Mensch und Tier in der Antike - Grenzziehung und Grenzüberschreitung

Mensch und Tier in der Antike - Grenzziehung und Grenzüberschreitung

Organisatoren
Lorenz Winkler-Horacek; Annetta Alexandridis; Heinrich Schliemann Institut für Altertumswissenschaften
Ort
Rostock
Land
Deutschland
Vom - Bis
07.04.2005 - 09.04.2005
Url der Konferenzwebsite
Von
Annetta Alexandridis, Institut für Altertumswissenschaften, Universität Rostock

Vom 7. - 9. April fand an der Universität Rostock die Tagung "Mensch und Tier in der Antike - Grenzziehung und Grenzüberschreitung" statt. Die Veranstaltung wurde von Lorenz Winkler-Horacek und Annetta Alexandridis vom Heinrich Schliemann Institut für Altertumswissenschaften organisiert und von der Fritz Thyssen Stiftung gefördert. Neben den altertumswissenschaftlichen Disziplinen (Alte Geschichte, Gräzistik, Latinistik, Klassische Archäologie) waren auch die Philosophie und die Geschichte der Neuzeit mit Beiträgen vertreten.

Die Tagung hatte sich zum Ziel gesetzt, die antiken Denkmuster von der Grenze zwischen Mensch und Tier und ihren Einfluss auf unsere heutigen Vorstellungen zu untersuchen. Zwei Modelle standen dabei im Vordergrund: Erstens ein dichotomisches, welches ‚das Tier' als ‚das Andere' denkt; zweitens ein je nach Kontext mit unterschiedlichen Kategorien arbeitendes Modell der graduellen Differenzierung, in dem die Grenzen stärker verschwimmen.

Im ersten Teil der Tagung ("Mögliche Grenzen. Physis, Logos, Ethos") standen verschiedene Kernbegriffe im Mittelpunkt, die immer wieder für eine prinzipielle Grenze zwischen Mensch und Tier ins Feld geführt wurden und werden. Die unterschiedlichen altertumswissenschaftlichen Disziplinen konnten die kontextgebundene Vielfalt der Grenzziehungen in den verschiedenen Epochen, Lebensbereichen und Medien deutlich machen.

Das dichotomische Modell tritt gerade in Momenten größter Annäherung auf, wie Daniella Widdows (Maryland), in ihrem Beitrag "(Re)movable Boundaries: Animal Skin on Ancient Greek Vases" zeigte. Das Tierfell auf dem menschlichen Körper veranschaulicht auf griechischen Vasendarstellungen nicht nur die Übertragung bestimmter Eigenschaften des betreffenden Tieres auf den Fellträger, sondern markiert ebenso eine Grenze zwischen Überlegenem/Unterlegenem bzw. Lebendem und Totem. In antiken Vorstellungen vom Affen funktioniert die Übertragung in beide Richtungen. Detlev Wannagat (Freiburg) demonstrierte in seinem Beitrag "Zwischen Menschen und Tier. Bilder und Vorstellungen vom Affen in der griechischen Kunst", dass die Affenähnlichkeit des Menschen diskreditierend genutzt wurde. Sie rief aber nicht Abscheu oder Hass, sondern Spott hervor. Die Darstellung der Menschenähnlichkeit des Affen betont zwar dessen Lernfähigkeit und Nachahmungslust, offenbart aber in seiner Lächerlichkeit die Kluft zu seinem menschlichen ‚Vorbild'.

Graduelle Abstufungen und Hierarchien in der Tierwelt, gemessen etwa an der Teilhabe der Tiere an Vernunft und Sprache oder an ihrem Nutzen für den Menschen, konnten an verschiedenen Beispielen vorgeführt werden, wie von Thorsten Fögen (HU Berlin) am Beispiel der Vögel ("Menschliche Sprache und tierische Kommunikation") oder John Wilkins (Exeter) am Beispiel der Fische in der menschlichen Ernährung oder im medizinischen Kontext ("Animals in the Romano-Greek Culture of the 2nd Century AD"). Differenziert wurde auch im religiösen Bereich. Wie Günther Schörner (Jena) in seinem Beitrag "Wildtiere und Haustiere im antiken Opferritual: Unterscheidung von ‚menschlichen' und ‚tierischen' Tieren" nachweisen konnte, opferte man üblicherweise Haustiere und nicht Wildtiere, die Mischung der Kategorien galt als ‚barbarisch'; nur im Bereich der Jagd wurde diese Grenzziehung aufgeweicht.

In beiden Differenzierungsmodellen, dem dichotomischen wie dem graduellen, war immer wieder die Tendenz zur Anthropomorphisierung festzustellen. In der Anklage eines Ochsen gegen seine Opferer/Mörder in der Schrift "Adversus nationes" des Arnobius aus der 2. Hälfte des 3. Jhs. n. Chr., die Kurt Smolak (Wien) vorstellte ("Das Opfertier als Ankläger"), argumentiert das Opfertier als ein lógos-begabtes Wesen gegen das ihm widerfahrene Unrecht. Das Tier steht hier gleichermaßen für einen paradiesischen Urzustand in der Tradition des Goldenen Zeitalters wie für eine Kritik an heidnischen Kultpraktiken. Die Umdrehung der Situation konnte am Problem der Menschenopfer untersucht werden, die das Thema von Mariza Petropoulous (Athen) Beitrag "Humans Treated as Animals: the Case of Human Sacrifice" waren. Menschenopfer galten in der griechischen Antike als barbarisch, sind aber dennoch aus bestimmten mythischen und historischen Kontexten überliefert. Wie sehr das Opfer - und damit auch das tierische - als gewaltsam und möglicherweise ungerecht galt, spiegelt sich noch stärker in der Sprache wider. Für die Darstellung vom unnatürlichen Tod eines Menschen griff man in der Regel auf das Opfervokabular zurück. Die enge, z.T. unauflösbare Verknüpfung von Sprache und Imagination bzw. Denkmustern wurde am Beispiel der Semantik antiker Physiognomie besonders deutlich, der sich Arnaud Zucker (Nice) widmete ("La sémiologie animale dans les traités de physiognomonie grecque") Sein Beitrag zeigte, wie sehr unser Reden über ‚das Tier' ist immer schon anthropomorphisiert ist.

Der zweite Teil der Tagung ("Theoretisch-philosophische Grundlagen von Grenzen") vertiefte die exemplarisch vorgestellten Differenzierungsversuche auf theoretisch-begrifflicher Ebene. Die antiken Texte kennen keine klar definierte Begrifflichkeit für ‚Art' und ‚Gattung'. génos und eidos können wir eher unter ‚allgemeinem Spezimen' zusammenfassen, wie Pietro Li Causi (Palermo) in seinem Beitrag "Generare in comune: l'ibrido e la costruzione dell'uomo nel mondo greco" ausführte. Dass Angehörige unterschiedlicher Arten oder Gattungen gemeinsamen Nachwuchs zeugen, hielt man nicht für ungewöhnlich. Hybride Wesen (im Mythos, z.B. Minotaurus, wie in der Realität, z.B. Maultiere) werden nicht als Doppelnaturen gedacht. Problematisch ist der Fall nur, weil der ‚fremde' Partner den ‚rechtmäßigen' verdrängt (z.B. der Stier den Minos bzw. das Pferd den Esel) und sich wie beim Ehebruch rechtmäßiger und fremder Samen mischen. Weiterer Untersuchung bedürfen in diesem Fall die Satyrn, deren menschliche und tierische Anteile (Mensch und Pferd) stärker verschmolzen erscheinen als die der Kentauren, und die sich trotz geradezu sprichwörtlicher sexueller Potenz nicht fortzupflanzen scheinen. Die Vorstellungen vom Tier wurden in der Antike ebenfalls benutzt, um Geschlechterdifferenzen zu markieren. Cristiana Franco (Siena), die über "Animali e costruzione di genere nel mondo antico" sprach, betonte, dass die Frau zunächst als eigenes génos gedacht, ihre Natur als anders - stets im negativen Sinne - beschrieben wurde. Dieses Paradigma fällt mit Aristoteles, der die Frau zwar demselben génos wie dem Mann zuordnet, sie allerdings als das ‚Mängelwesen', die unvollständige Version des Mannes fasst. Diese Zuschreibung wird von den physischen auf die charakterlichen Eigenschaften übertragen. Nach ähnlichem Schema erfolgt die Kategorisierung der Tiere in wilde (= männlich) und domestizierte (= weiblich). Diese Vorstellungen vom Tier sind also anthropomorphisiert, werden als solche in der Antike aber wieder auf die Menschen übertragen, um die vermeintliche Natürlichkeit von Geschlechterdifferenzen zu belegen.

Der folgende Workshop fasste drei Beiträge zusammen. Zunächst arbeitete Gary Steiner (Lewisburg) in seinem Beitrag "Das Tier bei Aristoteles und den Stoikern: Evolution eines kosmischen Prinzips" die unterschiedlichen Differenzierungskriterien bei Aristoteles in Abhängigkeit von den Intentionen seiner Schriften heraus: In den ethisch-politischen Schriften geht Aristoteles von einem prinzipiellen Unterschied zwischen Mensch und Tier aus und charakterisiert das Tier als vernunftlos und ohne moralischen Status. Hierbei ergeben sich Parallelen zu den Stoikern. In den naturwissenschaftlichen Schriften dagegen entwickelt Aristoteles ein sehr viel differenzierteres und graduelles System. Dem hielt Jula Wildberger (Frankfurt a.M./Glasgow) mit ihrem Vortrag zu "Der stoische Mensch als Zwischenwesen: nicht mehr Tier und noch nicht Gott" entgegen, dass sich die ‚qualitativen' Unterschiede eben abhängig von der ‚Quantität' an Göttlichem ergäben und deshalb keine prinzipielle Differenz zwischen den Unterscheidungskriterien bei Aristoteles zu erkennen sei. Selbst für die Stoiker rekonstruierte sie eine scala naturae, die von der leblosen Materie über die Tiere bis hin zu Gott mit fließenden Übergängen gedacht sei. Als dritter in dieser Diskussionsrunde konnte Stephen T. Newmyer (Pittsburgh) mit einem Vortrag über "The Human Soul and the Animal Soul: Stoic Theory and ist Survival in Modern Ethical Philosophy" zeigen, wie hartnäckig sich das traditionell als dichotomisch rezipierte stoische Modell in modernen Diskussionen um Tierrechte hält. Die sog. ‚Contractualists' argumentieren immer noch damit - wenn auch ohne expliziten Rekurs auf die Stoa -, dass das Tier nicht vernunftbegabt und somit nicht vertragsfähig sei. Es stehe außerhalb des Rechts.

Der zweite Workshop thematisierte das Problem des Redens über das Tier an neuzeitlichen Beispielen. Markus Wild (HU Berlin) führte in seinem Beitrag zu "Michel de Montaigne und die anthropologische Differenz" im Vergleich von Montaigne - der keine anthropologische Differenz zwischen Tier und Mensch annahm - und seinem Gegenspieler Descartes das damals verhandelte Argumentationsmuster nach dem Prinzip der Analogie vor. Danach lassen gleiche ‚Effekte' auf gleiche Fähigkeiten schließen. Da wir allerdings nur von menschlichen Fähigkeiten auf die daraus folgenden Akte schließen können, ergibt sich ein bis heute ungelöstes Problem: Weder wissen wir, ob menschliche und tierische Akte, noch ob menschliche und tierische Vermögen vergleichbar sind. Dennoch wird häufig nach anthropologischem Modell von Akten des Tieres auf entsprechende Fähigkeiten geschlossen. In dieser Diskussionsrunde plädierte Pascal Eitler (Bielefeld) von historischer Seite aus im Sinne der Foucaultschen Genealogie für eine grundsätzliche Hinterfragung der Begriffe bzw. Konzepte von ‚Mensch' und ‚Tier', die eben nicht nur je nach Zeit und Kontext unterschiedlich interpretiert, sondern jedes Mal neu konstituiert worden seien ("Das Mensch-Tier-Verhältnis - diesseits moderner (Ent)Differenzierungen").

Am Nachmittag des zweiten Tages wurden diese theoretischen Diskussionen wieder auf konkrete Fallbeispiele umgelenkt. Unter der Überschrift "Grenzen in spezifischen Kontexten und Medien" sollten die geradezu topisch wiederkehrenden Denkmodelle (dichotomisch oder graduell) am Einzelfall untersucht und differenziert werden.
Den Anfang machte Angela Pabst (Erlangen) mit "Hasen und Löwen. Tiere im politischen Diskurs des klassischen Griechenlands". Sie führte am Beispiel der Tierpassage im Protagorasmythos vor, wie demokratische Prinzipien als Teil des Bauplanes der Schöpfung vorgestellt wurden. Protagoras nimmt damit eine Gegenposition zu Platon, Aristoteles u.a. ein, für die die Widernatürlichkeit der Demokratie gerade am Beispiel der Tierwelt ersichtlich war und die die Demokratie als Freiheit der Haustiere bzw. Knechtschaft der Wildtiere oder Gleichberechtigung der Hasen bezeichneten. Astrid Lindenlauf (Athen) sprach "Zur gesellschaftlichen Bedeutung der Tiermetaphern im antiken Griechenland" und stellte unterschiedliche, positiv oder diskreditierend gedachte Vergleiche von Mensch und Tier aus den Bereichen des griechischen Symposions, des Theaters, des Ostrakismos und der Münzprägung vor. Anschließend untersuchte Martin Langner (FU Berlin) in seinem Vortrag über "Skythischer Tierstil und graeco-skytische Tierbilder" am Beispiel skythischer und graeco-skythischer Tierfiguren die Frage, inwieweit unterschiedliche Darstellungskonventionen in ein- und demselben Kontext auf unterschiedliche Vorstellungen hinweisen. Die eher abstrakte Darstellungsweise des skythischen Tierstils lasse auf eine dem Menschen parallel gedachte Tierwelt schließen, die illusionistisch-konkrete Darstellung des graeco-skythischen Stils auf eine dem Menschen unterlegen gedachte, von ihm domestizierte Welt. Wie sehr die Grenzen zwischen Mensch und Tier als Teil der Ordnung der eigenen Welt gedacht werden konnten, zeigte abschließend Elias Koulakiotis (Rethymnon) mit seinem Beitrag "Menschen und Tiere in der Epistula Alexandri ad Aristotelem". Die Ränder der bekannten Welt werden in diesem fiktiven Brief Alexanders des Großen an seinen Lehrer Aristoteles als Ort der Transgression beschrieben. Je weiter man sich vom Zentrum entfernt, desto stärker geraten die Taxinomien durcheinander. Nicht nur die Grenzen zwischen Mensch und Tier verschwimmen, sondern auch die zwischen belebter und unbelebter Materie, den Klimazonen etc.

Auch der dritte und letzte Tag stand zunächst noch unter dem Thema der "Grenzen in spezifischen Kontexten und Medien". Craig Williams (New York) zeigte in seinem Vortrag über "Amoris Vis. Some Roman Anecdotes on Animal Sexuality" am Beispiel verschiedener, v.a. bei Plutarch und Aelian überlieferter Anekdoten über die Liebe von Tieren zu Menschen, dass ‚amor' hier als ein universelles Phänomen verstanden wurde. Die Geschichten erzählen auf anthropomorphisierende Weise von der Liebe der Tiere, die nicht Resultat ihres Triebes ist, sondern in der Regel durch die Schönheit des betreffenden menschlichen Wesens - meist Knaben, seltener Frauen - hervorgerufen wird.

Das Thema bot einen guten Übergang zum vierten Teil der Tagung mit dem Titel "Grenzüberschreitungen". Oliver Hellmann (Trier) untersuchte "Antike Berichte über "Symbiose", Kooperation und Interaktion zwischen Menschen und Wildtieren". Er stellte antike Texte vor, die von der Symbiose von Mensch und Tier als Form des Zusammenlebens ungleicher Organismen berichten. Auch diese Texte sind von einem starken Anthropozentrismus geprägt. Die Tiere agieren mit humanen Denk- und Verhaltensweisen. Die Animalisierung des Menschen gelingt nur teil- und zeitweise. Eine dauerhafte Symbiose von Mensch und Tier ist allein im Bereich der menschlichen Kultur möglich. Christian Tornau (Jena) analysierte in seinem Beitrag "Mens antiqua manet oder Wie es ist, eine Bärin zu sein" einige Episoden aus Ovids Metamorphosen. Im Vordergrund stand für ihn die Frage, wie der Dichter äußerlich-objektive (Körperlichkeit, Verhalten) und innerlich-subjektive (Selbstwahrnehmung, Wahrnehmung der Umwelt) Kriterien der Verwandlung eines Menschen in ein Tier miteinander interagieren lässt. Dabei wird das Durchbrechen der äußerlichen Grenze zur leidvollen inneren Erfahrung, denn der menschliche Geist und sein Bewusstsein bleibt auch im tierischen Körper erhalten.

Den Abschluss der Tagung bildeten vier Beiträge aus dem Bereich der Klassischen Archäologie. Emma Aston (Exeter) untersuchte in ihrem Vortrag zu "Hybrid Statues in Ancient Greece: Animal, Human, God" griechische Kultbilder, die tierische, menschliche und göttliche Elemente verbinden. Das Hybride ist im griechischen Kult allerdings nicht nur auf Bilder der Gottheit beschränkt, sondern findet sich auch im Umfeld wieder, so an Tempelgiebel, Thronen etc. Das Unbeständige in der Art der Darstellung wie in der Funktion gibt dem Hybriden eine dynamische Qualität. Mischwesen mit vornehmlich tierischem Körper und menschlichem Kopf stellte Lorenz Winkler-Hora?ek (Rostock) in seinem Beitrag "Menschenlöwe, Menschenvogel, Pferdemensch: Mischwesen im frühen Griechenland" vor und interpretierte sie in einem gesellschaftspolitischen Kontext. Mischwesen mit Tierkörper gehören einer Wildnis an, die als ‚Welt des Draußen' außerhalb der Polis und an den Rändern der Zivilisation gedacht wurde. In den Friesen der korinthischen Vasenmalerei sind sie jedoch gleichzeitig in eine Ordnung der Tiere integriert, die auf der Gegenüberstellung gewalttätiger und friedlicher Wesen beruht. Durch die Integration des Fremden in eine Ordnung wird das Unheimliche der Tierwelt und damit der "Welt des Draußen" gebannt. Dies geschieht vor dem Hintergrund des räumliche Ausgreifens der Griechen in fremde Regionen vom 8. bis frühen 6. Jh.v.Chr.

Susanne Moraw (Jena) verfolgte am Beispiel spätantiker mythologischer Bilder die fortschreitende Verweiblichung und Sexualisierung verführerischer Mischwesen wie der Sirenen und Skylla ("Die Schöne und das Biest: weibliche Mischwesen in der Spätantike"). Die Kombination des weiblichen Oberkörpers mit Vogelbeinen bzw. Fischleib und Hundeköpfen veranschaulicht die Ambivalenz dieser Gestalten zwischen Schönheit und intellektueller Potenz auf der einen und Gefährlichkeit und Amoralität auf der anderen Seite. Den Abschluss der Vorträge bildete Annetta Alexandridis (Rostock) Beitrag "Wenn Götter lieben, wenn Götter strafen: zur Ikonographie der Zoophilie im Mythos". Die negativ konnotierte, als Strafe der Götter behandelte Liebe der Pasiphae zu einem Stier ist kein Bildthema der griechischen Kultur. Dagegen werden Liebesabenteuer des Zeus, bei denen der Gott in Gestalt eines Tieres auftritt, häufig dargestellt. Hier ist ab dem 4. Jh. v. Chr. eine deutliche Sexualisierung der Szenen und Anthropomorphisierung des Tieres zu beobachten.

Die Tagung wurde mit einer umfassenden Abschlussdiskussion beendet. Diese war von den Veranstaltern bewusst nicht als strukturierte Zusammenfassung der Beiträge angeleitet worden. Stattdessen ging die Frage ins Publikum, in welchen Bereichen die Teilnehmer strukturelle Gemeinsamkeiten erkennen konnten und welche Aspekte Sie gerne vertieft hätten. Als auffallend wurde die Persistenz bestimmter Zuschreibungen vermerkt, die sich aus der Rezeptionsgeschichte antiker Texte erklären lässt. Auch wurde deutlich, wie wenig man von ‚der Antike' (ganz abgesehen von ‚dem Tier') sprechen kann und es wurde eine Differenzierung nach regionalen, zeitlichen und weiteren Zusammenhängen angemahnt. Auffällig war die mehr oder weniger unbewusste Konzentration der Vorträge auf Säugetiere. Andere Tierarten kamen in den vorgestellten Konzeptionen der Tierwelten kaum zur Sprache. Es wurde angeregt, die Diskussion fortzuführen und dabei auch weitere Bereiche einzubeziehen: das Tier als Körpermodell im medizinischen Kontext, die Geschichte der Erforschung des Tieres im wissenschafts-historischen Sinne sowie eine erweiterte Thematisierung der Grenze zu den Pflanzen einerseits und zu den Göttern andererseits.