NS-Prozesse und politische Kultur in der Bundesrepublik der 60er Jahren,
Evangelische Akademie Muehlheim/Ruhr, 25. 11.-26. 11. 2000
von Karsten Wilke, Bielefeld
Die Tagung reflektierte die Wechselbeziehungen zwischen NS-Prozessen und
politischer Kultur in der fruehen Bundesrepublik. Sie wurde veranstaltet
von der 1961 gegruendeten Humanistischen Union (HU). Als Zusammenschluss
kritischer Intellektueller vertritt die HU den Anspruch,
radikaldemokratische und emanzipatorische Inhalte in die
gesellschaftlichen Diskurse einzubringen, so Dr. Norbert Riechling, einer
der Organisatoren.
Ungefaehr 20 Historikerinnen und 20 Historiker - ein Zahlenverhaeltnis,
das deutlich im Gegensatz zu sieben ausschliesslich maennlichen Referenten
stand -hatten teilgenommen und genossen das grosszuegige Ambiente der
Evangelischen Akademie Muehlheim/Ruhr.
Das Einleitungsreferat hielt Prof. Bernd Faulenbach aus Bochum. Sein
Anliegen war es, den partiellen Wandel in verschiedenen
gesellschaftlichen Bereichen beim Uebergang von den 50er zu den 60er Jahren
vorzustellen. Im
Vergleich zu den 50er Jahren interpretierte er die 60er Jahre als Zeit
des Aufbruchs und der Modernisierung. Reformen und zunehmende
Demokratisierung waeren Ausdruck und Ursache eines "leicht linken" Zeitgeistes
gewesen,
der sich von Orientierungen des kalten Krieges loesen konnte. Eine
erkenntnisgeleitete Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus haette
begonnen. Der generationelle Wandel habe zudem dazu gefuehrt, dass die
bundesrepublikanischen Eliten der 50er Jahre, die in grosser Anzahl
bereits im oeffentlichen Leben der Weimarer Republik gestanden hatten, zunehmend
von Juengeren abgeloest wurden, die, wie Faulenbach meinte, in ihrem
Wirken nicht selten ihre Kinder- und Jugendzeit im NS kritisch verarbeitet
haetten.
Die '68er waren dann die erste Generation, die ueber keine
eigenen Erinnerungen mehr an die NS-Zeit verfuegte. Zwar waeren sie nur eine
kleine Minderheit innerhalb der Wohlstandsgeneration gewesen, aber sie uebten
radikale Kritik. Und sie waren die ersten, die lange Kontinuitaetslinien
von der Kaiserzeit zur Weimarer Republik ueber den Nationalsozialismus
bis zur Aera Adenauer zogen, von der sie sich explizit und vehement
absetzten.
Es waren dann auch die '68er, die die Gesellschaft verstaerkt mit den
nationalsozialistischen Verbrechen konfrontierten. Einen wichtigen
Anstoss zu dieser Konfrontation lieferten die NS-Prozesse. Der Wandel
beeinflusste auch die Geschichtswissenschaft. Strukturen und Prozesse im
NS wurden
staerker erfasst, jedoch tendenziell unter Vernachlaessigung von
Mentalitaeten oder Biographien - gerade in bezug auf Taeter im Rahmen des
Judengenozids (Faulenbach). Charakteristisch fuer die 60er Jahre war das
Nebeneinander von Progressivitaet, Konservatismus und Reaktion (Gruendung
und Erfolge der NPD). Faulenbachs Ausfuehrungen muendeten in die These
einer "Fundamentalpolitisierung" der bundesrepublikanischen Gesellschaft.
Werteverschiebungen zu Freiheit und Demokratie wurden ermoeglicht und
machten die breite Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus in den
60er Jahren unumgaenglich. Die wichtigste Ebene sei dabei die
strafrechtliche gewesen, weil die Verbrechen, insbesondere der Holocaust,
ins Zentrum gezogen worden seien.
Im Anschluss resuemierte Prof. Wolfgang Scheffler, (Berlin), ueber seine
Taetigkeit als Gutachter bei NS-Prozessen. Ausgehend vom Wegdraengen und
Verschweigen der nationalsozialistischen Zeit in den 40er und 50er
Jahren, betonte auch Scheffler die grosse Bedeutung der NS-Prozesse fuer
die
Selbstaufklaerung der Gesellschaft, nicht zuletzt durch eigens fuer die
Prozesse erstellte wissenschaftlichen Gutachten. Die Gutachtertaetigkeit,
die an den Universitaeten immer wieder erschwert wurde, nicht zuletzt an
der Freien Universitaet Berlin. So habe selbst Ernst Fraenkel
beispielsweise aus buerokratischen Gruenden verhindert, dass Scheffler am
Auschwitz-Prozess mitwirken konnte. Viele Gerichte verzichteten auf
Gutachten, Rechtsanwaelte versuchten gelegentlich Schefflers Person zu
diskreditieren oder seine Glaubhaftigkeit anzuzweifeln, indem sie nach
juedischen Angehoerigen suchten. Hinzu kamen komplizierte
Quellenprobleme:
Die Aktenbestaende waren weltweit in den Archiven verstreut, in den
damaligen Ostblockstaaten, ausser in Polen, nur in kleinen
"vorsortierten" Bestaenden zugaenglich. Wichtige Themen betrafen juristische
Fragen wie
z.B. den "Befehlsnotstand" oder Opferzahlen, aber auch historische
Problemstellungen, so z.B. die komplexen Personalstrukturen im SS- und
Polizeiapparat. Nach Schefflers Auffassung waere aus den zahlreichen
Prozessen gegen NS-Straftaeter viel zu wenig Information an eine breitere
Oeffentlichkeit gelangt. Dies gaelte gerade auch fuer die
HistorikerInnen, denn nicht selten wurden einmalige Gelegenheiten fuer
wissenschaftliche
Arbeit versaeumt. Charakteristisch waren die Ghettoverfahren Ende der
60er und in den 70er Jahren, die vor leeren Baenken stattfanden und von den
Medien kaum beachtet wurden. Nicht selten waren alle Ueberlebenden
angereist, die der Forschung als Zeuginnen und Zeugen zur Verfuegung
haetten stehen koennen. Gleiches gilt auch fuer eine grosse Anzahl
potentieller Verdaechtiger. Zwar zeigte sich Scheffler aufgrund dieser
Versaeumnisse nicht resigniert, jedoch beendete er seine Ausfuehrungen
mit einem vielsagenden Fazit: "Das Eis auf dem die Gesellschaft wandelt,
kann
sehr duenn sein."
Marc von Miquel (Bochum) referierte ueber die Verjaehrung von NS-
Straftaten. In den DDR-Kampagnen gegen die "Blutrichter" ab 1957 sah er
eine wesentliche Grundlage fuer den Wandel im Umgang mit
nationalsozialistischen Verbrechen. Zu den mittelbaren Folgen dieser
Kampagnen rechnete er auch die Gruendung der "Zentralen Stelle der
Landesjustizverwaltungen zu Verfolgung von Nationalsozialistischen
Gewaltverbrechen" in Ludwigsburg. Im Zuge der drohenden Verjaehrungen
fuer bestimmte Toetungsdelikte am 8. Mai 1960, wurde auf einer
Justizministerkonferenz in Bad Harzburg die Gruendung der Zentralstelle
beschlossen. Miquel, der die Protokolle der Justizministerkonferenz
durchgearbeitet hat, sah darin den Versuch einer Selbstlegitimation der
Bundesrepublik. So blieb der Aufgabenbereich der Zentralstelle stark
eingeschraenkt. In Ludwigsburg durften ausschliesslich Vorermittlungen
durchgefuehrt werden, die Zustaendigkeit beschraenkte sich auf
Verbrechen, die ausserhalb des Gebietes der Bundesrepublik begangen worden
waren und
nahm Wehrmachtsverbrechen aus. Der Deutsche Bundestag hatte im Maerz 1965
ueber die Verjaehrungsfristen von Toetungsverbrechen zu beschliessen.
Trotz starker Kraefte, die sich gegen eine Verlaengerung aussprachen, wurde
die
Frist bis zum 8. Mai 1969 verlaengert. Entscheidend, so von Miquel, waere
dabei ein US-Veto gewesen. In welcher Form dieses Veto allerdings
formuliert war und wie es vorgetragen wurde, liess er offen. Die
Anlehnung an amerikanische Normen sah von Miquel als Schritt zur "Verwestlichung"
der bundesrepublikanischen Gesellschaft, die die Entfernung von der
"Volksgemeinschaft" sukzessiv ermoeglicht haette. Insbesondere diese
These bot im Anschluss Anlass zur Diskussion, denn es stellte sich die Frage,
inwieweit die Westorientierung der Bundesrepublik erzwungen wurde. Trotz
merklicher Rueckschlaege, so z.B. die Nichtdurchfuehrung des geplanten
Verfahrens gegen ehemalige Angehoerige des Reichssicherheitshauptamtes
durch die Novellierung von §50 Abs. 2 des Strafgesetzbuches,
beurteilte von Miquel die 60er Jahre als Phase des neuen Umgangs mit dem
Nationalsozialismus und dessen Verbrechen. Die alte
"Vergangenheitspolitik" (Frei) sei abgeloest, ueber Auschwitz sei von da
an gesprochen und
geschrieben worden. Ebenso wie Faulenbach sah von Miquel die 60er Jahre
als Zeitraum, in dem sich verstaerkt politische Lager gebildet haetten. Die
NS-Vergangenheit waere in der Auseinandersetzung zwischen den Lagern mittels
eines konfrontativen Prozesses thematisiert worden.
Miquels These des "konfrontativen Prozesses" wurde auch von Dr. phil.
habil. Dieter Gosewinkel (Berlin) gestuetzt. Gosewinkel beschrieb die
Entwicklung des sozialdemokratischen Bundestagsabgeordneten und Juristen
Adolf Arndt vom Gegner zum Befuerworter der Verlaengerung von
Verjaehrungsfristen fuer nationalsozialistische Toetungsverbrechen.
Ausgangspunkt war Arndts Kritik an einer Ausstellung mit dem Titel
"Ungesuehnte Nazi-Justiz", die der SDS 1959 in Karlsruhe organisiert
hatte.Sie beschaeftigte sich mit Richtern und Staatsanwaelten, die in der
NS-Zeit an Todesurteilen mitgewirkt hatten und in der Bundesrepublik noch
im
Dienst waren. Obwohl Arndt im Nationalsozialismus verfolgt worden war, waeren
seine Schuldvorwuerfe gegen NS-Richter insgesamt relativ milde gewesen.
So haette er beispielsweise im Jahre 1950 die Kontinuitaet im Justizwesen
lediglich fuer ein Randproblem gehalten und 1954 sein Unbehagen ueber
laufende NS-Prozesse geaeussert. Noch 1960 bezog er Stellung gegen einen
Antrag der SPD-Bundestagsfraktion, der die Verjaehrung von Totschlag
verhindern sollte Die Karlsruher Ausstellung "Ungesuehnte Nazi-Justiz"
wurde im Kontext einer DDR-Kampagne zur Delegitimierung der
Bundesrepublik zum Skandal. Da sie nur wenige Tage nach der Verabschiedung
des
Godesberger Programms eroeffnet wurde, und ihre direkte, appellative Aussage
den
moderaten sozialdemokratischen Kurs stoerte, nahm Adolf Arndt sich der
Sache an und leitete das Material an den Rechtsausschuss des Bundestages
mit dem Ziel, die Diskussion in parlamentarische Bahnen zu lenken. Die
ueberwaeltigenden Einsichten, die das Material ueber die deutsche Justiz
zwischen 1933 und 1945 ermoeglichte sowie auch Appelle Fritz Bauers vor
der SPD-Fraktion, haetten Arndt letztendlich dazu bewegt, seine Position
in
der Verjaehrungsfrage zu revidieren. Kurzfristig zeichnete sich im
Rechtsausschuss sogar eine Mehrheit fuer die Zwangspensionierung
belasteter Richter und Staatsanwaelte ab. Insbesondere der anfaengliche
"Zauderer"
Adolf Arndt waere zu einem entschiedenen Vorstreiter fuer die
Zwangspensionierung geworden. Das Ansinnen fand aber keine Mehrheit. Im
folgenden standen nicht laenger die Richter im Zentrum der Debatte,
sondern die NS-Taeter - die "einfachen Moerder". Die Stimmen in der SPD-Fraktion,
die eine Grundgesetzaenderung bzgl. der Verjaehrung von Mord und
Voelkermord forderten, waren im Bundestag aber nicht konsensfaehig. So
erfolgte zunaechst nur die Verlaengerung der Verjaehrungsfristen um vier
Jahre wegen des Verfolgungsstillstandes von 1945 bis 1949. Nach
Gosewinkel zeige das Beispiel Adolf Arndt, wie ein externalisiertes Feindbild,
die
DDR, allmaehlich durch ein internes Feindbild, die Naziverbrecher,
abgeloest wurde, was wiederum als Ausdruck einer anderen politischen
Kultur als noch in den 50er Jahren gewertet werden kann. Thomas Henne
relativierte in der Diskussion Gosewinkels klare Unterscheidung. Schon in
den 50er
Jahren seien Ansaetze zu einer neuen Form der justiziellen Aufarbeitung
des Nationalsozialismus erkennbar gewesen, so z.B. die Verfahren gegen den
NS-
Regisseur Veit Harlan und gegen dessen Kritiker Lueth.
Paul Ciupke (Essen) bezog sich in einem Kurzreferat auf den Beitrag der
Erwachsenenbildung und von Ausstellungen zur Bewaeltigung des
Nationalsozialismus durch Selbstaufklaerung der Gesellschaft. Trotz
interessanter Quellen, wie z.B. Seminarankuendigungen, waere der
Themenkomplex Erwachsenenbildung ein Forschungsdesiderat. Auch hier
vollzogen sich in den spaeten 50er und fruehen 60er Jahren umfassende
Veraenderungen, sicherlich auch ausgeloest durch die
Hakenkreuzschmierereien in Koeln und Duesseldorf um die Jahreswende
1959/60. Doch schon fuer die Jahre davor koennten merkliche
Veraenderungen festgestellt werden. Das Beduerfnis nach sachlicher Aufklaerung
stieg und
neue Methoden etablierten sich. Es wurde moeglich, auf neu erstellte
Quelleneditionen und auf eine verbesserte staatliche Finanzierung der
Bildungseinrichtungen zurueck zu greifen. Seit Ende der 50er Jahre fanden
vermehrt Ausstellungen zum Thema Nationalsozialismus statt. Ueberaus
wichtig war die Fotoausstellung zum Thema "Auschwitz" in der Frankfurter
Paulskirche mit ca. 61.000 Besucherinnen und Besuchern, die parallel zum
ebenfalls in Frankfurt stattfindenden Auschwitz-Prozess gezeigt wurde.
Bernhard Brunner, in Freiburg Mitarbeiter von Ulrich Herbert, berichtete
ueber seine derzeitige Arbeit zum juristischen Umgang in der
Bundesrepublik mit den Angehoerigen der Sicherheitspolizei (Sipo) in Frankreich.
Die
ehemaligen Sipo-Leute hatten die Judendeportationen (ungefaehr 74.000)
und die Erschiessung von ca. 29.000 Geiseln zu verantworten. Im Jahre 1979
wurde in der Bundesrepublik das Gerichtsverfahren gegen Lischka, Hagen
und Heinrichsohn, ehemalige Angehoerige der Sipo in Frankreich,
durchgefuehrt.
In den Medien wurden die Prozesse und die Verurteilungen ueberwiegend
wohlwollend besprochen. Brunner hingegen relativierte diese Bewertungen,
indem er die drei Faelle auf die insgesamt 199 Angehoerigen von Sipo und
Sicherheitsdienst (SD) im Besatzungsregime in Frankreich bezog. Die Sipo-
und SD-Leute, die in Frankreich gewirkt hatten, haetten nach 1945
gebrochene Karrieren erlebt. Meistens waeren sie bis Anfang/Mitte der
60er Jahre im Oeffentlichen Dienst taetig gewesen, in der Regel als Juristen.
Danach wechselten viele, als doch einige Fakten aus der NS-Zeit ans
Tageslicht gelangten, in die Privatwirtschaft. Das zeige, dass sich die
Einstellung der Oeffentlichkeit offenbar dahingehend veraenderte, dass
Belastete oder Verdaechtige in oeffentlichen Aemtern als nicht mehr
tragbar galten. Brunner stellte im folgenden das Beispiel Kurt Lischka vor:
Kurt
Lischka, Kommandeur der Sicherheitspolizei (KdS) in Paris, wurde unter
falschem Namen in Frankreich verhaftet und zunaechst an die
Tschechoslowakei ausgeliefert. In einem Spruchkammerverfahren der
Staatsanwaltschaft Bielefeld kam es zu einem Freispruch. In Frankreich
wurde er kurz darauf in Abwesenheit zum Tode und zu lebenslanger Haft
verurteilt. Die franzoesischen Behoerden haetten zwar von Lischkas
Aussage in Bielefeld gewusst, seinen Aufenthaltsort aber nicht gekannt; Lischka
arbeitete als Prokurist in Koeln. Flugblaetter aus Ostberlin griffen ihn
aber ebenso an wie Opferverbaende aus Israel, franzoesische Behoerden und
Intellektuelle. Auch einige deutsche Juristen bewerteten den Fall
mittlerweile anders. Viele der juristisch ausgebildeten Taeter aus dem
Bereich Sipo und SD hatten, so Brunner, die Moeglichkeit an Karrieren aus
der Weimarer Zeit anzuknuepfen. Der typische Werdegang dieser Gruppe von
Taetern haette zunaechst in den 50er und z.T. auch noch in den 60er
Jahren eine erfolgreiche Integration zugelassen. Erst ab Mitte der 60er Jahre
waere die direkte Unterstuetzung aufgegeben worden. Insgesamt haette die
"Rueckkehr zur Buergerlichkeit" (Herbert) keine Ausgrenzung und Aechtung
der Taeter nach sich gezogen, sondern deren Integration in die
Nachkriegsgesellschaft ermoeglicht.
Die auf der Tagung eroerterten Themen setzten den aktuellen Trend der
Zeitgeschichtsforschung fort, der Mitte der 90er Jahre, nach der
Beendigung der deutschen Zweistaatlichkeit, begonnen hatte. Norbert Frei
und Ulrich
Herbert waren es, die sich als erste mit der Frage der Integration von NS-
Straftaetern in die bundesrepublikanische Gesellschaft beschaeftigt
hatten. Deren Mitarbeiter von Miquel und Brunner, aber auch Gosewinkel, machten
deutlich, dass gerade im Bereich des bundesdeutschen Justizwesens noch
eklatante Wissensdefizite aufgearbeitet werden muessen. Micheal Okroy
ging in einer zusammenfassenden Bemerkung noch weiter und stellte die Frage
nach den Ursachen dieser Defizite; welche Akteure haetten ein Interesse,
Zusammenhaenge zu verschleiern? Auch der Themenkomplex DDR-Geschichte
muesste wohl in Zukunft staerker beruecksichtigt werden, denn
moeglicherweise gaebe es in Bezug auf die Frage nach der Aufarbeitung des
Nationalsozialismus mehr Wechselbeziehungen als bisher ersichtlich.
Ebenso muesse nach Parallelen und Unterschieden der strafrechtlichen
Aufarbeitung des Nationalsozialismus in den beiden deutschen Staaten gesucht
werden.
Ein weiterer unbearbeiteter Themenkomplex duerfte auch die vereitelte
Strafverfolgung in anderen westeuropaeischen Laendern sein, die
sicherlich zum groessten Teil auf Buendnisinteressen zurueckzufuehren ist.
So
verurteilte beispielsweise vor wenigen Tagen ein Gericht in Verona den 76-
jaehrigen ehemaligen SS-Mann Michael Seiffert in Abwesenheit zu
lebenslanger Haft, nachdem das belastende Material mehr als 40 Jahre lang
unterdrueckt worden war.
Karsten Wilke
Copyright ©1996-2002, H-Soz-u-Kult · Humanities · Sozial- und Kulturgeschichte