Tagung

Physiognomische Raserei und faciale Bilderfluten

Ort:Oesterreichische Nationalbibliothek
Portraetsammlung
Josefsplatz 1
A - 1015 Wien;

Zeit: 22. - 23. Jaenner 1999

Die Tagung wurde von der Kunsthistorikerin Eleonora Louis konzipiert. Das Thema der Physiognomik soll im Hinblick auf die 'Sammlung Lavater' veranschaulicht werden. Dieser wichtige Archivbestand wird derzeit in der Portraetsammlung der Oesterreichischen Nationalbibliothek katalogisiert und aufgearbeitet. Nach langer Zeit wird damit eine der fuer die wissenschaftliche Forschung interessantesten 'Bilder-Datenbanken' (ueber 20.000 Blaetter) wieder zugaenglich. Die vom IFK organisierte internationale und interdisziplinaere Tagung findet daher auch vor Ort, in der Portraetsammlung der OeNB, statt. Aktuell erscheint die Tagung auch insofern, als sich heute wieder ein verstaerktes kulturwissenschaftliches wie kuenstlerisches Interesse an der Physiognomik bzw. der Physiognomie artikuliert. KulturwissenschaftlerInnen, PsychologInnen, MedientheoretikerInnen reagieren auf eine wachsende "faciale Bilderflut", der die Gesellschaft ausgesetzt ist. Der Kulturphilosoph Thomas Macho spricht angesichts der Werbeaesthetik sogar von einer Art "universaler Physiognomik", in der ein "spaetindustrieller Animismus" jedem Ding sein Gesicht gibt und ihm dadurch auch eine Seele zuschreibt. Daneben widmen Kunstausstellungen sich wieder dem Thema des Portraets und KuenstlerInnen beschaeftigen sich vor allem im Bereich der Neuen Medien und der im oeffentlichen Raum agierenden Kunst mit dem Gesicht.

Die Beitraege oesterreichischer, deutscher und amerikanischer WissenschaftlerInnen versuchen die aktuelle Problemstellung - den Befund einer zunehmenden Verbildlichung der Lebenswelten in der Gegenwart - im Rueckblick auf die Situation der "physiognomischen Raserei" am Ende des 18. Jahrhunderts zu diskutieren.

In extremen Varianten der Digitalisierung wird heute das Gesicht durch virtuelle Verformungen der traditionellen Lesbarkeit entleert. Es kann sogar als leeres und physiognomisch-anatomisch dauerhaft veraenderbares Feld aesthetischer wie sozialer Prozesse dienen. Dieses "leere Gesicht" der Gegenwart wird mit dem Rueckblick auf die "physiognomische Raserei" der Gesellschaft im 18. Jahrhundert, die sich ueber das Gesicht ihrer selbst versichern wollte, vielleicht verstaendlicher.

Programm:

Freitag, 22. Jaenner 1999

9.30 Gotthart Wunberg

Johann Marte

Begruessung

Eleonora Louis

Einfuehrung

10.00 Gudrun Swoboda
Schriftgesichter mit Lesezeichen. Text/Bildstrukturen an Objekten der Sammlung J.C. Lavater

11.00 Kaffeepause

11.30 Ingrid Goritschnig
Faszination des Protraits. J.C. Lavaters Analyse des Gesichtes

12.30 Mittagspause

14.00 Barbara Wittmann
Distanzierte Gesichter. Eduard Manet und die Krise der Physiognomik

15.00 Kaffeepause

15.30 Gerhard Wolf
Veronikas Kodak. Medientheoretische Reflexion ueber das Tuch der Tuecher

Samstag, 23. Jaenner 1999

9.30 Brigitte Felderer
Talkshows. Zur medienspezifischen Inszenierung von Klischees

10.30 Kaffeepause

11.00 Ulrich Stadler
Schreiben in Endlosschlaufe. Ueber die Widersprueche in Lavaters Physiognomischen Fragmenten

12.00 Mittagspause

14.00 Michael Taussig
Eisenstein's 'Streik' and zoomorphic physiognomics

15.00 Kaffeepause

15.30 Thomas Macho
Gesichter als Markenzeichen. Bildmodelle facialer Prominenz

16.30 Ende der Tagung

TeilnehmerInnen

DiskutantInnen


Quelle = Email <H-Soz-u-Kult>

From: "Ines Steiner" <steiner@ifk.ac.at>
Subject: Physiognomische Raserei und faciale Bilderfluten
Date: 12.01.1999


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