Jahrestreffen 2017 Arbeitskreis Psychiatriegeschichte Baden-Württemberg

Jahrestreffen 2017 Arbeitskreis Psychiatriegeschichte Baden-Württemberg

Organisatoren
Forschungsbereich Geschichte und Ethik der Medizin des Zentrums für Psychiatrie (ZfP) Südwürttemberg; Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie I der Universität Ulm
Ort
Ravensburg
Land
Deutschland
Vom - Bis
13.07.2017 - 14.07.2017
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Von
Bernd Reichelt / Uta Kanis-Seyfried, Forschungsbereich Geschichte und Ethik der Medizin, ZfP Südwürttemberg / Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie I der Universität Ulm

In diesem Jahr traf sich der Arbeitskreis Psychiatriegeschichte Baden-Württemberg in den Räumlichkeiten des ZfP Südwürttemberg / Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie I der Universität Ulm am Standort Ravensburg-Weissenau anlässlich des 125-jährigen Bestehens dieser psychiatrischen Klinik. Am 1. April 1892 war in Weissenau bei Ravensburg die seinerzeit vierte staatliche Heil- und Pflegeanstalt im Königreich Württemberg, eröffnet worden.

Ein zentrales Thema des Jahrestreffens war die nationalsozialistische „Euthanasie“ in Oberschwaben. Die Beiträge befassten sich sowohl mit den Tätern als auch mit deren Opfern. Weitere Vorträge zu den frühen sozialpsychiatrischen Anfängen in Baden-Württemberg sowie über die geschlechtsspezifische Rollenzuschreibung unter dem psychiatrischen Personal waren ebenfalls Inhalte der Tagung. Zwei Vorträge zur Geschichte der Psychotherapie beschlossen die Tagung.

Nach einem Grußwort durch Renate Schepker, Regionalkoordinatorin der Klinik in Ravensburg-Weissenau, in dem sie die Bedeutung der Vergangenheit als Anknüpfungspunkt und Gradmesser für die Gegenwart hervorhob („Wir leben Geschichte“), eröffnete WOLFRAM VOIGTLÄNDER (Berlin) die Tagung mit einem öffentlichen Vortrag über Geschichte und Rezeption von Kunstwerken psychisch kranker Menschen -- fokussiert auf den oberschwäbischen Flugradbauer Gustav Mesmer. Der Referent erläuterte, wie sich über „Irrenkunst“ bis zur heute rezipierten „Outsider Art“ verschiedene Begriffe ausbildeten, die letztlich auf einen gemeinsamen Nenner zielten: die zumeist autodidaktische Kunst psychisch kranker und/oder geistig behinderter Menschen. Die Anfänge der Geschichte der „Irrenkunst“ sind untrennbar mit Cesare Lombrosos Topos von ‚Genie und Wahnsinn’ (1864) verbunden. Wegweisend in der Rezeption der „Irrenkunst“ war der in den 1920er-Jahren von Hans Prinzhorn in Heidelberg vorgelegte Band über die ‚Bildnerei der Geisteskranken‘, die den französischen Surrealismus maßgeblich beeinflusst hatte, so der Referent. Im Zusammenhang mit der Darstellung der Geschichte der „Irrenkunst“ ging Voigtländer näher auf die Biografie und das Werk Gustav Mesmers (1903–1994) ein, einem langjährigen Psychiatriepatienten der Landeskrankenhäuser Schussenried und Weissenau. Seit 1932 war in Mesmers Krankengeschichte dessen Vorstellungswelt vom Fliegen dokumentiert, allerdings auch pathologisiert worden. Nachdem er 1964 in ein Altenheim nach Buttenhausen umgezogen war, hatte in Bezug auf Flugräder – nicht jedoch auf die vorher bereits in großem Umfang produzierten Gemälde, Zeichnungen und Instrumente – seine große Schaffenszeit begonnen, in der er auch skurril anmutende Flugräder aus verschiedensten Materialien zusammenbaute. Obwohl sich Mesmer selbst nie als Künstler wahrgenommen hatte, gelangte er als wichtiger Vertreter der Outsider Art zu Berühmtheit, die über lokale und regionale Grenzen hinausging. Noch zu seinen Lebzeiten wurde eines seiner Flugräder bei der Weltausstellung 1992 in Sevilla (Spanien) gezeigt.

Mit einem Ausblick auf die sich verändernden Rahmenbedingungen für Outsider Kunst nach 1945 beschloss der Referent seine Ausführungen. Waren die künstlerischen Werke von Psychiatriepatientinnen und Patienten vielfach nicht wirklich ernst genommen worden, profitierte ihr Stellenwort von der sich in der Nachkriegszeit entwickelnden und etablierenden Kunst- und Ergotherapie. In diesem Rahmen hatten psychisch kranke Menschen erstmals die Möglichkeit, sich unter Anleitung künstlerisch zu betätigen, verschiedene Gestaltungsformen kennen zu lernen und auszuprobieren. Das überwiegend autodidaktische Schaffen Kranker gilt inzwischen als eigenständige Kunstform, die ihren Ausdruck in Malerei, Bildhauerei, Architektur etc. findet.

Im Anschluss an den Vortrag hatten die Zuhörer die Möglichkeit, die Ausstellung „Künstler-Patienten in Weissenau – (Aus-)Wege und (Selbst-)Verwirklichung“ im Zentralgebäude der Klinik zu besuchen. Hierbei handelt es sich um eine neue, sich fortwährend weiterentwickelnde Wanderausstellung des Württembergischen Psychiatriemuseums. Es werden Patienten und Patientinnen portraitiert, die im Rahmen ihrer Psychiatrieerfahrung künstlerisch tätig geworden waren. Bei den drei bislang dargestellten Künstlern handelt es sich um den Fotografen Friedrich Pöhler, den Flugradbauer Gustav Mesmer sowie den Maler August Natterer.

Den Vorträgen am zweiten Tag des Arbeitskreistreffens ging die Vorstellung aktueller Publikationen und Forschungsprojekte aus dem Forschungsbereich Geschichte und Ethik der Medizin am Standort voraus. THOMAS MÜLLER, BERND REICHELT und UTA KANIS-SEYFRIEDs stellten Publikationen des Forschungsbereichs aus 2016 und 2017 vor, die im Verlag Psychiatrie und Geschichte erschienen sind. Im Sommer 2016 wurde das von Pietro Floridia verfasste italienische Theaterstück zur „NS-Euthanasie“, „T4. Ophelias Garten“, erstmals in deutscher Übersetzung veröffentlicht. Als Band 2 der wissenschaftlichen Reihe „Psychiatrie, Kultur und Gesellschaft in historischer Perspektive“ war 2017 der sechzehn Beiträge umfassende Sammelband „Psychiatrie in Oberschwaben“ herausgegeben worden. Zuletzt erschien mit dem Sammelband „Vergangen?“ ein Buch, das sich mit der Erinnerungskultur im Umfeld des „Denkmals der Grauen Busse“ beschäftigt.

BENEDIKT FALKENHAHN (Ravensburg/ Ulm) widmete sich in seinem daran anschließenden Vortrag der Frage nach den Voraussetzungen, unter denen junge Menschen (unter dreißig Lebensjahren) der Selektion der nationalsozialistischen Mordaktion „T4“ entgingen. Der Referent, der in seinem Dissertationsvorhaben die damalige Heilanstalt Weissenau als Vorgängereinrichtung der Klinik am heutigen Tagungsort in den Fokus nimmt, hat 35 Krankenakten im Bundesarchiv Berlin und 21 Krankenakten im Staatsarchiv Sigmaringen untersucht, die er im Rahmen einer Textanalyse anhand folgender Untersuchungskriterien bearbeitet: Geschlecht, Religion, Aufenthaltsdauer, Arbeitsfähigkeit, Verhalten, Straffälligkeit und Pflegeaufwand. Als vorläufiges Ergebnis ließ sich konstatieren, dass die Parameter Verhalten und Arbeitsfähigkeit besonders relevant im Hinblick auf die Auswahl von Kranken und ihrer Überlebenswahrscheinlichkeit waren. Patienten und Patientinnen, die sich an den in der Anstalt anfallenden Arbeiten beteiligten und/oder die viel Besuch bekamen bzw. guten Kontakt zu Angehörigen hielten, hatten gute Chancen am Leben gelassen zu werden. Darüber hinaus erlaube, so Falkenhahn, das Forschungsdesign die Kombination verschiedener Merkmale, um so zu weiteren Ergebnissen zu gelangen. In der nachfolgenden Diskussion wurde die innovative Herangehensweise des Referenten an sein Forschungsthema besonders hervorgehoben und angeregt, Kriterien wie etwa die soziale Herkunft eines Patienten oder das Ausmaß von Angehörigen-Kontakten statistisch zu erfassen und als weitere wichtige Parameter in sein Forschungsvorhaben einzubringen.

Um eine Person, die für den Transport von Weissenauer Patienten und Patientinnen in die Tötungsanstalt Grafeneck mitverantwortlich war, ging es im anschließenden Vortrag von MARTINA FONROBERT (Ravensburg). Fonrobert referierte zur Biografie des von 1926 bis 1946 in der Anstalt Weissenau tätigen Medizinalrats Maximilian Sorg, der während des Zweiten Weltkriegs wiederholt kommissarisch als Anstaltsleiter Verantwortung getragen hatte. Anschaulich stellte die Referentin die Gewissenskonflikte des gläubigen Katholiken dar, der sich aber zugleich darum bemühte, seine attraktive berufliche Stellung zu halten. Auch wenn von ihm kein Akt aktiven Widerstands belegt ist, ist seine Biografie ein geeignetes Beispiel, um individuelle Handlungsspielräume ärztlich Tätiger in Rahmen der „Aktion T4“ zu beschreiben und im Vergleich zu Täterinnen und Tätern in dieser und anderen Einrichtungen zu beurteilen.

Wie sich die psychiatrische Versorgung nach dem Ende der zentralen „Euthanasie“ weiter entwickelt hat, zeigte BERND REICHELT (Zwiefalten/ Ravensburg) am Beispiel eines Transports von 98 Patientinnen und Patienten aus Hamburg, der im Mai 1941 die Heilanstalt Zwiefalten zum Ziel hatte. Diese Menschen wurden aus den Staatlichen Versorgungsheimen der Hansestadt deportiert, um angesichts der Luftangriffe auf Hamburg für Hilfskrankenhäuser und ausländische Zwangsarbeiter Platz zu schaffen. Reichelt berichtete anhand statistischer Auswertungen, dass die Mortalität der Hamburger Pfleglinge in Zwiefalten erschreckend hoch war, den Rahmen der allgemein hohen Sterblichkeitsrate in der Heilanstalt Zwiefalten jedoch nicht überstieg. Von 25 Hamburger Männern überlebte keiner den Krieg. Im August 1949 kehrten 18 der ursprünglich 73 Frauen in die norddeutsche Heimat zurück. Der Referent, der im Rahmen des Vortrags auch zwei Patientenschicksale skizzierte, möchte mit diesem Forschungsprojekt an aktuelle Fragestellungen der Forschung zur NS-Psychiatrie anknüpfen. Transporte mit einer relativ homogenen Personengruppe, bei der die Krankenakten noch vorhanden sind, eignen sich, die Planung des dezentralen Tötens in den Anstalten im Rahmen der „Euthanasie“ zu analysieren. Weitere Aktenauswertungen könnten darüber hinaus auch zur aktuellen Debatte über die Rolle der Angehörigen während des Kriegs beitragen.

Der von dem württembergischen Psychiater Heinrich Kreuser (1855-1917) im Jahr 1895 gegründete „Hilfsverein für Nervenkranke in Württemberg“ war Thema eines Vortrags von SYLVIA LUIGART (Ravensburg) und führte eine Phase der Reformen innerhalb der Anstaltspsychiatrie um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert vor Augen. Das Dissertationsvorhaben über die Tätigkeit des Vereins erforscht eine frühe sozialpsychiatrische Initiative, die sehr erfolgreich außerhalb der Anstaltsmauern agierte. Der Verein unterstützte psychisch Kranke und deren Angehörige nach der Entlassung aus der Anstalt und setzte es sich außerdem zum Ziel, faktisch zu einer Art Entstigmatisierung der Psychiatrie und psychisch Kranker beizutragen. Die Referentin skizzierte die Ziele des Vereins und dessen Werdegang bis in die 1970er-Jahre. Nach 1945 sei es zu einer zögerlichen Konsolidierung des Vereins gekommen. Mit dem landesweiten Ausbau der Sozialpsychiatrie ab den 1960er-Jahren sei es zu einer zunehmenden Unterstützung sogenannter Patientenclubs gekommen, die Öffentlichkeitsarbeit geriet außerdem wieder verstärkt in den Fokus des Vereins, der heute unter dem Namen „Baden-Württembergischer Hilfsverein für seelische Gesundheit“ weiterhin aktiv ist.

In einem knapp gehaltenen Werkstattbericht skizzierten FRANK JANZOWSKI (Wiesloch) und FRIEDRICH ENGELKE (Furtwangen) ihre Forschungen zu den sogenannten Grafeneck-Rückkehrern. Es handelte sich hierbei um Patienten, die 1940 von der Ermordung in Grafeneck vor Ort zurückgestellt und in die damalige Heil- und Pflegeanstalt Zwiefalten verlegt wurden. In der bisherigen Forschung zu diesem Thema konnten eindeutige Gründe für die Zurückstellung noch nicht festgestellt werden. Die bisher gängige Vermutung, dass es vor allem Veteranen aus dem Ersten Weltkrieg gewesen sind, die man aufgrund ihrer Kriegsteilnahme am Leben ließ, konnten die Referenten nicht bestätigen. Unter den von Janzowski ermittelten Rückkehrern aus der Kreispflegeanstalt Sinsheim waren auch männliche Pfleglinge, die keine Kriegsteilnahme vorweisen konnten. Ergänzend und abschließend referierte Engelke die Biografie des Rückkehrers Willy Döring.

Dass Geschlechterstudien seit ihren Anfängen im Rahmen feminister Gesellschaftsanalysen der 1970er-Jahre nach wie vor höchst relevant für die wissenschaftliche Erforschung sozialer Beziehungen sind, wurde im Vortrag von UTA KANIS-SEYFRIED (Ravensburg) deutlich. Wie fruchtbar es sein kann, die gesellschaftliche Zuschreibung von Geschlechterrollen in der Institution Psychiatrie zu untersuchen, zeigte die Referentin am Beispiel südwürttembergischer Heil- und Pflegeanstalten in unterschiedlichen Kontexten. Nach einer Einführung in den aktuellen Forschungsstand der „Gender Studies“ ging die Referentin näher auf die Komplexität und Ambivalenz gesellschaftlicher Geschlechtszuschreibungen und dem damit einhergehenden Rollenverständnis ein. Der Forschungsgegenstand umfasst den Zeitraum vom Ende des 19. Jahrhunderts bis zum Beginn der 1950er-Jahre. Im Mittelpunkt der Ausführungen standen die jeweiligen Handlungsspielräume von Männern und Frauen im Rahmen ihrer jeweiligen Berufsausübung. Das Spektrum war weit gefasst: Es reichte von der biografischen Skizze der ersten Ärztin, die 1911 in der damaligen Anstalt Schussenried angestellt war, über das während des Ersten Weltkriegs die männlichen Kollegen ersetzende weibliche Pflegepersonal bis hin zu Martha Fauser, einer den nationalsozialistischen Ideen und Taten, insbesondere der „Euthanasie“, geradezu verpflichteten Ärztin in Zwiefalten.

Um einen wichtigen Aspekt psychotherapeutischer, insbesondere psychoanalytischer Behandlungstechnik ging es im Vortrag von EDITH SCHÜTZ (Berlin/ Ravensburg). Schütz untersucht in ihrem Forschungsprojekt die sogenannte „Abstinenz-Regel“, die von Sigmund Freud 1912/15 etabliert worden war und die bis heute ein Element in der psychoanalytischen Behandlungstechnik darstellt. Der gemeinsame Nenner sei eine zurückhaltende, "versagende" Haltung des Psychoanalytikers seinem Patienten gegenüber, damit sich der neurotische Konflikt in unverfälschter Weise in der therapeutischen Beziehung abbilden kann. Die Referentin führte Beispiele aus der Praxis der psychoanalytisch orientierten Psychotherapeuten an, die dieser Grundhaltung auch widersprechen, wie beispielsweise das Bild des Analytikers als „mitfühlende zärtliche Mutter“, das Sándor Ferenczi ab etwa Mitte der 1920er-Jahre in Distanzierung zu Freud propagiert hatte. Eine entscheidende Veränderung in Bezug auf die Handhabung der Abstinenz ergab sich vor allem ab 1950, ausgelöst durch einen von Paula Heimann verfassten Aufsatz über die Gegenübertragung. Dass bis heute in weiten Kreisen der Psychoanalyse die Abstinenz-Regel weiterhin offiziell nicht in Frage gestellt wird, ist ein Widerspruch zwischen Theorie und Praxis, der erklärbar wird, wenn die Geschichte der Psychoanalyse wissenschaftshistorisch aufgearbeitet und herangezogen wird. Die Abstinenzregel, die ursprünglich dazu dienen sollte, einerseits dem Patienten die Bedingungen zu bieten, die ihm erlauben, die entscheidenden Erkenntnisse zu gewinnen und andererseits dazu beitragen sollte, den guten Ruf der – damals noch neuen – Psychoanalyse zu sichern, habe nach 1945 eine weitere wichtige Bedeutung erlangt: als durch damals neu aufkommende Behandlungsverfahren (zum einen die Verhaltenstherapie, zum zweiten die klientenzentrierte Psychotherapie nach Rogers) geradezu ein "Psychoboom" ausgelöst wurde, trug sie dazu bei, die psychoanalytische Therapie gegenüber diesen neuen Psychotherapieverfahren abzugrenzen.

CHRISTINA HENNIG (Berlin/ Ravensburg) beschäftigte sich im abschließenden Vortrag der diesjährigen Jahrestagung mit Leben und Werk des Psychoanalytikers Eric David Wittkower (1899-1983), einem Pionier im Bereich der psychosomatischen und transkulturellen Psychiatrie. Wittkower, der in Berlin Medizin studiert hatte und in den 1920er-Jahren in der Inneren Medizin an der Berliner Charité tätig gewesen war, war erst um 1930 in die Disziplin der Psychiatrie gewechselt. Nicht zuletzt durch seine Erfahrungen, die er zuvor bei der Behandlung von Lungenerkrankungen gemacht hatte, galt er als ein Vertreter einer „integrierten Medizin“, weswegen sein Interesse insbesondere der Psychosomatik galt. Die politischen Umbrüche in Deutschland beendeten 1933 seine beruflichen Ambitionen. Aufgrund seiner jüdischen Herkunft sah er sich gezwungen, aus Deutschland zu flüchten. Er emigrierte zunächst nach London. Erst nach Ende des Zweiten Weltkriegs, in dem seine Familienmitglieder zu Opfern der „Shoa“ wurden, emigrierte er ein zweites Mal, nun nach Kanada. An der McGill-Universität in Montréal begründete er nicht nur mehrere neue Institutionen und Gesellschaften. Wittkower gilt darüber hinaus als Begründer der Disziplin einer transkulturellen Psychiatrie.

Die Jahrestagung 2018 findet am Psychiatrischen Zentrum Nordbaden in Wiesloch statt. Eine weitere Tagung ist anlässlich der 100. Wiederkehr des Todestages des Neuroanatomen Korbinian Brodmann in seinem Geburtsort Hohenfels-Liggersdorf geplant. Näheres wird noch bekannt gegeben.

Konferenzübersicht:

Grußwort und öffentlicher Abendvortrag

Wolfram Voigtländer (Berlin): Gustav Mesmer – ein Künstler zwischen „Irrenkunst“ und Outsider Art

Einführung: Aktuelle Publikationen, Ausstellungen und Forschungsprojekte zur Psychiatriegeschichte Baden-Württembergs

Thomas Müller (Ravensburg) / Uta Kanis-Seyfried (Ravensburg) / Bernd Reichelt (Ravensburg/Zwiefalten)

Vorträge

Benedikt Falkenhahn (Ulm/ Ravensburg): Junge Überlebende der „Euthanasie“ in der Heilanstalt Weissenau

Martina Fonrobert (Ravensburg): Der Weissenauer Medizinalrat Maximilian Sorg – Möglichkeiten des Widerstands im Nationalsozialismus

Bernd Reichelt (Zwiefalten/ Ravensburg): „… gut und ohne Schwierigkeiten untergebracht.“ Das Schicksal von 98 Hamburger Patientinnen und Patienten in Zwiefalten, 1941 bis 1949

Sylvia Luigart (Ravensburg): Der Hilfsverein für Nerven- und Gemütskranke in Württemberg, ca. 1895-1970

Franz Janzowski (Wiesloch) / Friedrich Engelke (Furtwangen): Grafeneck-Rückkehrer in die Pflegeanstalt Zwiefalten 1940. Ein Werkstattbericht

Uta Kanis-Seyfried (Ravensburg): Wer gab den Ton an? Geschlechterstudien am Beispiel des Personals in südwürttembergischen Heil- und Pflegeanstalten zwischen 1875 und 1945

Edith Schütz (Berlin/ Ravensburg): Zur Geschichte der Abstinenz in der psychoanalytischen Behandlung

Christina Hennig (Berlin/ Ravensburg): Leben und Werk des Psychoanalytikers Eric David Wittkower (1899–1983)


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