Text - Bild - Schrift. Vermittlung von Information im Mittelalter

Text - Bild - Schrift. Vermittlung von Information im Mittelalter

Organisatoren
Paderborner MittelalterKolleg "Kloster und Welt", Andres Laubinger
Ort
Paderborn
Land
Deutschland
Vom - Bis
12.11.2004 - 13.11.2004
Url der Konferenzwebsite
Von
Claudia Dobrinski und Brunhilde Gedderth, Paderborner MittelalterKolleg

Unter dem Titel "Text - Bild - Schrift. Vermittlung von Information im Mittelalter" organisierte das Paderborner MittelalterKolleg "Kloster und Welt" - angesiedelt am IEMAN (Institut zur interdisziplinären Erforschung des Mittelalters und seines Nachwirkens, Universität Paderborn) - am 12./13. November 2004 ein Kolloquium, welches das Thema der Informationsübertragung interdisziplinär behandelte. Angesichts unserer heutigen sog. Mediengesellschaft schien ein Blick auf die Vermittlung von Informationen im Mittelalter mit ihren unterschiedlichen Facetten angebracht. Abseits der ‚face to face'-Kommunikation in ihren vielfältigen Aspekten, die von der mediävistischen Forschung in den vergangenen Jahren intensiv erforscht wurden, fragte das Kolloquium nach der Informationsvermittlung durch Wort, Schrift und Bild.

Die Veranstaltung wurde durch den Vortrag von Sebastian Steinbach (Paderborn) eröffnet, der Münzen als Informationsmedium in den Blick nahm. Anhand der Goslarer Gepräge des Gegenkönigs Hermann von Salm stellte er Münzen als Medium zur Übermittlung "politisch" motivierter Information vor. Er zeigte die Akzeptanz der Goslarer Münzen Heinrichs IV. als Grund dafür, daß Hermann nach der Übernahme Goslars die Änderung der Herrschaftsverhältnisse nicht durch die Änderung des Münzbildes signalisierte. Da der Großteil der mittelalterlichen Menschen nicht in der Lage war, die lateinischen Umschriften der Münzen zu lesen, entschied das Münzbild über die Akzeptanz der Prägungen. Es stand als Garantie für Qualität, d.h. für einen bestimmten Edelmetallgehalt, was besonders für die Gewichtsgeldwirtschaft in Skandinavien und im Ostseeraum wichtig war. Münzen zeigen sich damit als Träger von Informationen, die in großem Maße auf wirtschaftliche Zusammenhänge konzentriert waren, im Falle von geringer verbreiteten Serien aber durchaus auch politische Inhalte vermitteln wollten.

Mit dem "sprechenden Buch" stellte Sandra Linden (Tübingen) ein weiteres Medium vor, das sich in der nur mittelbaren Kommunikationssituation mit dem Problem konfrontiert sah, ob und wie die zu vermittelnde Information tatsächlich rezipiert wurde. Ihr Vortrag zeigte, wie mittelalterliche Autoren darauf reagierten, indem sie die mündliche Situation in die Schrift übertrugen. Um ihrer Sorge, einen verständigen Leser zu finden, Ausdruck zu verleihen, ließen sie das personalisierte Buch sprechen. Dies galt vor allem für die volkssprachliche Literatur, für die ein sozial breitgefächerter Rezipientenkreis zu erwarten war. Beispielsweise kamen dem Autor speziell im Minnesang vom Verfassen der Botschaft bis zu ihrer Rezeption verschiedene Rollen zu. Ebenfalls zum Sprechen kam das Buch, wenn ihm hohe Autorität zugeschrieben wurde, wie es z.B. beim Sachsenspiegel der Fall ist. Im Sinne einer Poetik der Visualisierung gewährleistete so eine imaginäre Evokation des Autors das Gelingen der Informationsvermittlung auch bei räumlicher und zeitlicher Trennung.

Jürgen Herold (Greifswald) stellte das raum- und zeitüberwindende Medium Brief vor. Hier stand aber weniger die klassische Funktion als Informationsträger über die Schrift im Vordergrund, sondern eher die Informationen "zwischen" den Zeilen. Das äußere Bild des Briefes, das sich im 14. Jahrhundert wandelte, wurde zunehmend selbst zum Träger einer Botschaft und konnte je nach Angelegenheit Über- oder Unterordnung des Empfängers signalisieren. Damit zeigt sich der Brief sowohl auf der Ebene der verschriftlichten als auch der "symbolischen" Kommunikation als Informationsmedium.

Den Formen und Funktionen schriftlicher Korrespondenz in sozialen Gemeinschaften widmete sich der Vortrag von Jörg Meier (Leiden/Niederlande). Die "Städtische Kommunikation im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit" zeigte die Stadt als sprachliches Ausgleichszentrum und städtische Kanzleien als Zentren des Frühneuhochdeutschen. Im Rahmen von Städtebünden ist außerdem an ein gewisses Maß von Sprachnormierung durch Urkunden etc. zu denken, die bei den Mitgliedern im Umlauf waren. Ausgehend von empirischen Untersuchungen stellte der Beitrag dabei ein Kommunikationsmodell auf soziologisch-linguistischer Basis vor, das die Typen des Schriftverkehrs und der Informationsvermittlung zwischen spätmittelalterlichen Städten differenziert beschreibt.

Einen prominenten Einzelfall der Informationsvermittlung nahm dann der Vortrag von Regina Dauser (Augsburg) über das Fuggersche Korrespondenznetz in den Blick, der zugleich den Abschluß des ersten Kolloquiumstages bildete. Er zeigte Hans Fugger (1531-1598) als Knotenpunkt eines Netzwerkes der Nachrichtenübermittlung, das neben Angestellten und Verwandten Fuggers auch mächtige Landesherren und Heerführer umfaßte. Der größte Teil der Korrespondenz beschäftigt sich mit der Erhebung der Niederlande gegen die spanische Herrschaft und den Türkenkriegen. Gerade die die Türkenkriege betreffenden Nachrichten dürften Hans Fugger wichtig gewesen sein, war er doch finanziell an diesem Unternehmen beteiligt. Der Nachrichtenvorsprung, den er durch die Nutzung der Thurn und Taxis'schen Stafettenreiterei hatte, bedeutete für Hans Fugger ein Machtfaktor und Geschäftsvorteil.

Die Fortschrittlichkeit der Stafettenreiterei führte Heinz-Dieter Heimann (Potsdam) in seinem Vortrag "Beobachtungen an der ‚Medienschwelle' um 1500: Boten, Briefe und Nachrichtenbetriebe" weiter aus. Er stellte heraus, daß der Stand des herkömmlichen Boten als sozial deklassiert galt und zunehmend von den Postreitern abgelöst wurde, die Nachrichten schneller und zuverlässiger überbrachten. Als Machtinstrument der Habsburger erhielt das Haus Thurn und Taxis im 16. Jahrhundert das Reichspostregal und verdrängte damit allmählich das städtische Botenwesen, sich dabei noch gegen das landesherrliche Botenwesen durchsetzend.

Die Bedeutung der Informationsvermittlung für die Frage der Epochengrenze thematisierte auch Wolfgang Ernst (Berlin). Aus medienwissenschaftlicher Perspektive stellte sein Vortrag "Fehlt die Zahl? Medien, mittelalterlich" das Verhältnis des mittelalterlichen Menschen zur Zahl in den Mittelpunkt. In der westlichen Welt wurde die Zahl nicht auf operativer Ebene erfaßt, sondern ausschließlich in Form von Proportionen. Zahlreiche mathematische Probleme und praktische Aufgaben waren damit zwar lösbar, der Vorstellungsraum blieb aber begrenzt. Wie insbesondere die Entwicklung der musikalischen Komposition und Notation deutlich werden ließ, gelangte im Zuge der Verbreitung der arabischen Ziffern erst das 14. Jahrhundert zu einer abstrakten Wahrnehmung der Zahl. Mit ihnen wurden nicht-natürliche Zahlen wie die im Spation aufgehobene Null denkbar, so daß Ernst aus Sicht der Medientheorie für eine provozierend frühe Epochengrenze plädierte.

Jan Rüttinger (Paderborn) eröffnete schließlich die kunsthistorische Perspektive auf die Vermittlung von Information im Mittelalter. Am Beispiel des Freskenzyklus der Silvesterkapelle von SS. Quattro Coronati in Rom stellte sein Vortrag die propagandistische Absicht von Malereien in den Mittelpunkt. In einer Zeit der Auseinandersetzung zwischen Kaiser und Papst ließ Kardinalpriester Stefano Conti, nach der Flucht Innocenz' IV. 1244 nach Lyon vicarius urbis in Rom, in der Silvesterkapelle in seiner Residenz u.a. die Konstantinische Schenkung darstellen, und zwar in einer Art und Weise, die deutlich die Vorrangstellung des Papstes vor dem Kaiser betonte.

Das Kolloquium beschloß Frank Olaf Büttner (Bamberg) mit seinem Vortrag über illuminierte Psalter. Er machte deutlich, daß hier der zu erwartende Funktionszusammenhang zwischen Text und Bild in der Regel nicht gegeben war. In diesen Psaltern, die überwiegend von Laien benutzt wurden, zeigen sich damit zwei verschiedene mediale Ebenen. Auf der Textebene ist es das Psalmengebet als Gotteslob, auf der Bildebene die christliche Heilsvorstellung. Das Spektrum der Illumination reicht dabei von Motiven, die auf einzelne Psalmworte bezogen wurden, über chronologisch ablaufende Geschehnisse bis hin zu weltlichen Darstellungen wie Minneszenen. Die Bilder übernahmen die Aufgabe, die Gottes- und Heilsvorstellung dem alttestamentlichen Text der Psalmen gegenüberzustellen, darüber hinaus dienten sie aber auch der Erbauung und Unterhaltung.

Als Ersatz für einen aus Krankheitsgründen leider entfallenen Vortrag konnte eine Führung im Museum in der Kaiserpfalz durch die Ausstellung "Gaumenschmaus und Augenfreude" organisiert werden, die passend nach der Mittagspause von Bernd Steinbring kompakt, unterhaltsam und facettenreich angeboten wurde. Anlehnungen daran fanden sich durchaus im Abendprogramm wieder, und dem Thema "Kommunikation" wurde dabei zu weiteren Anregungen verholfen.

Die Beiträge des Kolloquiums beleuchteten die Vielschichtigkeit der Kommunikationsebenen von Wort, Schrift und Bild, und die angeregte Diskussion eröffnete dabei zugleich einen Blick auf die Möglichkeiten, die ein interdisziplinärer Ansatz bieten kann. Es bleibt zu hoffen, daß die erarbeiteten Ansätze in der Zukunft ausgebaut werden. Die geplante Publikation der Beiträge des Kolloquiums in der Schriftenreihe des IEMAN will dazu einen Beitrag leisten.


Redaktion
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