Konferenz
Die Politische Theorie der Governmentality Studies
Im angloamerikanischen Raum hat sich im letzten Dezennium mit den Governmentality
Studies eine Forschungsrichtung akademisch etabliert, die die Foucaultsche
Machtanalytik produktiv aufgenommen hat, um neue Methoden zur Analyse der
Funktionsweise politischer Macht in liberal-demokratischen Gesellschaftsordnungen
zu eroeffnen.
Ausgehend von Foucaults Konzeption der Regierungsmentalitaet
(gouvernementalité) bieten die Governmentality Studies im Bereich
der Sozial- und Kulturwissenschaften, der Politischen Theorie und der Politischen
Oekonomie einen interdisziplinaeren Theorieansatz und ein Instrument zur
Analyse des politischen Wissens der Gegenwart. Mit dem in seinen spaeten
Schriften entworfenen Konzept der Regierungsmentalitaet, das
die Begriffe gouverner, das Regieren, und mentalité, die Denkweise,
verknüpft, vollzog Foucault eine epistemologische Wende. Im Zentrum
der Machtanalytik seiner spaeten Schriften steht die Distanzierung von der
Ideologiekritik des falschen Bewusstseins, die nach Foucault
auf den Vorstellungen eines aeusserlichen Verhaeltnisses von Macht und
Subjektivitaet beruht. Als Alternative zu ideologiekritischen Ansaetzen
(Frankfurter Schule), die von der Grundannahme einer
Repressionsmacht und ihren Machtformen der asymmetrischen
Unterdrückung und statischen Ausbeutung ausgingen,
entwickelte Foucault ein Analysekonzept, welches ermoeglichen soll, die
Mentalitaet des liberal-demokratischen Regierens als diskursive Technik und
spezifische Verfahrensweise des Leitens, Führens und Verwaltens zu
beschreiben.
Als diskursive Techniken begreift Foucault eine Vielzahl von positiven
Wissenstechniken, die das Soziale in seiner Wirklichkeit nicht abbilden,
sondern vermittels bestimmter Techniken der Aufzeichnung sag- und sichtbar
machen und Subjekte auf politische Ziele hin bündeln. Die Foucaultsche
Machtanalytik der Kunst des Regierens liberal-demokratischer Gesellschaften
wurde jedoch nur in Grundzügen entwickelt, daher kann moeglicherweise
allein eine philologische Auslegung oder eine fraglose Uebernahme der gleichsam
selbstevidenten Foucaultschen Terminologie nicht den Anforderungen
einer gehaltvollen politischen Theoriebildung und produktiven Kritikperspektive
genügen. Mit der Thematisierung epistemologischer und erkenntniskritischer
Problemstellungen soll daher die im Diskurs der Governmentality Studies
vernachlaessigte Grundlagendebatte mit methodischen und grundlagenorientierten
Fragestellungen produktiv eitergeführt werden. Im interdisziplinaeren
Gespraech sollen in regelmaessig stattfindenden Symposien die unterschiedlichen
Begriffe, Konzepte und Organisationsformen unterschiedlicher Formen von
Herrschafts- und Regierungswissen über die enge Anwendung hinaus kritisch
diskutiert werden.
SYMPOSIUM
DEMOKRATIE. SELBST. ARBEIT.
Analysen liberal-demokratischer Gesellschaften im Anschluss an Michel
Foucault
Konzept und Koordination: Mag. Ramón Reichert (Wien) /
Forschungsgruppe fuer Epistemologie und Diskursanalyse (FEDA )
Gemeinsame Veranstaltung mit dem bm:bwk / Abteilung
Gesellschaftswissenschaften.
Gefoerdert von: Stadt Wien / Wissenschafts- und Forschungsfoerderung
Freitag, 23. Maerz 2001:
11.00 UHR Dr. Stefan Rieger (Erfurt): Arbeit an sich. Diskurse der Selbstsorge
in der Moderne
11.30 UHR Diskussion / Chairperson: Mag. Rámon Reichert
12.00 UHR Dr. Eva Horn (Frankfurt/O.): The right man in the right
place. Zur Geschichte der Eignungspruefung
12.30 UHR Diskussion / Chairperson: Mag. Rámon Reichert (Wien)
13.00 UHR Ass. Prof. Dr. Wolfgang Pircher (Wien): Die Erfindung des Marktes
13.30 UHR Diskussion / Chairperson: Ass. Prof. Dr. Reinhard Pirker
15.00 UHR Dr. Ulrich Broeckling (Freiburg): Vermittlung als Befriedung. Ueber
Mediation
15.30 UHR Diskussion / Chairperson: Dr. Johanna Riegler
16.00 UHR Dr. Johanna Riegler (Wien): Intensive Lebenswelten.
Analyse der Darstellung und Images von Arbeit in Werbeinseraten der Computer-
und Telekommunikationsbranche
16.30 UHR Diskussion / Chairperson: Dr. Ulrich Broeckling
17.00 UHR Ass. Prof. Dr. Richard Weiskopf (Innsbruck) / Mag. Martin Kornberger
(Wien): Lusage de Foucault: Moderne, Postmoderne und Organisation
17.30 UHR Diskussion / Chairperson: Dr. Johanna Riegler
Samstag, 24. Maerz 2001
11.00 UHR Mag. Richard Schwarz (Mainz) / Dr. Sebastian Reinfeldt (Wien):
Naissance de la biopolitique. Liberalismus und Biopolitik
11.30 UHR Diskussion / Chairperson: Dr. Thomas Lemke
12.00 UHR Dr. Graham Burchell (Apecchio): Historical subjects: races, nations
and classes. The limits of liberal rationalities of government
12.30 UHR Diskussion / Chairperson: Mag. Jeanette Pacher
13.00 UHR Prof. Dr. Thomas Osborne (Bristol): Technics and Subjects: From
governmentality studies to studies of governmentality
13.30 UHR Diskussion / Chairperson: Mag. Jeanette Pacher
15.00 UHR Dr. Thomas Lemke (Wuppertal): Die Analytik der Gouvernmentalitaet
als Forschungsprogramm und Kritikperspektive
15.30 UHR Diskussion / Chairperson: Mag. Cathren Mueller
16.00 UHR Mag. Cathren Mueller (Wien): Neoliberale Subjektivitaet? Zum
Subjektbegriff der Governmentality Studies
16.30 UHR Diskussion / Chairperson: Mag. Rámon Reichert
17.00 UHR Mag. Rámon Reichert (Wien): Gouvernmentalitaet und
Neoliberalismus: Methodenprobleme und Begriffsanalyse
17.30 UHR Diskussion / Chairperson: Mag. Cathren Mueller
Veranstaltungsort: Institut fuer Wissenschaft und Kunst (IWK),
Berggasse 17, A-1090 Wien
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