UNIVERSITAET LEIPZIG

Geistes- und Sozialwissenschaftliches Zentrum
Promotionskolleg "Ambivalenzen der Okzidentalisierung"

CALL FOR PAPERS

Das Promotionskolleg "Ambivalenzen der Okzidentalisierung" laedt ein zur interdisziplinaeren Tagung

WortEnde

Intellektuelle im 21. Jahrhundert? Vergleichende Ueberlegungen kurz vor Ende des intellektuellen Jahrhunderts

25. - 28. November 1999 in Leipzig

Vorgesehene Sektionen:

Die Tagung wird unterstuetzt von der Hans-Boeckler-Stiftung, dem Geisteswissenschaftlichen Zentrum Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas e.V. und dem Institut Francais Leipzig.

Programm

Rueckmeldungen bitte bis 20.7. an:

Martina Winkler GWZO
Luppenstrasse 1B
04177 Leipzig
Tel. 0341/97 35 586
email: intello@rz.uni-leipzig.de

Vasile Dumbrava
Ulrike Katja Seiler
Andreas Westerwinter
Martina Winkler

Zentrum fuer Hoehere Studien der Universitaet Leipzig
Promotionskolleg "Ambivalenzen der Okzidentalisierung"

WortEnde

Intellektuelle im 21. Jahrhundert? Vergleichende Ueberlegungen kurz vor Ende des intellektuellen Jahrhunderts

Das Promotionskolleg Ambivalenzen der Okzidentalisierung am Zentrum fuer Hoehere Studien der Universitaet Leipzig laedt zu einer internationalen Tagung vom 25. - 28. November 1999 nach Leipzig ein.

Die Tagung stellt folgende Hypothese zur Diskussion: Die Intellektuellen als kritische Begleiter der Modernisierung haben ihre Funktion erfuellt - wir brauchen sie nicht mehr. Die Moderne ist implementiert und kann nunmehr gelebt werden, die Durchsetzung pluralistischer Gesellschaften mit liberaler Marktordnung, Sozialstaat und hohem Bildungsniveau sowie die sich aufloesenden Nationalstaaten haben das in der Aufklaerung begonnene Projekt "Moderne" gluecklich vollendet. Der Westen ist auf dem besten Wege in die Zivilgesellschaft, der Intellektuelle hat sich ueberlebt.

Als staendig noergelnder Begleiter des Ingenieurs ist der Intellektuelle eine der Hauptfiguren des 20. Jahrhunderts. Mal tragisch, bisweilen komisch, aber immer heldenhaft, versteht er es, sich in oeffentliche Diskussionen einzumischen und gelegentlich auch seiner Stimme Gehoer zu verschaffen. Die dem Intellektuellen eigenen Handlungsmuster sind oftmals durch punktuelles, sehr konkretes Eingreifen gekennzeichnet, das sich besonders in nationalen und internationalen Krisensituationen kristallisiert. Zur Grundausstattung des idealtypischen westlichen Intellektuellen gehoeren die ueberdurchschnittliche Faehigkeit und Bereitschaft zur Kritik und der Wille, diese zu formulieren und oeffentlichkeitswirksam darzustellen. Interventionen zeichnen sich durch auf Wort und Schrift fixierte und durch hohen Bildungsstand genaehrte Kommunikation aus. Sie schaffen ein Selbstbild und eine Selbstinszenierung, die Legitimation und Expertentum suggerieren sowie einen Missionseifer erlauben, der sich auf ethisch-moralische Reflexion stuetzt und Bezuege herstellt, welche im Alltagsgeschaeft der Modernisierung meist nicht mitgedacht werden. Inszenierte Unabhaengigkeit, ein bisweilen sehr autonomer Umgang mit Raum und Zeit sowie gesuchte Staatsferne gehoeren ebenfalls zu den haeufigen Merkmalen des idealtypischen Intellektuellen. Letztlich erzeugen Kritikfaehigkeit und -bereitschaft zudem eine Neigung zu utopischem Denken und zu permanenter Produktion gesellschaftlicher Gegenentwuerfe, welche aufgrund eines ausgepraegten Elitebewusstseins auch missionarisch unters Volk oder an den Rest der Elite gebracht werden koennen.

Dem Rahmenthema des Promotionskollegs folgend aber soll nun eroertert werden, inwieweit sich diese grob-klare Rollenzuschreibung auch auf Intellektuelle in Ost- und Suedeuropa sowohl historisch als auch zeitgenoessisch uebertragen laesst. Hier soll zunaechst untersucht werden, inwiefern der Okzident (in seiner jeweiligen historischen Ausformung) einen Analyserahmen fuer Kultur- und Gesellschaftskritik in den Laendern Sued- und Osteuropas vorgibt. In einem weiteren Schritt ist zu analysieren, ob Okzidentbilder und okzidentale Phaenomene - wie z.B. das der "Intellektuellen" - auch als Grundlage fuer gesellschaftliche Gegenentwuerfe dienen. Hier ist nicht nur an die direkte Uebernahme westlicher Gesellschaftsformen gedacht, etwa durch die Angleichung von Strukturen, sondern auch an die bewusste Abgrenzung vom Westen, an die Hervorhebung eigener Identitaet.

In einer ersten Sektion verfolgt die Tagung das Ziel, sich dem Begriff "Intellektuelle" historisch und zeitgenoessisch aus soziologischer Perspektive zu naehern sowie Probleme der Uebertragung eines in einer westlichen Gesellschaft geformten Konzeptes auf Ost- und Suedeuropa abzuwaegen. Es soll anhand empirischen Materials ueberprueft werden, wie der in einer konkreten historischen Situation gepraegte Begriff als sozialwissenschaftliche Kategorie fuer die Analyse von Ambivalenzen der Okzidentalisierung nutzbar gemacht werden kann. Das Spannungsfeld wird abgesteckt durch die Untersuchung der Entstehung des klassischen Intellektuellenkonzepts in Frankreich um 1900 einerseits und durch die - zeitlich fruehere - Entwicklung der russischen Intelligentsia andererseits.

In einem zweiten Schritt werden zeitlich klar umrissene internationale Krisensituationen ausgewaehlt, die als Kristallisationspunkte fuer das Einwirken Intellektueller auf Veraenderungsprozesse in Ost und West hervortreten. Es werden solche Momente gewaehlt, in denen Orientierungsunterschiede und Entscheidungsalternativen zwischen Ost und West und ueber Europa hinaus spuerbar werden [Deutsche Russlandfaszination um 1914 / Sowjetunion und Italien der Zwischenkriegszeit / Muenchner Abkommen 1938 / Ost- oder Westexil seit 1933 / Philo- und Antikommunismus in den 1950er Jahren / Dekolonialisierungsprozesse / mitteleuropaeische Krisenjahre 1956 - 1968 - 1980 / 1968 in Westeuropa - USA / Umbruchsjahre 1989-91 / Neuorientierung in den 1990er Jahren].

Eine folgende Sektion wird die intellektuelle Landschaft in Europa gegen Ende unseres intellektuellen Jahrhunderts untersuchen und die pathetisch-selbstverliebte Frage nach dem Verbleib intellektuellen Tuns in Ost und West stellen. Verschiedene Zukunftsperspektiven ueber Gesellschaften mit oder ohne Intellektuelle waeren zu diskutieren. Bleibt die Rolle der Intellektuellen erhalten? Oder wird jedes einzelne Mitglied der modernen Gesellschaft die Kritikerfunktion uebernehmen und ausfuellen? Sind moeglicherweise neue Formen der Avantgarde gefragt?

So werden abschliessend zwei Fragen zu klaeren sein: eine residuale und eine prognostische. Was bleibt? Was kommt? Letztere macht uns neugierig. Die erste faellt uns leicht, denn am Ende bleibt das Wort.

Vasile Dumbrava
Ulrike Katja Seiler
Andreas Westerwinter
Martina Winkler

Programm:

Kontakt ueber: Martina Winkler, Geisteswiss. Zentrum Leipzig, mwinkler@rz.uni-leipzig.de

Donnerstag, 25. 11. 1999

19.00 Uhr

Institut Francais, Lumumbastrasse 11-13, 04105 Leipzig

Vortrag: Ulrike Katja Seiler (Leipzig): Kieslowskis "Drei Farben" als kuenstlerisches Gegenmodell zu den Idealen der Franzoesischen Revolution und der Europaeischen Einigung.

Podiumsdiskussion:

WortEnde. Intellektuelle im 21. Jahrhundert?
Dr. Igor Corman (Berlin)
Prof. Dr. Hannes Siegrist (Leipzig)
Prof. Dr. Luc Ferry (Paris) (angefragt)
Dr. Ulrich Johannes Schneider (Wolfenbuettel)

Freitag, 26. 11. 1999

GWZO, Luppenstrasse 1B, 04177 Leipzig

Der Begriff der Intellektuellen: Historische und soziologische Definitionen

10.00-10.30

Rainer Totzke (Leipzig): Intellektuelle als "Medienspezialisten: Schriftgebrauch und die Entstehung von Intellektualitaet im antiken Griechenland.

10.30-11.00

Dr. Harald Schwaetzer (Trier): Der Idiot als Paradigma des Intellektuellen.. Nicolaus von Kues - ein Prototyp des 21. Jahrhunderts.

11.00-11.15 Kaffeepause

11.15-11.45

Angelika Magiros (Marburg): Begruenden und dekonstruieren - Foucault zwischen der modernen und der postmodernen intellektuellen Haltung.

11.45-12.30 Diskussion

12.30-14.30 Mittagspause

14.30-15.00

Prof. Dr. Jutta Scherrer (Berlin/Paris): Franzoesische Intellektuelle und russische Intelligencija.

15.00-15.30

Prof. Dr. Steffi Richter (Leipzig): Intellektuelle Figur(ation)en. Der Fall Japan.

15.30-16.00 Diskussion

16.00-16.30 Kaffeepause

16.30-17.00

Dr. Falk Seiler (Leipzig): Die Intellektuellenkritik in der Soziologie Vilfredo Paretos.

17.00-17.30

Prof. Dr. Klaus Bochmann (Leipzig): Grosse und kleine, organische und vagabundierende Intellektuelle. Der Begriff des Intellektuellen bei Antonio Gramsci.

17.30-18.00 Diskussion

Umtrunk

Samstag 27. 1. 1999

GWZO

Intellektuelle in Krisensituationen: Weltoffenheit und Nabelschau.

9.00-9.30

Prof. Dr. Wolfgang Hoepken (Leipzig): Intellektuelle Modernisierungsdiskurse in Suedosteuropa im 19. und 20. Jahrhundert

9.30-10.00

Dr. Buelent Bilmez (Tirana): Intellektuelle in der Tuerkei zwischen Tradition, Modernismus und Postmoderne: Eine Bruecke zwischen Orient und Okzident?

10.00-10.30 Diskussion

10.30-11.00 Kaffeepause

11.00-11.30

Martina Winkler (Leipzig): Ein Intellektueller in seinem Paradies? Lion Feuchtwangers "Moskau 1937".

11.30-12.00 Christiane Brenner (Muenchen): "An der Grenze zweier Epochen". Kuenstler und Intellektuelle in der Tschechoslowakei nach 1945.

12.00-12.30 Diskussion

12.30-14.30 Mittagspause

14.30-15.00

Maja Brkljasic (Budapest): Politik der Macht versus Politik der Kultur. Intellektuelle des Kommunismus: Die Zagreber philosophische Schule der 1950er Jahre.

15.00-15.30 Axel Fair-Schulz (Ontario): Juergen Kuczynskis aristokratischer Marxismus in den achtziger Jahren.

15.30-16.00 Diskussion

16.00-16.30 Kaffeepause

16.30-17.00

Florian Bieber (Budapest): Die serbischen Intellektuellen als Wegbereiter der jugoslawischen Krise.

17.00-17.30

Vasile Dumbrava (Leipzig): Zur Lage der Intellektuellen in der Republik Moldova (1989-1991): Orientierungen und Strategien.

17.30-18.00 Diskussion

Sonntag 28. 11. 1999

GWZO

Intellektuelle heute und morgen: Brauchen wir sie noch?

9.00-9.30

Siebo Siems (Hannover): Intellektuellendaemmerung?

9.30-10.00

Katrin Kuester (Kassel/Erfurt): Die Rolle von Intellektuellen in Wirtschaftstheorien.

10.30-11.00 Diskussion

11.00-11.30 Kaffeepause

11.30-12.00

Helmut Heit (Hannover): Kritisches versus tragisches Bewusstsein? Botho Strauss "Anschwellender Bocksgesang".

12.00-12.30

Roman Luckscheiter (Heidelberg): "Konservative" Intellektuelle und der V-Effekt heute.

12.30-13.00 Diskussion

Abschlussdiskussion


Quelle = Email <H-Soz-u-Kult>

From: "Martina Winkler" <mwinkler@rz.uni-leipzig.de>
Subject: CFP: WortEnde. Intellektuelle im 21. Jh.?
Date: 22.6.1999


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