Fear. Critical Geopolitics and Everyday Life

Fear. Critical Geopolitics and Everyday Life

Organisatoren
Geographical Research Centre (GRC), Department of Geography
Ort
Durham
Land
Deutschland
Vom - Bis
11.07.2005 - 12.07.2005
Url der Konferenzwebsite
Von
Thomas Bürk-Matsunami, Berlin

Die internationale Konferenz Fear. Critical Geopolitics and Everyday Life fand am 11. und 12. Juli 2005 am Geographical Research Centre des geographischen Institutes der nordenglischen Universität Durham statt. Eingeladen hatte der am dortigen Department of Geography ansässige Social Wellbeing and Spatial Justice Research Cluster, in dem sich mehrere ForscherInnen explizit mit Geographien der Angst sowie Fragen der Wahrnehmung von sozialen Risiken und politischen Unsicherheiten beschäftigen.
Die Konferenz hatte tragischerweise einen ausgesprochen aktuellen Bezug, waren doch erst wenige Tage zuvor am 7. Juli bei einer Serie von Bombenanschlägen auf das Londoner Nahverkehrssystem über 50 Menschen ums Leben gekommen. Dies bescherte der Thematik Politiken der Angst in geopolitischen und alltäglichen Bereichen eine beklemmende Aktualität und Brisanz. Dies schien auch allen TeilnehmerInnen bewusst zu sein und so fand die Veranstaltung in reflektierter, ruhiger Atmosphäre statt, ohne in unkritischen oder abgehobenen Akademismus zu verfallen. Einzelne WissenschaftlerInnen allerdings, wie beispielsweise der in Durham lehrende und forschende Sozialgeograf Stephen Graham – ein Spezialist für Gefährdungsszenarios städtischer Infrastrukturen – mussten ihre Teilnahme an der Tagung reduzieren, weil ihr ExpertInnenwissen stark von den Medien nachgefragt wurde.
Von den über 50 Teilnehmenden (größtenteils aus UK) stellten über die Hälfte aktuelle Projekte und deren Forschungsstand vor. In sieben Sitzungen wurden die 20-minütigen Vorträge aufmerksam verfolgt und zumindest kurz diskutiert. In Verbindung mit der Tagungsanordnung in Form eines großen runden Tisches schuf dies ein ausgesprochen überschaubares und persönliches Diskussionsforum. Dank des gut gegliederten Programms ergaben sich sieben kompakte Sitzungen mit thematisch gut zueinander passenden Vorträgen, die sich im Wesentlichen mit zwei Schwerpunkten beschäftigten:
Einerseits eine politischen Geographie der Furcht und Angst auf globaler sowie nationalen Ebenen, die sich hauptsächlich mit Angstszenarien als funktionalisierte Mittel lokaler Politik und Herrschaftsformationen beschäftigte, kurz: Critical geopolitics. Der zweite Schwerpunkt konzentrierte sich auf Angst im Alltag, die sich mit Wahrnehmungen von Kriminalitätsfurcht, Viktimisierung, Gewalt und städtischen Bedrohungsszenarien beschäftigte.

Von den 28 präsentierten Forschungsberichten werde ich nun einige kurz darstellen: Der erste Beitrag war quasi eine Keynote speech von Corey Robin. Er lehrt und forscht an der City University of New York (CUNY) und ist Autor des Buches Fear: The History of a Political Idea (2004). Robin näherte sich unter dem Titel Fear and Representation der Politisierung von Angstdiskursen aus philosophischer und politologischer Perspektive an. Durch Verweise auf die Rolle der Angst in der politischen Theorie von Montaigne (The thing I fear most is fear), Montesquieu, Hobbes (der Angst als einen zentralen Aspekt zur Gestaltung staatlicher und gesellschaftlicher Politik im Sinne des Souveräns kennzeichnete) – über Alexis de Tocqueville, John Locke und Hannah Arendt – wurde deutlich, dass es sich bei Angst um eine Konstante, um ein grundsätzliches und zentrales menschliches Empfinden handele. Die jeweiligen Konjunkturen von Angst- und Bedrohungsszenarien verweisen jedoch auf zeitgenössische politische und kulturelle Diskurse, gesellschaftliche Verhältnisse und deren Deutungen. Fragwürdig war allerdings die ungeklärte Verwendung eines kollektiven „wir“-Begriffes, der einer genaueren Erklärung bedurft hätte.

Der folgende Beitrag von David Campbell (University of Durham, UK) war weit weniger philosophisch orientiert. Campbell referierte unter dem Titel An evangelism of fear: the state, danger and contemporary US foreign policy seine Forschungsergebnisse zur Rolle von Angst- und Gefährdungsszenarios in der US-amerikanischen Innen- und Außenpolitik. Während der derzeitige Charakter der US- Außenpolitik mit seinen Gut-und-Böse-Rhetoriken und christlich-evangelikalem Missionseifer den Eindruck erweckt, als handele es sich hierbei um Erscheinungen, die mit moderner Staatspolitik nicht zusammenpassen, behauptet Campbell das Gegenteil. Vielmehr gehöre es zum historischen und theoretischen Instrumentarium ebendieser modernen (post-westfälischen) Nationalstaaten nach 1648, sich durch ein Evangelium der Angst identitätspolitisch zu konstruieren. Dieses staatliche Grundfundament bestehe im Wesentlichen aus Bedrohungsszenarien, einer Theologie der Angst und Furcht vor äußeren Feinden, ganz im Sinne von Carl Schmitts Postulat, ein Gegner sei konstitutiv für den Staat. Am Beispiel des US-amerikanischen Committee on the Present Danger (CPD) konkretisierte Campbell diese Überlegungen. Bei diesem Komitee zur Gefahrenabwehr handele es sich, so Campbell, keineswegs um eine neue Einrichtung. Vielmehr erlebe diese Institution gerade eine dritte Renaissance seit der Gründung. So seien als erste Aktivitäten des CPD im Jahr 1950 eine Roll Back Commission ins Leben gerufen worden, um verstärkt Geschäftsleute, Medienschaffende, und Intellektuelle in eine klarere Frontstellung für die USA im Kalten Krieg einzubeziehen. Eine zweite Welle der Aktivitäten habe das CPD in der Mitte der 1970er-Jahre entfaltet, um Gegenpositionen zu moderaten Republikanern, die mit der Sowjetunion verhandeln wollten zu stärken und für mehr Militärausgaben gegen die Sowjetunion einzutreten. Seit 2004 habe sich das CPD nun dem internationalen „Kampf gegen den Terror“ verschrieben.
Dieses, zunächst etwas nach Verschwörungstheorie klingende Beispiel, stellte sich jedoch als eine sachliche Analyse zeitgenössischer Machtstrukturen und Think-Tanks heraus, ohne Verdacht auf ideologische Vereinfachungen aufkommen zu lassen. Es handelte sich somit um ein sehr gutes Beispiel für angewandte Critical geopolitics.

Ebenfalls einer Analyse internationaler Geopolitiken widmete sich Nick Megoran von der University of Cambridge. Unter dem Vortragstitel From presidential podiums to pop music: discourses of danger in Uzbekistan stellte Megoran Auszüge seiner mehrjährigen Forschungs- und Lehrtätigkeit im Bereich der Kaukasusregionen Usbekistans und Kirgistan vor. Auch diese Region war erst vor kurzem für wenige Tage im Zentrum internationalen Interesses, dort hatten im Mai 2005 in der Stadt Andischan bei einem Massaker usbekischer Soldaten 200 Menschen (andere Quellen sprechen gar von 500 Menschen) ihr Leben verloren. Vor dem Hintergrund dieser brutalen Eskalation lokaler Konflikte versuchte Megoran diese Politik der Angst und Spannung, wie sie vor allem von Seiten der usbekischen Präsidenten Islam Karimov betrieben werde, zu analysieren. Im post-sowjetischen Usbekistan diene eine Verschränkung aus formalen, praktischen und populären Geopolitiken einem autoritären Regime zur simplen Herrschaftssicherung. Durch die Förderung von Angst- und Bedrohungsszenarien (vor allem vor den muslimischen Nachbarländern – namentlich Kirgistan) werde ein Bild des guten, harmonischen Staates nach Innen gegen böse, bedrohliche muslimisch-terroristische Nachbarn gezeichnet. Als besondere Medien dieser Gefährdungsdiskurse hat Megoran sich vor allem mit den Büchern des Präsidenten Karimov, mit Fernsehnachrichten und – zuerst irritierend – mit populärer Musik beschäftigt. Gerade dem analytisch gerne vernachlässigten Bereich der Popmusik werde in diesen neuen Nationalstaaten eine besondere Rolle bei der Konstruktion kultureller Identitäten zuteil. Am konkreten Beispiel einzelner Lieder und Musikvideos der Gruppe Setora, den Spice Girls of Usbekistan, hat Megoran deren penetranten Patriotismus, deren Ästhetisierung des Militärischen und die Stigmatisierung der kirgisischen Nachbarn als Terroristen herausgearbeitet.

Die Sozial- und Kulturgeografin Cindi Katz von der City University of New York (CUNY) nannte ihren Beitrag – unter Bezug auf den Autor Michael Billig, der in den frühen 1990er-Jahren ein Buch unter dem Titel ‘Banal Nationalism’ publiziert hatte – Banal terrorism: camouflaging the problem. Ihr Vortrag behandelte die widersprüchlichen Mannifestationen der Furcht vor terroristischen Anschlägen im alltäglichen Erleben des städtischen und häuslichen Lebens seit dem 11. September 2001. Katz verfolgte in ihrem Vortrag brillant die Spuren der Angstdebatten und Gefährdungsdiskurse seit 9/11 und wie sich diese im Stadtbild, aber auch in täglichen Gesprächen und Alltagshandlungen niederschlagen. Ihre Hauptthese geht davon aus, dass die Stadt New York, aber auch andere US-amerikanische Städte derzeit einen ähnlichen Prozess durchlaufen würden, wie dieser von Billig beschrieben worden sei. Analog zum „Flagge zeigen“ eines banal nationalism fände derzeit in den USA ein allgegenwärtiges und kleinteiliges producing of identities of belonging statt. Diese diskrete Identitätspolitik bestehe aus mannigfaltigen sozialen Praktiken, wie beispielsweise den ständigen Aufrufen zur Wachsamkeit: if you see something, say something, den alltäglichen Manifestationen staatlicher (und privatisierter) Sicherheitskräfte in öffentlichen Räumen, U-Bahnhöfen und auf Strassen, dem verselbstständigten Belagerungsszenario des „wir Bedrohten“ gegen „die Bedroher“. Katz analysiert dies als neue diskursive Formationen zur Erzeugung nationalistischer Vorstellungen von Pflicht und Ehre gegen imaginierte Feinde in der eigenen Gesellschaft. Charakteristisch für das Phänomen des banal terrorism sei die Verschleierung und Mystifizierung der Ursachen derzeit erlebter Unsicherheiten: The phenomena of ‘banal terrorism’ mask and mystify many of the real sources of contemporary insecurity, not only failing to redress them at all but making the possibility of redress all the more precarious. (Katz, 2005)

Der von PressevertreterInnen so begehrte Spezialist für städtische Infrastrukturen Steve Graham, ebenfalls Geograph an der Universität Durham, präsentierte seine aktuellen Forschungsergebnisse unter dem Titel Networked fear. In urbanisierten und technologisch entwickelten Gesellschaften bilden Infrastrukturen der alltäglichen Versorgung und des Transportes von Menschen und Gütern ein nahezu unübersehbares Netzwerk, ein komplexes vernetztes System. Es stellt den nicht hinterfragten und als selbstverständlich erachteten Hintergrund des alltäglichen Funktionierens der gesellschaftlichen Ordnung her, der erst wahrgenommen und hinterfragt wird, wenn etwas nicht mehr funktioniert. Wenn dann jedoch ein Ausfall von Techno-structures stattfindet, werde dies demzufolge auch als Problem der gesamten gesellschaftlichen Ordnung interpretiert und evoziert eine Fülle an Angstszenarien. Besonders StadtbewohnerInnen seien sich der Anfälligkeit und ihrer grossen Abhängigkeit von diesen technologischen Infrastrukturen durchaus bewusst. Selbst banale technisch bedingte Unterbrechungen der Versorgung und des Transports würden tiefen psychosozielen Stress, Traumata und Angst erzeugen, die sich hervorragend auch zur politschen Mobilisierung gegen Minderheiten unter dem Stichwort der terroristischen Bedrohung eignen würde.

Alan Ingram vom University College in London stellte unter dem Titel Infectious disease, fear and global security Diskussionsstränge um globale Seuchenszenarien dar. Ansteckende Krankheiten würden zunehmend in globale Bedrohungsszenarien eingefasst und unter dem Motto We are all under threat now aus lokalen Zusammenhängen und sozialen Kontexten gelöst. Hier böten Analysen dieser globalisierten Seuchendiskurse wertvolle Einsichten in die Dynamiken von Macht, Raum und Identität, wobei gleichzeitig Verbindungen zwischen Geopolitik und alltäglichen Leben sichtbar würden. Ingram bot einen kurzen Überblick auf historische Beziehungen zwischen ansteckenden Krankheiten, Raum und Angst, um daraus einen Untersuchungsrahmen für das Spannungsfeld zwischen neuen Geopolitiken und ansteckenden Krankheiten zu formulieren.

Nach so viel geopolitischer Perspektive entwarf eine der OrganisatorInnen der Konferenz, Rachel Pain, ebenfalls von der Universität Durham, eine Konzeptualisierung des Angstbegriffes unter dem Titel The emotional geopolitics of fear and the everyday. Sie stellte zunächst die Behandlung des Angst-Topos in gegenwärtigen akademischen und populären Debatten in Frage, auch um der verbreiteten Ansicht entgegenzutreten, dass mit Angst leicht Politik gemacht werden könne bzw. Ängste einfach für Politik zu instrumentalisieren seien. Als Gegenposition zu diesem einfachen Funktionalismus verwies Pain auf langjährige Untersuchungen im Bereich von Studien über Kriminalitätsfurcht (Fear of crime), die betonen, dass Angst weit mehr sei, als einfach zu aktivierende Reaktionen auf (initiierte) Angstdiskurse. Vielmehr sei Angst in komplexen persönlichen und kollektiven emotionalen Topographien und Alltagserfahrungen begründet. Demnach würden Ängste nicht nur diskursiv hergestellt bzw. diskursiv wirksam, sondern seien auch als etwas in den Menschen Verkörpertes zu betrachten. Es handele sich demnach um sehr komplexe und unterschiedlich sozial zu kontextualisierende Prozesse, die durchaus unterschiedlich wahrgenommen, interpretiert, unterlaufen oder sogar umgedreht werden könnten. Als daraus resultierenden Forschungszugang empfahl Pain diskursanalytisch den jeweiligen Angstbegriff und dessen Repräsentationen zu beleuchten. Es sei immer zunächst zu fragen, um wessen Angst es sich handele, wer über diese Angst spreche und diese kommuniziere und in welcher Weise und mit welcher Stimme das geschähe?
Gerade weil Angst sowohl gefühlt als auch verkörpert werde, böte die kritische Auseinandersetzung mit Spaces of fear eine gute Möglichkeit zu ergründen, wie diskursive Praxen und gelebte Erfahrungen miteinander verwoben seien. Als Vorschläge einer anderen Auseinandersetzung mit Angsträumen empfahl Pain – im Sinne einer Grounded geopolitics of fear – beispielsweise von der lokalen Bevölkerung als Experten für Risiken und Angst auszugehen und zunächst hier situiertes Wissen über Gefahren eines Ortes zu erfassen, anstatt dies, wie üblich, als reines Top-down-Verfahren zu praktizieren. (Eine kritische Anmerkung zu den GeopolitikerInnen?)
Als Abschluss ihres Beitrages stellte Pain eigene Forschungsarbeiten im Bereich Sicherheit(sdebatten) um Kinder und Jugendliche in der Öffentlichkeit vor. Deren Auswertung unterstreicht für Pain zunächst die Notwendigkeit eines Buttom-up Zuganges an die Problematik. Demnach hätten gerade Kinder eine oftmals sehr enge Verbindung mit öffentlichen Räumen und verfügten somit über ExpertInnenwissen, welches oft an ihre Eltern weitergeben würde. Als Ergebnis ihrer Untersuchungen schlägt Pain einen anderen, weniger aufgeregten und skandalisierenden Blick auf Angstszenarien vor. Dieser solle vor allem aus der Perspektive und unter der direkten Partizipation derer heraus erfolgen, die normalerweise in diesen Diskussionen keine Stimme haben. (beispielsweise Muslime und weiße Jugendliche in Newcastle upon Tyne).
Rachel Pains anregender Vortrag stellte neben notwendigen Infragestellungen oftmals eingenommener panoptischer Forschungsperspektiven auch einen gelungenen und nunmehr häufiger zu beobachtender Versuch dar, die Fehler eines abstrakten Sozialkonstruktivismus zu relativieren bzw. zu überwinden und diese auf direkt körperliche Materialitäten zurückzuführen. Fragwürdig blieb allerdings – im Bezug auf das Beispiel des Zuganges von Kindern zu öffentlichen Räumen – die Ausblendung möglicherweise unterschiedlicher räumlicher Sozialisationen von Jungen und Mädchen, wie diese beispielsweise von der Soziologin Martina Löw analysiert wurden.

Die Kulturgeografin Divya Tolia-Kelly von der Universität Durham hat bisher in mehreren Projekten mit KünstlerInnen zusammen gearbeitet. Ihr auf der Konferenz vorgestelltes Projekt Fear in paradise: the affective registers of the English Lake district re-visited entwickelte sich in Zusammenarbeit mit dem Visual Arts Künstler Graham Lowe. Im Sommer 2004 hatten sie mit osteuropäischen und südasiatischen MigrantInnen aus der mittelenglischen Stadt Burnley eine als typisch englisch ikonografisch überhöhte Landschaft im Lake District National Park besucht. Im Rahmen dieses Projekt sind 20 Zeichnungen von Graham Lowe entstanden, die Tolia-Kelly mit den MigrantInnen zusammen diskutiert und ausgewertet hat. Ihr Ansatz bezog sich dabei auf die Dekonstruktion vermeintlich in der Landschaft eingeschriebener ästhetischer nationaler Werte, indem sie diese mit den Eindrücken der MigrantInnen, deren Vorstellungen von Schönheit, Herkunft und Identität konfrontierte.

Peter Hopkins (University of Lancaster, UK) und Susan Smith (University of Durham, untersuchten in ihrem vorgestellten Forschungsprojekt Scaling segregation: racialising fear die Lebensverhältnisse junger muslimischer Männer in Edinburgh und Glasgow. Sie stellten in Frage, wie der Zusammenhang globaler (Terrorismus), nationaler und lokaler Bedrohungsszenarien im Prozess der Ethnisierung und verschiedener städtischer räumlicher Exklusionspraktiken hergestellt werde. Der Vortrag führte aus, wie diese spezifische Gruppe junger schottischer Muslime sich von anderen Bevölkerungsteilen abgrenzt. Diese würden zunehmend als Resultat einer kollektiven Diskriminierung einen Rückzug aus öffentlicheren Sphären des sozialen Lebens antreten und sich auf für sie sichere Räume – die segregierten Räume des Hauses und der Moschee – hin orientieren.

Eine kurze Zusammenfassung und Auswertung der Unruhen in Bradford vom 7. Juli 2001 stellten Giles Barrett and David McEvoy von der Liverpooler John Moores Universität (UK) vor. Hier sei es nach der Zerstörung von Geschäften weißer InhaberInnen ebenfalls zur massiven Zerstörung von Geschäften pakistanischer ImmigrantInnen durch Anhänger der neofaschistischen British National Party (BNP) und anderer fremdenfeindlicher Jugendlicher (Männer?) gekommen. Im Gegensatz zu den relativ geringen Strafen für die weißen Täter, hätten die revoltierenden Kinder pakistanischer Einwanderer teilweise mehrjährige Haftstrafen antreten müssen. Dies habe in Bradford zu einer Fülle unterschiedlicher Reaktionen geführt. Während es einerseits Solidaritätsaktionen muslimischer Frauen für die inhaftierten Jugendlichen der Asian community gegeben hätte, wären die Pressereaktionen der lokalen Zeitungen eindeutig gegen diese Jugendlichen gerichtet gewesen. Zudem hätten sich viele der damals beschädigten Geschäfte weißer InhaberInnen mittlerweile aus diesen von pakistanischen Einwanderern bewohnten Gebieten zurückgezogen. Die beiden Wissenschaftler führten dies hauptsächlich auf die Darstellung der riots in den Lokalzeitungen zurück, deren Journalisten in den weißen Vororten Bradfords zu Hause seien. Trotz einleuchtender Schilderungen der Ereignisse im Juli 2001 fehlte dieser diskurskritischen Mediananalyse gerade der Teil einer direkten Auseinandersetzung mit den Protagonisten, den unterschiedlichen lokalen Akteuren der Unruhen und den Folgen für das stadtkulturelle Alltagsleben.

Der Kampf um Anerkennung, Selbstachtung und Respekt stand im Zentrum der qualitativen Untersuchung der Erfahrungswelten von Jugendlichen, die Carolyn Gaskell von der University of London unter dem Arbeitstitel “Well if you lose, you get shamed!”: Inner city young people’s experiences of violence and victimisation im Rahmen ihres Dissertationsprojektes in Londoner Innenstadt-Bezirken durchgeführt hat. Laut Gaskell würden die Darstellung des städtischen Lebens von in London wohnenden Jugendlichen zunehmend durch Angstdebatten geprägt. Hier habe sich im Bezug auf deren Verhalten an Treffpunkten im städtischen öffentlichen Raum oder deren Tragen von Waffen – in einem typischen Adultist understanding geprägter Kontrolldiskurs etabliert. Dieses öffentlich sichtbare Auftreten der Jugendlichen werde von den Erwachsenen jedoch lediglich als verantwortungsloses Verhalten interpretiert. Aus der Perspektive marginalisierter, innerstädtischer Jugendlicher sei dieses Verhalten jedoch weit komplexer, als dass es durch einfache Gegenüberstellungen von verantwortlichem vs. verantwortungslosem Verhalten gekennzeichnet werden könne. Aus dieser Beobachtungskonstellation heraus folgert Gaskell, dass wenn junge Menschen in ihren Lebensentwürfen nicht ernst genommen bzw. auch noch eingeschränkt würden, dieses zu Gewalt und Viktimisierung führe, was dann wiederum zur Quelle der Erzeugung von Selbstachtungsritualen und gruppenbezogener Anerkennungskämpfe würde. Sie folgert konsequent, dass diese Jugendlichen eher Welfare-Betreuung und Respekt denn staatliche Kontrolle brauchen.
Trotz des qualitativen und emanzipatorischen Ansatzes von Gaskell fehlte in der Präsentation des Forschungsprojektes leider der Rahmen ihrer Kritik, die konkreten Bezugspersonen und Situationen des ja tatsächlich auch nervigen und mitunter brutalen Vorgehens Jugendlicher (nicht nur gegen einander) in der Öffentlichkeit. Mit einfachen Täter-Opfer-Dichotomien (Staat/Stadt vs. Marginalisierte oder Erwachsene vs. Jugendliche) ist es auch in diesem Falle nicht getan. Würde die Beschreibung der städtischen marginalisierten Jugendlichen nicht anders ausfallen, wenn es sich bei diesen eindeutig um rechtsradikale Jugendliche handeln würde? Und gäbe es bei einer Untersuchung dieser öffentlichen Vergesellschaftungsformen und Raumaneignungskämpfe junger Menschen nicht auch spannende und aufschlussreiche Fragen hinsichtlich geschlechterbezogener oder ethnisierter Verhaltensmuster?

Kye Askins von der Universität Durham entwickelte in ihrer Paper Präsentation Fear and otherness: monsters in the English countryside interessante Thesen über das Verhalten einheimischer BewohnerInnen ländlicher Gebiete gegenüber fremden BesucherInnen. In diesem Falle beschäftigte sich Askins mit den Reaktionen auf vor allem jugendliche MigrantInnen mit indisch-pakistanischen (Asian) oder afro-karibischen Herkunftshintergründen als Parkbesucher in Schottischen Nationalparks.
Die Anwesenheit ethnischer Minderheiten wird im Allgemeinen, nicht nur in Großbritannien, als städtisches Phänomen betrachtet. Spätestens wenn sich Angehörige dieser Minderheiten in ländlicher Umgebung aufhalten, wird deren soziale Exklusion besonders deutlich und sie werden als die besonders Fremden imaginiert. Askins Forschung – die sie, nebenbei gesagt, von der britischen Nationalparkverwaltung National Trust finanziert bekommen hat – setzt genau an dieser Wahrnehmung von Migrantinnen auf dem Land als Aliens an. Ihr Vorschlag eines „multikulturellen“ Engagements der Parkverwaltung beinhaltet die provokative, aber auch ehrliche Aufforderung, für migrantische BesucherInnen der Nationalparks statt Fremde den Topos der Monster in der Englischen Landschaft zu verwenden.

Der zweite Konferenztag begann mit einer beeindruckenden Tour de Force über aktuelle Waffentechnologien. Steve Wright von der Leeds Metropolitan University stellte in seinem Vortrag Fear inducing technologies and their countermeasures die aktuelle Entwicklung im Bereich nicht-tödlicher Waffenarsenale vor. Anhand von Abbildungen der teilweise bizarren, in ihrer Wirkung immer brutalen Gerätschaften und deren Opfer referierte Wright die fatale Wirkungsweise dieser Non-lethal Weapons. Der Referent erklärte die neuesten Überlegungen und Methoden militärischer Technologien, die zunehmend auf Schmerz und Angst als massenkompatibles Abschreckungs- und Kampfmittel setzen und diese Waffen zur Kontrolle von Aufständen, Demonstrationen, aber auch im offenen Kriegsfällen einsetzen (wollen).
Im Anschluss erzählte der Wissenschaftlers Wright von seinen Erfahrungen mit der Forschung in dieser Grauzone militärischer Entwicklungen. So sei während einer kürzlich erfolgten Razzia in seinem Institut mit der Beschlagnahme vieler Forschungsunterlagen wichtiges Quellenmaterial abhanden gekommen. Zudem sehen er und seine KollegInnen sich seit einiger Zeit einer massiven Einschüchterungskampagne ausgesetzt. Von dieser will sich Wright jedoch nicht beeindrucken lassen, sondern sich mit noch mehr öffentlichem Engagement gegen diese Angstpolitik der Verhinderung kritischer Forschung zur Wehr setzten.

Nadia Abu-Zahra (University of Oxford) präsentierte einen eindrucksvollen PowerPoint Vortrag unter dem Titel Everyday fears, and resistance to fear, by the "feared”. Auf Grundlage von Filmaufnahmen eines schwedischen Dokumentarfilmers, den die Promotionsstudentin aus Oxford bei einem Besuch in der israelischen Westbank als Dolmetscherin begleitet hatte, wurde – allerdings wohl gegen die Absichten der Referentin – demonstriert, welche Macht die Bilder in politischen Konflikten, aber auch in akademischen Diskursen haben können. Anhand sehr persönlicher und emotionaler Schilderungen ihrer Eindrücke des Alltags unter israelischer Besatzung reproduzierte die Referentin die klassische gut/böse Ikonographie brutaler Soldaten gegen hilflose Kinder. In all zu simpler Gegenüberstellung allmächtiger israelischer Militärs und ohnmächtiger palästinensischer Opfer konnte sie die Dilemmata des israelisch-palästinensischen Konfliktes nicht erfassen. Der vorgeblich kritische Charakter ihrer Untersuchung wurde in diesem Falle nicht eingelöst, sondern einer Agit-Prop Vorstellung geopfert. Wäre es doch gerade vor dem Hintergrund eines eigenen Zuganges zum Alltagsleben in Israel und Palästina interessant gewesen, jenseits einfacher Polaritäten nach den Ängsten der Menschen zwischen den Fronten zu suchen.

Peter Vujakovic vom Canterbury Christ Church University College präsentierte unter dem Titel Fear and loathing in the suburbs: the role of news media (carto)graphics in popular geopolitics eine Untersuchung, in der die Rolle von Karten bei Generierung und Verbreitung geographischen Wissens im Mittelpunkt stand. Besonders in Print- oder Fernsehnachrichten würden kartographische Darstellungen und graphische Bearbeitungen nur all zu oft Bedrohungsszenarios visualisieren. Dies werden vor allem bei der Darstellung militärischer Konfrontationen, internationaler Spannungsfelder oder umweltbezogener Thematiken deutlich. Anhand von Beispielen aus der britischen Presse untersuchte Vujakovic besonders Darstellungen aus den Bereichen globaler Terrorismus, Massenvernichtungswaffen, Migration und europäische Grenzpolitiken.

Kathrin Hörschelmann von der Universität Durham referierte unter dem Titel Discourses of fear and practices of resistance: Young people’s responses to the World Trade Centre attacks and the war in Iraq ihre in Interviews und Gruppengesprächen gewonnenen Eindrücke und Informationen jugendlicher TeilnehmerInnnen bei Anti-Kriegsdemonstrationen in Leipzig im Vorfeld des alliierten Angriffes auf den Irak im Jahr 2003. Sie führte aus, wie Gefühle von Angst und Kriegsfurcht Einfluss auf das Verständnis globaler Zusammenhängen dieser jungen Menschen prägte. Eine besondere raumpolitische Konnotation erfuhren diese Demonstrationen zudem durch die symbolische Besetzung von Strassen wie dem Leipziger Ring, die durch die so genannten Montagsdemonstrationen im Spätherbst 1989 zu politischen Erinnerungsorten wurden.

Andrew Storey vom Royal Holloway College der University of London stellte in seinem Papier die Darstellung des Themas Einwanderung, Immigration und Asyl in der britischen Regenbogenpresse zur Diskussion. Unter dem Titel Crisis? What crisis? The rhetoric of fear in asylum discourse analysierte Storey die zu diesen Themen in ausgewählten Tabloids vertretenen Positionen. Hierbei handele es sich um einen öffentlichen Diskurs, der ein Krisenszenario entwerfe, bei dem der Bestand der Nation durch einen Angriff von Außen bedroht sei. Dies geschähe in diesem Fall durch die ins Land kommenden Flüchtlinge und ImmigrantInnen. Storey analysierte dies als dreifach aufgeladenen nationalistischen Angstdiskurs: Dieser wirke zunächst als Furcht vor Eindringlingen, welche die exklusive nationalstaatliche Territorialität in Frage stellen; ferner durch die Angst vor Infragestellungen einer homogenen ethnisierten Bevölkerung (Volksbegriff) und drittens als Angst vor Verlust der nationalstaatlich gehegten Reichtümer in einem national-ethnisierten Diskurs der Besitzstandswahrung bzw. Gefährdung des Wohlstandsmodells durch exterritoriale Eindringlinge. Storey entdeckt hinter der Krisenrhetorik der Regenbogenpresse vor allem ein tief greifendes, reaktionäres und gefährliches Gemisch aus Unwahrheiten und geographisch imaginierten Mythen, die vor allem dazu dienen würden, größere internationale Zusammenhänge zu verschleiern.

Zusammenfassung:
Wie bereits erwähnt, war die Konferenz hervorragend dazu geeignet, einen Überblick über, wenn nicht internationale, so doch zumindest angloamerikanische Diskussionsansätze und konkrete Forschungsprojekte aus dem Bereich der raumbezogenen Angstforschung zu bekommen. Inhaltlich deutlich unterrepräsentiert waren allerdings – wider Erwarten, aber auch aufgrund der kurzfristigen Absage des Vortrages Material geographies of intimate violence von Linda Peake – feministische Ansätze der Angstraumforschung. Im Gegenteil war auffällig, wie sich auch in der thematischen Besetzung geschlechterhierarchische Spezialisierungen ausdrückten. Während sich die meisten männlichen Referenten auf geopolitische, „große“ Themen fokussiert hatten, widmeten sich die meisten Frauen (und es waren überwiegend Frauen auf der Konferenz vertreten) eher klassisch als kulturwissenschaftlich eingeordneten/kategorisierten Thematiken wie der Wahrnehmung von Angst und Furcht sowie deren Bearbeitung im Alltagsleben.Immerhin war die – auch für britische Verhältnisse wohl immer noch nicht selbstverständliche – Teilnahme von StudentInnen und AkademikerInnen mit verschiedenen ethnischen und religiösen Positionen erfreulich gemischt.


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