Mulitiples Erinnern: Zwangsmigration als Objekt einer Streitgeschichte im erweiterten Europa

Mulitiples Erinnern: Zwangsmigration als Objekt einer Streitgeschichte im erweiterten Europa

Organisatoren
Collegium Carolinum; Forschungsverbund Ost- und Südosteuropa, München
Ort
München
Land
Deutschland
Vom - Bis
06.12.2004 - 07.12.2004
Url der Konferenzwebsite
Von
Martin Zückert, Collegium Carolinum, Muenchen

Die Beschäftigung mit Vertreibungen und Zwangsaussiedlungen während und nach dem Zweiten Weltkrieg hat weiterhin Konjunktur. Zunehmend stellt sich dabei die Frage, inwieweit die Erinnerung an sie in einem nationalen Kontext stattfindet oder ob sie im Rahmen einer Europäisierung neue Bewertungen und Gedenkformen erfährt. Die Erweiterung der Europäischen Union gibt solchen Fragen eine neue Dimension, zumal noch offen ist, inwieweit politische Streitfragen wie etwa die zur Gültigkeit der Beneš-Dekrete zukünftig auf europäischer Ebene abgehandelt oder auf einer bilateralen Ebene verbleiben werden. Das Projekt „Diskurse in den EU-Beitrittsländern Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn und Slowenien über Zwangsmigrationen der Jahre 1938-1950“ im Rahmen des Bayerischen Forschungsverbundes FOROST veranstaltete am 6. und 7. Dezember 2004 in München bereits seine dritte Tagung, um unter anderem diesen Fragen nachzugehen. Als sinnvoll erwies es sich dabei, Beispielfälle aus mehreren Ländern zu präsentieren. Im Zentrum der von K. Erik Franzen und Peter Haslinger (beide München) organisierten Veranstaltung stand somit die Darstellung von „Streitgeschichten“ über Zwangsmigration.

Der erste Themenblock war dem Umgang mit Flucht und Vertreibung in Deutschland gewidmet. Anhand der Entstehungs- und Wirkungsgeschichte der „Dokumentation der Vertreibung der Deutschen“ referierte Mathias Beer (Tübingen) über eine zentrale Debatte in der Bundesrepublik seit den fünfziger Jahren. Mit der Fokussierung auf dieses Großprojekt gelang es ihm, wichtige Phasen einer bundesdeutschen „Streitgeschichte“ nachzuzeichnen. Drei Historikergenerationen beteiligten sich an der Dokumentation von Zeitzeugenberichten, die zunächst als „Pfund“ für mögliche Friedensvertragsgespräche geplant war. Seit den sechziger Jahren entwickelte sich die Auseinandersetzung mit der Vertreibung immer mehr zu einer politischen Debatte. Das Ziel, ergänzend zu den fünf Dokumentationsbänden einen sechsten Band zu veröffentlichen, der eine breite Analyse der Ursachen und Folgen der Zwangsmigrationen bieten sollte, konnte unter solchen Konstellationen nicht verwirklicht werden. Die dadurch bedingte Abstinenz der Wissenschaftler sorgte dafür, dass der Umgang mit dem Quellenbestand der Dokumentation zunehmend eine Eigendynamik förderte. Nach Beer ebnete diese Entwicklung den Weg für eine mangelhafte Verarbeitung der Vertreibung, die so keinen Eingang in das „kulturelle Gedächtnis“ der bundesdeutschen Gesellschaft insgesamt gefunden hätte. Für die Wissenschaft ist die Dokumentation kein Thema der Forschung mehr. Im Jahr 2004 erschien eine Neuauflage der Dokumentation, in der jedoch die Entstehungsbedingungen der Quellen und ergänzenden Darstellungen weiterhin nicht erläutert werden. Es bleibt somit ein Desiderat, die monokausale Betrachtung von Flucht und Vertreibung durch eine Interpretation in ihrem europäischen Kontext abzulösen.

Anschließend referierte K. Erik Franzen über die Erinnerungspolitik um Flucht und Vertreibung in Deutschland seit 1990. Die Entwicklung der letzten fünfzehn Jahre teilte er dabei in zwei Phasen ein. Für den Zeitraum bis zum Jahr 1999 sei eine Reorganisation der Erinnerungskultur im Vordergrund gestanden. Trotz der Beschäftigung mit der DDR-Vergangenheit sei innerhalb eines einsetzenden „Erinnerungsbooms“ die Thematisierung der nationalsozialistischen Vergangenheit weiterhin zentral für die deutsche Gesellschaft geblieben. Dies bedingte auch die Frage danach, wie die Vertriebenen zu würdigen sind.
Eine zweite Phase setzte laut Franzen im Jahr 1999 mit der Diskussion um den EU-Beitritt der Tschechischen Republik und dem Vorschlag ein, in Berlin ein „Zentrum gegen Vertreibungen“ zu errichten. Zunehmend zum Thema wurde seitdem die Frage, ob die Erinnerung an Flucht und Vertreibung um eine europäische Perspektive zu erweitern ist oder ob es weiterhin um eine Reduzierung auf eine „deutsche Basiserzählung“ geht. Bei diesem Aspekt ergaben sich Verbindungslinien zum Vortrag von Mathias Beer. Das von beiden Referenten skizzierte Problem steht im grundsätzlichen Zusammenhang zu der Frage, ob der Erinnerung an die Vertreibung ein legitimatorisches oder ein aufklärerisches Interesse zu Grunde liegt.

Im folgenden Panel wurden Debatten zu den Zwangsmigrationen in der Tschechischen Republik und der Slowakei analysiert. Christian Domnitz (Potsdam) zeichnete zunächst die parlamentarischen Diskurse zu den Beneš-Dekreten im tschechischen Abgeordnetenhaus und dem Europaparlament nach. Anhand von Interviews und Parlamentsprotokollen untersuchte er das Spannungsfeld zwischen europäischem Gestaltungsanspruch und nationaler Geschichtspolitik auf politischer Ebene. Die in der Debatte feststellbaren Pole von Moralisierung und Historisierung beeinflussen das Geschichtsdenken allgemein. In der anschließenden Diskussion wies Robert Luft (München) darauf hin, wie sehr das Geschichtsdenken dadurch hinter einen politischen Diskurs zurücktrete. Christian Domnitz betonte, dass die Spezifik politischer Entscheidungsprozesse starken Einfluss auf historische Wertungen ausübe. Abgestimmt würde über die „Legitimität von Geschichtsbildern“.
Marína Zavacká (Bratislava) problematisierte danach die Diskussionen über Zwangsmigrationen in der Slowakei. Diese seien in der slowakischen Gesellschaft kaum ein Thema. Insbesondere die Aussiedlung von Magyaren in der Südslowakei findet nur wenig Eingang in das öffentliche Bewusstsein. Migration insgesamt hat in der Slowakei zunächst eine negative Konnotation. In der Diskussion des Vortrags standen Bezüge zwischen Ungarn und der Slowakei im Vordergrund. Eine breitenwirksame Debatte findet dazu in beiden Ländern nicht statt. Eine slowakisch-ungarische Historikerkommission spielt kaum eine Rolle.

Im nächsten Block standen Fragen nach der Erinnerung an Zwangsmigrationen „vor Ort“ im Zentrum. Claudia Kraft (Bochum) zeigte in ihrem Beitrag, welche Bedeutung lokale Initiativen im Verhältnis zur gesamtstaatlichen Debatte über Zwangsmigrationen in Polen haben. Das Thema Vertreibung sei laut Kraft seit Beginn der neunziger Jahre kein Tabuthema mehr. Es hätte sich aber kein deutsch-polnischer Diskurs entwickelt. Stattdessen würden zwei unterschiedliche Diskurse aufeinander prallen. Vielleicht liege das auch daran, dass eine „Bekenntnisgeneration“ in Deutschland auf eine „authentische Generation“ in Polen treffe. Letztere findet sich in lokalen Initiativen, die anfangs danach fragten, wie mit dem „deutschen Kulturerbe“ in Polen umgegangen werden müsse. Heute sehen sie ihre Aufgabe eher in der gemeinsamen Aufarbeitung der Geschichte in ihrer als die eigene wahrgenommene Kulturlandschaft. In der folgenden Diskussion wurden insbesondere die möglichen Folgen von geplanten Gedenkorten für die erwähnten lokalen Gruppen thematisiert. Claudia Kraft hob hervor, dass jede Planung eines zentralen Gedenkortes einer differenzierten Diskussion vor Ort schaden würde.

Im Anschluss daran ging Éva Kovacs (Wien/Budapest) am Beispiel von zwei ungarischen Gemeinden der Frage nach, welche Konstruktions- und Rekonstruktionsprozesse die Erinnerung an die nach dem Zweiten Weltkrieg ausgesiedelten Bewohner prägen. Mit Blick auf gerne erwähnte „schwäbische“ Traditionen zeigte sie auf, wie bewusst „ethnische Landschaften“ geschaffen werden. Ihr Fazit fiel schließlich eindeutig aus: es gäbe keine Erinnerung ohne Erinnerungspolitik. Anders als Claudia Kraft für das polnische Beispiel verband Éva Kovacs die Analyse ihrer Lokalstudien jedoch nicht mit einem Blick auf Deutungen von Zwangsmigrationen in der ungarischen Gesellschaft. Gerade eine verbindende Perspektive hätte aber womöglich Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu Diskursen in anderen Staaten aufzeigen können.

Die beiden letzten Vorträge des ersten Tages widmeten sich der literarischen Verarbeitung von Flucht und Vertreibung in der deutschsprachigen Literatur. Elke Mehnert (Chemnitz) erläuterte den Stellenwert des Themas in der ostdeutschen Literatur bis 1989 und danach. Offiziell waren die Zwangsmigrationen nach dem Zweiten Weltkrieg und ihre Folgen in der DDR wenig präsent, weswegen der Literatur wie auch bei anderen Themen die Funktion als Öffentlichkeitsersatz zukam. Nach Mehnert waren dabei drei Sujets vorherrschend: „Flucht und Vertreibung“, „Ankunft und Integration“ sowie die mentale Verarbeitung des Geschehens. Nach 1989 wurde in der ostdeutschen Literatur zudem die „Wiederbegegnung mit der alten Heimat“ zum Thema. Ein Indikator für das heutige Interesse ist das Buch „Niemandszeit“ von Jörg Bernig, das inzwischen vergriffen ist. Anschließend fragte Patricie Eliášová (Prag/Luxemburg) in ihrem Referat danach, warum die Vertriebenenliteratur nicht als eigene Gattung gelte. Der literarischen Verarbeitung Betroffener stellte sie die Literatur zur Vertreibung gegenüber, der im Gegensatz zur Vertriebenenliteratur meist der Status eines reflektierenden Umgangs zugewiesen werde.

In der anschließenden Diskussion wurde erörtert, ob Literatur über die Vertreibung kompensatorischen Charakter gegenüber einer verdrängten gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Thema habe. Martin Schulze Wessel stellte zur Diskussion, ob bestimmte Erfolge der Literatur womöglich gerade auf „historiographisch ungesichertem Terrain“ zustande kämen. Eine Frage, die nicht umfassend geklärt werden konnte, aber Raum für weitere Untersuchungen lässt. Mathias Beer plädierte dafür, neben der Vertriebenenliteratur zukünftig verstärkt Heimatchroniken und Heimatbriefe als Faktor des Erinnerungsdiskurses ernst zu nehmen. In der Tat bieten sich diese als breitenwirksame Quelle zur Analyse an.

Den zweiten Tag eröffnete Stefan Karner (Graz) mit seinem Beitrag zu Zwangsmigrationen während und nach dem Zweiten Weltkrieg im österreichisch-slowenischen Kontext. Er unterschied zunächst drei Phasen der Migration. Seit 1941 siedelten die Nationalsozialisten Teile der Bevölkerung deutscher Nationalität aus dem italienisch besetzten Teil Sloweniens nach Deutschland um. Bereits parallel dazu begann eine Umsiedlung von Slowenen, um bestimmte Regionen „deutsch zu machen“. Nach 1945 folgte dann mit der Vertreibung der Deutschen aus dem slowenischen Raum eine dritte Phase, in der es aber auch zu einer erzwungenen Rückführung von Slowenen nach Jugoslawien kam. Karner hob hervor, dass die Aufarbeitung dieser Migrationsprozesse erst am Anfang stehe, wobei er besonders auf die teilweise schwierige Archivlage einging. Nur am Rande problematisierte er Formen und Inhalte slowenisch-österreichischer Diskurse, wie etwa die Rolle einer bilateralen Historikerkommission, die nur zu wenigen Aspekten zu einer gemeinsamen Textfassung kam.

Marina Cattaruzza (Bern) erläuterte im anschließenden Vortrag das Wechselspiel zwischen historiographischer Aufarbeitung und öffentlichen Debatten, das sich bei der Aufarbeitung der Zwangsmigrationen im Grenzgebiet zwischen Italien, Slowenien und Kroatien seit 1989 ergab. In der durch zahlreiche Grenzänderungen im 20. Jahrhundert geprägten Region wurden Fragen nach dadurch bedingten Migrationen lange Zeit vernachlässigt. Heutzutage unterscheidet sich der Stellenwert des Themas je nach Land. In Italien ist es ein Aspekt der Regionalgeschichte, in Kroatien wird es überwiegend vernachlässigt während es in Slowenien als zentral anzusehen ist. Cattaruzza schilderte die Arbeit der slowenisch-italienischen Historikerkommission. Ihre Ergebnisse werden jedoch im öffentlichen Diskurs kaum rezipiert. Als Problem erweist sich häufig, dass der heutige Zustand der Region auf die Zeit nach 1945 rückprojiziert werde, was zu verzerrten Deutungen führen würde. Insgesamt sieht Cattaruzza aber eine Entwicklung hin zu einer „integrativen historiographischen Praxis“. Das Referat rief Fragen nach den eigentlichen Hauptakteuren öffentlicher Debatten hervor. Während Stefan Karner die Zugänglichkeit von Archiven als Faktor hervorhob und für eine „präzise historische Aufarbeitung“ plädierte, fragte Mathias Beer, was eigentlich geöffnete Archive für die Entwicklung der Erinnerungskultur zu Zwangsmigrationen real beitragen würden. In der Tat stellt sich die Frage, ob Historikern dabei wirklich eine Leitfunktion zukommt.

Den letzten Vortragblock eröffnete Piotr Majewski (Warschau) mit einer vergleichenden Analyse der öffentlichen Debatten über die Vertreibung der Deutschen in Polen und der Tschechischen Republik nach 1989. Während in der Tschechischen Republik bereits Ende 1989 durch eine Rede von Václav Havel heftige Diskussionen ausgelöst wurden, begannen ähnliche Debatten in der polnischen Gesellschaft erst allmählich relevant zu werden. Aber auch hier waren es zunächst Politiker, die sich mit ihren Ansichten einbrachten. In beiden Ländern ergab sich durch das Vermengen von moralischen Aspekten mit der Frage nach materiellen Forderungen ein explosives Gemisch. Nicht unwichtig für die Analyse laufender Debatten war Majewskis Hinweis darauf, dass die Diskussionen in der Tschechischen Republik in Polen kaum wahrgenommen wurden – eine Feststellung, die mit Abstrichen auch für die Rezeption polnischer Debatten durch den tschechischen Diskurs gelten kann.

Zum Abschluss behandelte Adrian von Arburg (Prag) unter dem Titel „Breiter Diskurs auf dünnem Eis“ die Frage, wie tschechische Historiker in den letzten fünfzehn Jahren Fragen zur Vertreibung der Deutschen problematisierten. Dazu unterschied er zunächst zwischen vier Diskursebenen: einer politisierenden und einer massenmedial wirksamen Ebene sowie einer breiteren und einer engeren Ebene unter den Historikern. Eine Aufteilung der Historiker in Kritiker und Befürworter der Vertreibung erscheint dagegen als wenig sinnvoll, da die Mehrheit der Beteiligten eine differenzierte Position einnimmt. Inwieweit die Trennung in „Moralisten“ und „Fachleute“ sinnvoll ist, wurde zu einem der Kernpunkte der Abschlussdiskussion.
Anhand vorherrschender Debatten zeigte von Arburg, dass es in der Folge einer „Verhandlungslogik“ häufig zum Aushandeln von Fragen komme. Die Diskussion über die Zahl der Vertreibungsopfer ist dafür ein gutes Beispiel. Dieser Fall zeigte auch, wie sehr der Historikerdiskurs vom öffentlichen Diskurs abhängig ist. So wirken neue Impulse meist „von außen“ auf die fachliche Auseinandersetzung ein, wie etwa das Buch „Rozumět dějinám“ (Geschichte verstehen) zeigt. Es handelte sich um eine „politische Bestellung“ für ein Buch mit hoher Auflage, dass die Ursachen und den Verlauf der Vertreibung der Deutschen aus den böhmischen Ländern darstellt, jedoch „Fragen der Moral und der eigenen Verantwortung weitgehend ausklammerte“.
Von Arburg wies schließlich noch auf eine Besonderheit des tschechischen Historikerdiskurses über die Vertreibung hin. Ein gewichtiges und medienwirksames Wort hätten Prager Historiker, während Wissenschaftler anderer Universitäten des Landes zwar zum Thema in den Archiven forschen, jedoch in den Debatten kaum zu Wort kämen. Diese Erkenntnis, die auf Auswirkungen eines „Pragozentrismus“ hindeutet, evoziert allerdings Fragen nach Aufgaben und Erkenntnisformen des Historikers an sich. Ihnen wurde jedoch in der Diskussion nicht nachgegangen.

In der Abschlussdiskussion wurde zunächst die Frage nach moralischen Prämissen in der Forschung und in öffentlichen Debatten aufgegriffen. Pointiert wies Claudia Kraft darauf hin, dass Historiker Teil der Gesellschaft seien und somit auch über moralische Grundvorstellungen verfügten. Gerade in nichtpluralistischen Gesellschaften hätten moralische Positionen neue Ansätze zur Auseinandersetzung ermöglicht. Marina Cattaruzza äußerte anschließend die These, dass in Gesellschaften, die sich noch im „nationalen Zeitalter“ befänden, keine offene Debatte über Zwangsmigrationen stattfinden könne. Allerdings stellt sich dann die Frage, nach welchen Kriterien das Ende „nationaler Zeitalter“ zu messen wäre. In diesem Zusammenhang wäre auch zu klären, welche Rolle die Historiographie für die Rationalisierung von Debatten zukommt. Die auf der Tagung geäußerte Forderung nach präziser Aufarbeitung durch die Historiker verliert bei einem Blick auf die in mehreren Beiträgen vorgenommenen Analysen an Gewicht. Als sinnvoll erscheint es eher, die mehrfach geäußerte Anregung aufzugreifen und den Stellenwert von Museen, Ausstellungen, Dokumentationsfilmen und Literatur in der Medialisierung von Debatten über Vertreibung neu zu bestimmen.

Schließlich stellt sich die Frage, in welcher Form Europäisierungsprozesse Diskurse über Zwangsmigrationen in den einzelnen Ländern oder Milieus beeinflussen. Martin Schulze Wessel formulierte in diesem Zusammenhang die Frage, inwieweit die europäische Verflechtung eine Europäisierung des Erinnerns notwendig mache. In mehreren Vorträgen wurden bereits entsprechende Wechselwirkungen aufgezeigt. Zu einer grundsätzlichen Analyse kam es jedoch nicht. Davon abgesehen bot die Tagung eine gelungene Gesamtschau über Inhalte und Formen von „Streitgeschichten“ über Zwangsmigrationen. Wie wichtig die Erforschung dieser „Streitgeschichten“ ist, zeigt die andauernde Virulenz des Themas. Um dies festzustellen reicht ein Gang zu den Auslagetischen deutscher Buchhandlungen.