Call for Papers für das Symposium:
Historismen in der Moderne. Vergangenheit als Träger von Identität
und Ideologie in der Architektur des 20. Jahrhunderts
Termin: 24.-26. November 2000
Ort: Kunsthistorisches Institut der Freien Universität Berlin,
Koserstrasse 20, 14195 Berlin
Kongresssprache: deutsch/englisch
Das internationale Symposium, organisiert von den Kunsthistorischen Instituten
der Freien Universität Berlin (Prof. Dr. Hammer-Schenk) und der der
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (Prof. Dr. Larsson) beleuchtet
die verschiedenen Aspekte historisierenden Bauens im 20. Jahrhundert in einem
möglichst breiten stilistischen und politisch-territorialen Kontext.
Der Blick zurück als Inspirationsquelle und Selbstversicherung durchzieht
als roter Faden Kunst und Architektur des 20. Jahrhunderts. Wenngleich
fortschrittliche Strömungen unsere Wahrnehmung der Kunstentwicklung
dominieren, blieb die Orientierung an der Tradition auch im 'Jahrhundert
der Moderne' präsent. Anlässe, Ursachen und Intentionen waren und
sind dabei ebenso vielgestaltig wie die intellektuelle und formale Rezeption
der verschiedenen Epochen der Architekturgeschichte. Im gesamteuropäischen
Kontext und darüber hinaus sollen Begriffe wie kulturelle und nationale
Identität, Gedächtnis und Geschichtskonstruktion, Heimat und Tradition
diskutiert werden. Historismen in der Architektur werden in diesem Zusammenhang
stilistisch wie bautypologisch untersucht. Mit dem Symposium an der Freien
Universität Berlin wird der Blick auf die Vielschichtigkeit der angewandten
Vergangenheitsbezüge in der Architektur des 20. Jahrhunderts gelenkt
wobei ihre theoretischen Hintergründe offengelegt werden sollen.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, besonders der Fachbereiche Kunst-
und Kulturwissenschaften, Architektur, Geschichte und Sozialwissenschaften
sind aufgefordert, sich bis zum 17. April 2000 (Poststempel) mit einem
Exposé für einen Vortrag (max. 500 Wörter) um die aktive
Teilnahme am Symposium zu bewerben.
Das Symposium gliedert sich thematisch in fünf Sektionen:
1. Historismen und Baugattungen
Bestimmte Baugattungen scheinen besonders geeignet, in ihrer Architektur
und Funktion nationale und kulturelle Identitäten zu repräsentieren.
Dazu zählen im 19. Jahrhundert insbesondere Bauten der Kultur, Wissenschaft,
Religion und Regierung. Die Wahl eines historisierenden Stils zeigt den Anspruch,
Gebäude als repräsentative Bedeutungsträger in einem spezifischen
kulturhistorischen Kontext zu verankern. Architektur funktioniert als
symbolisches Zeichen nationalen, ideologischen und politischen
Selbstverständisses. Welche Baugattungen werden im 20. Jahrhundert bevorzugt
zur Repräsentation kultureller, nationaler und religiöser
Identität genutzt und können davon ausgehend baugattungsspezifische
Entwicklungslinien abgeleitet werden? Wie werden die Funktionen eines
Gebäudes und seine stilistische Ausformung instrumentalisiert, um Referenzen
zur Vergangenheit zu konstruieren?
2. Historismen in Wiederaufbau, Rekonstruktion, Denkmalpflege
In der Auseinandersetzung mit historischem Bestand dienen Historismen dem
bewussten Anknüpfen an zerstörte Architektur und städtebauliche
Ensembles. Gefragt wird nach dem komplexen Verhältnis von Gedächtnis
und Geschichte und seinen symbolischen Manifestationen in der Architektur.
Im Spannungsfeld zwischen den 'Mythen des Neubeginns' und dem Fortsetzen
von Traditionen werden dabei "Gedächtnisorte" auf vielfältigste
Weise inszeniert. Zu untersuchen ist, wo und in welchen Formen Geschichte
erinnert und interpretiert wird. Wie wirken sich öffentliche Diskussionen
und Reflexionen über Vergangenheit, kulturelle Traditionen und nationale
Identität in der Denkmalpflege sowie in Architektur und Städtebau
in Nachkriegszeiten aus?
3. Historismen versus Moderne?
Historismen und Moderne müssen nicht als widersprüchliche Prinzipien
begriffen werden. Anders als es die Architekturgeschichtsschreibung des 20.
Jahrhunderts suggeriert, definieren sich Architekten auch dann als "modern",
wenn Sie mit Verweisen auf die Vergangenheit arbeiten. Während die einen
Architekten sich als modern verstehen, indem sie die klassische Moderne mit
Historismen und Traditionen kombinieren, verstehen sich die anderen Architekten
als noch "moderner", indem sie behaupten, die Moderne überwunden und
einen neuen Stil generiert zu haben, der die klassische Moderne selbst als
historische Referenz integriert. Wie verändert sich das
Modernitätsverständnis im 20. Jahrhundert und welche Rolle spielen
Nostalgie und Ironie? Inwiefern sind Historismen Teil der Moderne und werden
mit der Postmoderne selbst zu Ausdrucksformen progressiver
Architekturströmungen? Welche Methoden und Intentionen sind erkennbar?
4. Historismen als Konstruktion von Identitäten
Völker - vor allem "kleine Völker" - die über einen langen
Zeitraum unter der Herrschaft bzw. unter dem Einfluss einer sogenannten
"Kulturnation" standen, entwickeln häufig erst nach dem sogenannten
Völkerfrühling des 19. Jahrhunderts ein Nationalbewusstsein, das
sich im 20. Jahrhundert politisch und staatlich umgesetzt wurde. In diesem
Nationsfindungprozess wird oftmals eine eigene nationale Geschichte kreiert,
die in ihrer konstruierten Stringenz die eigene Gegenwart zum vorläufigen
Höhepunkt hat. Identitätsstiftend können dabei Religion und
Kirche, kulturelle Traditionen oder idealisierte herausragende historische
Ereignisse und Epochen der eigenen Vergangenheit sein. Architektur ist ein
mögliches Ausdrucksmittel, neue kulturelle Verbindungen zu konstruieren
und/oder sich sichtbar von andersethnischen/ andersreligiösen Gruppen
abzugrenzen. Historismen dienen hier als Mittel, religiöse,
national-kulturelle, nationalstaatliche oder politische Ansprüche und
Visionen bildhaft umzusetzen. Interessant ist in diesem Zusammenhang die
Diskussion der Begriffe "revival" (Historismen) und "survival" (Tradition).
Wie werden Historismen angewandt, um der Architektur entsprechenden symbolischen
Charakter und identitätsstiftende Kraft zu verleihen?
5. Transport von Historismen
In Verbindung mit politischen und territorialen Ansprüchen werden
Historismen aus ihrem ursprünglichen Traditionsgeflecht herausgelöst
und in andere kulturelle Zusammenhänge transportiert. Kolonisation und
Exil werden als Zustände erfahren, in denen die Vorstellung von der
Kulturnation/dem Kulturkreis nicht mehr mit der geographischen Definition
übereinstimmt. In kolonialem Kontext werden Referenzen der Vergangenheit
nicht nur zu Trägern politisch-territorialer Ansprüche, sondern
über ihre kulturelle Präsenz auch zu Versatzstücken einer
erinnerten Heimat. Als Zeichen kultureller Autorität dienen sie der
Erprobung einer neuen Identität, indem sie kulturhistorische Wurzeln
und Traditionen in der Architektur zum Ausdruck bringen. Wie werden die
Historismen in Abhängigkeit vom neuen Umfeld modifiziert und mit neuen
Bedeutungen belegt? Welche Funktion und symbolische Wirkungskraft besitzen
sie im Prozess der nationalen und kulturellen Positionierung in unvertrauter
Umgebung?
Call for Papers:
Exposés, nicht länger als 500 Wörter, und kurze Angaben zur Person sind per Post, Fax oder Email bis zum 17. April 2000 (Poststempel) an folgende Adressen zu richten:
Anna Minta M.A.
Kunsthistorisches Institut der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel,
D-24098 Kiel
Tel: ++49 - 431 - 880-4636, Fax: ++49 - 431 - 8804628, Email:
aminta@kunstgeschichte.uni-kiel.de
Christian Welzbacher M.A.
Rochstrasse 5, D-10178 Berlin
Tel/Fax: ++49 - 30 - 2818561, Email:
ChristianWel@aol.com
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