Was ist Stadtgeschichte in Köln?

Was ist Stadtgeschichte in Köln?

Organisatoren
Förderverein Geschichte in Köln
Ort
Köln
Land
Deutschland
Vom - Bis
05.11.2004 - 06.11.2004
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Von
Frauke Schmidt, Stiftung Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv zu Köln

Den Auftakt des Symposiums "Was ist Stadtgeschichte in Köln?" aus Anlass des 15-jährigen Bestehens des Fördervereins Geschichte in Köln bildete am Abend des 5. November 2004 eine Podiumsdiskussion. Hierzu waren neben Vertretern der Fraktionen im Kölner Stadtrat, Fritz Bilz von der Geschichtswerkstatt Brück/Kalk sowie der Vorsitzende des Kölnischen Geschichtsvereins, Konrad Adenauer, zur Diskussion gebeten worden. Unter der Leitung Georg Mölichs (Landschaftsverband Rheinland, Köln) wurde die Zukunft des Kulturbereiches Geschichte unter den Bedingungen der leeren Kassen der Stadt Köln erörtert. Dabei galt es drei Diskussionsrunden zu überstehen. Zur ersten Runde wurde die Frage nach dem derzeitigen Zustand der städtischen Institutionen gestellt, die für die Präsentation und Erarbeitung der Geschichte Kölns zuständig sind. In der zweiten Runde sollten die Diskussionsteilnehmer eine Bewertung des Verhältnisses zwischen öffentlichen und freien Trägern der Kölner "Geschichtskultur" vornehmen und in der dritten Runde die Frage nach Perspektiven für die Geschichte in Köln vor dem Hintergrund der Forderung nach einer starken Positionierung der Stadt als Kulturstadt beantworten. Für die Zukunft wurden einige Anregungen gegeben, so zum Beispiel ein "Jahr der Geschichte", in dem alle Kölner Geschichtsinstitutionen zusammen arbeiten. Dieser Vorschlag des stellvertretenden CDU-Fraktionsvorsitzenden und Vorsitzenden des Kulturausschusses im Kölner Stadtrat, Dr. Lothar Theodor Lemper, fand auch bei den Vertretern der anderen Fraktionen Anklang. Außerdem bekannten sich die Kommunalpolitiker von CDU, SPD und FDP (Bündnis 90/Die Grünen hatten keinen Vertreter entsandt) zu den Kölner Geschichtsinstitutionen, zu denen neben dem größten und bedeutendsten Stadtarchiv der Bundesrepublik auch das Kölnische Stadtmuseum und das NS-Dokumentationszentrum (EL-DE-Haus) zählen. Wer sich allerdings Vorschläge der Kommunalpolitik zum Ausweg aus der finanziellen Misere gewünscht hatte, sah sich enttäuscht. Lediglich die Bündelung von Kompetenzen und weiteres ehrenamtliches Engagement wurden angeregt.

Am folgenden Tag ließ die Vorsitzende des Fördervereins, Claudia Tiggemann-Klein die vergangenen 15 Jahre Revue passieren und rief einige Grundgedanken der Gründergeneration des Vereins in Erinnerung, z.B. die Etablierung moderner geschichtswissenschaftlicher Methodik in der Stadt- und Regionalgeschichte und die Netzwerkbildung für jüngere stadt- und regionalgeschichtlich interessierte Historikerinnen und Historiker. Das gut besuchte Symposium war in drei Sektionen zu verschiedenen Themenblöcken gegliedert.
Die unter dem Titel "Epochen" stehende erste Sektion begann nach einer kurzen Einführung durch den Moderator Stefan Wunsch (Köln) mit dem Referat Horst Matzeraths (Köln) über die "Traditionalen Elemente im Entwicklungsprozess der modernen Stadt" am Beispiel Kölns. Ausgehend von den zentralen Elementen der "Modernisierungstheorie" und der Leistungsfähigkeit des Begriffs "Modernisierung", arbeitete Matzerath in seinem Vortrag einzelne Kölner Entwicklungen und Erscheinungen des 19. und 20. Jahrhundert heraus und untersuchte sie unter dem Gesichtspunkt der "Modernisierung" und der "Traditionalität". Zwei Fragen standen dabei im Vordergrund: Zum einen die Frage nach Intentionen bei Rückgriffen auf Elemente aus der Vergangenheit und zum anderen die Frage nach der Funktion von Traditionalität in bestimmten Entwicklungssituationen.

Die Phase der Tradition - das lange Mittelalter bis 1794 - endete abrupt mit der französischen Herrschaft und der Einführung des französischen Rechts. Zeitgenössisch erschienen die Veränderungen aufgrund der Wahrung von Kontinuitäten durch die Franzosen, so z.B. im personellen Bereich, als nicht zu weitreichend. Diese politisch-gesellschaftlichen Veränderungen beschleunigten lediglich den bereits in den Jahrzehnten zuvor begonnen Modernisierungsprozess in den verschiedensten Bereichen. Die 1820er und 1830er Jahre dürfen als die Latenzphase im Modernisierungsprozess gesehen werden: Die Neuorganisation des Karnevals war nicht nur Wiederbelebung einer alten Tradition, sondern diente auch der Identitätsbildung Kölns gegenüber dem neuen Landesherren. Die "Neuentdeckung" des Karnevals ist nur eine von unterschiedlichsten referierten Kölner Erscheinungen und Entwicklungen. Alle durch Matzerath dargestellten Exempel zeigen, dass Köln trotz antimoderner und traditionaler Erscheinungen ununterbrochen, seit den 1870ern beschleunigt, einem Modernisierungsprozess unterlag, der auch durch Tradition und Antimoderne nicht verhindert werden konnte. Besonders die im symbolischen und mentalen Bereich dominierenden traditionelle Elemente, wie z.B. das neue, in mittelalterlicher Überlieferung gestaltete Ratssilber, hielten den Modernisierungsverlauf nicht auf, bremsten ihn nur an verschienen Stellen ab. Das Festhalten an Traditionen wurde zumeist motiviert durch mentale Barrieren, finanzielle Interessen oder aber den Einfluss der katholischen Bevölkerung. Funktional waren die Rückgriffe auf traditionelle Elemente je nach Zeit und Herrschaft unterschiedlich: mal Instrument der Macht, mal Gegenreaktion auf Veränderungen. Geschichte und Tradition tragen zur Assimilationskraft einer Stadt bei. Das gelte in besonderem Maße für Köln. Matzerath attestierte den Kölnern ein ausgeprägtes Geschichtsbewusstsein, verbunden mit Liebe zum Brauchtum, zu Sagen und Erzählungen, mit denen sie der Fortschrittlichkeit der Stadt nicht im Wege stehen.
Eberhard Isenmann (Köln) stellte im Anschluss seine Ausarbeitungen zur "Modernität der kommunalen Welt des Mittelalters" vor. Isenmann warnte vor der Trennung der Geschichte in eine "Moderne" und in eine "Vormoderne", wobei der "Vormoderne" unterstellt werde, sie könne weder unsere Lebensgrundlagen erklären, noch helfen sie zu bestimmen. Isenmann schloss daraus, dass die Kenntnisse der "Moderne" den meisten Menschen näher lägen und das Bild existiere, dass nur noch kleine gesellschaftliche Kreise mit alter bürgerlicher Bildung über Wissen zur "Vormoderne" verfügten. Daher begann er sein Referat mit Ausführungen zum Grundgesetz, explizit zum Artikel 28, Absatz 2 zur Gewährleistung der kommunalen Selbstverwaltung und fragte nach der gedanklichen und historischen Herkunft dieses Artikels. Kommentare zum Grundgesetz und zum Staatsrecht beantworten diese Frage: Zwar bildet die preußische Städteordnung aus dem Jahre 1808 eine Vorlage, doch klingt auch hier durch, dass es ältere Vorbilder für die Selbstverwaltung, wie etwa die mittelalterlichen Formen der Städte- und Universitätsfreiheit, gibt. Jedoch sind die überlieferten Institutionen aufgrund politischer und gesellschaftlicher Veränderungen weder eine direkte Fortsetzung, noch basieren sie auf dem gleichen Existenzsinn und den gleichen Funktionen. Isenmann stellte in diesem Zusammenhang die Frage, welche Vergleiche sich zwischen den Vorläufern und den modernen Einrichtungen ziehen lassen könnten und skizzierte die Schwierigkeiten, die eine Argumentation zwischen einer historischen Erfolgsgeschichte, einer Ideen- und Rechtsprinzipiengeschichte und einer funktional-strukturellen Betrachtung entstehen ließen.
In seinen weiteren Ausführungen legte Isenmann die positiv formulierten Sachverhalte zur mittelalterlichen Stadt dar. Zunächst beschrieb er das Selbstverwaltungsrecht, wie es nach Bartolus von Sassoferrato und seinem Schüler Baldus de Ubaldis begründet wurde und verwies darauf, dass Freiherr vom Stein lediglich das auf die beiden Italiener zurückgehende Verwaltungsrecht politisch begründet und in eine Verwaltungsordnung überführt habe. Der Referent skizzierte Otto von Gierkes Genossenschaftslehre und führte u.a. die Gutachten Kölner Universitätsjuristen des 15. Jahrhunderts zur Rechtslage der verpfändeten Städte Duisburg und Wesel an. Bereits die mittelalterliche Stadt stand Fragen und Problemlösungen gegenüber, wie wir sie heute noch kennen. So zeigt zum Beispiel Bischof Otto von Freising, der Onkel Friedrich Barbarossas, anhand der oberitalienischen Kommunebewegung auf, dass die Stadtbewohner eine ausgeprägte Freiheitsliebe besaßen. Da sie sich selbst regieren wollten, wählten sie dazu aus allen drei Ständen Konsuln mit einer jeweils kurzen Amtszeit. Ein anderes Beispiel stellte die Stadt Ulm dar. Hier sollte der Bürgermeister ein "gemeiner Mann" sein. Womit sich für die mittelalterliche Stadt bereits die Grundwerte "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" - so Isenmann - konstatieren ließen. Zudem propagierte bereits die mittelalterliche Stadt mit ihrem generellen und absoluten Frieden das Fundament der modernen Zivilgesellschaft. In den bereits im Mittelalter bestehenden Organisationsprinzipien, wie zum Beispiel relativ kurze Amtszeiten, dem Kollegialprinzip, Doppelbesetzung von Ämtern, Rotation, Karenzzeiten oder dem numerischen Mehrheitsprinzip, aber auch in den Aufgaben und Pflichten, die mit dem Amtseid für Bürgermeister und Ratsherren einhergingen, finden wir heutige Vorgehensweisen wieder. Nicht nur in dieser Hinsicht war das Mittelalter "modern": Das Zunftbürgertum erstritt sich in vielen Städten des 13. und 14. Jahrhunderts die politische Partizipation. Seit der Antike hatten (Hand)-Arbeiter als herrschaftsunfähig gegolten. Modern waren auch Zuzugs- und Bürgerrechtspolitik sowie die Abgaben und Steuern, die bereits Leistungen einer Solidargemeinschaft waren.

Die zweite Sektion zum Thema "Quellen" wurde von Georg Mölich (Köln) mit einer Darstellung der Hintergründe, Rahmenbedingungen und konzeptionellen Überlegungen zum vereinseigenen Editionsprojekt "Quellen der Geschichte zur Stadt Köln" eingeläutet. Zwei Wünsche hatten die Initiatoren an die Quellensammlung, die nach ihrem so genannten "Kölner Modell" aufgebaut ist: Zum einen sollte die Auswahl der Quellen in einer handhabbaren Größenordnung stattfinden, zum anderen sollten für die Kölner Stadtgeschichte zentrale Quellen, wie zum Beispiel der Verbundbrief aufgenommen werden. Dazu entwickelten sie ein "Inselprinzip": Jeder Text besetzt ein bestimmtes Thema und soll zugleich Beispiel für einen bestimmten Quellentypus sein. Die Auswahl geht über die rein urkundlichen Texte zur Verfassungsgeschichte hinaus und bietet auch auf moderne Fragestellungen, wie z.B. Sozialgeschichte, Kriminalitäts-, Frauen-, Alltags- und Mentalitätsgeschichte Antworten. Neu ist, dass die in vollem Umfang edierten Texte in eine Einleitung und einen abschließenden Text, der Angaben zur Herkunft der Quelle sowie weiterführender Fachliteratur enthält, eingebettet werden. Die Einleitung gibt einen Themenüberblick und ordnet, neben der Charakterisierung des Quellenstücks, das selbige in die Kölner Stadtgeschichte ein.
Band 1 und Band 2 der Quellenedition sind bereits erschienen. Band 3 befindet sich in Vorbereitung. Er wird auch Quellen enthalten, die nicht Kölner Provenienz sind und die Köln gleichsam von außerhalb in Blick nehmen. Genau darüber, nämlich "Aus Berliner Perspektive - Köln in preußischer Zeit (1815-1870)" referierte Jürgen Herres (Berlin). Wie sah man in Berlin das Rheinland? Anhand von Quellen, die aus dem Geheimen Staatsarchiv preußischer Kulturbesitz stammen, rekonstruieren Jürgen Herres die Beziehungsgeschichte zwischen dem "alten" und dem "neuen" Preußen, das Bild der Berliner vom Rheinland. Dabei werden Klischees deutlich, welche die neue Herrschaft von den Kölnern hatte: Halbfranzosen nannte man sie aufgrund ihrer angeblich mangelnden Bildung und ihres vermeintlich leichten Lebenswandels. Aber andersherum wird auch das stereotypische Bild der Kölner von den "Litauern", wie man die Preußen zu bezeichnen pflegte, bei der Auswertung des Schriftwechsels aus dem ehemaligen preußischen Haus- und Hofarchiv deutlich. Friedrich Wilhelm IV. schrieb von einem Kölnbesuch im Jahre 1817 an seine Schwester und war von Köln begeistert. Graf Friedrich Ludwig Christian zu Solms-Laubach hingegen fand sie "erträglich".

Für die Arbeit an dem dritten Band der Quellenedition erwies sich die geschlossene Überlieferung, der ersten Immediat-Zeitungsberichte in Berlin als Vorteil. Als Gegenüberlieferung sind die dazugehörigen Angaben der Stadt zur Erstellung dieser Berichte im Historischen Archiv der Stadt Köln erhalten. Gerd Schwerhoff (Dresden) berichtete über die Anwendungsoptionen der Edition "Quellen zur Geschichte der Stadt Köln" in der akademischen Lehre und über Möglichkeiten der Übertragung des "Kölner Modells" auf andere Arbeiten an Quellen, hier konkret für die Stadt Bautzen. Sein Bericht gab einen Überblick über die Zusammenarbeit zwischen dem Bautzener Stadtarchiv und 80 Studenten der Geschichtswissenschaft. Anlässlich des Stadtjubiläums von Bautzen und im Rahmen zweier Hochschulveranstaltungen, die unter der Leitung des Referenten stattfanden, wurden von den Studenten Quellen in dem kaum erschlossenen Archiv der Stadt Bautzen bearbeitet. Neben der Erstellung der Quellenedition nach dem so genannten "Kölner Modell", dass bereits Georg Mölich vorgestellt hatte, war es Aufgabe die Quellen für eine Ausstellung präsentationsreif aufzuarbeiten. Die Erfahrungen die Schwerhoff bei den Vorbereitungen zur Veröffentlichung der Edition gemacht hatte, gab er lebhaft wieder und griff damit Diskussionspunkte des Vorabends auf. Dabei ging es neben dem bürokratischen Aufwand bei ehrenamtlicher Geschichtsforschung, u.a. um die personelle Situation der Stadtarchive.

Nach der Mittagspause ging es in die dritte und letzte Sektion, in der die zwei Referenten, Joachim Deeters (Köln) und Wolfgang Gärtner (Düsseldorf) unter der Moderation von Albert Eßer (Bergisch Gladbach) ihre Forschungsergebnisse zum Thema "Raum" darstellten. Der dritte Referent, Everhard Kleinertz (Köln), dessen Thema Mülheim und die Eingemeindungspläne für den rechtsrheinischen Raum 1900 bis 1914 sein sollte, musste seine Teilnahme am Symposium aus gesundheitlichen Gründen leider absagen.
Köln und sein rechtsrheinisches Vorland zur Zeit des Mittelalters und in der frühen Neuzeit beleuchtete Deeters in seinem Vortrag. Hierbei standen weniger die wirtschaftlichen Verflechtungen, als vielmehr die politische Geschichte des Uferstreifens der Niedertrassen bis zum östlichen Heide- bzw. Waldrand, dem heutigen Mauspfad, im Mittelpunkt. 1247 erhielt Köln die Zusicherung, dass es mit keinerlei Befestigungen im Gebiet des Kölner Erzstiftes zu rechnen brauchte. Damit war die stadtkölnische Politik gegenüber den rechtsrheinischen Gebieten auf lange Zeit festgelegt: Unterbindung von wehrhaften Bauten, die der Macht der Stadt Köln schaden konnten. Im Weiteren skizzierte Deeters das Verhältnis zwischen dem römischen Köln und der Befestigungsanlage Deutz, die Zusammenarbeit zwischen Köln und Deutz im 30jährigen Krieg, sowie die Bedeutung Deutz für die Stadt Köln. Hier seien nur einige Beispiele der von Deeters als "Komplementärfunktionen" bezeichneten Beziehungen, wie die Fährverbindung zwischen Köln und Deutz, die Ansiedelung aus Köln vertriebener Juden und die Bedeutsamkeit Deutz als Ausflugsziel der Kölner genannt. Erst durch Deutz wird für Deeters der Kosmos des mittelalterlichen Kölns vollständig. Der Forschungsschwerpunkt des Referenten lag allerdings bei Mülheim: Das Verhältnis der Stadt Köln zu Mülheim war zwar dem zu Deutz ähnlich, aufgrund der größeren Entfernung allerdings etwas entspannter. Auch für die sich zur Stadt entwickelnde Siedlung Mülheim galt ab 1286 die Unterlassung jeglicher Befestigungsbauten. Trotz fortwährender Erinnerungen an dieses Verbot und unter dem Siegel der "Freiheit" von 1575 begannen im Jahr 1588 die Bauarbeiten zu einer großzügigen Festungsanlage. Das gefiel den Oberen der Stadt Köln nicht und sie erreichten auf dem Prozesswege den Stopp des Baues. Aufmerksam wurde die Stadt Köln auf Mülheim einige Jahre später: Kölner Protestanten, denen die Stadt Köln das Abhalten von Predigten nicht besonders leicht gemacht hatte, hielten in Mülheim ihre sonntäglichen Gottesdienste ab.
Nicht nur wegen der Aufnahme der ausgewiesenen (protestantischen) Kölner, sondern auch wegen Erhebungen von Licenten und den wiederholten Versuchen baulich tätig zu werden, machte Mülheim von sich Reden. Deeters referierte das weitere Engagement der Stadt Köln gegen die Mülheimer Entwicklungen, wie zum Beispiel im Jahre 1611 als die Stadt Köln wegen der Licenten und dem unerlaubten Bauen vor dem Kurfürstentag Klage gegen Mülheim erhob. Bereits im Jahre 1612 wurden die Ziele der Fürsten für Mülheim deutlich, als sie ein in drei Sprachen verfasstes Patent veröffentlichen ließen, welches zur Ansiedlung in Mülheim einlud und zudem die freie Ausübung sowohl der katholischen als auch der evangelischen Konfessionen versprach. Damit waren die Positionen Kölns und Mülheims klar dargelegt. Kölns Klage wurde mit dem Verweis auf den Verstoß Mülheims gegen die Goldene Bulle sowie gegen Reichskonstitutionen durch den Kaiser stattgegeben und mit etwas Nachdruck wurde 1614 der Abbruch der Mülheimer Befestigung erreicht. 1615 folgte dann die Abtragung der Neubauten durch 601 namentlich bekannte Handwerker. Vom neuen Mülheim, in dem sich vor allem evangelische Kölner nach ihrer Vertreibung angesiedelt hatten, blieb allein der Friedhof an der Straße nach Bergisch Gladbach erhalten. Die Beziehung zwischen der Stadt Köln und dem linksrheinischen Umland hatte auch eine aufbauende Seite: die Poller Köpfe. Aufgrund der Überschwemmungsgefahr und der Gefahr des Rheindurchbruches, vor allem zwischen Porz und Deutz, führte das Wissen um die damit verbundenen Folgen dazu, dass die Stadt Köln keine Kosten und Mühen scheute das linksrheinische Ufer durch Weidenanpflanzung und durch das Einbringen von Buhnen und Kribben zu befestigen und damit für ein stetiges Zufließen des Stroms auf das rechtsrheinische kölnische Stadtgebiet zu sorgen. So konnte die für Handel und Gewerbe wichtige infrastrukturelle Anbindung gesichert werden. Deeters schloss sein Referat mit dem klaren Hinweis, dass nur Deutz den Kosmos Kölns vollkommen mache - Mülheim hingegen, so lange es klein blieb, für Köln nicht weiter von Interesse war.

Abschließend referierte Wolfgang Gärtner zum Thema "Millionenstadt für ein Jahr - Köln und die Kommunale Neugliederung in den siebziger Jahren", wobei die Bezeichnung "Millionenstadt für ein Jahr" streng genommen gar nicht zutraf, da das eingemeindete Wesseling erst nach 18 Monaten wieder ausgegliedert wurde und damit Köln um die Bezeichnung "Millionenstadt" brachte. Gärtner stellte ausgehend von den wissenschaftlichen Untersuchungen, Vorarbeiten und Gutachten zur Realisierung der Gebiets- und Funktionalreform die Entwicklungen Kölns als Gebietskörper über das "Köln Gesetz" bis zur Ausgliederung Wesselings dar. Mit dem "Wirtschaftswunder" wuchs auch die Bevölkerungszahl, die Lebensverhältnisse zwischen Stadt und Land glichen sich aufgrund infrastruktureller und kommunikativer Verbesserungen an und machten eine neue Leistungsfähigkeit der örtlichen Verwaltungen im ländlichen Raum notwendig. Das neue Stadt-Umland-Verhältnis verlangte nach einer Neuordnung. 1962 entstand durch die Beratungen im Landtag ein neues Landesplanungsgesetz. Parallel dazu entwickelten sich auch neue Ansätze in der Verwaltungswissenschaft, wie u.a. der 45. Deutsche Juristentag 1964 in Karlsruhe zeigte. Die Bestrebungen zur Gebiets-, Verwaltungs- und Funktionalreform gingen über parteipolitische Grenzen hinweg und wurden vor allem auf lokaler Ebene diskutiert. Bis 1970 war der ländliche Raum weitestgehend durch freiwillige Zusammenschlüsse neu sortiert worden, was zumeist eine enorme Steigerung der Leistungsfähigkeit mit sich brachte.

Die Neugliederung der Städte und Gemeinden in den Ballungszonen geschah in einer zweiten Phase. Dazu wurde das Bundesland NRW in acht Neugliederungsteilräume aufgeteilt. Da man sich darüber bewusst war, dass die mit der Neustrukturierung verbundenen Eingemeindungen nicht nur zum Verlust der Selbständigkeit alter Kommunen führen würde, sondern auch Emotionen und Widerstände hervorrufen könnten, mit denen die Abgeordneten, die meist zugleich auch in der kommunalen Politik tätig waren, konfrontiert werden würden, bildete sich im Landtag der so genannte "Zehnerclub". In diesem informellen Gremium, das als "Vorentscheider" zu Bedeutung und Macht kam, war neben je drei Vertretern der Fraktionen der Innenminister vertreten. Bereits in den Verhandlungen zur Neugliederung des Raumes Köln verlor die Domstadt bei den parallel laufenden Verhandlungen zur Neugliederung des Raumes Mönchengladbach-Düsseldorf-Wuppertal Dormagen an den Kreis Neuss. Im Süden - bis Porz - waren die Grenzen durch den bereits festgelegten Raum Bonn/Rhein-Siegkreis vorgegeben. Im Norden ging Leverkusen mit Opladen zusammen. Im Westen Kölns waren die Bedingungen weniger übersichtlich. Im Osten entgingen Bergisch-Gladbach und Bensberg der Eingemeindung. Stimmen, Porz und Wesseling als kreisangehörige Städte zu erhalten, da sie sich entschieden gegen eine Eingemeindung stellten, wurden überhört. Credo war, dass man den besonderen Entwicklungsbedingungen und Funktionen Kölns und seines Umlandes in einem der stärksten Verdichtungsgebiete am Rhein gerecht werden müsse. Nach gescheiterten Änderungsanträgen wurde am 27. September 1974 das "Köln-Gesetz" mit 27 Gegenstimmen und fünf Enthaltungen verabschiedet. Am 4. Mai 1975 fanden gemeinsam mit den Landtagswahlen die ersten Kommunalwahlen nach der Neugliederung statt. Nach diversen Verfassungsbeschwerden über die neue Raumaufteilung - so u.a. für Porz und Wesseling - fanden verfassungsrechtliche Überprüfungen statt: Der Klage Wesselings wurde stattgegeben, Porz verblieb bei Köln. Damit war Wesseling mit dem Urteil vom 6. Dezember 1975 nicht weiter Teil Kölns und Köln nach der folgenden Ausgliederung Wesselings am 1. Juli 1976 nicht mehr länger "Millionenstadt".
Die rundum gelungene Veranstaltung machte Lust auf mehr Kölner Geschichte, hinterließ Anregungen für zukünftige Projekte und gab einen erfreulichen Blick auf Forschung und Arbeit zur Kölner Stadtgeschichte.


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