All Quiet on the Genre Front? Zur Theorie und Praxis des Kriegsfilms

All Quiet on the Genre Front? Zur Theorie und Praxis des Kriegsfilms

Organisatoren
Arbeitskreis zur Erforschung von Aspekten und Problemen des Genrefilms
Ort
Marburg
Land
Deutschland
Vom - Bis
22.09.2005 - 23.09.2005
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Von
Anja Horbrügger; Charlotte Lorber

Seit mehreren Jahren besteht ein von den film- bzw. medienwissenschaftlichen Instituten der Universitäten Hamburg, Kiel, Marburg und Mainz getragener Arbeitskreis zur Erforschung von Aspekten und Problemen des Genrefilms. In diesem Zusammenhang gab und gibt es Symposien und entsprechende Publikationen u.a. zum Abenteuerfilm, zum Agententhriller, zum Roadmovie. Die diesjährige Jahrestagung fand am 22. und 23.September in Marburg statt und stand im Zeichen des Kriegsfilms. In Vorträgen und Gesprächen galt es, Krieg und Kino unter Genreaspekten zu beobachten und die ‚Ruhe an der Wahrnehmungsfront’ zu stören – kommt doch, im Unterschied zur Pluralität an Spielfilmproduktionen, die den Krieg zum Thema haben, die medienwissenschaftliche Auseinandersetzung mit diesem Genre nur zögerlich in Gang. Sowohl auf die Probleme des Genrebegriffs wie die der Reichweite, der Hybridität oder des Schematismus als auch auf die Paradoxie des Kriegs- bzw. Antikriegsfilms richtete sich die Aufmerksamkeit im Folgenden: Narrativ vermittelte Sinnproduktionen kollidieren mit Erzählungen kriegerischer Sinnzerstörungen. Wie lässt sich dieser Widersinn sinnlich erfahrbar machen? Die hieran anknüpfenden Problemfelder und Fragen nach (gesellschaftlicher) Funktionalität und Wirkungsästhetik wurden in einer Vielzahl von Vorträgen thematisiert und unter der Leitung von Heinz-B. Heller, Burkhard Röwekamp und Matthias Steinle erörtert.

Den Auftakt bildete der Vortrag „Motive und Genese des Kriegsfilm-Genres“ der Mainzer Medienwissenschafter Thomas Klein und Marcus Stiglegger. Den Kriegsfilm bezeichnete Klein als filmische Reproduktion historisch stattgefundener Kriege. Übergreifende Standards bildeten bereits Filme heraus, die während des Ersten Weltkrieges spielten. Motive wie die von Zeit und Raum, Außen und Innen, Kameradschaft und Männlichkeit, hierarchische Konflikte, Heimat, Tod und Rückkehr seien in Folge zu konstituierenden geworden. Stiglegger definierte in einem filmhistorischen Abriss fünf unterschiedliche Phasen des Kriegsfilmes, z.B. die der Darstellung der Inhumanität und Materialschlachten bis zu den 1930er Jahren, eine bis in die 1960er-Jahre reichende Phase der Propaganda und Kriegsschuldaufarbeitung oder die der Gewaltverherrlichungen, wie in den Rambo-Filmen der 1980er-Jahre festzustellen. Der von ihm gewählte Begriff der ‚Erschöpfung’, mit dem er eine die 1970er kennzeichnende Phase der Hybridphänomene definierte, wurde im Anschluss kontrovers diskutiert: Eine solche ‚biologistische’ bzw. zyklische Einteilung, so der Einwand, begünstige eine essentialistische Genrevorstellung.

Auf der Suche nach dem ‚Kern des Genres’ beschäftigte sich Hans Jürgen Wulff (Kiel) mit der Frühphase des Kriegsfilms auf Basis von Lewis Milestones All Quiet on the Western Front (1930). Bis heute sei, so seine These, der Naturalismus der Filmbilder Maßstab geblieben. Die hier verwendeten Motive gelten, so schränkte er ein, jedoch nicht als verbindlich, sondern als anregend. Kennzeichen der frühen (Anti-)Kriegsfilme sei eine moralische Funktion, die auch in der ästhetischen Struktur zum Tragen komme. So beobachtete Wulff in der (Ton-)Montage einerseits eine totale Anonymisierung, in der Verwendung von Großaufnahmen andererseits das Gegenteil. In jedem Falle konstitutiv sei der visuelle Exzess – auch in der Minimierung, wie in der statischen Kamera ablesbar: Der Kriegsfilm spiele mit Spektakularitäten. Neben seiner Tendenz zu Schlüsselbildern, die den moralischen Impetus unterstützen, erklärte Wulff den totalen Verlust von Handlungsmacht zum zentralen Motiv des Kriegsfilms.

In Stefan Reineckes Vortrag „Der Vietnam-Krieg und was davon übrig blieb“ rückte das Individuum ins Zentrum. Am Filmbeispiel Apokalypse Now (Francis Ford Coppola, 1979) erklärte der Berliner Journalist und Wissenschaftler das Verschwinden einer kollektiven Ordnung bzw. den Statusverlust des Militärs. Hier sei nicht nur Vietnam nicht existent, auch der Körper der Frau existiere nicht. In Full Metal Jacket (Stanley Kubrick, 1987) werde gar das Individuum selbst im Drill ausgelöscht. Reinecke verwies auf die Entstehung des ‚Körperpanzers’, der in den Rambo-Filmen, die den Krieg quasi als ‚Privatsache’ verhandelten, seine Fortsetzung fand. Vietnam selbst sei lediglich fiktiver Ort, der Feind werde nicht länger als Subjekt betrachtet, sondern unsichtbar. Bis heute seien Motive des Vietnamfilms, wie das des im Stich gelassenen Einzelkämpfers, auffindbar, so z.B. in Clear and Present Danger (Phillip Noyce, 1994) oder in The Thin Red Line (Terrence Malick, 1998). Letzter nehme eine Mythisierung von Natur und Zivilisation vor. Eine sinnvolle moralische Erörterung im Vietnamkriegsfilm habe, so Reinecke, nicht (mehr) stattgefunden. Sie schien allenfalls in der Komödie, wie in Three Kings (David O. Russell, 1999) möglich geworden: Der Plot funktioniere hier als Korrektur der wirklichen Geschichte.

Detlef Kannapin (Berlin) lieferte einen Überblick über die Wandlungen der Kriegsdarstellung im osteuropäischen Kino zwischen 1945-1989. Der Historiker konnte anschaulich machen, dass dieses nicht als monolithischer Block zu definieren sei, sondern spezielle nationale Filmindustrien hervorbrachte. So dominierten im Anschluss an die Stalinverherrlichung Einzelschicksale und Solidaritätsaufrufe (vgl. Die Kraniche ziehen, Mikheil Kalatozishvili, 1957), aber auch Filme mit resignativer Grundstimmung das Kino der UdSSR. Für das polnische Kino, das sich bis in die 1960er u.a. mit dem Widerstand auseinandersetzte, ließen sich gar Parallelen zum Film noir aufspüren (vgl. Der Kanal, Andrzej Vajda, 1956). Sowohl Authentizitätsstreben als auch allegorische Inszenierungen beobachtete Kannapin im tschechoslowakischen Film: Eindrücklich hier der moralische Appell in der Schlusssequenz von Wagen nach Wien (Karel Kachyna,1966). Im ungarischen Film fehle hingegen eine eindeutige politische Opferperspektive; ‚multiperspektiv’ sei die Sicht in Kalte Tage (András Kovaczs, 1966). Allen osteuropäischen Kinematografien zugrunde liege ein Selbstverständnis als Antikriegs- oder besser noch, als Friedensfilm.

Karl Prümm (Marburg) lenkte den Blick auf das französische Kino nach dem Zweiten Weltkrieg und schlug vor, Widerstand und Kollaboration als Sonderfall des Genres zu lesen. Der Widerstandsfilm entbehre einer klaren Ordnung, auf die der Kriegsfilm normaliter rekurriere; den Partisanenkrieg beschrieb Prümm als von einer ‚Schattenarmee’ im Verborgenen geführt und irregulär, er verlange neue Strategien der Sichtbarmachung des Unsichtbaren. Stand unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg noch eine Heldenmythologie der Résistance (vgl. La Bataille du rail, René Clément, 1946) im Vordergrund, die den öffentlichen Diskurs und den Film bis in die 1960er-Jahre gleichermaßen dominierte, entlarvte Jean-Pierre Melvilles L’armée des ombres (1969) die Schimäre des Widerstands. Prümm definierte diesen als den vielleicht radikalsten Film über die Résistance – eine Radikalität, die auch in der Erzählstruktur manifest werde mit einem Grundtenor genereller Verunsicherung, weg gebrochenen sozialen Netzwerken und orientierungslosen Akteuren: Das Kriegsfilmgenre habe hier, so das Fazit, seine Enthüllung und Zuspitzung erfahren. Dass die Kollaboration als Spiegelbild des Widerstandsphänomens begriffen werden könne, konnte er am Filmbeispiel Lacombe Lucien (Louis Malle, 1974) aufzeigen. Nicht von einer Reduktion der Moral, wie abschließend diskutiert, sondern von ihrer Relativierung müsse die Rede sein. Das Entfernen vom eindeutigen moralischen Diskurs ermögliche gleichzeitig einen unvoreingenommenen Blick, den Blick des ‚Dritten’, auf den der Partisanenkrieg angewiesen sei.

Peter Riedels (Marburg) Vortrag „Die Metastasen des Krieges“ beschloss den ersten Tag und überführte die bisher überwiegend am filmischen Beispiel orientierte Diskussion auf eine theoretische Ebene. Er beleuchtete die Asymmetrien und (fehlenden) Grenzen des Kriegs(films): Der Kampf sei zum Selbstläufer geworden, das Bild des Helden existiere nur noch in der Verdrehung, so z.B. auch in Black Hawk Down (Ridley Scott, 2001), der das Kriegsgeschehen auf die militärische Intervention reduziere. Die Kategorie Kriegsfilm, so lautete Riedels Resümee, sei zu abstrakt, als dass sie seinen Ausformungen gerecht werden könne: Den Kriegsfilm nur als Genre zu begreifen, verhindere, den Krieg mit Hilfe des Films zu begreifen. Die Funktionalität des Genrebegriffs wurde anschließend kontrovers diskutiert. Der historische Kontext halte das Genre zusammen – darauf beharrte Knut Hickethier (Hamburg) in seinem Plädoyer und mahnte, nicht alles aufzugeben, das heißt, Genre nicht als bloße hypothetische Kategorie zu begreifen.

Den zweiten Tag leitete Hickethier mit einem Vortrag über den deutschen Kriegs- und Nachkriegsfilm ein. Indem ein Überblick über die spezifische Form des deutschen Kriegsfilms, seine vorherrschenden Motive, Erzählmuster, Besonderheiten wie z.B. seine Teilung in Ost- und Westproduktionen mit unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen nach dem Zweiten Weltkrieg, gegeben wurde, grenzte Hickethier diesen auch von den Kriegsfilmen der dominanten amerikanischen Konkurrenz ab. Anhand der Filme Die Abenteuer des Werner Holt (Joachim Kunert, 1965), Ich war 19 (Konrad Wolf, 1968) und Berlin N 65 (Egon Monk 1965) stellte der Referent insbesondere ein Charakteristikum des deutschen Nachkriegsfilms der 1950er und 1960er-Jahre heraus: Es gehe in diesen Filmen nicht primär um den historisierenden Blick auf das Kriegsereignis, sondern um den Krieg als Schauplatz innerer Entscheidungen, als Initiationsimpuls von Adoleszenz und Individuation jugendlicher Helden.

Als einzige weibliche Referentin dieser Tagung unterzog Angela Krewani mithilfe des Genderansatzes, der Psychoanalyse und Klaus Theweleits Thesen zur Körperlichkeit des faschistischen Soldaten das Kriegsfilmgenre anhand von Full Metal Jacket, Rambo. First Blood, Part II (George P. Cosmatos, 1985) und Saving Private Ryan (Steven Spielberg, 1998) einer Lektüre als Kino der Körperkonstruktionen. Theweleits Ergebnis, das „Andere“ des soldatischen Körpers sei als Weibliches denunziert, müsse ausgegrenzt und auf den Feind projiziert werden, modifizierte Krewani in ihrer Analyse von „Saving Private Ryan“ dahingehend, dass das Andere als Fetisch nicht externalisiert werden dürfe, sondern als Fetisch vom Staat kontrolliert werden müsse, um so an dessen Machtkonstitution und der Legitimierung der von ihm geführten Kriege mitzuwirken. In der anschließenden Diskussion wurde vorgeschlagen, diesen begrüßenswerten Blick auf den Kriegsfilm als repräsentatives Körperkino um somatisch-performative Ansätze und historisierende Methoden zu erweitern – in Frage gestellt wurde für eine Diskussion relativ junger Kinoproduktionen allerdings die analytische Reichweite von Theweleits Thesen, die schließlich die 1930er-Jahre beträfen.

Mit der Problematisierung des Antikriegsfilms durch Burkhard Röwekamp endete das Vormittagsprogramm: Röwekamp wendete das Paradox des Antikriegsfilms, immer auch den Krieg zeigen zu müssen, den er bekämpfe, ins Positive und zeigte nach einer kurzen Darstellung der Schwierigkeiten, den Antikriegsfilm als Genre festzuschreiben, und einer pragmatischen Einordnung desselben in die politischen, historischen und künstlerischen Kontexte seiner Entstehungszeit auf, inwiefern sich anhand des Odinschen semio-pragmatischen Zugangs das Genre doch im Zusammenhang mit seinen kulturell und historisch variablen Funktionen beschreibbar machen lasse. Indem er nicht nur spezifische Narrationsmuster des Antikriegsfilms wie überbordenden Realismus, formale Gewaltexzesse und die Verweigerung sinnhafter Erzählmuster hervorhob, sondern auch die dominante Strategie der Medien- und Genrereflexivität betonte, gelang es ihm auch hier das Widersprüchliche als immanentes Erzählprinzip sichtbar zu machen, zu zeigen, dass es sich der Antikriegsfilm zur Aufgabe gemacht habe, Widersprüche auszuhalten, sinnlich erfahrbar zu machen und an die filmische Oberfläche zu treiben.

Der Nachmittag stand dann ganz im Zeichen komischer Bearbeitungen des Krieges im Film, wobei anhand zweier Subgenres des Komischen die scheinbar unvereinbare Kombination von Komik und Krieg in zwei verschiedenen Filmepochen, nämlich der Stummfilmzeit und dem englischsprachigen Kino der 1960er-Jahre nachvollzogen wurde.
Den Anfang machte Matthias Steinle mit seiner Untersuchung der Burlesken von Charles Chaplin, Harry Langdon, Laurel & Hardy und den Marx-Brothers. Die zahlreichen Differenzen zwischen Krieg und Komik bewusst außer Acht lassend, stützte sich Steinle insbesondere auf Parallelen in Form des chaotischen Charakters, der unkontrollierbaren Eigendynamik und Zerstörungswut von Krieg und Burleske. Auch das explosionsartige Lachen als gewaltsam-katastrophale Eruption des Körpers scheine die Möglichkeit derartiger Analogiebildungen zu erlauben. Unter diesen Voraussetzungen fragte Steinle, ob die Burleske, die sich einer Sinnzuweisung des Krieges verweigere, ob die Slapstick-Komödie nicht nur der ideale Antikriegsfilm, sondern auch der eigentliche Kriegsfilm sein könnte? Bei seiner Untersuchung vor allem des stilbildenden Shoulder Arms (1918) von Chaplin, All Night Long (1924) von Langdon, Pack Up Your Troubles (1932) mit Laurel & Hardy und Duck Soup (Leo McCarey, 1933) mit den Marx-Brothers kam Steinle zu dem Ergebnis, dass zwar die Gegner und die autoritären Vorgesetzten der komischen Überzeichnung ausgesetzt seien, die Komödien Genreelemente des Kriegsfilms ironisieren und generell alles Militärische vorgeführt werde, nie aber der Akt des Tötens oder das Sterben in einem komischen Licht bzw. überhaupt behandelt würden, die meisten Filme überdies gar nicht vollständig in einer Narration über den Krieg aufgingen; auch Kampfhandlungen würden dementsprechend elliptisch gezeigt. In den Burlesken komme also letztlich keine kriegerische Destruktion – wie ausgehend von oben genannten Parallelen zwischen Krieg und Komik angenommen – zum Tragen, sondern eine, die eher aus dem Zivilen herrühre, indem die Helden gewaltsam versuchten, Normalität in den Kriegsalltag zu überführen.

Heinz-B. Heller behauptete in seinem Vortrag eine urwüchsige Affinität von Krieg und Komik, derer sich Filmemacher von Geburt des Mediums an bedient hätten. Die enttabuisierende Funktion von Filmgrotesken der 1960er-Jahre versuchte Heller nicht unter ethischen Gesichtspunkten zu erfassen, Krieg wurde hier nicht als realhistorisches Ereignis, sondern als kriegerische Strategie der Durchsetzung von Interessen und ihrer Vorbereitung verstanden. Einen Klassiker der Kriegsliteratur, Carl von Clausewitz’ „Vom Kriege“ (1832-1834), gegen den Strich lesend, entdeckte Heller in diesem Buch, das den Krieg ebenfalls als Instrument und Mittel zum Zweck auffasst, ein verstecktes Master-Szenario der Kriegskomödie: Krieg sei bestimmt von Unwägbarkeiten, Unvorhersehbarem; besonders das Moment der Friktion, die Tatsache, dass es menschliche Individuen seien, die sich zu diesem idealiter disziplinierten, maschinisierten Kriegskörper zusammenschließen, bedinge die Macht des Zufalls. Während Clausewitz dieses Unkalkulierbare zu beherrschen suche, kehrten besonders Nichols’ Catch 22 (1970) und Kubrick mit Dr. Strangelove or: How I Learned to Love the Bomb (1964) die selbstzerstörerische, absurde Logik des Krieges nach außen, indem sie eben die von Clausewitz bekämpfte Friktion hemmungslos ausbrechen ließen. Damit machten sie den Widersinn des Krieges, den sie für ihre filmische Erzähllogik adaptierten, für den Zuschauer direkt nachvollziehbar. In der anschließenden Diskussion stellte sich die Frage nach der Notwendigkeit von Distanz zu dem betreffenden Krieg, um diesen in einem komischen Modus behandeln zu können – was Kubrick betrifft, so Heller, habe er mit seinem Film noch in der heißen Zeit der atomaren Krise des Kalten Krieges auf die Bedrohung der beiderseitigen Aufrüstung reagiert; außerdem zeigte sich an diesem Beispiel, dass es nicht allein realiter stattgefundene Kriege sind, die im Kriegsfilm modelliert werden, wie von Klein in seinem Vortrag formuliert, sondern auch drohende, möglicherweise in der Zukunft liegende.

Die Tagung abschließend gab Knut Hickethier einen kurzen retrospektiven Überblick über Fragestellungen, Konfliktfelder, Ergebnisse: Zum einen habe die Frage nach der substantiellen Bestimmung des Genres und seiner gesellschaftlich-kulturellen Funktion im Mittelpunkt gestanden. Als weitreichendes Bedürfnis habe sich die notwendige Einschreibung einer Wirkungsästhetik – bspw. die Schockästhetik des Kriegs- bzw. Antikriegsfilms betreffend – herausgestellt. Weiterhin wäre der Versuch unternommen worden, die Frage nach der gesellschaftlichen Funktion des Kriegsfilms verschiedentlich zu beantworten: als Möglichkeit, Krieg begreifbar zu machen, im Gegenteil um zu zeigen, dass Krieg so widersinnig sei, dass man ihn gerade nicht begreifen könne, als politische Aufklärung, als Sensibilisierung gegen den Krieg, um nur einige Erklärungsansätze aufzuführen. Bei der Problematisierung des Begriffes des Antikriegsfilms habe sich herausgestellt, dass dieser dann nicht fallengelassen werden müsse, wenn man die Widersprüchlichkeit des Antikriegsfilms gerade als dessen Charakteristikum und Stilmittel, vermittels derer er die Paradoxien des Krieges vor Augen führe, begreife. Die Frage nach dem Kriegsfilm ging des Weiteren einher mit dem Definitionsproblem des Krieges, den einige Referenten z.B. auch in alltäglichen Bereichen und als ideelles Moment gegeben sahen, die Frage also, ob man dem Kriegsfilmbegriff ein weites oder enges Begriffsverständnis von Krieg zugrunde legen sollte. Die Thematisierung nationaler und zeitlicher Kriegsfilmvarianten habe zu der Überlegung geführt, inwiefern es übergreifende Genreelemente gebe. Auch die Tatsache, dass der Kriegsfilm letztlich ein Genrehybrid sei, dürfe nicht außer acht gelassen werden, wie besonders Matthias Steinles und Heinz-B. Hellers Vorträge zur komischen Variante des Kriegsfilms deutlich gemacht haben. Mit der Betrachtung des Genres als ein Körper konstruierendes kam ein in diesem Zusammenhang bisher kaum praktizierter Einsatz der Genderforschung zum Tragen. Hans Jürgen Wulff gab einen kurzen Ausblick auf Themen, die zu kurz gekommen seien und möglicherweise weitere Forschungsaufgaben böten: die Untersuchung, inwiefern die Handlungsmächtigkeit des Individuums, wie sie für die Figuren klassischer Hollywoodproduktionen typisch sei, im Kriegs- und Antikriegsfilm einer Modifikation unterzogen werde; auf welche Weise sich in den Filmen neben dem des Krieges ein privater, meist sexuell konnotierter Raum etabliere und wie dieser sich zu dem kriegerischen verhalte, und zu guter Letzt die Frage nach der Thematisierung eines Machtvakuums z.B. die Stunde Null in Deutschland betreffend.
Ihre Fortsetzung wird die Auseinandersetzung mit dem Genrebegriff im folgenden Jahr in Hamburg – dann zum Thema Melodram – finden.


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