermoegen' ueber gegenwaertige Entwicklungen historisch begruendbare
Massstaebe an die Hand zu geben und an Werte wie an den Schutz von Freiheit
und Unabhaengigkeit zu erinnern" (Dirk van Laak)?
In Bezug auf den Wissens-vermittelnden Aspekt politischer Bildung stellt
sich die Frage, ob Wissen und Kenntnisse "historischer Tatsachen" oder die
Kenntnisse ueber die Bedingungen der Wissens- und Tatsachenproduktion im
Zentrum der Arbeit stehen. Politisch gesprochen: traegt die Arbeit der
politischen Bildung im Feld des Erinnerns und Gedenkens zu einer Hinterfragung
scheinbarer gesellschaftlicher Wertekonsense und ihrer historischen Legitimierung
und Begruendung bei oder ist sie dazu da, eben solche Wertekonsense zu schaffen
und durchzusetzen?
Als ReferentInnen angefragt: Anette Warring (DK) und Dan Diner.
Panel 2: "Aktuelle Fragestellungen in der historisch-politischen Bildung"
In diesem Panel soll es darum gehen, die gesellschaftliche Situation, in
der sich die historische Bildungsarbeit bewegt, auszuloten, es soll die konkrete
Praxis beleuchtet und der Ist-Zustand aufgefaechert werden: Fuer wen bieten
wir diese Arbeit an? Wie hat sich die Bildungsarbeit in den einzelnen Bereichen
in den letzten Jahrzehnten inhaltlich entwickelt? Mit welchen Problemfeldern
sind wir konfrontiert? Wo zeigt sich Handlungsbedarf?
Nach einem Eingangsvortrag, der die Entwicklungen der historisch- politischen
Bildung in den letzten Jahrzehnten und aktuelle Diskussionspunkte und
Herausforderungen umreisst, sollen in Arbeitsgruppen
einzelne Aspekte vertieft werden:
* Wie kann und muss die Erinnerungsarbeit in der
Einwanderungsgesellschaftaussehen?
* Was kann die Erinnerungsarbeit fuer den Kampf gegen den Rechtsextremismus
leisten?
* Was bedeutet der Verlust von ZeitzeugInnen fuer die Arbeit der
historisch-politischen Bildung?
* Wie kann die Erinnerungsarbeit in der Mediengesellschaft gestaltet werden?
In allen vier Arbeitsgruppen soll es kurze und kontroverse Inputs geben,
um vor diesem Hintergrund die Erfahrungen der anwesenden Institutionen und
MultiplikatorInnen auszutauschen und zu diskutieren. finanzielle,
historisch-wissenschaftliche und paedagogische sowie methodische Fragestellungen
aus der Praxis sollen als Querschnittsperspektive in alle Arbeitsgruppen
miteinfliessen.
Als Referentin angefragt: Annegret Ehmann.
Panel 3: "Erinnerungsarbeit im europaeischen Vergleich"
Hier soll einerseits die Bildungsarbeit mit Deutschen in Laendern, die waehrend
der Nazizeit besetzt waren, aber auch die Erinnerungsarbeit der entsprechenden
Laender thematisiert werden. Wenn von Bildungsarbeit mit Deutschen in den
jeweiligen Laendern gesprochen wird, meint das immer einen Austausch und
hier wiederum schwerpunktmaessig Jugendaustausch. Es geht also einerseits
um die Zusammenarbeit im europaeischen Kontext, aber auch um die Rezeption
von Erinnerungsarbeit in den jeweiligen Laendern, die im Zweifelsfall einen
anderen Stellenwert und in einem anderen Kontext stehen, als in der
Bundesrepublik.
Die Diskussion in diesem Panel soll auf die beiden Laender Polen und Frankreich
beschraenkt werden, um staerker auch in die Tiefe gehen zu koennen. Es werden
ReferentInnen aus beiden Laendern eingeladen, die ueber neue Ansaetze der
Gedenkstaettenpaedagogik (Polen) und ueber landesspezifische Auseinandersetzungen
zur Erinnerungsarbeit (z.B. Frankreich und der Algerienkrieg) berichten.
Verschiedene ReferentInnen angefragt.
Panel 4: Beispiele aus der Praxis - innovative Projekte
In diesem Teil sollen die Diskussionen aus den Panels 1-3 auf unterschiedliche
Projekte aus der Praxis bezogen werden. Innovative Ansaetze mit unterschiedlichen
Schwerpunkten sollen in Arbeitsgruppen
vorgestellt und diskutiert werden.
Öffentliche Abendveranstaltung
Ziel der Abendveranstaltungen ist es einerseits, mit kulturellen Ereignissen
eine ueber Vortraege, Diskussion und Arbeitsgruppen hinausgehende Ebene fuer
die TeilnehmerInnen zu schaffen, und andererseits die Tagung punktuell fuer
ein breiteres Publikum, fuer interessierte HamburgerInnen zu oeffnen. Fuer
den Freitag abend ist eine szenische Lesung von Michael Grill und Doerte
Harksen-Pott geplant. Nach jetzigem Planungsstand soll es unter dem Titel
"Das Erinnern der Wunde" um das Weiterleben der Erinnerung in den Opfern
als bestimmendes Moment des UEber-Lebens gehen und Texte von u.a. Levi, Semprun,
Klueger, Wiesel und Kertesz einbezogen werden. Am Samstag abend soll es eine
Veranstaltung geben, die inhaltlichen Bezug nimmt auf die Diskussionen des
Tages.
Arbeits- und Vorbereitungsstrukturen:
Koordinatorin: Maike Merten (AuL, Besenbinderhof 60, 20097 Hamburg;
Tel. 28 40 16 - 36, Fax 28 40 16 - 16,
e-mail:
project@hamburg.arbeitundleben.de)
Vertretung: Petra Barz / Jens Schmidt
Institutionelle Anbindung durch: Petra Barz (AuL) und Lerke Scholing (Neue
Gesellschaft)
VB Panel 1: Claudia Lenz; VB Panel 2: Oliver von Wrochem / Jens Schmidt;
VB
Panel 3: Lerke Scholing / Petra Barz (Gevret);VB Panel 4/5: Arbeitskreis;
VB Abendveranstaltungen: Jens Michelsen
Die Vorbereitung laeuft in zwei Arbeitskreisen, einem sich haeufig treffenden
kleinen Arbeitskreis mit den Verantwortlichen fuer Panels und Organisation
und einem grossen Arbeitskreis, in dem sich kontinuierlich in groesseren
Abstaenden interessierte Institutionen zur Kooperation treffen
Hieran beteiligten sich bisher neben Arbeit und Leben und der Neuen Gesellschaft:
Aktion Suehnezeichen, Gesellschaft fuer christlich-juedische Zusammenarbeit,
Institut fuer Lehrerfortbildung, Koerber-Stiftung, KZ- Gedenkstaette Neuengamme,
Landesjugendring, Landeszentrale fuer Politische Bildung,
Paedagogisch-Theologisches-Institut, Staatspolitische Gesellschaft, Umdenken,
Volkshochschule Hamburg, Werkstatt der Erinnerung an der Forschungsstelle
fuer Zeitgeschichte und verschiedene Einzelpersonen aus Wissenschaft und
Kultur.
Wir laden alle Interessierten herzlich ein, an der Fachtagung teilzunehmen.
Teilnahmebeitrag: 70,-DM (120,-DM fuer Institutionen-VertreterInnen, 30,-DM
fuer SchuelerInnen, StudentInnen, Arbeitslose)
Ansprechpartnerin fuer Anmeldung und Exposes:
Maike Merten, Arbeit und Leben DGB/VHS Hamburg e.V.,
Besenbinderhof 60, 20097 Hamburg; Tel. 28 40 16 - 36, Fax 28 40 16 - 16,
e-mail:
project@hamburg.arbeitundleben.de
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