Bereit zum Konflikt. Strategien und Medien der Konflikterzeugung und Konfliktbewältigung im europäischen Mittelalter

Bereit zum Konflikt. Strategien und Medien der Konflikterzeugung und Konfliktbewältigung im europäischen Mittelalter

Organisatoren
Mittelalterzentrum Greifswald; Dr. Oliver Auge, Hist. Institut; Dr. Felix Biermann, Ur- und Frühgeschichte; PD Dr.habil. Matthias Müller, Kunstgeschichte; Dirk Schultze, M.A., Anglistik
Ort
Greifswald
Land
Deutschland
Vom - Bis
28.04.2005 - 30.04.2005
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Von
Timo Sander, Greifswald

Die Tagung wurde durch die Fritz Thyssen Stiftung, Köln, und die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung gefördert. Der Sprecher des Mittelalterzentrums, PD Dr. Matthias Müller, hob in seiner Begrüßung das zehnjährige Bestehen, die Interdisziplinarität und die nationale wie internationale Bedeutung des Zentrums hervor.

In der Einführung zur Tagung verwies Dirk Schultze M.A. auf die Etymologie von Konflikt: confligere bedeute 'zusammenstoßen' oder '-schlagen', wobei neben der konkreten in der Moderne v.a. die übertragene Bedeutung auf Auseinandersetzungen jeglicher Art angewendet wird. So führte Dirk Schultze weiter aus, daß der Konflikt sowohl in der Geschichte als auch in der Gegenwart als Motor des Wandels diente. Er stellte mittelalterliche Konflikte heutigen Phänomenen wie dem Terrorismus gegenüber und wies darauf hin, daß sich bei der Beschäftigung mit (historischen) Konflikten häufig terminologische und konzeptuelle Probleme eröffnen, deren Klärung zu einem besseren Verständnis für Vergangenheit und Gegenwart beiträgt. Als letzten Wunsch an die Teilnehmer äußerte Schultze, daß man zu gemeinsamen Ergebnissen kommen und dabei - frei nach Sokrates - weder zu Rede- noch zu Menschenfeinden werden solle.

Den ersten Vortrag des Tages hielt Prof. Dr. Gerd Althoff (Münster); der Titel lautete "Hinterlist, Täuschung und Betrug bei der friedlichen Beilegung von Konflikten". Althoff erläuterte die Diskussion über die Verfassungsgeschichte in den 1980er Jahren. Er erwähnte in diesem Zusammenhang die ältere Position Otto Brunners, der das Mittelalter als Konfliktepoche der sich ständig legitimierenden Gewalt charakterisierte. Die Konfliktaustragung im Mittelalter sei durch Regeln zu einem kalkulierbaren Prozeß geworden, so Althoff; die Wiederherstellung der Ehre betroffener Personen war Ziel dieser Bemühungen. Der irrationalen Martialität sollte durch die Rationalität des Verfahrens beigekommen werden. Besonders wichtig seien in diesem Zusammenhang Vermittler gewesen. Zentraler Punkt für Althoff ist die Existenz und Geltung von Regeln bei der Konfliktbewältigung, wobei er weiterhin ausführte, daß der Bruch von Regeln keinesfalls auf deren Nichtexistenz hinweise. Althoff unterstützte seine These mit mehren Beispielen, in denen er die Rolle von Vermittlern bei der Konfliktlösung hervorhob. Insgesamt seien Regelverstöße unterschiedlich behandelt worden, Heimtücke sei in der Regel aber von den Zeitgenossen mißbilligt worden.

Der zweite Vortrag unter dem Titel "Die Rhetorik des verbalen Konflikts in der angelsächsischen Literatur" wurde von PD Dr. Gabriele Knappe (Bamberg) gehalten. Die Referentin stellte anhand von Beispielen das flyting vor, eine Form der heroischen Streitrede in der mittelalterlichen englischen Literatur. Nach Parks seien ihre Elemente Identifikation, Rückblick, Vorausblick, Evaluation und Vergleich. Hinzu komme eine oftmals auch thematische Verknüpfung der von den Opponenten geführten Reden; Wortwiederholungen aus der gegnerischen Rede treten neben Wortspiele sowie Beschimpfungen. Thema der Reden ganz allgemein sei die Vorstellung von Taten durch Worte, auch durch (leeres) Prahlen. Zu den Streitreden gehöre meist eine klare Einteilung von Gut und Böse. Die angesprochenen Konflikte seien meist kriegerischer Art, aber auch religiöse Kämpfe oder der Streit zwischen Schüler und Lehrer würden zum Thema. Die verbale Auseinandersetzung diene entweder dem Konfliktaustrag selbst oder greife ihm vor. Somit sei das flyting eine literarische Form der Konfliktlösung bzw. ein rein intellektuelles Kräftemessen.

Den nächsten Vortrag zum Thema "Dichtung als Waffengang. Bertran de Born und die Kunst des Konflikts" hielt Dr. Robert Fajen (Würzburg). Dante Alighieri warf in seiner Commedia Bertran vor, die Plantegenêts, also Richard Löwenherz und Heinrich II. gegeneinander aufgehetzt zu haben, weswegen er ihn mit abgetrenntem Kopf in der Hölle plazierte. Bertran war ein okzitanischer Adeliger vom Rang eines Grafen. Als Herr des Limousin und Burgherr von Autafort beteiligte er sich am Konflikt innerhalb der englischen Königsfamilie. Bertans Sirventesen (Kriegslieder) dienten als Propagandamittel in diversen Konflikten, doch, so Fajen, sei die Rhetorik meist blutiger als die Wirklichkeit gewesen. Auch habe Bertran nicht den Einfluß gehabt, den Dante ihm vorwarf. Bertran sei vielmehr ein Kämpfer der Sprache gewesen, seine Texte ein Lob auf den Krieg als Vater aller Dinge. Bertran habe nur im Krieg die Gleichheit der großen und kleinen Herren gesehen, die seiner Meinung nach aufrechterhalten werden mußte. Insgesamt war Bertran ein Mann, der die Macht der Worte erkannte und zu seinen Zwecken einsetzte.

Der vierte Vortrag behandelte "Juden und Mauren in den 'Cantigas' Alfons' des Weisen. Bilder eines unterschiedlichen Konflikts", den Prof. Dr. Peter Klein (Tübingen) hielt. Klein führte aus, daß Bilder Ausdruck von Konflikten seien, und Feindbilder Eigenbilder bedingten. Die Handschrift der Cantigas Alfons' des Weisen von Kastilien und Leon enthält 2500 Illuminationen. Alfons war sowohl Autor als auch Auftraggeber dieses Werks, das für seinen Hof hergestellt wurde. In den Cantigas werden Marienlegenden textlich und bildlich vorgestellt. Die Legenden sind in Liedform niedergeschrieben und mit Noten versehen. Sechs der ersten 30 Cantigas, so Klein, richteten sich gegen Juden, während nur eine gegen die Mauren gerichtet war. Im Laufe der Zeit änderte sich das Verhältnis. Juden wurden als Opfer, auch von Christen, dargestellt. Sobald sie sich jedoch an Maria wandten, so die Legenden, half die Gottesmutter sofort. Klein erklärte diese positivere Darstellung damit, daß an Alfons' Hof Juden wichtige Verwaltungsaufgaben inne hatten und auch ihre Steuerschuld exorbitant hoch war. Durch den Status der Juden als Geldverleiher kam es im 14. und 15. Jahrhundert zu Konflikten, in deren Folge die Juden des Landes verwiesen wurden, wenig später gefolgt von den sogenannten Mauren. Am Ende seines Vortrags wies Klein noch darauf hin, daß getaufte Juden nicht mit der stereotypischen Hakennase dargestellt wurden.

Im anschließenden Vortrag "Das wechselvolle Zusammenleben von Juden und Christen in den mittelalterlichen Städten Mitteleuropas aus archäologischer Perspektive" bezog sich Prof. Dr. Ole Harck (Kiel) besonders auf die Ereignisse während der großen Pestepidemie 1348-50. In zahlreichen Städten war es, auch auf Veranlassung von Kaiser Karl IV., zu Pogromen gekommen. Für den Nachweis des christlich-jüdischen Lebens vor dieser Zeit, seien besonders Friedhöfe und Synagogenreste relevant. Wirtschaftliche Beziehungen zwischen Juden und Christen seien besonders anhand von von christlichen Handwerkern angefertigten Kult- und Kunstobjekten nachzuweisen, so verwies er auf Beispiele von Leuchtern sowie auf Wandmalereien. Im Zuge der Pogrome von Synagogen entwendete Steine wie auch jüdische Grabsteine wurden zum Bau christlicher Gebäude benutzt, sie dienten u.a. als Trittsteine und Schießscharten. Anhand solcher Beispiele, so Harck, könne die Verfolgung gut nachgewiesen werden.

Den öffentlichen Abendvortrag unter dem Titel "Die scholastische quaestio und disputatio als Modus intellektueller Konfliktbewältigung" hielt Prof. Dr. Georg Wieland (Tübingen). An den Anfang stellte Wieland zwei klassische Konflikte: den Streit um die Prädestination und den Streit über das Abendmahl. In beiden Fällen kam man zu Ergebnissen, die unbefriedigend waren. Konzilien bestimmten am Ende über die "Wahrheit" der Aussagen. Die Scholastik, so Wieland, sei nicht Gattungsbegriff, sondern ein Typus der intellektuellen Auseinandersetzung gewesen. Die Wahrheit sollte mit der Methode der lectio/meditatio bzw. der quaestio/disputatio gefunden werden. Zu diesem Zweck entwickelte man die quaestio formata. Im 12. Jahrhundert verfaßte Gilbert von Poitiers eine Theorie der quaestio. Eine quaestio formata müsse, im Gegensatz zur quaestio informis, eine Bejahung und eine kontradiktorische Verneinung enthalten. Besondere Bedeutung kam dem Argument zu. Es sollte eine wirkliche Begründung, kein bloßer Augenschein sein, zweifelhaft, nicht offenkundig und entscheidbar. Wieland erklärte, man habe zwischen strikten Argumenten und bloßer Argumentation unterschieden. Erstere schufen securitas, letztere aber war durch Worte verfälscht. Die disputatio war nicht auflösbar, da es sich um interessengeleitete Diskurse handelte, die keine strikten Argumente enthalten konnten. Die Scholastik führte zum Konfliktaustrag nach dem Schema quaestio/disputatio. Den Widersprüchen versuchte man mit kritischer Exegese beizukommen. Wieland betonte, die Scholastik sei als Prozeß zur Vermeidung von Konflikten empirisch gescheitert, habe aber für ein qualitativ und auch quantitativ höheres Streitniveau gesorgt. Die Freiheit des einzelnen Magisters in der Lehre habe zu Streit zwischen den Magistern geführt, der Konflikt kam a tergo zurück. Wieland bemerkte abschließend, die Konkurrenz der Magister habe zu neuem Streit, aber auch zu neuer Vielfalt geführt.

"Landnahme - Herrschaftsbildung - Menschenhandel: Gewalt zwischen ethnischen und sozialen Gruppen in Ost- und Südosteuropa während des Frühmittelalters auf Grund archäologischer Quellen" war der Titel des Beitrags von Prof. Dr. Joachim Henning (Frankfurt a. M.). Er beschrieb das Frühmittelalter als eine Zeit des verbreiteten Menschenhandels. Anhand von Fesselfunden könne ein reger Handel von Menschen gegen Geld oder Luxusgüter wie Seide angenommen werden. Darauf deuteten neben den Fesseln besonders die zahlreichen Silberfunde mit arabischem Silber im Gebiet des karolingischen Reiches. Interessant in Hinsicht auf den Untersuchungsraum sei die etymologische Identität von sclavi (Sklaven) mit der Bezeichnung der Slawen. Henning zeigte Befunde aus Burgen Großmährens und Bulgariens, die Spuren von Kämpfen aufwiesen und in denen die typischen Fesseln gefunden wurden. Er betonte, daß Sklavenhandel etwa in Gallien und Germanien in der Spätantike ebenfalls ein wichtiger Wirtschaftsfaktor war. Insgesamt sprach sich Henning gegen die Vorstellung von einer vornehmlich friedlichen Koexistenz der Völker im europäischen Frühmittelalter aus, sondern betonte, daß man die Nachbarn vielfach als Handelsware betrachtet habe.

Prof. Dr. Johan Callmer (Berlin) unterschied in seinem Vortrag "Integrations- und Differenzierungsprozesse von Warägern und Slawen bei der Gründung und frühen Entwicklung der Kiewer Rus'" zwischen positiven und negativen Formen der Interaktion von Gruppen. Er legte ein Schema vor, in dem er sozial integrierte Kontakte, die sämtliche friedlichen Beziehungen beinhalteten, von sozial nicht integrierten Kontakten - Handlungen bis hin zum Genozid - trennte. Die Entwicklung in der Rus' teilte Callmer in vier Phasen ein. Die erste Phase dauerte etwa von 500 bis 700 und umfaßte den Siedlungsaufbau der Waräger. In einer zweiten Phase ließ sich anhand von Münzen Handel mit Arabien nachweisen. Die Herrschaftsstruktur war in dieser Zeit nicht eindeutig festzustellen. Ab Mitte des 9. Jahrhunderts ließ sich ein Zentrum am Volchowfluß nicht mehr nachweisen, dafür bildete sich ein neues in der Nähe des heutigen Novgorod. Die dritte Phase von 860 bis 880 bedeutete einen Umbruch. Teile der Elite wurden eliminiert; insgesamt fand eine Brutalisierung der Verhältnisse statt. In der vierten und letzten Phase von 880 bis 950 bildete sich schließlich eine neue Gesellschaft aus, die von den Slawen bestimmt wurde.

Mit einem ähnlichen Thema, der "Konfrontation und Assimilation bei der deutschen Ostsiedlung des Hoch- und Spätmittelalters" beschäftigte sich Dr. Felix Biermann (Greifswald). Anhand der Slawenchronik Helmolds von Bosau sowie archäologischer Befunde beschrieb Biermann das deutsch-slawische Verhältnis. Die Deutschen, die aufgrund ihrer technischen Kenntnisse und der dünnen Besiedlung angeworben wurden, hatten häufig mit Widerständen zu rechnen. Die Verdrängung der Slawen in andere Gebiete und auch ihre technische Unterlegenheit im Bereich des Ackerbaus, führten zu dieser Fremdenfeindlichkeit. Hinzu kamen religiöse Konflikte, da etliche Slawen weiterhin ihrem alten Glauben anhingen und die Neusiedler Christen waren. Durch gesenkte Abgabenlast hatten die Deutschen auch hier Vorteile, die natürlich ebenfalls Mißgunst erzeugten. Biermann führte sowohl Beispiele für deutsche Dorfformen als auch für slawische Siedlungen (Hufendorf) vor. Allerdings waren diese streng geplanten Dörfer, wie die Wüstung Miltendorf bei Reetz, nie voll aufgesiedelt worden. Diese Tatsache bedeutet, daß die Besiedlung nicht so stark war wie geplant. Trotz der zunehmenden Verbindungen blieb das Verhältnis gespannt. So enthielten viele Zunftordnungen den "Wendenparagraphen", mit dem Slawen ausgeschlossen wurden. Der Konflikt war also auch im Spätmittelalter nicht vorbei.

Auf einem anderen Feld bewegte sich Dr. Oliver Auge (Greifswald) mit seinem Beitrag "Identifikation durch Konflikt. Das Beispiel der pommerschen Greifendynastie". Am Beispiel des ersten Königs der Kalmarer Union Erichs von Pommern stellte Auge dar, wie eine solche Identifikation mit dem eigenen Geschlecht ablief. Erich war fern von Pommern aufgewachsen und machte als König eine explizit nationaldänische Politik. Da er mit Philippa von England keine Nachkommen hatte, sah er einen Greifen, Bogislaw IX. als seinen Nachfolger vor. Falls dieser sterbe, solle ein anderer aus dem Geschlecht der Greifen - diese Bezeichnung begegnet hier erstmalig - die Nachfolge antreten. Dieses dynastische Verständnis war damals selten, die Linien des Greifenhauses waren eher zerstritten. Im Konflikt mit Polen wie Brandenburg um die Oberhoheit über Pommern, den Barnim III. von Pommern-Stettin im 14. Jahrhundert auszufechten hatte, habe die Historiographie Nachweise geliefert, daß den Pommernherzögen ein Vorrang vor den polnischen Königen einzuräumen sei und dass eine unverbrüchliche Verbindung zwischen Land und Dynastie von Pommern bestehe. In einer Stiftung zugunsten Bambergs habe Barnim zudem auf die Auserwähltheit der gesamten Familie der Greifen verwiesen. Dieser Identifikation mit der gesamten Greifenfamilie sei andererseits fallweise, etwa im Erbfolgekrieg um Rügen, eine Politik gegenübergestanden, in der Barnim nur seine eigenen Interessen und nicht die der Gesamtfamilie im Blick hatte. Ab 1464 stritten sich die Greifen im sog. Stettiner Erbfolgestreit erneut mit Brandenburg um die Oberhoheit über Pommern, diesmal über Pommern-Stettin, dessen Greifenlinie ausgestorben war. Die Wolgaster Teillinie hob nun vehement auf die gemeinsamen Ursprünge aller Greifen ab und zog für ihre Beweisführung - erstmalig in dieser Dichte und Stringenz - juristische, heraldische und genealogische Argumente heran. Auge zog das Fazit, daß die für Pommern immer wiederkehrende Konfliktsituation mit Brandenburg und Polen um die Oberhoheit die Herausbildung eines Dynastiebewußtseins hervorragend befördert habe. Die Identifikation mit der Gesamtfamilie sei freilich nur eine fallweise gewesen, die je nach Lage der Dinge durch eine von den Familieninteressen völlig losgelöste Politik ersetzt werden konnte.

Warum "Friedrich Barbarossa und Friedrich II. im Konflikt mit dem lombardischen Städtebund" waren, erläuterte Prof. Dr. Knut Görich (München). Anlaß des Konflikts war die Eroberung der Städte Como und Lodi durch die Mailänder. Zur Satisfaktion dieser Handlung bot Mailand Kaiser Friedrich I. Geld, dieser sprach jedoch den Bann über Mailand. 1154/55 zahlte Mailand 4000 Mark Silber, die Absprache, in der dies als Sühneleistung akzeptiert wurde, hielt Friedrich indes nicht ein bzw. erachtete er diese Leistung als nichtig. Der Konflikt weitete sich durch weitere Vorkommnisse aus; so wurde die Ehre des Kaisers in doppelter Weise verletzt, als ihn ein Mailänder Konsul in verwüstetes Land ohne Verpflegungsmöglichkeiten für sein Heer führte und auch die Wiedergutmachung die Herrschaftsansprüche des Kaisers verletzte. In einem anderen Fall schickte der Kaiser an Mailand einen Brief, in dem er Lodi Marktrechte gewährte. Man zerstörte den Brief öffentlich. Der abgelehnte Machtanspruch, die Verletzung des honor imperii führten zum Krieg und schließlich zur Zerstörung Mailands. Auch zwischen Friedrich II. und Mailand kam es zum Streit, so um den Durchgang über die Alpen. Da Mailand im anschließenden Prozeß ein kaiserliches Gericht ablehnte, traf es der Bann. Mailand fürchtete den Kaiser, da es in ihm keinen neutralen Richter, sondern den Unterstützer Cremonas und Pavias sah. Insgesamt war der Konflikt deshalb entstanden und nur schwer auflösbar, da sich die Kaiser als Hüter des Reiches sahen, während Mailand Unabhängigkeit erstrebte, um Macht und Reichtum zu sichern.

"Walther von der Vogelweide als Polemiker" stellte Prof. Dr. Ernst Hellgardt (München) vor. Dabei ging er besonders auf den Wettstreit zwischen Walther und Reinmar ein. Die beiden Minnesänger versuchten über ihre Lieder die wahre, reine Liebe darzustellen. Walther kritisierte in seinen Versen Reinmars "plumpe" Versuche, die Liebe zu besingen. Walther warf Reinmar in seinem Schachlied sogar eine Verunglimpfung des Osterfestes vor. Hellgardt unterstrich die überlegene Dichtkunst Walthers und hob die Feinheiten des Ausdrucks und der Sprache hervor. Dabei betonte er, alle Polemik solle problemlösend sein. In diesem Zusammenhang sei auch die politische Zeitkritik Walthers zu verstehen. Die im "Spießbratenspruch" geäußerte Kritik sei eine maßvolle Warnung an Philipp, welche ihn zur Milde anhalten und seinen Sturz verhindern sollte. Auch in der "Schneiderstrophe", einer beißenden Polemik über Otto IV., ginge es zuerst darum, das Verhalten des Kaisers zu verändern. Allerdings betonte Walther selbst, er würde "schelten, bis der Atem stinkt". Dieses Eingeständnis hinderte ihn allerdings nicht, in den "Opferstockstrophen" Papst Innozenz III. ein falsches Zitat unterzuschieben. Hellgardt zog den Schluß, Walther sei ein glänzender Sprachkünstler gewesen, der Konflikte mit seiner Kunst zu lösen versuchte.

Eine andere Facette des Schaffens Walthers erläuterte Prof. Dr. Wolfgang Haubrichs (Saarbrücken) in seinem Vortrag "Sakrale Muster und Konfliktstrategien: Walthers Streit mit den Erzengeln (Lachmann 78,24 ff.)". Haubrichs verwies darauf, daß die "Erzengelschelte" in der Forschung kaum einen Kommentar, geschweige denn eine Deutung erfahren habe. Eine Einordnung in den mittelalterlichen Kontext ermögliche es, diesen Text ins Gesamtwerk Walthers einordnen zu können. Das Lied beginne wie ein Gotteslob. Ganz im Sinne der hierarchia caelestis lobe Walther zuerst Gott, dann die Jungfrau Maria. Den Erzengeln aber verweigere er die Lobpreisung, statt dessen warf er ihnen Untätigkeit vor. Haubrichs zog vergleichend verschiedene zeitgenössische Berichte über die Heiligenschelte heran. Er kam dabei zu dem Schluß, daß im Mittelalter Heilige des öfteren nicht verehrt, sondern ihre Abbilder erniedrigt wurden, wenn sie bestimmte Pflichten nicht erfüllten. So entwendeten beispielsweise Frauen einer Figur der Gottesmutter das Jesuskind, um so die Rückkehr ihrer verschwundenen Kinder zu erzwingen. Die Vorstellung, die Anbetung der Heiligen würde diese zu bestimmten Diensten verpflichten, war also sehr verbreitet. Kamen die Heiligen diesen Pflichten nicht nach, wurden ihre Bilder dem Wetter ausgesetzt, mit Dornen umwickelt, geschlagen sowie Kirchen gesperrt. Diese insbesondere unter Laien verbreitete Vorstellung wurde vom Klerus zunehmend kritisiert und als häretisch angesehen. Walthers Kritik der Erzengel, so Haubrichs, verweigerte diesen das Lob, weil sie als milites dei beim Zustandekommen eines Kreuzzuges nicht geholfen hatten. Er sah darin eine mögliche Entschuldigung Friedrichs II., räumte aber ein, daß das Motiv Walthers nicht rekonstruiert werden könne.

Der folgende Vortrag von Dr. Thomas Hensel (Köln) befaßte sich mit einem kunstgeschichtlichen Thema: "Idolatrie als Ikonoklasmus. Ein ikonischer Palimpsest Michael Ostendorfers als Modell reformatorischer Konflikterzeugung und Konfliktbewältigung". Hensel stellte am Beispiel eines Holzschnitts Michael Ostendorfers eine Form des Bildersturms zu Beginn der Konfessionalisierung dar. Durch die Benutzung zweier Bedeutungsebenen wurde ein Bilderstreit geführt, der subtiler, konstruktiver und wirksamer als pure Gewaltakte gewesen sei. Hensel sprach von einem neuen, kunstgeschichtlichen, Palimpsestkonzept, "bei dem zwei Bedeutungsebenen miteinander korrespondieren". Diese Art des Konflikts bzw. der Konfliktbewältigung war auch der anfänglichen Schwäche der reformatorischen Bewegung geschuldet. Im vorgestellten Holzschnitt von 1521 wird vordergründig die Wallfahrt zur "Schönen Maria" von Regensburg gezeigt. Beim Abriß der Synagoge nach einem Pogrom war ein Arbeiter abgestürzt und hatte überlebt, wodurch eine große Wallfahrtsbewegung ausgelöst wurde. Anhand von Beispielen wie der Abbildung eines liegenden jungen Mannes im Vordergrund des Schnittes, der offensichtlich von den ekstatischen Vorkommnissen um ihn herum unberührt ist und die Hensel als Selbstbildnis Ostendorfers identifizierte, werde die zweite Deutungsebene der Darstellung deutlich. Durch Bildvergleiche erläuterte Hensel den Holzschnitt mit Bezug auf die dargestellte Mariensäule, die starke ikonographische Ähnlichkeit mit Götzensäulen aufwies. Er setzte die Marienstatue mit einer unter der Säule sitzenden Mutter mit Kind in Beziehung, wobei die Mutter das neue Verständnis der Lutheraner zur Gottesmutter darstelle. Die Entlarvung der Heiligenverehrung als Götzendienst diene der Stärkung der neuen Konfession.

Einem wissenschaftsgeschichtlichem Thema widmete sich Prof. Dr. Hans-Henning Kortüm (Regensburg) mit seinem Vortrag "Zwischen Mythos und Realität. Otto Brunner und die Konstruktion der Fehde". Otto Brunner (1898-1982) hatte 1931 in seinem Buch Land und Herrschaft die Fehde als Konfliktform definiert, in der Gewalt gesellschaftlich akzeptiert wird. Kortüm erläuterte den Lebenslauf Brunners und stellte seine Verbindungen in der Nachkriegszeit dar. Besonders seine politische Einstellung als konservativer großdeutscher Österreicher habe zu der Bekanntschaft mit Carl Schmitt geführt, der ihn nachhaltig beeinflußt habe. Auch bei den Geschichtlichen Grundbegriffen, deren Mitherausgeber Brunner war, sowie bei der Verfassungsgeschichte Hubers sei ein Einfluß Schmitts zu spüren. Kortüm erklärte, Brunners Ansatz einer Begriffsgeschichte sei innovativ gewesen, er habe aber die geforderte begriffliche Klarheit nicht durchgehalten. Den Fehde-Begriff bezeichnete Kortüm als einen der Lieblingsbegriffe in der mediävistischen Diskussion. Er plädierte für eine Ersetzung der Fehde durch den Begriff Privatkrieg, um die zweifelhafte Rechtmäßigkeit dieser Streitigkeiten zu verdeutlichen. Vor allem Justus Möser habe den Fehde-Begriff geprägt. Am Ende betonte Kortüm, auf der Basis derartiger Traditionen entständen glaubwürdige Imaginationen, die hinterfragt werden müßten.

Der öffentliche Abendvortrag am Freitag zum Thema "Friedliche Prähistorie? Archäologische Spuren zur Rolle von Gewalt in ur- und frühgeschichtlichen Gesellschaften" wurde von PD Dr. Thomas Terberger (Greifswald) gehalten. Terberger bezeichnete Krieg als Kampf um Ressourcen. Die Archäologie sei für die Zeit bis zum Frühmittelalter in Europa aufgrund des Fehlens schriftlicher Zeugnisse die einzige Möglichkeit des Nachweises von Konflikten. Anhand von Waffenfunden könne man zumindest die Möglichkeit bewaffneter Konflikte annehmen. Die Waffen seien Ausdruck der Kunstfertigkeit und Ressourcenkontrolle der jeweiligen Gruppen gewesen. Mit der Bronzezeit steigerte sich die Vielfalt und Effizienz der Waffen, die aufgrund ihres Wertes aber auch Grabbeigaben und Opfer für Götter gewesen seien. Berühmte Einzelfälle und Werbeträger wie "Ötzi", aber auch der "Tollundmann" ließen keine großen Aufschlüsse über Art und Anzahl bewaffneter Konflikte im Neolithikum zu. Besonders anhand von Schädelfunden könnten Konflikte gut nachgewiesen werden, da der Schädel ein leicht zu treffendes und gleichzeitig entscheidendes Ziel sei. 1908 wurden in der großen Ofnethöhle Nester mit bestatteten Schädeln gefunden. Von 34 Schädeln hatten acht Schäden, die durch Gewalt verursacht wurden. Hierbei habe es sich wahrscheinlich um einen mesolithischen Raubmord gehandelt. Abschließend bemerkte Terberger, das Ausmaß und die Anzahl von gewalttätigen Konflikten im Neolithikum entsprächen in etwa der Zahl dieser Konflikte im Frühmittelalter.

Den ersten Vortrag des letzten Tages der Tagung mit dem Titel "Kontakt und Konflikt. Herausforderungen der Diplomatie im Spätmittelalter" hielt Prof. Dr. Martin Kintzinger (Münster). Er unterschied zwischen Konflikt- und Gewaltbereitschaft. Der Begriff Konfliktbereitschaft sei zwar äußerlich ein Neologismus, inhaltlich aber bereits bekannt. Für diesen Begriff setzte sich Kintzinger in seinem Vortrag ein, da es die Grundhaltung einer jeden diplomatischen Auseinandersetzung sei. Ohne diese Bereitschaft könne man keine Verhandlungen führen. Am Anfang stehe eine latente Konkurrenz zwischen zwei Parteien. Diese könne einen Konflikt auslösen, der im äußersten Fall zum Krieg führe. Zwischen Kontakt und Konflikt der Parteien sei daher der Spielraum der Diplomatie angesiedelt, die anhand etablierter Regeln für einen geordneten Ablauf der diplomatischen Gespräche sorgen sollte. Dazu gehörte beispielsweise der Schutz der Person des Gesandten. Kintzinger wies daraufhin, daß dieser keinesfalls immer gewährleistet gewesen sei. Auf dem Teppich von Bayeux sei zu sehen, wie ein Gesandter Haralds gefangengenommen wird, um der Gegenseite Verhandlungen aufzuzwingen. Die Immunität der Gesandten wurde auch sonst nicht unbedingt eingehalten, sie galt z. B. für heidnische Emissäre nur eingeschränkt. Auch die Tätigkeit der Gesandten als Spione, Provokateure oder sogar Saboteure führten zu Maßnahmen gegen sie.

"Das hussitische Militärwesen" beschrieb Dr. Tomas Durdik (Prag). Die Stärke der katholischen Kirche und die Macht der Fürsten hatten Hus viele Anhänger in den Städten und bei der Landbevölkerung zugeführt. Die Führer der hussitischen Heere stammten vor allem aus dem Landadel und hatten zumeist militärische Erfahrung. Durdik führte aus, die Hussiten hätten aufgrund der Tatsache, daß sie zumeist als Infanteristen (lediglich Offiziere waren beritten) gegen Ritterheere kämpften, neue Taktiken entwickeln müssen, aber auch das "ritterliche" Kampfverhalten bzw. Moralvorstellungen wurde von ihnen nicht eingehalten. So kämpften auch Frauen und Kinder auf ihrer Seite, während bei den Ritterheeren nur rund 20Prozent der Truppen gekämpft hätten. Gegen die Reiterattacken bauten die Hussiten Wagenburgen. Diese hielten dem Anprall der Pferde so gut stand, daß die zunächst unerfahrenen hussitischen Soldaten zahlreiche Gefechte für sich entscheiden konnten. Diese Soldaten benutzten häufig auch landwirtschaftliche Geräte wie Dreschflegel und Sensen in den Kämpfen. Die größte Innovation aber, so Durdik, war der massive Einsatz von Artillerie und Handfeuerwaffen sowie von Schrotmunition. Eine weitere Modernität stellte die Heeresverfassung der Hussiten dar. So wurde ein permanentes Volksheer mit gewählten Offizieren geschaffen. Die Taktik dieses Heeres war es, den Gegner mit kurzen, schnellen Schlägen zu bekämpfen. Der Einsatz der Artillerie sei bis 1420 defensiver Natur gewesen, erst danach sei sie auch im Angriff eingesetzt worden. Als Beispiel für den Festungsbau der Hussiten führte Durdik die Batterietürme von Tabor an, deren Mauerstärke bis zu sieben Metern maß. Die Fortschritte in der Fortifikation, die Erfahrung mit Artillerie und Handfeuerwaffen führten zu einem regelrechten Boom von tschechischen Militärfachleuten, die sich in den europäischen Staaten verteilten. In zahlreiche europäischen Sprachen seien daher tschechische Wörter übernommen worden, im Deutschen z. B. Pistole und Haubitze. Schließlich, so Durdik, führten diese Kriege zur Ablösung des mittelalterlich-ritterlichen Militärwesens zu Gunsten von Landsknechtsheeren.

Den neunzehnten und letzten Vortrag der Tagung "Bilder als Waffen nach der Schlacht: Die Degradierung Kurfürst Johann Friedrichs von Sachsen und die Fortsetzung des Schmalkaldischen Krieges in der katholischen und protestantischen Bildpropaganda" stellte PD Dr. Matthias Müller (Greifswald) vor. Er führte aus, in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts habe es erstmals vielfältige und massive Propaganda gegeben. Eine der Hauptgestalten, sowohl der protestantischen als auch der katholischen Propaganda, war der Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen. Der letzte Kurfürst der ernestinischen Linie war nach der Niederlage in der Schlacht bei Mühlberg 1547 als Oberhaupt des Schmalkadischen Bundes als Kurfürst abgesetzt worden. Er erlitt in der Schlacht eine Gesichtswunde, die in Darstellungen charakteristisch wurde. Auf Seiten der Protestanten sah man in ihm ein Beispiel für die Imitation des Leidens Christi bzw. einen lutherischen St. Georg. In einem Holzschnitt Lukas Cranachs ist Johann Friedrich Zeuge der Taufe Christi. Er wurde, so Müller, auch mit David verglichen. Herzog Moritz von Sachsen, der auf Seiten des Kaisers kämpfte und die sächsische Kurwürde erhielt, wurde zum Judas stilisiert, wehrte sich aber damit, daß er sich vom Saulus zum Paulus entwickelte, in dem er die Reformation förderte. Neben den Schnitten wurden auch Medaillen zur Propaganda eingesetzt. In einem Beispiel wurde die Gefangennahme Johann Friedrichs mit der Gefangennahme Christi verglichen. Die Gegenseite zeigte Kaiser Karl V. als Cäsar und Zeus. Johann Friedrich wurde auf anderen Bildnissen als Märtyrer, ja als Christus selbst gezeigt; aber auch die Gegner zollten ihm Respekt. Ein Gemälde Tizians drückt Ehrfurcht vor und Mitleid mit Johann Friedrich aus; die Niederlage des Kurfürsten wird durch ein gesenktes Schwert symbolisiert. Nach seinem Tod wurden Friedrichs Totenmaske und sein Harnisch wie Reliquien präsentiert. Diese letzte Ehrung zeigte den Erfolg der protestantischen Propaganda, die Person Johann Friedrichs zum Helden der Reformation zu stilisieren.

An die Vorträge schlossen sich jeweils ausführliche und weiterbringende Diskussionen an, die das Bild einer vollauf gelungenen Tagung abrundeten. Unter der Herausgeberschaft der unmittelbaren Tagungsorganisation, die bei Oliver Auge, Felix Biermann, Matthias Müller sowie Dirk Schultze (alle Greifswald) lag, werden die Beiträge der Tagung in einem Sammelband im Jahr 2006 veröffentlicht werden.


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