Das Medien-System im Alten Reich der Frühen Neuzeit 1600-1750

Das Medien-System im Alten Reich der Frühen Neuzeit 1600-1750

Organisatoren
Johannes Arndt; Esther-Beate Körber; Institut für Europäische Geschichte Mainz
Ort
Mainz
Land
Deutschland
Vom - Bis
24.02.2005 - 26.02.2005
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Von
Ursula Paintner, Mainz

Die Tagung Das Mediensystem im Alten Reich der Frühen Neuzeit 1600-1750 verfolgte das Ziel, die Entwicklung der publizistisch-politischen Medien im 17. und 18. Jahrhundert unter systemischer Perspektive in den Blick zu nehmen. Die Veranstalter gingen hierbei von der Annahme aus, daß die frühneuzeitlichen publizistischen Medien ein eigenes System neben bzw. in Interdependenz zu den übrigen sozialen Systemen im Sinne der Systemtheorie bildeten. Dementsprechend gliederte sich die Tagung in drei Sektionen, die 1. die ökonomischen Grundlagen des Mediensystems, 2. die Medien selbst in ihrer Entwicklung als Träger politischer (›Massen‹-) Information und 3. Produzenten und Re-zipienten als Beteiligte am Mediensystem bzw. als seine Akteure thematisierten. Die Tagung wurde von der Gerda-Henkel-Stiftung und der Werner-Reimers-Stiftung finanziert.

Ute Schneider (Mainz) stellte zum Auftakt der ersten Sektion die Grundlagen des Mediensys-tems, also Drucker, Verleger, Buchhändler in ihren ökonomischen Beziehungen, dar. Sie verdeut-lichte die professionelle Ausdifferenzierung im Druck- und Verlagswesen in der Phase des Meßhan-dels 1564-1764. Überregional agierende, finanzkräftige Verleger / Sortimenter und lokal den Handel übernehmende Buchhändler und -führer verstärkten zunehmend den Konkurrenzdruck vor allem zu Lasten der Drucker / Verleger, die mehr und mehr in das regionale Geschäft zurückgedrängt wurden. Obwohl die verschiedenen Gruppen noch bis ins 19. Jahrhundert hinein nebeneinander existierten, setzte sich letztlich der Sortimentshandel auf der Grundlage professioneller Differenzierung zwischen Produktion und Verkauf erfolgreich durch. Verlegerische Entscheidungen wurden in der Frühen Neu-zeit, so Schneider, aufgrund des zunehmenden Konkurrenzdrucks in erster Linie in Hinblick auf ihre wirtschaftliche Zweckdienlichkeit und erst in zweiter Linie aufgrund ideologischer Erwägungen getrof-fen.

Wolfgang Behringer (Saarbrücken) zeigte mit seinem Beitrag über Das Netzwerk der Netzwerke. Raumportionierung und Nachrichtenverkehr in der Frühen Neuzeit die Bedeutung des Postsystems für die neuen Nachrichtenmedien. Durch den Ausbau des Systems aus Wegen und Pferdewechsel-stationen im 16. Jahrhundert wurden Raum und Zeit neu organisiert, die Distanzen innerhalb Europas erfuhren eine subjektive Verkürzung, und ein regelmäßiger Austausch von Nachrichten wurde möglich und attraktiv. Die Verzweigung des Netzes und seine zunehmende öffentliche Nutzbarkeit im 17. Jahrhundert stellten auf europäischer Ebene einen meßbaren Fortschritt dar, an den auch die lokalen Subsysteme anknüpften, so daß tatsächlich ein Netzwerk der Netzwerke entstand. Die Bedeutung dieses Netzwerks für die Entstehung von ›Öffentlichkeit‹ ist bisher kaum erforscht, aber verschiedene Indizien weisen darauf hin, daß hier wichtige Gründe für die ›Kommunikationsrevolution‹ der Frühen Neuzeit liegen. Nachrichten, die in dieses Netz eingespeist wurden, erreichten in absolut regelmäßi-gen Abständen die jeweiligen Etappenorte und konnten dort zum Beispiel in Zeitungen veröffentlicht werden. Die bewußte Organisation von Raum und Zeit, die vor allem der Kommunikation und dem Geld- und Personenverkehr zugute kam, kann, so Behringer, als typisches Element der europäischen Modernisierung angesprochen werden. Dennoch hinterließ das Postsystem trotz fortschreitenden Ausbaus ›weiße Flecken‹ auf der Landkarte der Informationen.

Mit Korrespondenten und geschriebenen Zeitungen widmete sich Jürgen Wilke (Mainz) einem Medium, das aufgrund seiner technischen Rückständigkeit und Nicht-Periodizität als defizitäres Relikt aus der Prä-Gutenberg-Zeit gilt, dessen langes Bestehen aber um so mehr erklärungsbedürftig ist. Geschriebene Zeitungen gewährleisteten auch in der Post-Gutenberg-Zeit ein höheres Maß an Intimi-tät als gedruckte Zeitungen und können als ›halböffentliche Korrespondenz‹ gelten. Ihre Funktion entwickelten die geschriebenen Zeitungen vor allem in den Systemen von Wirtschaft, Politik und Ge-lehrtentum, die auf Informationsaustausch angewiesen waren. Sie bildeten und unterhielten jeweils ein Netzwerk von Korrespondenten bzw. Korrespondenzen. Festzuhalten ist die Funktion aller Kor-respondenten als gate-keepers, die Nachrichten auf ihren Wert hin prüfen und somit selektieren. Die Frage sowohl nach der funktionalen Differenzierung zwischen geschriebenen und gedruckten Zeitungen als auch nach der wechselseitigen Interdependenz zwischen höfischer, Handels- und Ge-lehrtenkorrespondenz ist bisher weitgehend ungeklärt.

Ausgehend von der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts beleuchtete Wolfgang Burgdorf (Mün-chen) Deduktionen und politische Gelegenheitsschriften und ihre Bedeutung für die intergouverne-mentalen Diskurse der Obrigkeiten im Reich und interessierter europäischer Potentaten. Dabei ging er von der These aus, daß mit politischen Streitschriften nicht ursprünglich das Bürgertum Obrigkeits-kritik übte, sondern die Obrigkeiten einander kritisierten, was aber, so Burgdorf, zu einer Entzaube-rung der Politik durch Erweiterung der politischen Öffentlichkeit geführt und damit letztlich der Säkula-risierung den Weg geebnet habe. Der Versuch der jeweiligen Obrigkeiten, über den Umweg der ›öf-fentlichen Meinung‹ andere Obrigkeiten zu beeinflussen, habe eine starke Sogwirkung auch auf obrig-keitsferne Publizisten ausgeübt; teils in vorauseilendem Gehorsam, teils in direktem Auftrag der Höfe verfaßte politische Schriften seien zum probaten Mittel aufstrebender Juristen geworden, sich für eine Stelle im Staatsdienst zu empfehlen. Diese politischen Schriften konstituierten sowohl auf Reichs- als auch auf europäischer Ebene die intergouvernementalen Diskurse der Frühen Neuzeit.

Zu Beginn der zweiten Sektion stellte Silvia Serena Tschopp (Augsburg) Flugblätter und Flug-schriften als Konstituenten frühneuzeitlicher Öffentlichkeit vor. Die Medien Flugblatt und Flugschrift sind nur sehr schwer eindeutig voneinander zu trennen, zumal das Flugblatt seine charakteristische Kombination aus Titel, Bild- und Textteil erst im Laufe des frühen 17. Jahrhunderts entwickelte. Den-noch bleibt der Umfang das entscheidende formale Unterscheidungsmerkmal. Gemeinsam ist beiden Medien, daß sie nicht periodisch erscheinen und oft situationsbezogen sind. Beide Medien sind poly-funktional, insofern sie unterschiedlichste Gattungen transportieren können. Tschopp zeigte, daß die Flugblätter mehr die moralische Beurteilung eines Problems als seine Ursachen in den Blick nahmen und so eine eher meinungsbeeinflussende als informative Funktion ausübten, sich also auch inhaltlich von den periodisch erscheinenden Nachrichtenmedien unterscheiden. Daß diese Funktion offenbar einem Bedürfnis des Publikums entsprach, zeigt der Erfolg von Flugblättern und Flugschriften als käufliche Ware. Trotz der Titelformulierungen, die in der Regel auf ein breites Publikum zielen, muß die Interpretation von Flugschriften und Flugblättern als ›Massenmedien‹ relativiert werden, da das Publikum in der Regel in den oberen sozialen Schichten anzusiedeln sein dürfte. Tschopp schloß mit der These, daß der Bedeutungsverlust bzw. die Bedeutungsverlagerung dieser Medien ab der Mitte des 17. Jahrhunderts vor allem mit ihrem Funktionswandel zu tun haben dürfte, da ihre Funktion ver-mutlich von der Zeitschrift übernommen worden sei.

Sonja Schultheiß-Heinz (Bayreuth) illustrierte anhand von Nürnberger Beispielen Zeitungen und ihre Logistik. Der Nürnberger Rat verfolgte eine vorsichtige Nachrichtenpolitik, um nicht mit benach-barten Obrigkeiten in Konflikt zu geraten - eine Politik, deren Berechtigung sich anhand einiger Be-schwerden über die Nürnberger Zeitungen zeigt. Außerdem waren es vor allem die konkurrierenden Drucker, die den Rat als Zensurbehörde auf den Plan riefen, um sich so gegenseitig zu behindern. In Abgrenzung zu Flugblatt und Flugschrift und auch zur Zeitschrift sahen es die Zeitungen als ihre Auf-gabe, aktuelle Nachrichten zu vermitteln und unparteilich zu informieren. Dennoch besteht eine inhalt-liche Abhängigkeit der Medien untereinander, Information und Raisonnement ergänzen einander wechselseitig und greifen in geringem Maße auch in den ›Zuständigkeitsbereich‹ der anderen Medien über, um einen größtmöglichen Absatzmarkt zu bedienen. Letztlich sind die inneren Zusammenhänge der Medien Flugblatt/ -schrift, Zeitschrift und Zeitung für das 17. Jahrhundert genauso in den Blick zu nehmen wie die fortschreitende funktionale Differenzierung.

Die Drucke der akademischen Politikwissenschaft (Politica) des 17. Jahrhunderts entstammen dem akademischen System, das Wolfgang Weber (Augsburg) als Ort institutionalisierter Produktion von Medien sieht. In diesem Rahmen gewann die Politica um 1590 den Status einer ›ars‹ bzw. ›scientia‹, wobei die entsprechenden Texte für den universitären Bedarf entstanden. Im Laufe des 17. Jahrhunderts gewann die politische Kontroverse an Bedeutung für den Umgang mit dem Fach, wobei aber keine systematische Beschäftigung mit der politischen Publizistik festzustellen ist. Dennoch wur-den politische Kommunikationsprobleme, beispielsweise Herrschaftsrepräsentation und der Umgang mit politischer Publizistik, zunehmend zum Thema in der Ausbildung der politischen Funktionsträger. Eine systematische Rezeption der vorhandenen politisch relevanten publizistischen Medien läßt sich für den akademischen Bereich nicht feststellen, wohl aber für die sozial konkurrierenden Ritterakade-mien.

In der dritten Sektion rückten mit dem Hof als Leser die produktiv und rezeptiv am Mediensys-tem Beteiligten in den Mittelpunkt. Volker Bauer (Wolfenbüttel) ging dabei vom Hof als einem Ort sozi-aler Beziehungen aus. Die ›höfische Öffentlichkeit‹ konstituierte sich als Netzwerk der einzelnen Höfe, die durch verschiedene Medien miteinander kommunizierten. Den Hof- und Staatskalendern kam da-bei die Funktion zu, die Hierarchie des Hofes zu dokumentieren, wohingegen die oft handschriftlichen Hoftagebücher als nicht-öffentlich galten und daher auf die Wiedergabe der höfischen Hierarchie wei-testgehend verzichteten. Diese fand neben den oben erwähnten Kalendern in den Hoffestberichten statt. Bauer betonte, daß diese im Gegensatz zur ›Zeitung‹ keinen Aktualitätsanspruch besitzen, son-dern vielmehr auf die dauernde Memorierbarkeit des Geschehens angelegt sind, wobei dem fakti-schen Geschehen weniger Bedeutung zukommt als der Repräsentation, die in den Hoffestberichten topisch - oft vor dem eigentlichen Fest - festgehalten wird.

Esther-Beate Körber (Berlin) warf anhand der Schreiber und Leser politischer Flugschriften die Frage auf, inwieweit für das Medium Flugschrift überhaupt von Öffentlichkeit gesprochen werden kön-ne. Die politischen Flugschriften des 17. Jahrhunderts sind sprachlich elaborierter als ihre Vorgänger aus der Reformationszeit und verlangten sowohl von Autoren als auch von Lesern mindestens Latein-schulbildung oder aber die Fähigkeit und die soziale Umgebung, sich ein Grundmaß an Bildung selb-ständig anzueignen. Den Preis der Schriften als Rezeptionsschwelle zu beurteilen ist schwierig, da die Schätzungen über den Preis von Flugschriften enormen Schwankungen unterliegen. Körber schluß-folgerte, daß den Autoren der politischen Flugschriften des 17. Jahrhunderts der volkspädagogische Ehrgeiz der Reformationszeit fremd gewesen sei; es habe sich vielmehr, wie häufige Bezugnahmen der Schriften untereinander verdeutlichen, um eine diskursive Debatte einer schmalen Schicht gehan-delt, die, so Körber, in gewisser Weise die von Jürgen Habermas im 18. Jahrhundert angesiedelte ›aufklärerische Öffentlichkeit‹ vorwegnehme.

Die Interpretation der politischen Medien als Bildungsmittel - Zwischen Lust und Nutz im ausge-henden 17. und im 18. Jahrhundert zeigt, wie sich die Medien im Laufe des 17. Jahrhunderts gewan-delt haben. Astrid Blome (Bremen) ging dabei von den periodischen Zeitungen im Gegensatz zur Flugschrift als Gelegenheitsschrift aus. Im 17. Jahrhundert gewann einerseits eine umfassende Infor-miertheit immer mehr an Bedeutung, andererseits setzte sich niemand für eine Versorgung des ›ge-meinen Mannes‹ mit Nachrichten ein, da Bedeutungsverlust für Religion und Kirche wie auch die Ge-fährdung der ständischen Ordnung gefürchtet wurden. Dennoch war der Nutzen der Lektüre aktueller Nachrichten unbestritten, galten diese doch als Vorbereitung für die reale Praxis vor allem in der Poli-tik. Dabei wurde neben dem Erfahrungsgewinn die Zweckmäßigkeit für das Erlernen von Sprachen und für die Fähigkeit zum Disputieren betont. Gleichzeitig entstand hier für die Produzenten der Zei-tungen ein neuer Absatzmarkt, so daß sie den pädagogischen Nutzen ihrer Produkte als Werbung verwendeten. Mit dieser Entwicklung einher ging die Popularisierung gelehrten Wissens, das in den Zeitungen zielgruppengerecht und relativ preisgünstig vermittelt wurde.

Der Frage nach dem ›gemeinen Mann‹ als Zeitungs- und Medienkonsument im Barockzeitalter wandte sich abschließend Holger Böning (Bremen) zu. Er betonte die Bedeutung mündlich vermittelter Rezeption, die auch analphabetische Rezipienten mit einschloß. Das öffentliche Aushängen von Zei-tungen und Kalendern sowie ihre Auflagenstärke weisen darauf hin, daß diese theoretisch allgemein verfügbaren gedruckten Medien auch tatsächlich wesentlich allgemeiner rezipiert wurden als bisher angenommen. Böning nimmt für die Mitte des 19. Jahrhunderts die Beteiligung aller sozialer Schich-ten an der Zeitungslektüre an und zeigte, wie die Zeitungen sich von zunehmender Anschaulichkeit des Dargestellten im 17. Jahrhundert über die Ausdifferenzierung nach Zielgruppen im 17. und 18. Jahrhundert kontinuierlich zum meistgelesenen weltlichen Lesestoff bereits des 17. Jahrhunderts ent-wickelten. Schon in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts war der Markt für die Ober- und Mittel-schicht so gesättigt, daß wirtschaftliches Arbeiten für die Verlagsunternehmen nur durch eine Auswei-tung des Marktes auf den ›gemeinen Mann‹ möglich war. Dies bildete die Grundlage, auf der in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Ideen der Aufklärung durch die Zeitungen verbreitet wurden.

In der Abschlußdiskussion bestand Konsens darüber, wie wenig erforscht der Bereich der Medien-entwicklung in der Frühen Neuzeit bisher ist und wie lohnend weitere Untersuchungen auf diesem Gebiet sein dürften. Einige Punkte seien hier festgehalten.

Zunächst bezogen die Vorträge der Tagung sich hauptsächlich auf volkssprachliche Medien und die protestantischen Territorien. Die Rolle der publizistischen Medien in den katholischen Territorien und die publizistische Interaktion zwischen den Konfessionen bilden genauso ein Forschungsdeside-rat wie die Frage nach der Rezeption lateinischer Druckwerke, die zumindest unter den akademischen Schriften einen großen Teil der Produktion ausgemacht haben dürften. Daß die Tagung ihren Schwerpunkt auf die politische Publizistik des 17. und 18. Jahrhunderts legte, ist durchaus sinnvoll; dennoch ist die Frage weitestgehend ungeklärt, warum im 17. Jahrhundert der politische Bereich eine derart herausragende Bedeutung gewann.

Des weiteren ist die funktionale Differenzierung der einzelnen Medien in ihrem sozialen Kontext bisher zu wenig erforscht. Welche Rolle Periodizität, Drucklegung und sprachliches sowohl wie argu-mentatives Niveau spielen, konnte bisher nur skizzenhaft dargestellt werden. Ein Weg hierzu könnte über die Erforschung der Publizistik in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts führen, die bisher auf-grund einer vergleichsweise geringen Schriftproduktion wenig beachtet wurde. Dennoch scheint sich hier der grundlegende Wandel von den religiös motivierten Schriften der Reformationszeit zu den kon-fessionell und vor allem politisch geprägten Schriften des 17. Jahrhunderts zu vollziehen.

Nur über detaillierte Untersuchungen der einzelnen Medien ist auch der Begriff der Öffentlichkeit zu klären, wobei davon auszugehen ist, daß dieser jeweils gesondert definiert werden muß, da unter-schiedliche Medien unterschiedliche ›Öffentlichkeiten‹ ansprechen. Ein Schlüssel zur Frage der all-gemeinen Verfügbarkeit liegt hier sicherlich in den lokalen Multiplikatoren. Obwohl diese quellenmäßig nur schwer zu fassen sind, bedarf ihre Rolle einer genaueren Untersuchung, um zwischen der theore-tisch allgemeinen Öffentlichkeit und der faktisch von bestimmten Medien erreichten Öffentlichkeit diffe-renzieren zu können. Hier wären interdisziplinäre Zugriffe wünschenswert, die neben der Medienge-schichte auch die Germanistik mit einbeziehen, um die Rezeption von ihrer Anlage im Text her zu erforschen und daher auch dort Ansätze zu bieten, wo konkrete Rezeptionszeugnisse nicht vorliegen.

Mit der Frage nach der Eigenlogik der jeweiligen Medien verknüpft ist die Frage nach dem System-charakter der Medien bzw. dem anzusetzenden Systembegriff. Dieser theoriegeleitete Ansatz kam leider in der Tagung etwas zu kurz, da der Beitrag von Johannes Arndt (Münster) kurzfristig ausfallen mußte; letztlich wird das Verständnis der Funktionsweise der frühneuzeitlichen Medien aber gerade über die Frage nach ihrem Systemcharakter und der Verknüpfung dieses Systems mit den übrigen sozialen Systemen zu erlangen sein. Während für den höfischen Bereich zumindest ansatzweise fest-gestellt werden kann, wie er sich innerhalb seiner vor allem auf Repräsentation und Hierarchisierung zielenden Eigenlogik der Medien bedient, ist dies für andere Bereiche wie die Schnittstelle zwischen Mediensystem und Konfessionspolitik noch weitestgehend ungeklärt. Letztlich ist zudem zu fragen, ob bei der deutlichen funktionalen und sozialen Differenzierung, die zum Beispiel die periodisch erschei-nende gedruckte Zeitung und die konfessionell-politische Flugschrift unterscheidet, tatsächlich von ›dem Mediensystem‹ der Frühen Neuzeit gesprochen werden kann, oder ob nicht vielmehr die einzel-nen Subsysteme stärker in den Blickpunkt zu rücken wären.

Die Veranstalter planen, die Beiträge in einem Tagungsband zu publizieren.


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