Visual Culture Revisited. German and American Perspectives on Visual Culture(s)

Visual Culture Revisited. German and American Perspectives on Visual Culture(s)

Organisatoren
Ralf Adelmann/ Media Studies, University of Paderborn; Andreas Fahr/ Communication Studies, University of Munich; Ines Katenhusen/ European Studies, University of Hannover; Dimitri Liebsch/ Philosophy, University of Bochum; Nicole Leonhardt/ Theater Studies, University of Mainz; Stefanie Schneider/ American Studies, University of Bochum
Ort
Berlin
Land
Deutschland
Vom - Bis
14.04.2005 - 17.04.2005
Url der Konferenzwebsite
Von
Petra Henninger (Berlin)

Die Tagung "Visual Culture Revisited. German and American Perspectives on Visual Culture" geht auf die Initiative eines interdisziplinären Netzwerks junger deutscher, polnischer und amerikanischer Kulturwissenenschaftlerinnen und -wissenschaftler zurück, die sich aus verschiedenen fachlichen und methodischen Perspektiven mit dem Thema "Visuelle Kultur" auseinandersetzen. Ausgangspunkt dieses Netzwerks war das Fulbright Summer Institute zum Thema Visual Culture and History in America in Amherst im Juni 2003.

Aufgrund der Vorarbeiten dieses Netzwerks waren für die aktuelle Tagung folgende Fragestellungen leitend: Worin liegt das Spezifikum visueller Kultur? Kann man überhaupt von der einen visuellen Kultur sprechen und unter ihr die einschlägigen Medien vom Holzschnitt bis zum digitalen Bild subsumieren? Ist visuelle Kultur mehr als die Summe dieser Medien, bzw. welche Folgen resultieren aus ihrem jeweiligen status quo für das kollektive Gedächtnis oder Fragen der sozialer Interaktion? Welche Gemeinsamkeiten und welche Unterschiede lassen sich zwischen den visuellen Medien feststellen, und welche Auswirkung hat dies für ihre Analyse? Wie kann man sich empirisch dem Begriff "Visuelle Kultur" nähern? Und: Inwiefern beziehen sich visuelle Medien aufeinander?

Diese vielschichtigen Fragestellungen an den Gegenstand und die Disziplin "Visuelle Kultur" wurden in fünf Panels thematisch gebündelt.

Im ersten Panel "Production of Knowledge in Visual Culture" führte Lisa Parks (Santa Barbara) mit einer Fülle von Bildbeispielen in den neuen Visualisierungstyp der Satellitenbilder ein. In ihrem Vortrag "Planet Patrol: Satellite Images, Acts of Knowledge, and Global Security" erläuterte sie - von einer kurzen Darstellung der Geschichte der Satellitenbilder ausgehend - anhand der Präsentation von Satellitenbildern durch den damaligen US-amerikanischen Außenminister Colin Powell vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die Verfahren der Interpretation und Wissensproduktion. Die damals zur Konstruktion von Kriegsgründen verwendeten Bilder zeigen erst einmal nur neutrale Oberflächenstrukturen. Nur durch Interpretation und Aufladung z.B. mit angeblichen Geheimdienstinformationen wird aus hellen und dunklen Flecken ein Giftgaslager, ein mobiles Labor oder eine Abschussrampe. Die Satellitenbilder werden beschriftet und mit Kreisen versehen und damit in einer bestimmten Richtung "lesbar" gemacht. An diese Bildbearbeitungen und Wissensproduktion schloss der zweite Vortrag von Ralf Adelmann (Paderborn) mit dem Titel "Digital Visualizations and the Production of Knowledge in Film and Television" unmittelbar an. Anhand von digitalen Animationen in Nachrichtensendungen des Fernsehens mit aktuellen Beispielen wie der Berichterstattung über die Trauerfeierlichkeiten für Johannes Paul II. analysierte er die Verfahren und Modi der Wissensproduktion als Elemente visueller Kultur. In Anlehnung an die Foucaultsche Diskursanalyse forderte er eine Viskursanalyse, um das Verhältnis von Wissen und Macht in der visuellen Kultur zu klären. Auf die Ebene philosophischer Reflektion über die Terminologie und Methodologie der akademischen Auseinandersetzungen mit dem Bild begab sich auch der dritte Vortrag von Dimitri Liebsch (Bochum). Insbesondere an den Begriffen "pictorial turn" und "visual culture" thematisierte er die Heterogenität und die Defizite dieser Konzepte, um das Bilderuniversum zu erfassen. Verblüffend war beispielsweise der historische Beleg, dass der Filmtheoretiker Bela Balasz schon in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts von "visueller Kultur" sprach und dass in der Film und Fernsehwissenschaft mit dem Neoformalismus und der Adaption bestimmter französischer Autoren von Lacan bis Barthes bereits eine lange Tradition unterschiedlicher Auseinandersetzungen mit Audiovisionen existiert. Jessica Buben (Chicago) beschloss das erste Panel mit ihrem Vortrag "E=mc2: Image Equivalency and Pop-Metaphysics". Mit Bildmaterial aus den sechziger Jahre-Sitcoms "I Dream of Jeannie" und "Bewitched" erläutert sie die visuellen Strategien der Populärkultur für die reale und metaphysische Bedrohung durch einen nuklearen Krieg während der heißen Phase des Kalten Krieges äquivalente Bilder zu finden.

Das zweite Panel "The Politics of Pictures" widmete sich "stillgestellten" Bildern in Zeitungen und Zeitschriften: Karikaturen und Fotografien. Janusz Kazmierczak (Posen) untersuchte in seinem Vortrag "The Politics of the Visual in the American Alternative Press of the 1960s", wie sich der politische Aufbruch der sechziger Jahre mit den neuen Möglichkeiten des Offset-Drucks verband. Anhand von Gestaltungsbeispielen alternativer Zeitungen wurde der Zusammenhang zwischen politischer und gesellschaftlicher Veränderung und der Erprobung neuer Layoutformen deutlich, die später zum Teil vom etablierten Zeitungsmarkt übernommen wurden. Ähnliche Parallelitäten von Politik und visuellem Ausdruck fand Stefanie Schneider (Bochum) in ihrem Vortrag "Stop them damned pictures! - Political Cartoons, Visual Culture and the Construction of Anglo-American Relations." Anhand von Karikaturen lassen sich die dramatischen Veränderungen im britisch-amerikanischen Verhältnis in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nachweisen. Ausgehend von einer eher feindlichen Grundhaltung gegenüber der jeweils anderen Nation transformierte sich die Politik und ihre symbolische Darstellung zu einer speziellen Partnerschaft, die wir bis heute zwischen beiden Staaten vorfinden. Einen komparatistischen Anspruch hatte auch der Vortrag von Andreas Fahr (München) mit dem Titel "Expressing the Inexpressible: US and German Coverage of the School Shootings in Littleton und Erfurt". Die Ergebnisse einer Inhaltsanalyse von Publikationen zu den Amokläufen in den Schulen von Littleton und Erfurt zeigten eine Reihe von Unterschieden und Gemeinsamkeiten in der publizistischen Wahrnehmung dieser für beide Gesellschaften einschneidenden Ereignisse der letzten Jahre. Die Analyse der jeweils genannten Begründungen und der geforderten Konsequenzen offenbarte die Vorannahmen und Konzepte, welche die deutsche und US-amerikanische Öffentlichkeit von der jeweils anderen Gesellschaft hat. Den ersten Konferenztag beendete Elke Grittmann (Hamburg) mit ihrem Vortrag "Icons of War. How They Are Shaped by Journalistic und Cultural Influences". Im Mittelpunkt ihrer Überlegungen steht die Frage, wie Kriegsfotografien einen ikonischen Status erhalten. In ihrer Antwort auf diese Frage verweist Grittmann auf Auswahlverfahren im journalistischen Prozess der Bildberichterstattung und auf kulturelle Faktoren wie beispielsweise die christliche Ikonographie.

Unter dem Titel "The Worse Sincerity: The Intertextual Melodramatics of the Post 9/11 Western" eröffnete der Vortrag von Walter Metz (Bozeman) den zweiten Konferenztag und das dritte Panel ("Imaginary Discouses - Discourses of the Image"). Mit zwei Western aus dem Jahre 2003, "Open Range" von Kevin Kostner und "The Missing" von Ron Howard, belegt Metz seine These von der Wiederherstellung klassischer Westernnarrationen nach dem 11. September 2001. Parallel zur Rhetorik ultrakonservativer Kreise wird in beiden Filmen der klassische Westerntopos der "regeneration through violence" wieder aufgenommen und dadurch die ironischen postmodernen Entwicklungen im Western der achtziger und neunziger Jahre zurückgenommen. Die Fotografin und Kunsthistorikerin Bettina Lockemann (Köln) nahm in ihrer Arbeit "Code Orange" ebenfalls Bezug zur politischen Lage nach dem 11. September. In ihrem Vortrag zu "Constructing the World. Documentary Photography in Artistic Use" präsentierte sie Überlegungen zum konstruktiven Charakter von dokumentarischen Fotografien, die sie in ihrer eigenen Arbeit "Code Orange" exemplifizierte, die während dieser nationalen Alarmstufe in Washington und New York gemachte Aufnahmen umfasst. Die mit dem Teleobjektiv aufgenommenen Schwarzweiß-Fotografien von alltäglichen Szenen werden vor dem Hintergrund der gelieferten Kontextinformationen zu bedrohlichen Szenarien einer Gesellschaft im Alarmzustand. Claudia Olk (Berlin) beschloss dieses Panel mit einem Vortrag zu "Virginia Woolf's Poetics of the Diaphanous: Vagueness, Vision and the Veil". Im Mittelpunkt stand hier der Schleier als Grenze der visuellen Wahrnehmung. Olk wies diese Rhetorik des Verbergens und Enthüllens in der Verwendung des Schleiermotivs bei Virginia Woolf und anderen Autoren nach. Sie konzentrierte sich auf den Schleier als "symbolische Form" und als Metapher, der bei Virginia Wolf sowohl eine ästhetische als auch narrative Funktion besitzt.

Im vierten Panel "Visual Challenges to Institutions" stand in den ersten beiden Vorträgen die Kunst und ihre Vermittlung im Zentrum der Überlegungen zur visuellen Kultur. Der Vortrag von Kirsten Weiss (Cambridge, Mass.) untersuchte unter dem Titel "Specific Objects? Art Production and Cultural Reference in the US and West Germany" die unterschiedliche Bewertung der Minimal Art in der US-amerikanischen und deutschen Kunstkritik in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts. An diesem Beispiel zeigte Kirsten Weiss wie über das Medium der Zeitschrift und besonders den darin enthaltenen Schwarzweiß-Aufnahmen das Bild der Minimal Art nach Deutschland transferiert und wie diese Kunstströmung auf der Basis dieser Bilder in Deutschland aufgenommen und von Künstlern wie Gerhard Richter oder Hans Haacke weiter verarbeitet wurde. Von einem früheren deutsch-amerikanischen Austausch berichtete Ines Katenhusen (Hannover) in ihren Ausführungen zu "The ‚Living Museum'. The Work of Alexander Dorner (1893-1957)". Durch seine Emigration 1937 ist der Kunsthistoriker und Museumsleiter Alexander Dorner eine herausragende Figur des interkulturellen Austausches. In beiden von ihm geleiteten Museen in Hannover und Providence setzte er seine bis heute viel beachteten museumsdidaktischen Konzepte um. Während des Zweiten Weltkriegs fanden die Visionen Dorners leider immer weniger Beachtung. Der Vortrag von Katenhusen beleuchtete die unterschiedlichen Kontexte von anti-deutscher Politik bis zu persönlichen Auseinandersetzungen, die zum Scheitern von Dorner führten. Der abschließende Vortrag dieses Panels leitete thematisch schon zum nächsten Panel über. Das Theater der Native Americans stand im Zentrum des Vortrages von Birgit Däwes (Würzburg) zu "Performing Counter-Memories: Native American Responses to the ‚Vanishing American'". Zeitgenössisches Native Theater versucht mit den hegemonialen (und weißen) Diskursen über den "Indianer" zu spielen und sie dadurch zu destabilisieren. Letztlich geht es um eine Rückgewinnung der Repräsentationsmacht über die eigene Geschichte und Gegenwart durch die Theaterpraxis der Native Americans.

Am letzten Konferenztag setzte das abschließende Panel "Image, Identity and Alterity" die Diskussion um die Repräsentation der Native Americans fort. Geneviève Susemihl (Rostock) demonstrierte mithilfe von Illustrationen in deutschen Kinderbüchern unser maßgeblich durch Karl May geprägtes Bild der Native Americans ("'But they are people from the past'. Visual Images of the Imaginary Indian in The Worlds of German Children and Adults"). Daran anschließend zeigte Dawn T. Maracle (Toronto) in ihrem Vortrag "Visual Representations of Native People in Relation to Brand Name Products in North America" anhand von Werbung und Produktgestaltung die ständige Re-Konstruktion der Native Americans in Kanada und den USA. Dabei kommt es zu Verfestigungen bestimmter Repräsentation in Stereotypen wie beispielsweise der sich ständig wiederholende visuelle Zusammenhang von Tabak und "Indianer". Im letzten Vortrag präsentierte Steven Hoelscher (Austin) anhand seiner Archivrecherchen über den Fotografen H.H. Bennett einen Einblick in das komplexe Geflecht sozialer und ökonomischer Beziehungen zwischen dem Fotografen und seinen "Objekten" aus verschiedenen Stämmen der Native Americans. Sein Vortrag zu "Photography as Social and Economic Encounter: The Native American Views of H.H. Bennett" versuchte, das Verhältnis der Fotografierten zur hegemonialen Bildermaschine anhand der Aufzeichnungen von Bennett zu differenzieren.

Die sehr erfolgreich verlaufene Tagung präsentierte Vorträge zu heterogenen Fragestellungen, die in den sehr lebhaften und konstruktiven Diskussionen im Anschluss an die Vorträge mit Blick auf die übergreifende Fragestellung nach dem Charakter visueller Kultur produktiv miteinander vernetzt wurden. Dieses Netz ermöglichte Ausblicke auf interdisziplinäre Anknüpfungspunkte, die das Forschungsfeld visueller Kultur theoretisch fassbarer und analytisch handhabbarer machen können.

Auf den in Vorbereitung befindlichen Tagungsband darf man gespannt sein.

www.visculture.de