Kloster und WirtschaftsWelt im Mittelalter

Kloster und WirtschaftsWelt im Mittelalter

Organisatoren
Paderborner MittelalterKolleg "Kloster und Welt im Mittelalter" am "Institut zur interdisziplinären Erforschung des Mittelalters und seines Nachwirkens" (IEMAN) der Universität Paderborn. Veranstalter: Prof. Dr. E. Bremer, Prof. Dr. J. Jarnut, Prof. Dr. M. Wemhoff (Direktorium), Dr. S. Röhl (Geschäftsführerin) und die Kollegiaten.
Ort
Paderborn
Land
Deutschland
Vom - Bis
11.11.2005 - 12.11.2005
Url der Konferenzwebsite
Von
Simone Heimann

Seit dem frühen Mittelalter waren Klöster nicht nur Zentren der christlichen Religion und der abendländischen Bildung, sondern auch Konzentrationspunkte für Wirtschaft und Handel. Darum traten schon bald technische Innovationen des Handwerks und ein reger Kulturtransfer über den Handel neben die geistigen Herausforderungen der Glaubensausübung. Die Verwaltung des ausgedehnten und durch Schenkungen ständig erweiterten Grundbesitzes erforderte ein ökonomisch-zukunftsorientiertes Vorgehen bei der Bewirtschaftung.
Die herausragende Bedeutung des klösterlichen Handelns für die Wirtschaft des Mittelalters war damit der Anlass für die Kollegiatinnen und Kollegiaten des am Institut zur interdisziplinären Erforschung des Mittelalters und seines Nachwirkens (IEMAN) angesiedelten Paderborner MittelalterKollegs (PMK) ihr Kolloquium im Jahre 2005 unter das Thema „Kloster und WirtschaftsWelt im Mittelalter“ zu stellen. Dieser mittlerweile 5. Workshop fand am 11. und 12. November in den Räumlichkeiten des Liborianums in Paderborn statt.

Eröffnet wurde die Veranstaltung durch die einleitenden Worte von Jörg Jarnut als Vertreter des Direktoriums, von Susanne Röhl als Koordinatorin des MittelalterKollegs und Sebastian Steinbach, der zusammen mit Claudia Dobrinski die Tagung organisiert hatte.
Andres Laubinger (Paderborn) aus dem Kreise der Kollegiaten eröffnete die Tagung mit dem Vortragtitel „…in der stattmawr zu nürenberg verslossen.“ Das Nürnberger Patriziat und die Kartause Marienzelle. Unter Verwendung neuer biographischer Forschungsergebnisse konnte Laubinger belegen, dass der Kartäuser Erhart Groß in Nürnberg eine beachtliche Karriere innerhalb seines Ordens beendete und nicht den Musterfall einer engen lokalen Verbindung zwischen Kartause und Patriziat darstellt. Auf Grundlage des erst kürzlich identifizierten Nekrologs des Nürnberger Klosters konnte Laubinger weiterhin nachweisen, dass die personelle Verbindung von Konvent und Patriziat im Allgemeinen geringer war, als bislang in der Forschung angenommen.

Im Anschluss sprach Wolfgang Haubrichs (Saarbrücken) zum Thema Abtsrode und Heiligenzell. Die Rolle der Klöster in der sprachlichen Raumerschließung. In seinem Vortrag betonte er, dass es in der Deutschen Sprache weit mehr Flurnamen als gebräuchliche Wörter gäbe, diese aber trotzdem noch weitestgehend auf ihre Erforschung warten würden. Anhand eines beeindruckenden Namenkatalogs erläuterte er anhand verschiedener Beispiele, wie die Benennung eines Ortes im frühen und hohen Mittelalter erfolgte und wie sich diese Namen im kollektiven Gedächtnis über längere Zeiträume verändert haben. So kann man beispielsweise zwischen hydronymischen Namen (Ebersbach), Patroziniennamen (Johannisthal) und solchen Benennungen unterscheiden, die Hinweise auf die Insassen einer Klosteranlage erlauben (Frauenberg). Von den Zisterziensern ist schließlich, so Haubrich, eine intensive Sakralisierung der Welt durch Namensgebung vorgenommen worden, was u. a. durch die Beispiele Seligenthal und Heiligenstedt belegt ist.

In der zweiten thematischen Einheit des Tages wurde die Aufmerksamkeit der Zuhörer von der Germanistik auf die harte finanzielle Realität der klösterlichen Rechnungsbücher gelenkt. Zunächst widmete sich Gudrun Gleba (Osnabrück) in ihrem Vortrag „gaf ick em yn dage Loen“ Klöster als Handelspartner und Arbeitgeber. Beispiele aus westfälischen Rechnungsbüchern exemplarisch dem Kloster Gertrudenberg für die Bedeutung der Abrechnungspraxis spätmittelalterlicher Klöster. Zu den „Wirtschaftsnachrichten“, welche der Historiker als Erkenntnisgewinn aus den Rechnungsbüchern ziehen kann, gehören unter anderem die Zahl und Aufgaben der klösterlichen Dienstboten, das alltäglich zu leistende Arbeitspensum sowie die Löhne und Dienstleistungen externer Handwerker. Auffällig ist dabei, dass unmittelbar nach kirchlichen Reformbestrebungen in den Klosteranlagen neue und detailliertere Bücher angelegt worden sind. Zu den Problemen bei der Analyse dieser historischen Quelle, so Gleba, gehört allerdings die Tatsache, dass sich in ihnen kein „Gesamthaushalt“ eines Klosters widerspiegelt und keine Soll-und-Haben-Liste das Ziel der Eintragungen gewesen ist. So lassen sich nur schwer Rückschlüsse auf den Gesamtumfang der Wirtschaftstätigkeit einer einzelnen monastischen Gemeinschaft ziehen, gleichwohl aber interessante Einblicke in diese gewinnen.

Daran anschließend untersuchte Johannes Rosenplänter (Paderborn) unter dem Titel Rechnungsführung und Abrechnungspraxis norddeutscher Frauenklöster im späten Mittelalter stärker die materielle Grundlage für die Erforschung der Quellengattung Rechnungsbuch. So sind vor dem 15. Jahrhundert in Norddeutschland gerade einmal drei Frauenklöster mit einer solchen Buchführung belegt (Barsinghausen, Preetz und Diesdorf) und es ist im Einzelfall von Verlustraten bis zu 90% auszugehen. Anhand von Parallelüberlieferungen lässt sich aber deutlich eine Rechnungsführung vor der Überlieferung von Rechnungsbüchern belegen.

Im dritten Themenblock des ersten Tages wurde die Aufmerksamkeit der Teilnehmer dann auf die materiellen Hinterlassenschaften des klösterlichen Wirtschaftslebens gelenkt. Dieter Hägermann (Bremen) sprach vom Kloster als Innovationszentrum: Mühlen-Logistik, Salzproduktion und Bergbau. In seinem Vortrag berichtete er von der Einrichtung einer Wassermühle im Kloster Corbie an der Somme, deren Beispiel den engen Zusammenhang von technischer Innovation und sozialem Prestige illustriert. Geistliche Kommunitäten waren Zentren handwerklicher Neuerungen in der Wasserbewirtschaftung, in der Salzförderung sowie im Abbau von Edelmetallen und sind damit gleichzeitig Schauplätze sozialer Ausdifferenzierung im Mittelalter – der technische „Spezialist“ ist zwar im Status der Hörigkeit verblieben, hat dort aber Spitzenpositionen erreichen können.

Am Ende des ersten Tages stellte Clemens Kosch (Dalheim) die Ergebnisse seiner Untersuchungen zu den Wirtschafts- und Industriebauten in hochmittelalterlichen Klosteranlagen vor und konzentrierte sich dabei auf die Techniken der Wasserversorgung. Anhand zahlreicher Abbildungen demonstrierte er den Transport von Wasser über größere Entfernungen mit Hilfe von ausgehöhlten Holzstämmen, Ton- und Bleirohren sowie die Anlage von Stollen und Kanälen im Bergbau. Daneben beleuchtete er einige Beispiele von klösterlichen Industriebauten im Frankreich des 12. und 13. Jahrhunderts und konnte zeigen, dass bereits im St. Galler Klosterplan verschiedenen Gebäuden bestimmte handwerkliche Funktionen zugeordnet waren, die sich auch in der Realität wiederfinden lassen.

Der zweite Tag des Kolloquiums knüpfte thematisch an diesen Vortag an, als Markus Sanke (Bamberg) im Rahmen seines Referats von Handwerk im Kloster – Hightech und Kulturtransfer. Überlegungen zu neuen Ausgrabungsergebnissen im Kloster Lorsch berichtete. Mit seinem archäologischen Schwerpunkt konnte ein weiteres Fach des interdisziplinär ausgerichteten Paderborner MittelalterKollegs ins Blickfeld genommen werden. Innerhalb der Lorscher Klosteranlage, so seine Ausführungen, sind bei den jüngsten Grabungsbefunden (1998-2004) zahlreiche Belege für die verschiedensten hochspezialisierten Handwerke gefunden worden, von denen exemplarisch die Glasherstellung und Knochenverarbeitung anhand umfangreichen Bildmaterials vorgestellt wurden. Zudem ist archäologisch ein Transfer sowohl von Rohmaterialien als auch von Fertigprodukten über die Reichsgrenzen hinaus festzuhalten. Parallelfunde lassen sich laut Sanke unter anderem aus St. Ulrich und Afra in Augsburg, Wearmouth / Jarrow in Großbritannien und San Vincenzo al Volturno in Italien nachweisen.

Anschließend beleuchtete Steffen Patzold (Hamburg) aus historischer Perspektive das Themenfeld Mensa abbatis – mensa fratrum: Die klösterliche Güterteilung und ihre Folgen für das Gemeinschaftsleben. Eine „mensa fratrum“ (das Gut der Mönche) lässt sich nach seinen Ausführungen schon im 9. Jahrhundert in den Quellen belegen, wohingegen eine „mensa abbatis“ (Gut des Abtes) erst seit dem 10. Jahrhundert auftaucht. Da laut Patzold immer mehr Klosterbesitz zum Unterhalt des Klosters und zur Ableistung des Reichdienstes (servitium regis) benötigt wurde – also nicht mehr für das Seelenheil Verstorbener zur Verfügung stand – ist die „mensa abbatis“ schließlich als festes Klostergut eingeführt worden.

Mit Brunhilde Gedderth (Paderborn) beteiligte sich eine weitere Kollegiatin an dem wissenschaftlichen Austausch des Kolloqiums. In ihrem Vortrag Geistliche Gemeinschaften als Wirtschaftsfaktoren der mittelalterlichen Stadt beleuchtete sie am Beispiel der „Stiftsstädte“ Essen und Herford die Bedeutung von geistlichen Gemeinschaften für die städtische Wirtschaft. Sie zeigte die Funktion der Gemeinschaften als Auftrag- und Arbeitgeber im Bereich des Handwerks auf, aber auch als Anbieter und Geldgeber. Gleichzeitig wies sie darauf hin, dass trotz der reichhaltigen Forschungsliteratur zum Thema „Stadt und Kirche“ auf dem Gebiet der Stifte und Klöster immer noch ein Forschungsdefizit besteht – gerade was die wirtschaftlichen Verflechtungen angeht.

Im letzten Themenblock des Kolloquiums sprach zunächst Werner Rösener (Gießen) über Die Stadthöfe der Zisterzienser im Spannungsfeld der Stadt-Land-Beziehungen des Hochmittelalters. Er legte dar, dass es zum kontemplativen Prinzip des Zisterzienserordens gehörte, sich den Lebensunterhalt durch körperliche Arbeit in der Landwirtschaft und in den Werkstätten des unmittelbaren Klosterumfelds zu sichern. In den so genannten „Stadthöfen“ sind die erwirtschafteten Güter und Handelswaren der einzelnen Zisterzen zwischengelagert worden, um sie anschließend gewinnbringend auf dem städtischen Markt abzusetzen. Ein ausgeklügeltes Vorratssystem, so Rösener, hat es den Zisterziensern dabei ermöglicht, auf aktuelle Bedürfnisse des Marktes flexibel reagieren zu können. Die erstaunliche Größe des jeweiligen Grundbesitzes der Zisterzen (100-200ha) mit ihren beeindruckenden Scheunenanlagen (Grangien) ist nicht zuletzt aber auch als Antwort auf das schnelle Anwachsen der Konvente mit teilweise mehr als 300 Mitgliedern zu verstehen.

Der thematische Bogen des Kolloquiums wurde durch den abschließenden Vortrag von Pater Werinhard Einhorn (Paderborn) geschlossen, der sich dem Thema Franziskanische Klosterstandorte in Ostdeutschland heute. Einzelbelege für Produktion und Transfer klösterlicher Ausstattungsstücke widmete. Von den ehemals über 70 franziskanischen Klosterstandorten in den Grenzen des mittelalterlichen Herzogtums Sachsens existieren heute noch 50, von denen der Referent 16 (unter anderem Bautzen, Zittau, Gransee und Saalfeld) mit Hilfe zahlreicher Abbildungen vorstellte. Es wurde sehr schnell deutlich, welche kunst- und bauhistorischen Schätze sich in den heute zum Teil restaurierungsbedürftigen Klosteranlagen finden lassen, aber auch, welchen Schwierigkeiten man sich bei der wissenschaftlichen Aufarbeitung des Materiales zu stellen hat. Einzelne Objekte belegen laut Pater Einhorn allerdings einen regen Austausch von handwerklichen Erzeugnissen und bautechnischen Erkenntnissen zwischen den einzelnen Klöstern.

Mit diesem Ausblick auf die gegenwärtige Realität mittelalterlicher Klosteranlagen und ihres Inventars ging das 5. Kolloquium des Paderborner MittelalterKollegs zu Ende. Die Atmosphäre des Workshops der Kollegiaten war auch in diesem Jahr von einem angenehmen Vortrags- und Diskussionsklima geprägt. Durch die zahlreichen Redebeiträge und den selbst über den zeitlichen Rahmen der Tagung hinaus geführten Meinungsaustausch wurden neue Perspektiven im Hinblick auf „Kloster und WirtschaftsWelt im Mittelalter“ eröffnet. Eine Publikation der Tagungsbeiträge ist geplant.


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