König, Fürsten und Reich im 15. Jahrhundert

König, Fürsten und Reich im 15. Jahrhundert

Organisatoren
Historisches Institut der Universität Mannheim; Prof. Dr. Franz Fuchs Würzburg) und Dr. Jörg Schwarz (Mannheim)
Ort
Mannheim
Land
Deutschland
Vom - Bis
14.07.2005 - 16.07.2005
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Von
Jörg Schwarz, Seminar für Mittelalterliche Geschichte, Universität Mannheim

Mit dem Thema „König, Fürsten und Reich im 15. Jahrhundert“ beschäftigte sich vom 14.-16. Juli 2005 ein Kolloquium, das vom Historischen Institut der Universität Mannheim ausgerichtet wurde. In den (inklusive der Zusammenfassung durch Hanna Vollrath) insgesamt 17 Vorträgen der Tagung, die von namhaften Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, Italien, Frankreich und Tschechien gehalten wurden, ist in vier Sektionen eine jeweils ganz verschiedenartige Blickrichtung auf das Thema gewählt worden. Immer jedoch stand im Hintergrund die Frage, in welchem Verhältnis die drei Faktoren dieses Wirkungsverbundes – also König, Reich und Fürsten – in ihren Handlungen, Interessen und Spielräumen zueinander standen.

Die Vorträge der ersten Sektion („Königtum am Oberrhein“), die von Wilfried Hartmann (Tübingen) geleitet wurden, gingen von einem konkreten Raum, dem Oberrheingebiet, und wichtigen, hier wirkenden Gestalten aus. Unter dem Titel „...gleicherweis als ob wir geginwortig weren und euch daz mit unserm munde selbir hiezzen. Rahmenbedingungen und Frequenz königlicher Gegenwart am Oberrhein im 15. Jahrhundert“ thematisierte Thomas Zotz (Freiburg i. Br.) die Problematik des mittelalterlichen Reisekönigtums im Spiegel der aktuellen Residenzenforschung. Der Referent betonte dabei vor allem die – ganz im Gegensatz zu Kaiser Siegmund stehende – Tatsache der geringen Anwesenheit Friedrichs III. am Oberrhein. Eine Ausnahme stellte in diesen Zusammenhängen der Besuch des Habsburgers 1473 in Straßburg dar; vor dem Hintergrund dieses Besuches konnte von Zotz das schwierige Verhältnis von Reichsoberhaupt und Reichsstädten bzw. Freien Städten verdeutlicht werden. Mit einem bisher in der Mediävistik kaum beleuchteten Forschungsfeld, dem Thema „Geheimwissenschaften an deutschen Fürstenhöfen, insbesondere bei Friedrich III. und Friedrich dem Siegreichen“ beschäftigten sich die Ausführungen von Christine Reinle (Gießen), wobei die Referentin den Einfluss von Faktoren wie Magie, Alchemie, Astronomie, Astrologie etc. auf die Politik an den Höfen des Habsburgerkaisers sowie des Wittelsbachers aufzeigen konnte – einen Einfluss, der ungeachtet zeitgenössischer Kritik an diesen Praktiken deutlich zu verzeichnen ist. In den Mittelpunkt seines Interesses an der Region stellte Franz Fuchs (Würzburg) die Figur Pfalzgraf Friedrichs des Siegreichen („Die antikaiserliche Propaganda Friedrichs des Siegreichen“). Nach einem kurzen Abriss von dessen Leben, analysierte der Referent zwei in der Umgebung des Wittelsbachers entstandene Gedichte gegen Kaiser Friedrich III. (besonders der chronische Geldmangel des Habsburgers wurde dabei satirisch aufs Korn genommen) und ging dabei ausführlich auf Probleme von Autorschaft, Entstehungshintergrund sowie Überlieferungssituation der beiden Werke ein. Im letzten Vortrag der ersten Sektion stellte Jean-Marie Moeglin (Paris) die Frage „Französische Ausdehnungspolitik am Ende des Mittelalters – Mythos oder Wirklichkeit?“, eine Frage, die von Moeglin nach Analyse zahlreicher Einzelereignisse und der Herausarbeitung von sieben Phasen klar in den Bereich des Mythos verwiesen wurde. Der öffentliche Abendvortrag von Karl-Friedrich Krieger (Mannheim) trug den Titel „...unser herre der keiser war vast frolich und treybe guten schertz und botte mir allefortt die handt. Kaiser Friedrich III. im Umgang mit seinen Untertanen“. Das Zitat, einem in seinem Quellenwert einzigartigen Bericht des Speyrer Domvikars Bernhard Ruß aus dem Jahr 1481 entlehnt, diente Krieger im Grunde als Aufhänger zu einer Persönlichkeitsanalyse des lange geschmähten Habsburgerkaisers; vermittels zahlreicher, zum Teil bisher völlig unbeachteter Quellenberichte über das – freilich von Fall zu Fall völlig unterschiedliche – Umgehen Friedrichs mit Adligen, Rittern, Bischöfen etc. seines Reiches konnte Krieger zu einer weiteren Differenzierung des Bildes vom Habsburgerkaiser beitragen, der sich mittlerweile wohl endgültig vom Klischee einer „Erzschlafmütze“ verabschiedet hat.

Einen gänzlich anderen Zugriff auf die Materie wählte die von Bernd Schneidmüller (Heidelberg) moderierte erste Sektion des folgenden Tages. Sie stand unter dem Motto „Königtum und Rat“, wobei in den Vorträgen von Claudia Märtl (München) und Jörg Schwarz (Mannheim) jeweils einzelne, bisher noch ganz unzureichend beleuchtete Figuren im Mittelpunkt des Interesses standen; die Beiträge von Dieter Mertens (Freiburg i. Br.) über „Elsässer als Räte Maximilians“ und von Heribert Müller (Frankfurt a. Main) nahmen dagegen eine ganze Personengruppe bzw. einen Staat „ins Visier“. Während Claudia Märtl die Person des Bartholomeo Vitelleschi (†1463), des Bischofs von Corneto und Rats Kaiser Friedrichs III., als beispielhaft für eine gescheiterte Karriere, trotz guter Voraussetzungen, sah, verfolgte Jörg Schwarz in seinem Vortrag „...nicht eine beliebige Stadt, sondern Augsburg. Johann Waldner, Rat Kaiser Friedrichs III. und Maximilians I., und die Reichsstadt Augsburg“ zunächst den Aufstieg des Kürschnersohns aus Salzburg, der es offensichtlich ohne Universitätsstudium bis in die höchsten Ränge der Funktionselite der Habsburgerdynastie brachte. Weiterhin konnte in dem Vortrag gezeigt werden, dass Waldners Leben und Wirken auf eine ganze besondere Weise (bis hin zu den Begleitumständen seines spektakulären Selbstmords 1502) mit der Stadt Augsburg verknüpft war, deren Bedeutung er gegenüber dem Kaiser hervorhob. Von einer politischen Macht des spätmittelalterlichen Reiches, die dazugehörte, ohne doch ganz dazugehörig zu sein, handelte Heribert Müller in seinem Vortrag „...non enim pati volebant, ut electorum oratores sibi praeferrentur. Burgund auf Versammlungen im Reich des 15. Jahrhunderts“, wobei der Referent vor allem auf das Missverhältnis der Bedeutung des Burgunders, des „Aufsteigers par exellence“ in der Staatenwelt des 15. Jahrhunderts, und seinem Auftreten auf den Reichsversammlungen der Zeit hinwies. Und ausgehend von den grundlegenden Zusammenstellungen Heinz Noflatschers analysierte Dieter Mertens die Gruppe der elsässischen Räte in der Spätzeit Friedrichs III. und bei Maximilian, wobei, innerhalb der Gruppenzugehörigkeit, auch verschiedene Einzelschicksale interessierten (z. B. Konrad Stürzel oder Jakob Villinger).

Die von Stefan Weinfurter (Heidelberg) geleitete, unter dem Oberbegriff „Königtum, römische Kurie und geistliche Fürsten“ stehende Sektion III wurde eingeleitet mit einem Vortrag von Jürgen Petersohn (Würzburg). Der Vortrag trug den Titel „...quod sanctitas sua in auxilium brachii secularis maiestati sue firmiter adhereat. Friedrichs III. Pläne eines Hilfsbündnisses mit Papst Sixtus IV. zur Sicherung der Königsrechte im deutschen Reich“. Der Referent machte hier auf einen Geheimplan aus dem Jahr 1481 zwischen dem Habsburgerkaiser und dem Rovere-Papst aufmerksam. Der Plan blieb unverwirklicht; seine Umsetzung jedoch hätte, so Petersohn, ohne Frage einen der effizientesten Schritte auf dem Wege zu einer wirklichen Reichsreform bilden können. Mit „Trient im Reich: Böhmischer Adler und ‚böhmische’ Bischöfe im 14. und 15. Jahrhundert “ beschäftigte sich Daniela Rando (Pavia); vor allem anhand der Personen Heinrich von Metz, Georg von Liechtenstein und Nikolaus von Brünn machte die Referentin auf die Problematik von Nationalität und Kulturaustausch im spätmittelalterlichen Reich aufmerksam. Dem nicht immer ganz einfachen Verhältnis der Salzburger Erzbischöfe namentlich im 15. Jahrhundert zu ihren im hohen Mittelalter errichteten Eigenbistümern Gurk, Seckau, Chiemsee und Lavant widmete sich der Vortrag von Heinz Dopsch (Salzburg). Der Referent ging dabei auch auf einzelne Figuren dieser „Beziehungsgeschichte“ – wie etwa auf den aus Westfalen stammenden Gurker Bischof Schallermann – ein. Der letzte Vortrag dieser Sektion – die Ausführungen von Ernst Tremp (St. Gallen) – schlug, indem er sich einer Einzelbiographie zuwand, noch einmal eine Brücke zur vorherigen Sektion, in dem er sich der Gestalt des St. Gallener Fürstabtes Ulrich Rösch (1463-1491) zuwandte. Wie Johann Waldner aus einfachen Verhältnissen emporgekommen, bewegte sich, so der Referent, seine Politik im „Spannungsfeld zwischen Eidgenossen und Reich“. Eng der Fürsorge des klösterlichen Lebens wie der Erhaltung des St. Gallener Territoriums verpflichtet, habe sich Rösch ohne Zweifel als ein Fürst des Reiches verstanden.

Die abschließende Sektion der Tagung war der Problematik von „Königtum und Lehnswesen“ gewidmet. Unter der Sektionsleitung von Johannes Fried (Frankfurt a. Main) sprach zunächst Kurt Andermann (Freiburg i. Br.) über den fränkischen Adel und das Reich im späten Mittelalter. In mikroanalytischem Zugriff beschäftigte sich Andermann dabei mit einer Reihe von Adelsgeschlechtern der Region (wie etwa den Hohenlohe oder den Wertheimern) und definierte dabei einige Kriterien für Hofnähe (z. B. die Bekleidung des Hofrichteramtes). Weiterhin arbeitete Andermann in seinem Referat heraus, dass, entwicklungsgeschichtlich betrachtet, unter Karl IV. der Reichsdienst mehr und mehr zur Domäne des böhmischen Adels wurde; unter Ruprecht hingegen sei das Königtum noch einmal nach Franken zurückgekehrt, während unter Friedrich III. höchstens zehn weltliche Räte aus Franken gekommen seien. Andermann schloss mit der Bilanz, dass „Königsnähe“ für alle Familien immer erstrebenswert gewesen sei. „Reich und Adel in der Epoche Kaiser Friedrichs III.“ lautete das Thema der Ausführungen von Paul-Joachim Heinig (Mainz), und prononciert arbeitete der Referent, ausgehend vom Schicksal des Freiherrn Johann Werner von Zimmern, die großen Entwicklungslinien des 15. Jahrhunderts heraus; hatte, so Heinig, unter Siegmund der Adel über seine Zernichtung geklagt, so seien Grafen und Freiherrn in den königsnahen Landschaften eine wichtige Stütze der Reichspolitik Friedrichs III. gewesen. Erst Maximilian habe an Siegmunds Bevorzugung des niederen Adels wieder angeknüpft. In seinem Vortrag über „Georg von Podiebrad im Reich und böhmische Lehen extra curtem“ beschrieb Ivan Hlavác(ek (Prag) zunächst die Tatsache, wie der Tod König Ladislaus’ die politische Spitze Böhmens vor wichtige Entscheidungen stellte (die „Kandidatenliste“ sei imposant gewesen, doch alle entfernteren Anwärter haben sich, so der Referent, als Chimäre erwiesen); so sei es beinahe zwangsläufig zu Georg Podiebrad gekommen. Dieser habe, was seine Lehenspolitik betrifft, nicht nur Lehen bestätigt, sondern disponierte regelrecht mit ihnen. Hlavác(ek arbeitete weiterhin deutlich heraus, dass Georg nicht mit Gewalt, sondern auf friedlichem Wege seine Probleme mit den Lehen habe lösen wollen. Den abschließenden Vortrag dieser Sektion (von der Zusammenfassung abgesehen) hielt Eberhard Isenmann (Köln). Isenmann griff das Thema „Das Lehnsrecht in Konsilien deutscher und italienischer Juristen des 15. Jahrhunderts“ auf. Anhand der genauen, plastisch geschilderten Analyse eines Einzelfalles – Lehnsstreitigkeiten des ansbachischen Markgrafen Albrecht Achilles mit Nürnberg in den 70er Jahren des 15. Jahrhunderts – entwickelte der Isenmannsche Vortrag, angesiedelt im Spannungsfeld zwischen den Rechtsvorstellungen der „libri feudorum“ und dem römisch-rechtlichen „Ius Commune“, das Modell einer ganz großen, grundsätzlichen Problematik, nämlich der Frage: Welches Lehnsrecht sollte gelten, das des Lehnsmannes oder das des Lehnsherrn? Weiterhin führte Isenmann in seinen Ausführungen aus, wie sich die Nürnberger „munitioniert“ haben für eine künftige Auseinandersetzung vor dem kaiserlichen Gericht. Die wichtigsten Ergebnisse der Tagung wurden von Hanna Vollrath (Köln) in ihrer Zusammenfassung noch einmal prägnant hervorgehoben, wobei die Referentin ihre Bilanz in die Kategorien "Vorstellungen von innen und außen", "Der Herrscher im Reich", "Personen und Karrieren" und "Mentalitäten" einordnete. Ganz allgemein kann gesagt werden, dass in allen einzelnen Vorträgen ebenso wie in der Summe der von der Forschung der letzten Jahre immer wieder hervorgehobene verfassungsgeschichtliche Schlüsselcharakter des 15. Jahrhunderts deutlich hervortrat - eine Wertung, die noch vor 25-30 Jahren in keiner Weise zustande gekommen wäre. Nach welcher Seite hin sich einzelne Forschungen auch immer entwickeln mögen, es wird einem nicht langweilig werden bei der zukünftigen Arbeit an diesem Jahrhundert. So viel scheint sicher.

Eine Publikation der Tagungsbeiträge ist für 2006 geplant.


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