Goettinger Sommerkurs

Deutsch-Britisch-Franzoesische Goettinger Sommerkurs fuer Doktoranden und Doktorandinnen aus den Geschichtswissenschaften

MAX-PLANCK-INSTITUT FUER GESCHICHTE

MISSION HISTORIQUE FRANÇAISE EN ALLEMAGNE

BRITISH CENTRE FOR HISTORICAL RESEARCH IN GERMANY

Goettingen, 3. - 14. September 2001

Gewalt in Politik, Krieg und Alltag im 20. Jahrhundert

Der Sommerkurs soll (bis zu) 21 Doktorandinnen und Doktoranden aus verschiedenen europaeischen Laendern die Gelegenheit geben, sich ueber die Fragestellungen, Themen und Methoden in der Geschichtswissenschaft und den historisch orientierten Sozialwissenschaften auszutauschen. Dabei werden die spezifischen wissenschaftlichen Traditionen reflektiert und im (inter-)disziplinaeren Austausch problematisiert.

Die TeilnehmerInnen berichten ueber ihre eigenen Forschungsprojekte und kommentieren die Vorhaben ihrer Kolleginnen und Kollegen. Zugleich werden die TeilnehmerInnen die Gelegenheit haben, Vortraege ausgewiesener Kenner der behandelten Thematik zu diskutieren, aber auch in Seminarform zu vertiefen.

Folgende Experten haben ihre Teilnahme zugesagt:

Stephane Audoin-Rouzeau (Paris); Eva Bruecker (Berlin); Anne Dumenil (Paris); Clive Emsley (Open University); Jean-Francois Gossiaux (Paris);

Klaus Latzel (Bielefeld); Thomas Lindenberger (Potsdam); Catherine Merridale (Bristol, angefragt); Dieter Pohl (Muenchen); Nicholas Stargardt

(Oxford); Hew Strachan (Glasgow, angefragt).

Reise- und Aufenthaltskosten werden uebernommen. Gute Franzoesisch- und Englischkenntnisse werden erwartet.

Bewerbungen (mit folgenden Unterlagen: Lebenslauf, Empfehlungsschreiben des Betreuers/ der Betreuerin sowie ein 1- bis 2-seitiges Exposé der geplanten Dissertation) sind bis zum 10. Mai unter dem Stichwort "Sommerkurs 2001" zu richten an:

Max-Planck-Institut fuer Geschichte,

Postfach 28 33, D- 37018 Goettingen

Fax: 0551/ 49 56. 170

e-mail: geschichte@mpi-g.gwdg.de

INHALTLICHE AKZENTE

Physische Gewalt ist fuer die Geschichte der neuesten Zeit ein zentrales Forschungsfeld geworden. Dabei hat sich die Sichtweise veraendert: im Blick auf "Modernisierung" galt der Einsatz von Toetungs- und Verletzungsgewalt als Relikt vormoderner Zeiten. Der "Prozess der Zivilisation" (Norbert Elias) erschien als treibende Kraft zu rationalem, das hiess zugleich: zu gewaltfreiem Verhalten der historischen Akteure. Demgegenueber haben neuere Erkundungen das "kurze" 20. Jahrhundert als "Zeitalter der Extreme" (Eric Hobsbawm) charakterisiert. Zahl, Dauer und Heftigkeit von Kriegs- und Buergerkriegsgewalttaten ebenso wie von (anti-)kolonialen Kaempfen, insbesondere aber das genozidale Morden im deutschen Nationalsozialismus und die "Verrottungsgewalt" des sowjetischen Stalinismus verweisen auf eine - grauenhafte - Modernitaet jener Gewalt, die sich gegen Koerper und Menschen richtet (vgl. Zygmunt Bauman).

Zwei Perspektiven erweisen sich als besonders anregend und produktiv:
1. Gewalt-Praktiken und Gewalt-Erfahrungen;
2. Repraesentationen von Gewalt (in artikulierter oder dargestellter Form, aber auch "beschwiegen"; als Vision und Perspektive auf die Zukunft). Hier wie dort sind Resonanzen und Wechselwirkungen zu pruefen: Inwieweit haben z.B. die Erfahrung des "shell shock" 1914-18 sowie bildliche Darstellungen verstuemmelter Koerper in den 1920er und 30er Jahren eine kulturelle und politische Praxis angetrieben, die real wie metaphorisch Menschen und Dingen eine "glatte Haut" anzupassen suchte?
Die beiden genannten Sichtweisen richten sich vornehmlich auf folgende Themenfelder:
a) die Industrialisierung und Brutalisierung der Kriege (insbesondere mit und seit dem Ersten Weltkrieg);
b) sexuelle Gewalt - ihre alltaegliche Praesenz wie ihre Konjunkturen;
c) die Gewalt der Voelkermorde, insbesondere die von Massakern;
d) Staatsgewalt - in ihren repressiven wie praeventiven Praktiken und Begruendungen;
e) die Formen, Techniken und Materialien des Sammelns und Erinnerns, der Re- Praesentation von Gewalttaten, Gewalterfahrungen und Gewaltvisionen (zumal in Selbstzeugnissen).
Die Gewalt organisierter Verbaende oder Gruppen, aber auch Strassengewalt (in individuellen wie kollektiven Formen) sind ebenfalls wesentlich. Projekte dazu sind willkommen. Experten werden allerdings primaer zu den ersten fuenf Themenkreisen anwesend sein.

Prof. Dr. Alf Luedtke
Arbeitsstelle Historische Anthropologie des MPI fuer Geschichte an der Universitaet Erfurt

Postal address:
A. L.
MPI fuer Geschichte
Postfach 2833
D-37018 Goettingen


Quelle = Email <H-Soz-u-Kult>

From: "Alf Luedtke" <Luedtke@mpi-g.gwdg.de>
Subject: RE: Goettinger Sommerkurs
Date: 12.04.2001

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