"Wohnen in der Großstadt 1900-1939: Wohnsituation und Modernisierung"

Leipzig, 21. - 23. Februar 2001

Veranstalter: Geisteswissenschaftliches Zentrum Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas e.V. (GWZO), Luppenstr. 1 b, 04177 Leipzig,
Tel. 0341/ 97 35 560, Fax 0341/ 97 35 569, http://www.uni-leipzig.de/gwzo

Projektgruppe: "Kulturelle Pluralität, nationale Identität und Modernisierung in ostmitteleuropäischen Metropolen 1900 - 1930"

Ansprechpartner für wissenschaftliche Fragen:
Dr. Alena Janatkova: janatkov@rz.uni-leipzig.de, Tel. 0341/97 35 596
Dr. Hanna Koziñska-Witt: kozinska@rz.uni-leipzig.de, Tel. 0341/97 35 596

Ansprechpartner für organisatorische Fragen:
Dr. Ewa Tomicka-Krumrey: tomicka@rz.uni-leipzig.de, Tel. 0341/97 35 564

Call for papers

Die Projektgruppe möchte Wissenschaftler der kultur- und gesellschaftswissenschaftlichen Fächer zu einer Tagung einladen, in der Fragen des großstädtischen Wohnens im Zentrum der Betrachtung stehen. Im zeitlichen Rahmen 1900-1939 war großstädtisches Wohnen ein zentraler Aspekt der zeitgenössischen Diskussion um die Großstadtproblematik. War die Wohnungsnot und Zerstörung der Wohnumwelt tatsächlich derart, wie es zeitgenössische Berichte suggerieren, oder waren großstädtische Lebensweise und Wohnweise für das Umland auch begehrenswert und vorbildhaft? Ein systematischer Vergleich auf europäischer Ebene von Wohnverhältnissen und -reformen im verschiedenen kulturpolitischen Zusammenhängen der Großstadt steht für die Erforschung noch aus.

Die fachübergreifende, namentlich die Ethnographie, Geschichte, Kunstgeschichte, Soziologie, Sozialgeographie betreffende Fragestellung ist auf Wohnformen und Wohnverhältnisse von Menschen unterschiedlicher sozialer und ökonomischer Stellung in der Großstadt ausgerichtet. Einerseits soll die Soziologie des Wohnens betrachtet werden, nämlich das Stadtviertel- und Wohnmilieu als "Ensemble von soziokulturellen Situationen und die dafür vorhandene baulich-räumliche Umwelt" (F. Staufenbiel, Leben in den Städten, Berlin 1989). Das Wohnmilieu ostmitteleuropäischer Großstädte wäre etwa in seiner kultursoziologischen Besonderheit der multiethnischen Zusammensetzung zu betrachten. Andererseits soll die städtebauliche Wohnreform und Wohnungsreform während der "wohnungsgeschichtlichen Periode 1900-1930" thematisiert werden, die zugleich die Wohnungen und das Wohnumfeld betraf (vgl. W. Hofmann, G. Kuhn, Wohnungspolitik und Städtebau 1900-1930, Berlin 1993). Diese Periodisierung bezieht sich allerdings auf Deutschland, wo zwischen einer formativen Phase in der Wohnungspolitik des späten Kaiserreiches und einer Hochphase der Weimarer Wohnungsproduktion differenziert wird. Inwiefern läßt sich aber das Beispiel Deutschland verallgemeinern? Die städtebauliche Wohnreform war zwar seit der Jahrhundertwende ein international forciertes Unternehmen. Die Beobachtungsfelder sind jedoch in einem Zeitraum schärfster Zäsuren situiert, mit der Zurückdrängung der Großreiche in Mittel-, Ost- und Südosteuropa entstanden nach dem Ersten Weltkrieg moderne nationalstaatliche Strukturen. Wohnformen und Wohnverhältnisse, die ja gerade im 20. Jahrhundert entscheidende Wandlungen erfuhren, standen unter Einwirkung unterschiedlicher politischer Leitbilder und Organisationssysteme.

Die vergleichende Perspektive bildet den interpretatorischen Ansatz der geplanten Tagung. Sie umfaßt eine vergleichende Sicht des Wohnens in der Großstadt um 1900 und um 1930, ebenso wie Vergleiche westlicher Großstädte mit Großstädten der Geschichtsregion "Ostmitteleuropa". Als Tagungsbeiträge sind Einzelstudien, besonders aber auch vergleichende Studien willkommen. Die Vergleichskriterien entstehen aus dem Spannungsfeld von Wohnsituation und Modernisierung: Das Problem der Modernisierung wird gemäß der Wohnreform (infrastrukturelle Ausstattung des Quartiers durch Elektrifizierung, Nahverkehrsmittel, Grünflächen u.a.) und der Wohnungsreform (schichtspezifische Wohnformen, direkte Intervention in den Wohnungsbau durch Kommune, Staat u.a.) konkretisiert. Unter diesen Gesichtspunkten ist die für ostmitteleuropäische Metropolen postulierte Ambivalenz von Modernisierung und Entwicklungsverspätung zu hinterfragen. War die Wohnsituation hier durch die infrastrukturelle, soziale und nationale Problematik in besonderem Maße belastet, oder hat das Wohnen einen "Modernisierungsschub" mitgemacht, der gegenüber dem Umland Vorbildcharakter hatte? Lassen sich überhaupt Unterschiede zwischen Ostmittel- und Westeuropa in der Wohnungsnot als Bestandteil der sozialen Frage feststellen? Inwiefern war Planung des Wohnens Instrument zur Eindämmung der sozialen Frage, inwiefern war es eine Disziplinierungsmaßnahme (vgl. R. Rogers, Urban History: prospect and retrospect, in: Urban History 19, 1992). Wie verhielt sich die Wohnreform zur Zentrumsfunktion der Metropole als Hauptstadt, Sitz wichtiger Institutionen und Verdichtungsort (Bevölkerung, Sinnesreize, Kommunikation, materielle Kultur, soziale Beziehungen etc.); waren ihre Tendenzen zur Dezentralisierung nicht letztlich eine ausgesprochen desintegrierende und antistädtische Form von Modernisierung?

Interessenten werden gebeten, bis 15.Oktober 2000 ein abstract eines Referats von etwa 30 Zeilen zu schicken.

Dr. Ewa Tomicka-Krumrey
Geisteswissenschaftliches Zentrum
Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas e.V. (GWZO)
Luppenstr. 1 b, 04177 Leipzig
Tel.: (0341) 97 35 564, mail: tomicka@rz.uni-leipzig.de
http://www.uni-leipzig.de/gwzo


Quelle = Email <H-Soz-u-Kult>

From: "Ewa Tomicka-Krumrey" <tomicka@rz.uni-leipzig.de>
Subject: CFP: Wohnen in der Grossstadt 1900-1939 - Leipzig 02/2001
Date: 30.5.2000

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