Friedensschlüsse - Medien im Umfeld der Konfliktbewältigung im Mittelalter und der Frühen Neuzeit mit einem Ausblick auf die Gegenwart

Friedensschlüsse - Medien im Umfeld der Konfliktbewältigung im Mittelalter und der Frühen Neuzeit mit einem Ausblick auf die Gegenwart

Organisatoren
Graduiertenkolleg "Wissensfelder der Neuzeit. Entstehung und Aufbau der europäischen Informationskultur"
Ort
Augsburg
Land
Deutschland
Vom - Bis
24.11.2005 - 26.11.2005
Url der Konferenzwebsite
Von
Bent Jörgensen; Raphael Matthias Krug; Christine Lüdke

Die Tagung „Friedensschlüsse - Medien im Umfeld der Konfliktbewältigung in Mittelalter und Früher Neuzeit mit einem Ausblick auf die Gegenwart“ des Graduiertenkollegs „Wissensfelder der Neuzeit“ am Institut für Europäische Kulturgeschichte der Universität Augsburg reihte sich ein in die diesjährigen Veranstaltungen zum 450. Jubiläum des Augsburger Religionsfriedens. Sie verglich friedensrelevante Texte und Bilder im Umfeld von Friedensverhandlungen unterschiedlicher Epochen und fragte nach ihren Leistungen und Grenzen im Bereich des positiven Einsatzes für den Frieden. Zielsetzung der Tagung war, den wissenschaftlichen Nachwuchs zu Wort kommen zu lassen, der sich mit acht interessanten bis kontrovers diskutierten Beiträgen aus der europäischen Geschichte gut zu verkaufen wusste.

Der eröffnende Abendvortrag von Prof. Johannes Burkhardt, Augsburg, führte in die Thematik ein. Unter dem Titel "Religiöse Toleranz nach Art des Reiches: Vom Augsburger zum Osnabrücker Religionsfrieden" beleuchtete er die Frage, wie es dem Reich als einem der ersten Länder in Europa gelungen war, die Religionsproblematik der Reformationszeit zu lösen und die ihr inhärente strukturelle Intoleranz auf Reichsebene zu überwinden. Die religiös-dogmatische Frage wurde im Augsburger Religionsfrieden durch den Rückgriff auf den Ewigen Landfrieden von 1495 in eine politisch-rechtliche Angelegenheit umgewandelt.

Obwohl innerstädtische Friedensschlüsse im mittelalterlichen Italien mit einem erheblichen inszenatorischen Aufwand und seit dem 13. Jahrhundert mit einer umfangreichen Schriftproduktion einhergingen, waren sie in den seltensten Fällen dauerhaft erfolgreich, das war das Resümee des ersten Referenten der Tagungsvorträge. Der neue Rückgriff auf schriftliche Festlegung des Friedens zeigt, laut Christoph Dartmann aus Münster, zwar einen rapiden Wandel der gesellschaftlichen Kommunikationsformen, er verdrängte jedoch nicht die mittelalterliche Präsenzkultur im kommunalen Italien. Die Bürgerversammlung mit der direkten Begegnung der Streitparteien und dem feierlichen Eid oder sogar "Friedenskuss" als expressiver Geste fand weiterhin statt. Auch in den bewaffneten Auseinandersetzungen des schwäbischen Städtebundes mit König Wenzel, den süddeutschen Fürsten und Herren am Ende des 14. Jahrhunderts, dienten Medien dazu, dem Ziel des Friedens näher zu kommen. "Die nötige Autorität der Verhandlungspartner wurde mittels so genannter ‚Gewaltbriefe' bekräftigt", schilderte Stefanie Rüthers aus Münster. Außerdem hätten Gesandtschaftsberichte den kommunikativen Verlauf der so genannten Friedenstage dokumentiert. Friedenspolitik habe sich dabei auch mit zurückgehaltenen oder verfälschten Informationen betreiben lassen.

In der Religionsfriedenskommunikation in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts deckte Cornel Zwierlein aus München ein europäisches Referenznetzwerk auf. Am Beispiel von Deutschland, Savoyen und Frankreich zeigte Zwierlein, wie die Nachbarländer jeweils auf vorausgegangene Friedensedikte rekurrierten. Sowohl textuelle Bezüge als auch personelle Beziehungen - zum Beispiel in Form von brieflicher Übermittlung von Vertragstexten ins Ausland - spielten dabei eine wichtige Rolle. Einen Ausblick auf Schweden ermöglichte Inken Schmidt-Voges aus Osnabrück mit ihren Ausführungen über das "Uppsala Kyrkomötet" von 1593. Auf diesem Kirchentag sollte die "Confessio Augustana" als alleiniges verbindliches Bekenntnis für Schweden festgesetzt werden. Erst durch die mediale Vermittlung habe sich das Ereignis als konfessioneller Friedensschluss konstituiert.

Aus kunsthistorischer Sicht referierte Martina Dlugaiczyk aus Aachen über die Medialisierung des Waffenstillstandes im 17. Jahrhundert. Eine Vielzahl von Allegorien verbildlichte, oft mit Hilfe von Personifikation, den zwischen den spanischen Niederlanden und den Generalständen abgeschlossenen zwölfjährigen Waffenstillstand von 1609: "Pax und Justitia auf dem Triumphwagen", "Der Handschlag" als Zeichen von Allianz, "Waffenstillstand als Ehebündnis" und besonders beliebt "Der schlafende Mars" als Zeichen ruhender Waffen. Dlugaicyk erklärte: "Am beliebtesten waren in Grafik und Malerei Gattungen, mit denen möglichst schnell auf politische Ereignisse reagiert werden konnte." So zum Beispiel auch mit den in hoher Anzahl publizierten Flugblättern als Reaktion auf den in Münster geschlossenen Westfälischen Frieden von 1648. Auch zu diesem Anlass zeigten die Flugblätter, laut Stefan Mayer-Gürr aus Bonn, nicht etwa den Akt der Unterzeichnung, sondern allegorische Darstellungen des Friedens. Aus der Sicht der Zeitgenossen sei aber weniger der Friedensschluss an sich von Bedeutung gewesen, als vielmehr die Rezesse, die den Abzug der Truppen regelten. Dies sei an der höheren Auflagenzahl von Flugblättern zu diesem Thema erkennbar.

An der Wende zum 19. Jahrhundert wurde die Allegorie schließlich durch das Ereignisbild abgelöst. Claudia Hattendorf, Marburg, zeigte dies an den unter Napoleon Bonaparte geschlossenen Friedensschlüssen Frankreichs. "Das neue Darstellungsprinzip beruhte darauf, dass ein peripheres Ereignis exemplarische Bedeutung erhielt", erklärte die Kunsthistorikerin. So wurde zum Beispiel das Treffen Napoleons mit Franz II. zwei Tage nach der Schlacht von Austerlitz am 4. Dezember 1805 in Szene gesetzt. Die zu Gunsten des französischen Kaisers ausfallende Darstellung der Kräfteverhältnisse sollte die Außenpolitik Napoleons propagandistisch unterstützen. Die staatlich gelenkte Bildproduktion reichte dabei von der Hochkunst bis zum populären Bild und der Karikatur.

Das Bedürfnis nach staatlicher Kontrolle sei nach wie vor Bestandteil der Demokratien des 20. und 21. Jahrhunderts - wenn auch in anderer Form als zu Zeiten Napoleons - wie Thomas Speckmann aus Bonn erläuterte. Er diskutierte den "Wiederaufbau von Staaten" als eine der Hauptaufgaben heutiger internationaler Politik. Kritisch beleuchtete er dabei die Wechselwirkungen zwischen medialer Berichterstattung und staatlichen Eingriffen.

Die Tagung insgesamt ermöglichte durch ihren Zugriff auf Einzelmedien einen Blick auf Quellen, die sonst nicht unbedingt im Blickfeld von Historikern liegen, schlussfolgerten die Organisatoren Bent Jörgensen, Raphael Krug und Christine Lüdke. Das Graduiertenkolleg "Wissensfelder der Neuzeit. Entstehung und Aufbau der europäischen Informationskultur" nutzte als Ausrichter des Symposiums die Chancen seiner interdisziplinären Ausrichtung. Die abschließende Podiumsdiskussion verdeutlichte, dass die vorausgehende Gewalt oder die Art eines Krieges immer mitentscheidend ist für den anschließenden medialen Umgang mit dem Frieden. Ohne Kriegsforschung sei Friedensforschung daher kaum möglich.

Die Vorträge der Tagung werden in einem Tagungsband publiziert, der im Laufe des Jahres 2006 erscheinen soll.


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