Criminal-Bilder und Sicherheitsdiskurse. Kriminalität, Sicherheit und Strafe in der Repräsentation öffentlicher Diskurse (15.-20. Jahrhundert)

Criminal-Bilder und Sicherheitsdiskurse. Kriminalität, Sicherheit und Strafe in der Repräsentation öffentlicher Diskurse (15.-20. Jahrhundert)

Organisatoren
Arbeitskreis Historische Kriminalitätsforschung; Arbeitskreis Policey/Polizei im vormodernen Europa in Verbindung mit dem Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte Frankfurt a.M.
Ort
Stuttgart
Land
Deutschland
Vom - Bis
09.06.2005 - 11.06.2005
Url der Konferenzwebsite
Von
Rebekka Schifferle, Historisches Seminar, Frühe Neuzeit, Universität Basel (Schweiz)

Devianz und öffentliche Sicherheit, so ließe sich das zentrale Thema der Tagung zusammenfassen, sind keine faktischen Gegebenheiten, sondern diskursiv und medial erzeugte Wahrnehmungs- und Vorstellungszusammenhänge. Was sind Funktion, Wandel und Wirkung von Devianz und (Straf-) Justiz als medial vermittelte Diskurse? Das fragten HistorikerInnen, JuristInnen, Literatur- und MedienwissenschaftlerInnen anhand exemplarischer Themen vom Spätmittelalter bis zur Zeitgeschichte. Besondere Schwerpunkte bildeten dabei die „innere Sicherheit“ und die Frage, wie Bilder und Diskurse das „Sicherheitsempfinden“, Anforderungen an das Rechtssystem bzw. den Umgang mit diesem, und das Handeln des Staates beeinflussen. Erstmals wurde dabei der „visual turn“ in der Policey- und Kriminalitätsforschung vollzogen. 16 Vorträge, aufgeteilt in fünf Sektionen bildeten das dichte Programm der Tagung unter der Leitung von Dieter R. Bauer, Karl Härter, Gerhard Sälter, Gerd Schwerhoff und Eva Wiebel.

Die erste Sektion „Bilder von Devianz in der Frühen Neuzeit“ (Moderation Gerd Schwerhoff) wurde von KARL HÄRTER (Frankfurt a.M.) eröffnet, der mit seinem Referat „Criminalbilder und Sicherheitsdiskurse“ zugleich in die Tagung einführte. Am Beispiel illustrierter Flugblätter als frühneuzeitliches Massenmedium zeigte Härter, wie Criminal-Bilder eine eigene „Wirklichkeit“ von Kriminalität und Sicherheit erzeugen bzw. konstituieren, die nicht mit der „Wirklichkeit“ der wörtlichen Ebene identisch ist. Es ist die Diskrepanz zwischen „historischer Realität“, Justiz, Devianz einerseits und Bildern, Diskursen, Wahrnehmung andererseits. Die Sicherheitsdiskurse ließen sich dabei nicht direkt aus der Kriminalitätsentwicklung ableiten. Sondern sie seien zusammengesetzt aus spezifischen (sich wandelnden) Gefahrenszenarien, Bedrohungswahrnehmungen, Sicherheitspolitiken (und -techniken), Wahrnehmungen und rechtlich-normativer Konstruktion.

ISABELLE DEFLERS (Heidelberg) zeigte daran anschließend die Konstruktion des Hexereidelikts als Machtinstrument. Sie stellte die Frage nach einer Instrumentalisierung von Angst bzw. Aberglauben zur Etablierung staatlicher Macht. Anhand Jean Bodins „Démonomanie“ ging Deflers auf das zeitgenössische Bild von HexerInnen als VerbrecherInnen ein und dessen Instrumentalisierung zugunsten staatlicher Machtinteressen. Die rhetorische Frage Lucien Febvres, wie frühneuzeitliche Intellektuelle wie Bodin an Hexerei und Dämonen geglaubt haben konnten, könne dahingehend beantwortet werden, dass aufgrund der Machtkonstellationen kein Gegensatz von Hexenglaube und rationalem Denken bei Bodin festzustellen sei.
Bilder militärischer Kriminalität in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts waren das Thema des Beitrags von JAN WILLEM HUNTEBRINKER (Dresden). Dazu wurde in einem ersten Schritt mittels illustrierter Flugblätter die „Außensicht“ herausgearbeitet. Dieser Blick zeigte das Militär oft als (schlechte) Gegengesellschaft, wobei mittels Rückgriff auf Traditionen (z.B. Vaterunser) die Taten der Soldaten als illegitim gezeichnet wurden. Der zweite Schritt betrachtete die „Innensicht“ des Militärs, wie sie sich aus Militärgerichtsakten und Selbstzeugnissen erschließen lässt. Zuletzt ging es um Eigenheiten und Wechselwirkungen der beiden Perspektiven. Hierzu dienten militärische Rechtsnormen: die Diskussion um Gestalt und Legitimität dieser Normen war am Schnittpunkt von ziviler und militärischer Öffentlichkeit angesiedelt und ermöglicht so eine Zusammenführung von Innen- und Außensicht.
GERHARD FRITZ (Schwäbisch Gmünd) beschloss die Sektion mit Sicherheitsdiskursen im Schwäbischen Kreis im 18. Jahrhundert. Er unterschied drei Diskurs-Felder: der Diskurs der Obrigkeit, der Bevölkerung und der „Unterwelt“ (Zigeuner, Jauner). Fritz zeigte u.a., wie der Kriminalitätsdiskurs in den 1780er-Jahren durch Privatinitiativen wie die des schwäbischen Oberamtmanns Jacob Georg Schäffer wiederbelebt wurde, insbesondere durch Anfertigung von umfangreichen gedruckten Jauner- und Diebeslisten (z.B. Schäffers „Sulzer Liste“ von 1784). Der obrigkeitsinterne Kriminalitätsdiskurs wurde durch die Publikationen öffentlich. Allerdings stelle sich die Frage, ob ein „criminalistic turn“ wie er in den 1780er-Jahren deutlich wird, nicht bereits schon früher stattgefunden hat.

„Kriminelle Biographien? Literarische und populäre Bilder von „Verbrechern““ war der Titel der zweiten Sektion (Moderation Karl Härter). HOLGER DAINAT (Hagen) sprach über „Spitzbubengespräche“ bzw. journalistische Bilder krimineller Karrieren im frühen 18. Jahrhundert. Die „Spitzbubengespräche“ waren Gespräche zwischen berühmten hingerichteten Verbrechern, die sich im Jenseits ihre kriminelle Karriere erzählten; sie wurden in Zeitschriftenform seit den 1720ern in hohen Auflagen auf den Markt gebracht. Zweck war die Verbreitung von Informationen in Verbindung mit Unterhaltung. Dabei wurden Zeitungsmeldungen einem größeren Leserkreis aufbereitet, wobei das Gesagte im konventionellen Rahmen blieb. Spitzbuben und Journalisten ist dabei ein professionelles und profitorientiertes Verhalten gemeinsam, das sich gegenüber Moral indifferent verhält, was auf die Ausdifferenzierung eines Systems moderner Massenmedien hinweist, das einen ständischen Ruhm in massenmediale Prominenz verwandelt.
GERHARD AMMERER und FRIEDRICH ADOMEIT (Salzburg) berichteten über kriminelle Biografien in „Armesünderblätter“. Diese Blätter entstanden, soweit das aufgrund der bisherigen Forschungen gesagt werden kann um 1700, hatten Konjunktur in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts und wurden im 19. Jahrhundert allmählich von den Zeitungen verdrängt. Sie waren eine Mischform aus nüchterner Kriminalerzählungen, die die kriminelle Biografie des Delinquenten schilderten, und den sogenannten Moralreden in Versform, die Einblicke in das öffentliche Straftheater im Ancien Régime und dessen Aporie angesichts aufklärerischer Neu- und Umdeutungsversuche im Bereich des Strafrechts geben. Die Blätter setzten dem Delinquenten ein (negatives) Denkmal, halfen dem Publikum, das der Hinrichtung beigewohnt hatte, sich wieder daran zu erinnern und dienten denen, die nicht dabei gewesen waren, als Informationsquelle.
Anschließend zeigte JOACHIM LINDER (München), wie literarische Bilder zum Thema Vater als Deutungsmuster für männliche Devianz interpretiert werden können. Vaterlosigkeit und -suche als Ursache von Kriminalität findet sich in den Sonnenwirt-Texten von Schiller; sie wurden im 19. Jahrhundert zu einem Paradigma literarischer Darstellungen männlicher Kriminalität. Exemplarisch wirkte auch die Erzählung über Friedrich Schwan von Jakob Friedrich Abel: der versagende Vater als Grund für die Devianz des Sohnes und als Gegenbild zu den Väterkonzeptionen der zeitgenössischen Erziehungsliteratur. Wie wenig auch anwesende Väter eine positive Entwicklung des Sohnes garantieren können, beschreibt beispielsweise Heinrich von Kleist in Michael Kohlhaas. Schließlich kamen noch Texte in den Blick, in denen Söhne sich vom Vater lossagen, um eine mögliche kriminelle Beeinflussung zu verhindern, so in Jakob Michael Reinhold Lenz’ Erzählung „Lenz“ oder Karl Philipp Moritz Roman „Anton Reiser“.
KATHRIN KOMPISCH (Hamburg) schloss die Sektion mit Überlegungen zu Gewaltdarstellungen in der Presse der Weimarer Republik am Beispiel des Falles Fritz Haarmann ab. Haarmann wurde 1924 wegen 24fachen Mordes vom Schwurgericht Hannover zum Tod verurteilt. Kompisch zeigte, wie verschieden die Medien über den Fall berichteten: die linke Presse schilderte die Mordtaten im Vergleich zu den konservativen Blättern beispielsweise sehr detailliert. Üblich war die Verbindung von Sadismus und Homosexualität, was zeitgenössische Bemühungen um eine Liberalisierung des §175 unterminierte. Kurz angesprochen wurde zudem die zeitgenössische Diskussion um eugenische Maßnahmen an Straftätern. Vor allem von konservativer Seite wurde die These von der Gewaltinduzierung durch Medien gegen eine ausführliche Berichterstattung eingesetzt; die Lesenachfrage war jedoch zu groß als dass eine Aussetzung der Berichterstattung im kommerziellen Interesse der Zeitungen gewesen wäre.

In der dritten Sektion „Diskursive Konstruktionen von Sicherheitsbedrohungen“ (Moderation Eva Wiebel) stellte zunächst JAKOB NOLTE (Berlin) Denunziationen als Bestandteil von Sicherheitsdiskursen heraus. Vor dem Hintergrund einer durch die Befreiungskriege 1812/13 teilweise politisierten Bevölkerung und einer zu deren Forderungen nach demokratischer Mitbestimmung im Gegensatz stehenden Restaurationspolitik nach 1815 fand bis Ende der 1820er-Jahre ein Diskurs darüber statt, inwiefern die politisierte Bevölkerung eine Gefahr für die staatliche Sicherheit darstellte. Nolte zeigte verschiedene Ebenen dieses Diskurses auf: der diplomatische Austausch zwischen deutschen Staaten bezüglich der Verfolgung von Demagogen (anhand der Akten zu den Karlsbader Beschlüssen 1819) und die innenpolitische Diskussion am Beispiel Preußens. Schwerpunkt der Ausführungen waren Denunziationen, in denen sich Vorstellungen der Denunzianten von politischer Ordnung als auch die der Obrigkeiten von der Sicherheitslage vermischen.
Kriminalitätsvorstellungen in der politischen Auseinandersetzung um polizeiliche Identifikationstechniken in der Schweiz zwischen 1890 und 1930 stellte NICOLE SCHWAGER (Zürich) vor. Sie ging von der Frage aus, wer sich durch wen in der Schweiz bedroht bzw. verunsichert sah. Die verwaltungsinterne, kaum kontrovers geführte Diskussion favorisierte eine „universelle Erfassung“ durch die neuen Identifikationstechniken (Bertillonage und Daktyloskopie), die „ehrliche Bürger“ im Fokus hatte. Davon erhoffte man sich einerseits mittels Ausschlussverfahren die Verbrecher-Identifizierung, andererseits eine Erleichterung der Personenidentifizierung auch außerhalb der Kriminalistik. Die behördlichen Vorstellungen wurden im Zürcher Kantonsparlament kontroverser diskutiert. Vor allem von linker Seite wurde eine Erfassung bestimmter Personengruppen wie streikende Arbeiter abgelehnt. Allerdings nur, solange die Personen schweizerischer Herkunft waren. Die parlamentarische Linke in Zürich teilte somit die Vorstellung, dass eine Gefahr für die schweizerische Nation von außen komme.
BEATE ALTHAMMER (Trier) beschrieb die diskursive Konstruktion des Gefahrenpotentials von Vagabunden im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert Die krisenhafte sozioökonomische Entwicklung hatte die Diskussion der Vagabondage seit den 1870er-Jahren wieder intensiviert, wobei der Vagabund zum Fluchtpunkt einer Art „moral panic“ und Gegenbild der bürgerlichen Wertvorstellungen diente. In erster Linie persönlich-individuelle Defizite wie „Arbeitsscheu“ wurden dabei als Hauptursache der Vagabondage ausgemacht, das Bild des Vagabunden als schädlich für die Gesellschaft konstruiert. Am Beispiel des Almosengebens zeigte Althammer, dass dieses Bild durch die überwiegend freundliche und freigiebige Haltung der Bevölkerung erheblich in Frage gestellt wurde.
Abschluss dieser Sektion bildete das Referat von LISA KATHRIN SANDER (Frankfurt a.M.) über das Bild des „gefährlichen Gewohnheitsverbrechers“. Wo liegen die Ursprünge der Diktion vom „gefährlichen Gewohnheitsverbrecher“ im 19. und 20. Jahrhundert, welche Diskussionen prägten dieses Bild und warum lässt sich von „unheilvollen Kontinuitäten“ sprechen? Die Definition wurde von Seiten der modernen Strafrechtsschule ins Strafrecht eingeführt. „Unschädlichmachung der Unverbesserlichen, Besserung der Besserungsfähigen“ lautete das Programm, das Franz von Liszt und andere Juristen der Zeit vertraten. Als „unverbesserlich“ galten dabei „gefährliche Gewohnheitsverbrecher“, was 1933 Eingang in das deutsche Reichsstrafgesetzbuch fand. Als Grundproblem stellte Sander eine Vagheit der Kriterien fest, was in der Folge eine beliebige Anpassung an die kriminalpolitischen Bedürfnisse erlaubte. Das zeigt sich auch in der seit 1998 in Deutschland wieder aktuellen Diskussion um die Sicherungsverwahrung.

Die letzte thematische Sektion befasste sich mit Bedrohungsszenarien der inneren Sicherheit im 20. Jahrhundert (Moderation Gerhard Sälter). HERBERT REINKE (Berlin) stellte unterschiedliche Kriminalitätsdiskurse der frühen Bundesrepublik (1950er bis1970er-Jahre) vor und gab zwei anschauliche Beispiele von „moral panics“. In den 1950er-Jahren wurde von zeitgenössischen „Experten“ (Kriminologen etc.) das Phänomen der „Wohlstandskriminalität“ entdeckt. Gemeint war Eigentumskriminalität, die deswegen als neu galt, weil der Täterkreis dem mittleren und gehobenen Bürgertum zugerechnet wurde und nicht der Unterschicht, weshalb sie nicht mehr als durch Armut bedingt aufgefasst werden konnte. Ein anderes Bedrohungsszenario machte sich Mitte der 1960er-Jahre an Jugendlichen aus der Mittel- und Oberschicht fest, die nonkonforme Umgangsformen pflegten. Diese wurden als „Müßiggang“ etikettiert und deren Akteure als „Gammler“ bezeichnet, die in der zeitgenössischen Wahrnehmung ein Untergrundmilieu und damit eine Bedrohung der Normalitätsvorstellungen und der gesellschaftlichen Werte konstituierten.
MATTHIAS KÖTTER (Berlin) beschrieb die Erweiterung des juristischen Sicherheitsbegriffs um Elemente der Prävention und des Sicherheitsgefühls anhand von zwei sicherheitsrechtlichen Debatten seit den 1970er-Jahren. Zunächst wurde das liberal-rechtsstaatliche Polizeirecht der 1970er-Jahre, dessen Ziel die Erhaltung der Integrität der Rechtsordnung als Rechtssicherheit war, in den 1980er-Jahren durch die stärkere Betonung des Präventionsprinzips verändert. Dabei wurde das Polizei- und Sicherheitsrecht zu anderen Steuerungszwecken als dem Rechtsgüterschutz eingesetzt. Die zweite Verschiebung war die Subjektivierung des Sicherheitsbegriffs seit den 1990er-Jahren, in den Definitionen individuellen Sicherheitsempfindens Eingang fanden. Beide Verschiebungen gingen auf die Einbeziehung subjektiver Gewissheiten in die sicherheitsrechtlichen Diskurse zurück. Das zeigt, wie sehr das Sicherheitsrecht, das besonders stark von den Vorgaben der Verfassung geprägt ist, von forschungsinternen und medialen „Aufmerksamkeitszyklen“ mitbestimmt ist.

Mit einer Sektion aus nicht thematisch gebundenen Werkstattberichten (Moderation Dieter R. Bauer) endete die Tagung. ESTHER SCHINKE (Frankfurt a.M.) sprach am Beispiel von Schwäbisch Hall in der Mitte des 19. Jahrhunderts über Ehrenkränkungen im Spiegel von Polizeiakten. Sie zeigte anhand des alltäglichen Umgangs mit „Ehre“, wie der frühneuzeitliche Schlüsselbegriff auch für das 19. Jahrhundert eine grundlegende Kategorie des Zusammenlebens war, womit sie ein kaum erforschtes Feld betritt. Wie in der Frühen Neuzeit war Ehre auch im 19. Jahrhundert ein Medium, soziale Wertschätzung an- oder abzuerkennen. Als Unterschied zur Frühen Neuzeit stellte Schinke heraus, dass Konflikte zwar auch zu Ehrkonflikten umgeformt, doch sowohl auf dem Feld der Ehre als auch auf dem des tatsächlichen Sachverhalts ausgetragen wurden.
Abschließend stellte KASPAR GUBLER (Zürich) am Beispiel von Schaffhausen und Konstanz im Spätmittelalter die Praxis der Geldbuße dar, welche zwar die dominante Strafform war, aber bisher wenig erforscht sei. Gubler ging ein auf das Verhältnis von Strafrechtsnorm und -praxis, Strafzumessung (Strafmass), Strafen- und Bußenvollzug, Stellung und Funktion der Strafrechtsnormen, auf übergeordnete Ordnungs- und Normierungsvorstellungen und schließlich auf das „Gesicht“ der Strafjustiz: Disziplinierung, Konfliktregelung, Dialog, Schlichtung, Strafspektakel. Beide Städte verfolgten eine milde Bußengerichtsbarkeit, die bezahlbare Bußen forderte und DelinquentInnen kaum ausgrenzte.

Die Tagung hat gezeigt, wie wichtig die Frage nach Devianz und (Straf-)Justiz als medial vermittelte Diskurse für die Geschichtswissenschaft (und andere Fächer) ist. Es wurde deutlich, wie konstruktiv eine tatsächliche Auseinandersetzung mit den entsprechenden Begriffen und Theorien sein kann, wenn diese nicht nur illustrativ für bestimmte Formen von öffentlichen Debatten verwendet werden. Die meisten Bilder waren literarische bzw. aus Texten rekonstruierte Bilder: das zeigte, wie wenig das Medium Bild (im eigentlichen Sinn) als Quelle in der historischen Forschung integriert ist. Der interdisziplinäre und epochenübergreifende Zugang belegte eindrücklich die Komplexität vergangener (und gegenwärtiger) „Kriminalität“ bzw. dass diese nicht nur mittels Auswertung von Gerichtsquellen erfasst werden kann.