Erarbeitung von Lehrmodulen zur Geschichte der Pflege

Erarbeitung von Lehrmodulen zur Geschichte der Pflege

Organisatoren
Sylvelyn Hähner-Rombach; Barbara Randzio; Christoph Schweikardt
Ort
Stuttgart
Land
Deutschland
Vom - Bis
11.11.2005 - 12.11.2005
Url der Konferenzwebsite
Von
Christoph Schweikardt, Abteilung Medizinische Ethik und Geschichte der Medizin, Ruhr-Universität Bochum

Das Projekt "Erarbeitung von Lehrmodulen zur Geschichte der Pflege" wurde von der Robert Bosch Stiftung für den Zeitraum von September 2005 bis August 2007 genehmigt. Nachdem sich die Steuerungsgruppe, bestehend aus Sylvelyn Hähner-Rombach, Barbara Randzio und Christoph Schweikardt, konstituiert hatte, fand am 11. und 12. November 2005 im Institut für Geschichte der Medizin der Robert Bosch Stiftung in Stuttgart die erste Arbeitstagung statt. Ziel der Tagung war, Prinzipien für die Strukturierung einer Quellensammlung zum Unterricht in der Geschichte der Pflege zu erarbeiten.

Hierzu wurden zunächst die Quellenlage in verschiedenen Geschichtsepochen sowie Besonderheiten der Quelleninterpretation thematisiert. Kay Peter Jankrift stellte für das Mittelalter an mehreren Beispielen die Vielfalt der Quellen heraus, zu denen neben Schriftquellen Gemälde, Ordnungen Testamente und Bauten zählen. Zudem hob er hervor, daß die Quellensuche ein Puzzlespiel darstelle und die Praxis sich häufig dem Zugriff durch die Quellen entziehe. Zu den Merkmalen des Mittelalters gehöre, daß von Klerikern Krankheit und Pflege stark idealisiert wurden, in monastischen Gemeinschaften die Pflege von Kranken hohes Gut gewesen sei und die Bedeutung des moralischen und guten Lebenswandels einen hohen Stellenwert eingenommen habe.

Christina Vanja betonte bei der Vorstellung von Quellen zur Pflege aus der Frühen Neuzeit, daß der Vielzahl an Archivalien bisher nur wenig an geleisteter Forschung gegenüberstehe. Sie hob die christliche Caritas, die Diätetik, die praktischen Wundarznei und das Prinzip des "ganzen Hauses" als Wirtschafts- und Sozialverband heraus. Sie richtete beispielhaft den Blick auf Pflegepersonen im Hospital, deren Tätigkeitsgebiet sich von heutigen Krankenpflegepersonal deutlich unterschied, und skizzierte den Verantwortungsbereich des Spitalmeisters, der häufig mit seiner Ehefrau zusammen das Hospital leitete. Eine Vielzahl von auch heute aktuellen Themen wie Professionalisierung und Hierarchisierung, Medikalisierung, Spezialisierung und Säkularisierung lasse sich an Beispielen der Frühen Neuzeit bearbeiten.

Norbert Friedrich, der Leiter der Fliedner-Kulturstiftung, berichtete über die Bestände und die bisherige Bearbeitung der Pflegequellen der Kaiserswerther Diakonie. Der reichhaltige Quellenschatz umfasse normative Quellen wie Hausordnungen, Verträge und Berichte, Stationsakten über Arbeit in Krankenhäusern und Gemeindepflegestationen, Diakonissenerinnerungen mit einer religiösen Reflexion der Krankenpflege wie auch Schwesternakten, die Lebenslauf, religiöse Begründung und Glaubenskrisen widerspiegelten. Allgemein sei das Religiöse viel bedeutender gewesen als die Pflegestandards.

Ein weiterer Schwerpunkt der Tagung war die Geschichte der Pflege in der Ausbildungspraxis. Sabine Braunschweig stellte sich am Beispiel der Schweiz der Frage: Wie können Historikerinnen und Historiker Lehrenden der Pflegegeschichte Fragen der Quellenbearbeitung und -interpretation vermitteln? Sie berichtete über den Wandel der Pflegeausbildung in der Schweiz und eine von ihr durchgeführte Umfrage aus dem Jahr 2004 über Art und Umfang von historischem Unterricht an Pflegeschulen in der Deutschschweiz. Da in absehbarer Zeit der Unterricht nicht von Fachhistorikerinnen und Fachhistorikern gehalten werde, empfehle sich für die Schweiz eine Quellensammlung, die für historische Laien geeignet sei.

Ulrike Gaida berichtete über ihre Unterrichtserfahrungen in der Pflegegeschichte als Teil der "Berufskunde Pflege" an der Evangelischen Fachhochschule Berlin. Da sich ein chronologischer Abriß von der Antike bis ins 20. Jahrhundert nicht bewährt habe, plädierte sie dafür, die Lehre mit direktem Bezug zur Situation Pflegender zu gestalten und verschiedene Perspektiven wie die der Begriffsgeschichte, der Sozialgeschichte, der Strukturgeschichte und der Geschlechtergeschichte einzubringen. Das Fach solle Prüfungsrelevanz erlangen, denn damit steige Wertigkeit, Interesse und Engagement.

Mit einem gemeinsamen Abendessen klang der erste Tag aus. Am zweiten Tag wurden anhand eines Entwurfs für eine Sammlungskonzeption und eines Probemoduls das weitere Vorgehen intensiv diskutiert. Insgesamt wurde deutlich, daß die weißen Flecken in der Forschung noch vielfach dem Wunsch nach einer Darstellung von Quellen für die Lehre entgegenstehen. Empfohlen wurde, den Lehrenden eine breite Auswahl von Quellen an die Hand zu geben, aus denen sie selbst nach ihren Bedürfnissen eine Auswahl treffen können, anstatt die einzelnen Module stark vorzustrukturieren. In der Diskussion kristallisierten sich problemorientierte Themenfelder zur Gliederung der Quellensammlung heraus: Pflegealltag und Arbeitsfelder in der Pflege; Medikalisierung und die Beziehung zwischen Pflegenden und Patienten; Geschlechterverhältnisse; Machtverhältnisse, Hierarchie und Autonomie; Pflege und Eugenik sowie Pflege im Nationalsozialismus; Religiosität und Caritas, konfessionelle Pflege und Ethik; Gesundheits- und Sozialpolitik; Professionalisierung und Berufsorganisationen; "Säulenheilige" der Pflegegeschichte als Rezeptions- und Transfergeschichte. Hierbei sollen unterschiedliche Quellenarten wie Texte, Bilder, Photographien, Statistiken, die die Vielfalt der historischen Themen in der Pflege widerspiegeln, einbezogen werden. Zu den einzelnen Themenfeldern sollen Arbeitsgruppen gebildet werden. Abschließend sprach die Steuerungsgruppe den Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihren herzlichen Dank für das gezeigte Engagement aus.

Die Tagung leistete einen wichtigen Beitrag zur Vernetzung auf dem Gebiet der historischen Pflegeforschung. Sie brachte Lehrende in der Pflegegeschichte mit Forschern zusammen, die mit Pflegequellen unmittelbar zu tun haben, so daß die unterschiedlichen Perspektiven in die Konzeption der zukünftigen Quellensammlung einfließen konnten. Der Blick über die nationalen Grenzen hinaus und die Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen aus Österreich und der Schweiz bieten zudem eine Vielzahl interessanter Vergleichsperspektiven zur Entwicklung der Pflege in verschiedenen Gesundheitssystemen.


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