Das Saechsische Wirtschaftarchiv e. V. laedt dazu ein, Beitraege zum
Das Kolloquium wird zum Thema
veranstaltet.
Wie schon in den Kolloquien 1997 und 1999 soll der Versuch gemacht werden,mit wirtschafts-, sozial- und kulturhistorischen Ansaetzen die historische Entwicklung der saechsischen Wirtschaft, ihrer Akteure und ihre Unternehmen zu untersuchen.
Der naheliegende Bezug auf die Region Sachsen gab sowohl dem ersten Kolloquium 1997, auf dem es primaer um eine Bestandsaufnahme der Forschung zu den saechsischen Unternehmern ging, als auch der Tagung zu "Staat und Wirtschaft in Sachsen" im vergangenen Jahr allgemeine Leitfragen vor: Was ist das das Spezifische an Sachsens Industrialisierung und der Entwicklung seiner Unternehmenslandschaft im interregionalen Vergleich mit deutschen und ausserdeutschen Industriegebieten?
Bei naeherem Hinsehen erweist sich Sachsen als ein in wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht vielgestaltiger Raum, dessen Spezifik sich kaum ueber einzelne, eng miteinander verzahnte Schluesselindustrien erschliesst. Diese Vielgestaltigkeit der saechsischen Wirtschafts- und Unternehmenslandschaft hat uns veranlasst, bei den Planungen fuer das 3. Unternehmergeschichtliche Kolloquium den Blick auf subregionale und lokale Einheiten oekonomischer Verflechtung, unternehmerischen Handelns und gesellschaftlicher Integration zu lenken. In diesem Sinne moechten wir mit der Tagung dazu beitragen, ein differenzierteres und genaueres Bild der Wirtschaftsregion Sachsen und ihrer Unternehmerschaft zu entwerfen.
Im Einzelnen koennten die folgenden Themenbereiche und Perspektiven die Tagung inhaltlich strukturieren:
- Interessant sind Beitraege, die sich mit einzelnen saechsischen Subregionen befassen, ihrer funktionalen Verflechtung und Integration, ihrer Anbindung an groessere wirtschaftliche Systemzusammenhaenge, ihrer Entstehung und Entwicklung im Verlaufe der letzten beiden Jahrhunderte.
- In einigen (Sub-) Regionen Sachsens existiert eine Kontinuitaetslinie zwischen den fruehen Gewerbelandschaften, der fruehen Industrialisierung und der Herausbildung von Industrieregionen, die sich bis zum durchgreifenden industriellen Um- und Abbruch nach 1989 zieht. Fuer die aktuelle Situation und fuer die kuenftige Entwicklung stellt sich vor allem die Frage nach einer Wiedergeburt der regional gepraegten Wirtschaft in Sachsen.
- Willkommen sind Untersuchungen zur Artikulation, Vertretung und Organisation subregionaler Unternehmerinteressen. Es koennte hier darum gehen, den eigentlichen Unterbau regionaler Unternehmerverbaende genauer in den Blick zu nehmen, um subregionale und branchenmaessige Konkurrenz und Interessengegensaetze innerhalb der saechsischen Unternehmerschaft offenzulegen, die wiederum auf regionaler Ebene auszugleichen waren. Unternehmerische Interessenpolitik in solcher Perspektive waere zudem ein Ansatzpunkt, von dem aus die Formierung subregionaler Unternehmer- und Wirtschaftseliten zu untersuchen sein wuerde.
- Auf der anderen Seite zeichneten sich Sachsens industriell gepraegte (Sub-) Regionen dadurch aus, dass sie auf Grund ihrer Produktionsstruktur eingebunden waren in ein Beziehungsgeflecht mit anderen deutschen Wirtschaftsgebieten und mit Regionen in den angrenzenden Laendern (Boehmen, Suedosteuropa), ebenso durch eine intensive Verflechtung mit dem Weltmarkt. Die heutige Perspektive der saechsischen Wirtschaft (EU-Erweiterung, Globalisierung) laesst diese historische Spezifik von besonderem Interesse erscheinen.
Ein zweiter Fokus der Betrachtung liegt auf den Praegungen unternehmerischen Handelns und Denkens im lokalen Raum, der Gemeinde, des einzelnen Unternehmens und des Betriebs.
- In einem wirtschaftshistorischen Erkenntniszusammenhang koennte sich der Blick auf bestimmte, lokal zentrierte saechsische Industrien und Gewerbe richten, die sich im engeren Umkreis einzelner Orte gruppierten und oft genug fuer den Weltmarkt produzierten.
- Der Blick auf Unternehmer und Unternehmen in ihren lokalen Kontextenverweist einmal mehr auf die Vielgestaltigkeit des saechsischen Falles: Der soziale Status der Unternehmer, ihre oekonomische Macht und ihr lokalpolitischer Einfluss duerfte in der Industriestadt Chemnitz, der Residenzstadt Dresden und der Handels- und Messestadt Leipzig jeweils anders ausgepraegt gewesen sein. Unternehmerisches Wirken in den drei saechsischen Grossstaedten und ihrer Peripherie wird sich wiederum in merklich anderen sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Zusammenhaengen abgespielt haben als in industriell gepraegten Mittelstaedten, in laendlich-kleinstaedtischen Milieus oder in "Industriedoerfern".
- Schliesslich ist die Frage von Interesse, ob die lokale und branchenspezifische Vielgestaltigkeit der saechsischen Unternehmenslandschaft auch auf der Ebene des einzelnen Unternehmens und Betriebes eine Entsprechung findet. In Anknuepfung an das Konzept der "Unternehmenskultur" (in einem weiteren Sinne) koennte es dabei vor allem darum gehen, wie stark und in welcher Weise sich unternehmerischer Paternalismus auspraegten, wie lange sich solche paternalistischen Zuege hielten und in welcher Weise sie im Laufe des 19. und 20. Jahrhundert umgeformt wurden. Mit dem Terminus "paternalistisch" koennten in diesem Zusammenhang sowohl Beziehungen zwischen Unternehmern, Arbeitern und Angestellten als auch bestimmte Prinzipien der Unternehmensfuehrung charakterisiert werden, ebenso eine Familienbezogenenheit, die unternehmerisches Handeln und die Rekrutierung unternehmerischen Nachwuchses auf die Interessen, Beduerfnisse und Sinnstiftungswuensche der Besitzerfamilie ausrichtet.
Ein Leitthema der saechsischen Unternehmer- und Unternehmensgeschichte rekurriert auf das Spannungsfeld zwischen lokaler und regionaler Begrenztheit und Traditionalitaet auf der einen Seite und gleichzeitiger Weltoffenheit und Modernitaet auf der anderen Seite, in dem sich Sachsens Unternehmer augenscheinlich bewegten. Uns ist also besonders an Beitraegen gelegen, folgende Spannungsboegen auf die eine andere Art aufgreifen wuerden:
- Die kleinraeumig-subregionale Zersplitterung der saechsischen Gewerbelandschaft und die oft wenig urbane "Industriedoerflichkeit" ihrer Standorte steht in einem starken Kontrast zur ausgesprochenen Weltmarktorientierung vieler saechsischer Industrien.
- Die lokale und provinzielle Enge des gesellschaftlichen Horizonts vieler saechsischer Unternehmer paarte sich offenbar nicht selten mit einer ueberraschenden Weltlaeufigkeit ihrer geschaeftlichen Taetigkeit, die sich etwa in einem modernen, oft kuenstlerisch inspirierten Produktdesign und innovativen Werbestrategien niederschlug.
- Das ausgepraegt mittelstaendische Profil der saechsischen Unternehmerschaft und eine in einigen Gewerberegionen bis ins 20. Jahrhundert hinein wirksame heimindustrielle Tradition konnten durchaus zusammengehen mit technischer Hochwertigkeit industrieller Erzeugnisse und Fertigungsanlagen.
- Paternalistische Betriebszusammenhaenge bewahrten das "rote" Sachsen im 19. und im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts nicht vor scharfen Klassenkonflikten. Die politische Haltung der saechsischen Unternehmer wechselte dabei scheinbar fliessend zwischen rigidem Konservativismus und Liberalitaet, zwischen sozialreformischer Offenheit und sozialpolitischer Intransigenz.
Fuer alle Themenbereiche gilt, dass wir das Typische und das Verallgemeinerungsfaehige des saechsischen Falles immer auch im interlokalen, interregionalen oder internationalen Vergleich diskutieren wollen. Beitraege, die aehnliche Themen- und Fragestellungen fuer andere Wirtschaftsregionen entwickeln, sind also willkommen.
Wir bitten um Meldung von Beitraegen bis zum 31.12.2000 an folgende Adresse:
Saechsisches Wirtschaftsarchiv e.V.
Auf dieser Homepage finden Sie auch demnaechst weitere Informationen zum 3. Unternehmensgeschichtlichen Kolloquium
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