Call for papers

Workshop
Georgien zwischen Tradition und Moderne
Analyse staatlicher Strukturen und ihrer soziokulturellen Einbettung

Zeit: voraussichtlich im Herbst 2001

Der Workshop soll dazu beitragen, theoretisch angeleitete und empirisch fundierte Konzepte zur Analyse des georgischen Transformationsprozesses unter Berücksichtigung der historischen Dimension zu erarbeiten. Er richtet sich deshalb gleichermaßen an Politik-/Sozialwissenschaftler und Historiker, aber auch an interessierte Ökonomen und Rechtswissenschaftler.

Die unterschiedliche Form und Geschwindigkeit der Entwicklung der postsozialistischen Gesellschaften hat in der sozialwissenschaftlichen Forschung einerseits die Frage nach den endogenen Bedingungen für Erfolg oder Misserfolg sozialen Wandels aufgeworfen. Andererseits hat die unverkennbare Heterogenität der Entwicklungsszenarien den Blick für unterschiedlich stark ausgeprägte Kontinuitäten im Wandel geschärft. Transformation wird als evolutionärer Prozess analysiert, der nicht allein von programmatischen Bekenntnissen der Akteure determiniert wird, sondern mindestens ebenso stark von den auf historisch gewachsenen Handlungsroutinen, Netzwerken und Mentalitäten weiterwirkenden sozialen Strukturen. Diese Kontinuität im Wandel mit Ansätzen der Institutionenökonomie zu untersuchen, bildet den Ausgangspunkt des Workshops. Die regional sehr unterschiedliche institutionelle Gestalt des sozialistischen Systems mag aus Entscheidungen resultieren, die auf unterschiedlich wahrgenommene Handlungsoptionen zurückzuführen sind. Diese Handlungsoptionen werden von Strukturen langer Dauer mitgeprägt.

Die detaillierte Analyse von georgischen Institutionen und ihrer Funktionsweise im Sozialismus stellt die Grundlage da, um vorhandene Unterschiede im regionalen Vergleich aufzuzeigen. Welche historischen Muster und Faktoren wirkten auf die Staats- und Institutionsbildung? Für Westeuropa wird eine bestimmte Form des Feudalismus als ein konstitutives Element zur Durchsetzung der Moderne angesehen. In der Historiographie wird Georgien als feudal charakterisiert. Im Vergleich können die Unterschiede zu Westeuropa sowie zu anderen postsozialistischen Staaten und deren möglichen Auswirkungen auf die Gegenwart herausgearbeitet werden.

Aus der Perspektive der vergleichenden Transformationsforschung sollen die Entwicklungen des letzten Jahrzehnts vor dem Hintergrund der Struktur und soziokulturellen Einbettung des georgischen Staates analysiert werden, aus der dann auf Ursachen für Reformblockaden geschlossen werden kann.

Dass die staatlichen Strukturen Georgiens dem Anforderungsprofil an moderne Staatlichkeit (z.B. institutionalisierte Trennung von Ökonomie und Politik) nicht entsprechen, steht sicherlich außer Frage. Dennoch haben sich aber relativ stabile anpassungsfähige Strukturen herausgebildet, die sich weder in den aus westlichen Maßstäben abgeleiteten Kategorien von Schwäche und Scheitern erschöpfend beschreiben, noch vorbehaltlos als vormodern oder traditional etikettieren lassen. Hier setzt der Workshop mit dem Versuch an die postsozialistische Entwicklung in Georgien und die Herausbildung eines spezifischen Typus von Staatlichkeit als eigenständigen Modus der Anpassung an die Moderne zu fassen, der zwar entscheidend geprägt ist von historisch geformten traditionalen Strukturen, diese jedoch v.a. in Reaktion auf extern induzierten Wandel immer wieder umformt.

Der Workshop soll in zwei Blöcke gegliedert werden:

Block 1. Vorstellung und Diskussion von entwicklungs- und transformationstheoretischen Konzepten. Geplant sind Beiträge zu folgenden Theoriekomplexen:
- Multiple Moderne: Überlegungen zum sozialen Wandel in nicht westlichen Gesellschaften
- Ansätze zur vergleichenden Transformationsforschung
- Pfadabhängigkeit,
- Identifikation von historischen Schlüsselperioden
- Privatisierung

Block 2. Vorstellung und Diskussion von Arbeiten, die Einblick in die Strukturen des georgischen Staates und ihrer soziokulturellen Einbettung in den verschiedenen Zeiten ( Vorsozialismus, Sozialismus, Postsozialismus) geben. Von besonderem Interesse sind empirische Arbeiten, sowie Archivarbeiten.

Beiträge sollten in eine der folgenden Themenkomplexen passen:

1.Welche Muster und Faktoren der Staats- und Institutionenbildung in der georgischen Geschichte gibt es und welche Wirkungen lassen sich bis in die Gegenwart feststellen?
2. Rekonstruktion der Ausbildung einer postsozialistischen Ordnung in Georgien.
3. Analyse der heutigen Funktionsweise georgischer Institutionen

VORSCHLÄGE FÜR PAPERS (Abstracts nicht länger als 200 Worte) Bitte mit Angaben zur Person bis zum 30.01.2001 wenn möglich als e-mail an die Organisatoren schicken:

Dr. Barbara Christophe, Politikwissenschafterin, Universität Frankfurt a.M.
B.Maier@soz.uni.frankfurt.de
Dr. Oliver Reisner, Historiker, Zentralasien-Seminar, Humboldt-Universität zu Berlin: oliver.reisner@rz.hu-berlin.de
Tel.: (030) 2093-6659, FAX: (030) 2093-6666
Dipl.Ing. Hannah Kegel, Agrarökonomin,Universität Giessen Hannah.kegel@zkaw.uni-giessen.de
Oder als Fax: -49-761-402384


Quelle = Email <H-Soz-u-Kult>

From: "Oliver Reisner" <oliver.reisner@rz.hu-berlin.de>
Subject: CfP: Georgien zwischen Tradition und Moderne
Date: 21.12.2000


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