Ernst Akiba Simon (1899-1988): Life, Work and Controversies between Germany and Israel

Ernst Akiba Simon (1899-1988): Life, Work and Controversies between Germany and Israel

Organisatoren
Selma Stern Zentrum für Jüdische Studien Berlin-Brandenburg; Leo Baeck Institute Jerusalem
Ort
Berlin
Land
Deutschland
Vom - Bis
20.08.2018 - 21.08.2018
Url der Konferenzwebsite
Von
Marco Kißling, Universität Braunschweig / Universität Potsdam; Doris Maja Krüger, Europa Universität Viadrina Frankfurt (Oder) / Freie Universität Berlin

Anlässlich des 30. Todestages des 1899 in Berlin geborenen und 1988 in Jerusalem verstorbenen Erziehungswissenschaftlers und jüdischen Intellektuellen Ernst Akiba Simon wurde eine erste internationale Konferenz veranstaltet, auf der die bisher eher (räumlich) getrennt voneinander und zudem über Jahrzehnte hinweg unternommenen Forschungen zum Leben und Werk Simons miteinander ins Gespräch gebracht werden sollten. Irene Aue-Ben-David und Marco Kißling, die gemeinsam die Konferenz organisierten, wollten hiermit zugleich dazu beitragen, auch die anderen Facetten des vornehmlich als Pädagogen wahrgenommenen Simons freizulegen. Dem Anliegen des „Brückenbauers“ folgend, wie Simon einmal von Martin Buber bezeichnet wurde, war es also das Ziel der Organisator/innen, die Themen, Fragestellungen und Kontroversen, die sich entlang des Lebens Simons entspannen, in Beziehung zueinander zu setzen. Aue-Ben-David und Kissling erhofften sich so, neue Perspektiven auf das Leben und Werk Simons zu eröffnen. Hierbei war es ihnen wie auch den Institutionen, in deren Namen sie einluden, wichtig, insbesondere Nachwuchswissenschaftler/innen die Gelegenheit zu geben, ihre Forschungsprojekte zu präsentieren und erste Ergebnisse zu diskutieren.

IRENE AUE-BEN-DAVID (Jerusalem) und RAINER KAMPLING (Berlin), die im Namen der beiden veranstaltenden Institutionen Leo Baeck Institute (LBI) Jerusalem und dem Selma Stern Zentrum für Jüdische Studien (ZJS) die Konferenz eröffneten, betonten zudem in ihren Grußworten, dass durch die Kontextualisierung und Re-Lektüre seiner Schriften Simon vergegenwärtigt und die Relevanz seines Werkes für die heutige Zeit aufgezeigt werden solle.

In dem sich daran anschließenden Vortrag gab MARCO KISSLING (Braunschweig / Potsdam) nicht nur eine Einführung in die unterschiedlichen Stationen der Biographie Simons, sondern verband diese auch mit den einzelnen Themen der Tagung. Dadurch zeigte er zum einen auf, warum Buber Simon zu Recht als „Brückenbauer“ bezeichnete. Zum anderen skizzierte er den Denkraum und das intellektuelle Netzwerk Simons und arbeitete so dessen Wirken als jüdischer Intellektueller heraus. Außerdem verwies Kißling auf die Relevanz der archivalischen Quellen für sein eigenes Dissertationsvorhaben, das er zum Leben und Werk Simons verfolgt: Sie dienen ihm als Korrektiv zu Simons autobiographischen Reflexionen.

Im zweiten, von CHRISTOPH KASTEN (Berlin) moderierten Panel „Ernst Simon and Franz Rosenzweig“ nahmen sich ENRICO LUCCA (Leipzig) und YNON WYGODA (Jerusalem) der frühen Rezeption Simons von Franz Rosenzweig an. Anhand einer Serie von Vorträgen aus den Jahren 1936, 1946 und 1954 in denen Simon explizit die Nachwirkungen Rosenzweigs auf das jüdische Denken seiner Zeit diskutierte, fokussierten sich Lucca und Wygoda dabei auf den Versuch Simons, entlang dieser Auseinandersetzung die Möglichkeit einer neuen jüdischen Philosophie des Jischuw zu erörtern.

Mit den Vorträgen von MIRIAM SZAMET (Jerusalem) und JAN WOPPOWA (Paderborn) wurde sich im dritten, von LUTZ FIEDLER (Berlin) moderierten Panel dem Thema „Ernst Simon as Educator“ gewidmet. Ausgehend von mehreren Fallstudien konzentrierte sich Szamet auf die Beziehung von Idee, Ideologie und Erziehung im Wirken Simons und die enge Beziehung zur Politik. Dabei wurde vor allem deutlich, dass Simon trotz der massiven Kritik seitens der zionistischen Führung zu einem der führenden Pädagogen des Landes werden und seinen Idealen treu bleiben konnte. Im zweiten Vortrag dieses Panels betrachtete Jan Woppowa Simons pädagogische Arbeit im Frankfurter Lehrhaus der 1920er-Jahre und sein Mitwirken am Aufbau der Mittelstelle für jüdische Erwachsenenbildung 1934 als prägende Erfahrungen für Simons theoretische Bildungsauffassung, in der vor allem Krisendenken und geistiger Widerstand zu zentralen Kategorien ausgebildet wurden.

Wiederum dem Gedanken des Brückenbauens folgend, luden die Organisator/innen zu einer öffentlichen Podiumsdiskussion in die W. Michael Blumenthal Akademie des Jüdischen Museums ein und beschlossen damit den ersten Tag der Tagung. Moderiert von ANJA SIEGEMUND (Berlin) diskutierte Jan Woppowa mit DORON KIESEL (Frankfurt am Main), INGRID WIEDENROTH-GABLER (Braunschweig) und ANNETT ABDEL-RAHMAN (Osnabrück) in Memoriam Ernst Akiba Simons über religiösen Humanismus und religiöse Erziehung. Hierbei erörterten die Diskutanten den Unterschied zwischen religiöser Bildung und religiöser Erziehung: Im Unterschied zu letzterer will erstere als Teil der allgemeinen Bildung dazu befähigen, einen eigenen Standpunkt zu Religionen einzunehmen. Zudem diskutierten die Teilnehmer/innen darüber, ob Religionskunde konfessionsgebunden oder interkonfessionell unterrichtet werde sollte. Abschließend stellte Wiedenroth-Gabler die von ihr entwickelten sieben religionspädagogischen Bausteine vor.

Der zweite Konferenztag galt dem Panel „History and Politics“ und wurde von DORIS MAJA KRÜGER (Frankfurt an der Oder / Berlin) moderiert. Zunächst stellte DANIEL LERMAN (Tel Aviv) die politische Biographie Simons anhand von dessen politischem Engagement in den 1930er- und 1940er-Jahren im Brith Schalom und in der Organisation Ichud dar. Indem er die sozialistischen Positionen Simons aus den hebräischen Quellen herausarbeitete, gelang es ihm, ein differenziertes Bild von Simons Rolle im Jischuw zu zeichnen, das sich aus den deutschsprachigen Quellen nur schwer nachvollziehen lässt. Mit den letzten beiden Vorträgen der Tagung wurde noch einmal zu den geschichtsphilosophischen und intellektuellen Positionen Simons zurückgekehrt.

PATRICK BAHNERS (Frankfurt am Main) widmete sich in seinem Vortrag ausführlich der Dissertation Simons, die dieser 1923 zum Thema von Ranke und Hegel bei Hermann Oncken in Heidelberg einreichte. Simon war darin zu einer weitreichenden Neuinterpretation der Beziehung von Hegel und Ranke gelangt, die sich von anderen Annahmen der Zeit unterschied. Bahners hob hevor, dass Simons Arbeit auch als Reaktion auf die ‚Krise des Historismus‘ zu lesen sei.

Abschließend sprach YEMIMA HADAD (Potsdam) über den Begriff der Demarkationslinie, der Kav HaTichum, der von Martin Buber als ein ethisch-politisches Prinzip entwickelt wurde. Hadad zufolge ist es Simon, der die bislang tiefgreifendste Auseinandersetzung mit diesem Prinzip geführt hat und dabei Bubers Prinzip gegen den kategorischen Imperativ Kants las.

In den abschließenden und die bisherigen Beiträge und Diskussionen resümierenden Bemerkungen formulierten Aue-Ben-David und Kißling den Wunsch, das begonnene Gespräch über Ernst Akiba Simon durch regelmäßige Treffen fortzusetzen. Zudem wurden erste Ideen für gemeinsame Publikations- und Editionsprojekte gesammelt.

Konferenzübersicht:

Panel I: Life and Work

Marco Kißling (Braunschweig / Potsdam): Berlin – Potsdam – Jerusalem: Building Bridges

Panel II: Ernst Simon and Franz Rosenzweig

Enrico Lucca (Leipzig) / Ynon Wygoda (Jerusalem): Ernst Simon and the Early Reception of Franz Rosenzweig

Panel III: Ernst Simon as Educator

Jan Woppowa (Paderborn): Jewish Adult Education as Spiritual Resistance

Miriam Szamet (Jerusalem): Ernst A. Simon at the Hebrew University

Podiumsdiskussion
Jan Woppowa (Paderborn) / Annett Abdel-Rahman (Osnabrück) / Ingrid Wiedenroth-Gabler (Braunschweig) / Doron Kiesel (Frankfurt am Main) / Anja Siegemund (Berlin): Religiöser Humanismus – Religiöse Erziehung. Im Andenken an den Pädagogen Ernst Akiba Simon

Panel IV: History and Politics

Daniel Lerman (Tel Aviv): A Political Biography of Ernst Simon

Patrick Bahners (Frankfurt am Main): „Ranke und Hegel“ and the Crisis of Historicism

Yemima Hadad (Potsdam): Kav Ha-Tichum – The Line of Demarcation: The Non-Categorical Imperative


Redaktion
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