Kommunikation – Mobilität – Netzwerke. Die Internationale Dimension der Frauenbewegungen 1830 bis 1960

Kommunikation – Mobilität – Netzwerke. Die Internationale Dimension der Frauenbewegungen 1830 bis 1960

Organisatoren
Dr. Eva Schöck-Quinteros (Bremen); PD Dr. Jutta Schwarzkopf (Hannover); Annika Wilmers M.A. (Tübingen); Dr. Kerstin Wolff (Kassel) in Verbindung mit dem Arbeitskreis Historische Frauen- und Geschlechterforschung (AKHFG) und der Stiftung Archiv der deutschen Frauenbewegung
Ort
Bremen
Land
Deutschland
Vom - Bis
15.09.2005 - 17.09.2005
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Von
Elke Schüller, Sozialwissenschaftlerin, Frankfurt am Main

Die Geschichte der internationalen Frauenbewegungen und ihrer Organisationen ist auch ca. 175 Jahre nach dem ersten Knüpfen internationaler Frauennetzwerke nur in ihren Grundzügen erforscht. Insbesondere die internationalen Beziehungen, Aktivitäten und Einflüsse der deutschen Frauenbewegungen stellen nach wie vor ein großes Forschungsdesiderat dar: Die einzige Monographie, die sich explizit mit diesem Thema beschäftigte, erschien vor genau einem halben Jahrhundert – nicht als Verlagspublikation, sondern als hektographierte Dissertation1 – und seitdem wurden lediglich einzelne Aufsätze zum Thema vorgelegt2 oder der Aspekt in biographischen Arbeiten zu internationalen Protagonistinnen mehr oder weniger gestreift.3

Die Hauptgründe dafür dürften darin zu suchen sein, dass dieser Teil der Frauenbewegungsgeschichte besonders eng mit der politischen Geschichte des jeweiligen Landes verbunden ist. Im speziellen historischen Kontext Deutschlands heißt das: Die deutschen Frauenbewegungen hatten bereits nach dem Ersten vor allem aber nach dem Zweiten Weltkrieg einen Niedergang ihrer einst hohen internationalen Reputation erlebt und damit verbunden einen gravierenden Bedeutungsverlust innerhalb der internationalen Frauenbewegung erlitten. In Folge davon geriet der Internationalismus der deutschen Frauenbewegungen auch innerhalb der Forschung tendenziell aus dem Blick, während seinem Gegenstück, dem Nationalismus, zunehmend die nötige wissenschaftliche Beachtung innerhalb der deutschen Frauenbewegungsforschung geschenkt wird.4 Forschungspragmatisch kommt noch das große Problem hinzu, dass gerade in Deutschland wichtige Quellen, ja ganze Nachlässe und Archive infolge der Kriegszerstörung verloren gegangen sind. Die wenigen verbliebenen Dokumente sind weit verstreut, zum Teil mit der erzwungenen Emigration vieler Internationalistinnen im Nationalsozialismus nach Übersee gelangt, oft schwer zugänglich oder nicht systematisch erschlossen. So ist es wenig verwunderlich, dass es keine deutschsprachigen (Selbst-)Darstellungen der internationalen Frauenorganisationen gibt, sondern vor allem angelsächsische, deren Zahl in den letzten Jahren zugenommen hat.5

Unter diesen Voraussetzungen ist es ein um so größerer Verdienst, dass die „Internationale Dimension der Frauenbewegungen“ nun durch eine wissenschaftliche Tagung an der Universität Bremen aufgegriffen wurden, die das Thema in den Mittelpunkt des Interesses rückte und verstreute Forschungsergebnisse aus und zu vielen Ländern ins Verhältnis zueinander setzte. Zu verdanken ist dies der Initiative von vier Wissenschaftlerinnen, die die Tagung konzeptionierten und initiierten: Eva Schöck-Quinteros (Universität Bremen), Jutta Schwarzkopf (Universität Hannover), Annika Wilmers (Universität Tübingen) und Kerstin Wolff (Stiftung Archiv der deutschen Frauenbewegung).6 Dies geschah in Verbindung mit dem Arbeitskreis Historische Frauen- und Geschlechterforschung (AKHFG), dem alle Initiatorinnen angehören, sowie der Stiftung Archiv der deutschen Frauenbewegung in Kassel, die sich seit langem darum bemüht, möglichst viele gedruckte und ungedruckte Quellen zur deutschen Frauenbewegung und ihren internationalen Verknüpfungen aufzufinden, zusammenzutragen und zur Verfügung zu stellen.

Die Bremer Tagung führte einen international und interdisziplinär zusammengesetzten Kreis von 19 ReferentInnen zusammen, die sich unter den drei Leitperspektiven „Kommunikation – Mobilität – Netzwerke“ in verschiedenen Sektionen mit den Wechselwirkungen von nationalem und internationalem Engagement, mit den kulturellen und ideologischen Differenzen in der internationalen Zusammenarbeit sowie mit einzelnen Aktionsfeldern (Bildung und Frieden) und Akteurinnen der internationalen Frauenbewegungen beschäftigten. Den Abschluss der Tagung bildete ein resümierendes Roundtable-Gespräch, an dem neben einigen Referentinnen auch Anja Schüler (Heidelberg) teilnahm.

Die Fokussierung auf die Wechselwirkungen von nationalem und internationalem Engagement bedingt sowohl die Frage nach der Bedeutung internationaler Dimensionen für die Mobilisierung der nationalen Frauenbewegungen als auch umgekehrt diejenige nach dem Einfluss nationaler Bewegungen auf die internationalen Frauenorganisationen. Für Deutschland wurde dies in drei verschiedenen Vorträgen thematisiert. Susanne Schötz (Dresden) legte dar, wie ausgiebig der 1865 gegründete Allgemeine Deutsche Frauenverein (ADF) mit Hilfe des persönlichen Kontakts zu transnationalen Akteurinnen die Konzepte und Aktivitäten der Frauenbewegungen anderer Länder kritisch rezipierte und daraus seine Innovationsfähigkeit schöpfte: Die Berichte aus dem Ausland dienten dazu, die grundlegenden Forderungen und Werte der internationalen Frauenbewegungen in der eigenen Mitgliedschaft zu verankern, gaben durch die Vorstellung unterschiedlicher ausländischer Lösungsansätze gleichzeitig Anregungen zu deren Umsetzung und vermittelten schließlich – quer zum Zeitgeist eines zunehmenden Nationalismus – das Bewusstsein, Teil einer weltweiten Emanzipationsbewegung zu sein. Eva Matthes (Augsburg) beschrieb einen ähnlichen Ideentransfer, allerdings mit wechselseitigem Charakter, zwischen dem Bund deutscher Frauenverein (BDF) und dem International Council of Women (ICW) von 1890 bis 1914: Die deutschen Frauen brachten bei den Zusammenkünften des ICW die Forderung nach besserer Frauenbildung als ihr zentrales Anliegen ein und bezogen wiederum aus den in Folge dieser Stärkung des Themas zahlreicher werdenden Kongressbeiträgen über die einschlägigen Erfahrungen anderer Länder viele Anregungen und unterstützende Argumente. Susanne Kinnebrock (München) führte am Beispiel der deutschen Stimmrechtsbewegung vor dem Ersten Weltkrieg – und deren Debatte über die britischen Suffragetten – sowie der deutschen Frauenfriedensbewegung während der Weimarer Republik aus, dass Internationalisierung und Nationalisierung als abhängige Prozesse betrachtet werden können. Sie vertrat dabei die These, dass Internationalisierung nicht unbedingt zu intensiver transnationaler Kommunikation und zu größerem gegenseitigen Verständnis führen muss, sondern auch dazu führen kann, nationalen Bewegungen überhaupt erst Gestalt zu verleihen und nationale Unterschiede zu betonen.

Mit der zumindest für deutsche Verhältnisse so spektakulären Frauenstimmrechtskampagne der britischen Suffragetten vor dem Ersten Weltkrieg befasste sich auch Jill Liddington (Leeds) und führte die – oft fruchtbaren, manchmal aber auch belastenden – Spannungen zwischen den nationalen und internationalen Wahlrechts-Netzwerken aus. Dabei bettete sie diese in die allgemeine politische Entwicklung ein und schuf damit ein detailreiches Bild der Verhältnisse in Großbritannien. Elisabeth Dickmann (Bremen) wiederum sprach über die große Präsenz der Italienerinnen in der internationalen Frauenszene am Ende des 19. Jahrhunderts und betonte deren internationale Einflussnahme als anerkannte theoretische Avantgarde, die gleichzeitig große Erfahrung in sozialen Projekten hatte.

Das Konzept einer spezifischen Frauenbewegungskultur7 als wesentlicher Konstituierungsbedingung von Frauenbewegungen wandte Annika Wilmers (Tübingen) in viel versprechender Weise auf den internationalen Zusammenhang an. Am Beispiel der Kongresse der internationalen Frauenfriedensbewegung in den Jahren 1915 und 1919 zeigte sie auf, wie mit Hilfe von allgemein akzeptierten Symbolen eine gemeinsame Kultur entwickelt wurde. Diese gemeinsame Symbolik, insbesondere die ausgeprägte grenzüberschreitende Benutzung einer identischen ‚weiblichen’ Metaphorik in der Sprache, diente als vermittelndes und vereinigendes Moment im internationalen Austausch, indem sie die internationale Kommunikation erleichterte, ein ausgeprägtes Gemeinschaftsgefühl schuf, trotz der politischen Konflikte ihrer z. T. gegeneinander Krieg führenden Nationen Konfliktpräventionen und sogar Konfliktlösungen innerhalb der Mitglieder ermöglichte und zur Abgrenzung von der kritisierten Krieg führenden Männerwelt sowie zur Repräsentation nach außen diente. Dieser Ansatz wurde auch durch den Vortrag von Pernilla Jonsson (Uppsala) und Lovisa af Petersen (Stockholm) über die bürgerliche schwedische Frauenbewegung und die internationale Szene zwischen 1885 bis 1916 bestätigt, die ebenfalls hervorhoben, wie sehr die symbol- und ritualgeschwängerten Kongresse des ICW zur Herstellung einer kollektiven Identität dienten. Außerdem hoben sie die Agenda-Setting-Funktion von internationalen Frauenorganisationen wie dem ICW hervor: Die von ihm als internationalem Dachverband initiierten Fragen und Untersuchungen führten zur Etablierung einer gemeinsamen transnationalen Agenda der nationalen Frauenbewegungen – auch wenn die Positionen und Schlussfolgerungen nicht überall die gleichen waren.

Nicht auf eine gemeinsame Kultur, sondern auf kulturelle Differenzen innerhalb der internationalen Frauenbewegung richtete Mineke Bosch (Maastricht) ihren Blick. Sie problematisierte – nicht unwidersprochen – anhand einiger Photos, die auf dem internationalen Kongress der International Alliance of Women (IAW) 1913 in Budapest aufgenommen worden waren, die Orientalismen und Folklore in der politischen Kultur der internationalen Frauenstimmrechtsbewegung als Legitimation der Ziele weißer Frauen aus den Metropolen und als Beitrag des internationalen Feminismus zu nationalen und imperialen Projekten verschiedener westeuropäischer Staaten. Ulla Wikander (Stockholm) wiederum zeigte anhand der ICW-Kongresse von 1899 und 1904 ideologische Differenzen in der internationalen Frauenbewegung auf: Da der Kampf um das Frauenstimmrecht Anfang des 20. Jahrhunderts alle Energie der internationalen Frauenbewegung absorbierte, wurde die Forderung nach ökonomischer Unabhängigkeit und Gleichheit auf dem Arbeitsmarkt – so ihre These – in der Folge nicht nur marginalisiert, sondern verwässert und im Rahmen des zunehmenden Diskurses über Differenz und weibliche Eigenart sogar in das Lob einer strikten geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung umgewandelt.

Die Tagung räumte mit gutem Grund den Akteurinnen auf der internationalen Bühne breiten Raum ein, ist doch in der Forschung längst die Bedeutung der durch persönliche Kontakte gestifteten, in diesem Fall grenzüberschreitenden Netzwerke der Akteurinnen für die Konstituierung von Frauenbewegungen bekannt. So hielt denn auch Susan Zimmermann (Budapest) eine Lobrede auf die biographische Perspektive in der Geschichtsschreibung der Frauenbewegungen und zeigte am „Fall“ der ungarischen Frauenrechtlerin und Pazifistin Róza Schwimmer deren Potentiale und Grenzen als Methode transnationaler Forschungen auf.

Trotz der Fülle und der thematischen Breite der Vorträge konnte die Bremer Tagung zwangsläufig nur einen begrenzten Ausschnitt der vielfältigen internationalen Dimensionen der Frauenbewegungen beleuchten. Mit den Leerstellen, die sie offen lassen musste, machte sie aber gleichzeitig auf entsprechende Forschungsdefizite aufmerksam und warf so anregende weitere Forschungsfragen auf.

Aus der großen Anzahl internationaler Frauenorganisationen, deren Spektrum von berufsständischen über konfessionelle zu sozialistischen und frauenrechtlerischen Organisationen reichte, wurden von den ReferentInnen fast ausschließlich die drei bekanntesten übergreifenden Zusammenschlüsse herausgegriffen: der ICW als internationale Dachorganisation der nationalen Frauenbewegungsverbände, die IAW als Dachorganisation der internationalen Frauenstimmrechtsbewegung und die Women’s International League for Peace and Freedom (WILPF) als internationale Frauenfriedensorganisation. Einzig Christine von Oertzen (Berlin) beschäftigte sich mit einer berufsständischen Frauengruppe, der 1919 gegründeten International Federation of University Women (IFUW), die durch die Verbindung von Akademikerinnen über die Grenzen hinweg den Frieden und die internationale Verständigung fördern wollte und zu diesem Zweck internationale Fellowships und Clubhäuser einrichtete sowie ein internationales Netzwerk privater Gastfreundschaft aufbaute. Ann Summers (London) befasste sich mit der 1875 von der Britin Josephine Butler gegründeten International Abolitionist Federation, die gegen staatlich regulierte Prostitution, den Frauen- und Mädchenhandel sowie die sexuelle Doppelmoral agierte. Dabei betonte Summers die große Bedeutung der Organisation für die Entwicklung des westlichen Feminismus, zeichnete aber auch die Konflikte – besonders zwischen Französinnen und Deutschen – nach, die durch die unterschiedlichen nationalen Kulturen der Mitglieder entstanden.

Beim Blick auf nationale Frauenbewegungen beschränkten sich die Vorträge auf einige Länder Mittel- und Westeuropas sowie die USA. Eine Ausnahme bildete hier lediglich der Vortrag von Barbara Potthast (Köln) über die lange Tradition internationaler Aktivitäten lateinamerikanischer Frauen, die bis zum Ende des 19. Jahrhunderts zurückreichten und erst die nationalen Frauenbewegungen (besonders in Argentinien, Uruguay und Brasilien) konstituierten. Die internationalen Aktivitäten der Frauen Osteuropas und erst recht der Frauen aus anderen Kontinenten stellten auf dieser Tagung eine Leerstelle dar, die es zukünftig wenn nicht zu füllen, dann doch zu verringern gälte.

Verhältnismäßig wenig beschäftigte sich die Tagung mit den Sozialistinnen und ihrer internationalen Vernetzung, im Vordergrund standen die so genannten bürgerlichen Frauenbewegungen und ihre Organisationen. Lediglich Antje Schrupp (Frankfurt) beschäftigte sich mit den feministischen Sozialistinnen in der Ersten Internationale und stellte heraus, dass sie durch ihren Eintritt in diese sich antifeministisch verstehende Organisation das in den 1850er-Jahren begonnene Auseinanderdriften von sozialistischer Arbeiterbewegung und Frauenbewegung überwanden halfen, was letztlich dazu führte, dass die Internationale sich vom Antifeminismus verabschiedete. Eva Schöck-Quinteros (Bremen) porträtierte einige radikale, republikanisch gesinnte transnationale Akteurinnen, viele davon Sozialistinnen mit kritischer Distanz zur Sozialdemokratie, die ein lockeres internationales Netzwerk um die seit 1872 in den USA erscheinende, auch in Europa gelesene Zeitschrift „Der Freidenker“ bildeten. Sie konnte damit aufzeigen, dass die internationale Zusammenarbeit feministischer Aktivistinnen nicht beschränkt war auf die formell organisierte Frauenbewegung.

Der mit gutem Grund von den Veranstalterinnen weitgesteckte historische Zeitrahmen von den 1830er bis zu den 1960er-Jahren wurde durch die ReferentInnen zwar nach unten ausgeweitet, nach oben aber nicht voll ausgeschöpft; das Gros der Tagungsbeiträge bezog sich auf die Hochphase der internationalen wie vieler nationaler Frauenbewegungen zwischen den Jahren 1885 und 1914. Die vorgegebene untere zeitliche Begrenzung des Tagungsthemas wurde von Francisca DeHaan (Budapest) hinterfragt, die der gängigen Auffassung, die internationale Frauenbewegung habe um 1830 mit den internationalen Kontakten feministischer Sozialistinnen begonnen, die Biographie der englischen Quäkerin Elizabeth Fry (1780-1845) entgegenstellte: Diese kann durch die von ihr initiierte British Ladies’ Society for Promoting the Reformation of Female Prisoners, welche unmittelbar nach ihrer Gründung 1821 innerhalb Europas expandierte, als Pionierin der internationalen Frauenbewegungen angesehen werden. Nach oben hin wurde der bis zum Beginn der neuen Frauenbewegungen Ende der 1960er-Jahre gesteckte Zeitrahmen der Tagung nicht in ausreichendem Maße gefüllt. Insbesondere die Auswirkungen der beiden Weltkriege – vor allem die des Zweiten –, die grundlegenden Brüche und Veränderungen, die in den internationalen Frauenbewegungen durch sie entstanden, wurden nur peripher in den Blick genommen und lediglich in der Tagungssektion zum „Aktionsfeld Frieden“ behandelt: Während David S. Patterson (Washington) den Ersten Weltkrieg als konstitutiv für die Entstehung der modernen, international orientierten Friedensbewegung bezeichnete und nach den Gründen für den hohen Anteil national wie international prominenter Frauen daran fragte, und Jo Vellacott (Kingston) über die Anfänge der WILPF im Ersten Weltkrieg, deren Grundsätze und Ziele referierte, befasste sich mit der Zeit nach 1945 lediglich der Vortrag von Susanne Hertrampf (Bonn). Sie schilderte die Arbeit der WILPF als internationaler Frauenfriedensbewegung in den 1950er und 1960er-Jahren. Den Faden von Vellacott aufnehmend, die die Weiterentwicklung der WILPF zum Prototyp einer Non-Governmental Organization beim Völkerbund angerissen hatte, schilderte Hertrampf die Arbeit der Liga als NGO mit Beraterstatus bei den neu gegründeten Vereinten Nationen, und zeigte auf, dass die Organisation sich nur noch marginal mit feministischen Positionen zur Friedenspolitik befasste und auch nicht von der reaktiven Mechanik des Kalten Krieges verschont blieb. Diese ersten Forschungsergebnisse verdeutlichten, wie viel versprechend und vor allem wie notwendig weitere Forschungen sind, die nicht nur auf die gravierende Unterbrechung aller internationalen Organisationsbestrebungen infolge des Zweiten Weltkrieges fokussieren, sondern vor allem auf die Zäsur, die das Jahr 1945 auch für die Geschichte der Frauenbewegungen bedeutete. Denn dies führte – bedingt durch die aus der Konfrontation der beiden Supermächte entstehenden Systemkonkurrenz – zu zwei nebeneinander bestehenden, sich strikt voneinander abgrenzenden internationalen Frauenbewegungen – repräsentiert im Westen durch den Dachverband des ICW, im Osten durch den Dachverband der Internationalen Demokratischen Frauenförderation (IDFF).

Sowohl mit den vorgetragenen Ergebnissen als auch durch das Aufzeigen einiger noch immer bestehender blinder Flecken in der Erforschung der internationalen Dimensionen der Frauenbewegungen hat sich diese bestens organisierte Tagung inhaltlich als sehr animierend erwiesen. Es bleibt zu hoffen, dass ihr Beispiel zahlreiche Nachahmung finden wird, sodass nicht nur der so notwendige internationale wissenschaftliche Austausch über die internationalen Dimensionen der Frauenbewegungen fortgesetzt werden kann, sondern gerade in Deutschland mehr einschlägige Forschung angestoßen und etabliert wird. Anregungen zu beidem hat die Bremer Tagung jedenfalls in hohem Maß gegeben.

Kontakt: Dr. Kerstin Wolff, Stiftung Archiv der deutschen Frauenbewegung (wolff@addf-kassel.de)

Anmerkungen:
1 Remme, Irmgard, Die internationalen Beziehungen der deutschen Frauenbewegung vom Ausgang des 19. Jahrhunderts bis 1933. Inaugural-Dissertation (hektographiert), Berlin 1955. (Leider sind der Autorin auch einige gravierende Fehler, nicht nur bei der Datierung internationaler Begegnungen unterlaufen.)
2 Vergleiche insbesondere Gerhard, Ute, National oder International. Die internationalen Beziehungen der bürgerlichen Frauenbewegung, in: Feministische Studien, 12 (1994) 2, S. 34-52.
3 Beispielhaft: Braune, Asja, Konsequent den unbequemen Weg gegangen. Adele Schreiber (1872 – 1957). Politikerin, Frauenrechtlerin, Journalistin. Dissertation an der Philosophischen Fakultät III der Humboldt-Universität zu Berlin. 2003. Elektronisch veröffentlicht unter:
http://edoc.hu-berlin.de/dissertationen/braune-asja-2003-01-27/PDF/Braune.pdf [Abrufdatum: 17.11.2005].
4 Zuletzt: Planert, Ute (Hrsg.), Nation, Politik und Geschlecht. Frauenbewegungen und Nationalismus in der Moderne, Frankfurt/M.; New York 2000; Süchting-Hänger, Andrea, Das „Gewissen der Nation“. Nationales Engagement und politisches Handeln konservativer Frauenorganisationen 1900 bis 1937, Düsseldorf 2002; Schöck-Quinteros, Eva/Streubel, Christiane (Hrsg.), „Ihrem Volk verantwortlich.“ Frauen der politischen Rechten (1890-1933). Organisationen – Agitationen – Ideologien, Berlin, erscheint voraussichtlich Ende 2005.
5 In jüngerer Zeit: Foster, Catherine, Women for All Seasons. The Story of the Women's International League for Peace and Freedom, Athens/Georgia, London 1989; Bosch, Mineke/Klostermann, Annemarie (Hrsg.), Politics and Friendship. Letters from the International Woman Suffrage Alliance, 1902-1942, Columbus 1990; Rupp, Leila J., Worlds of women. The making of an international women's movement, Princeton, New Jersey 1997.
6 Tagungsprogramm bei H-soz-u-Kult unter: http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/termine/id=4163
7 Gerhard, Ute/Klausmann, Christina/Wischermann, Ulla, Frauenfreundschaften – ihre Bedeutung für Politik und Kultur der alten Frauenbewegung, in: Feministische Studien, 11 (1993) 1, S. 21-37.

Kontakt

Dr. Kerstin Wolff
Stiftung Archiv der deutschen Frauenbewegung
wolff@addf-kassel.de


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