Innovationen im Schiffbau (20. und 21. Jahrhundert)

Innovationen im Schiffbau (20. und 21. Jahrhundert)

Organisatoren
Deutsches Schiffahrtsmuseum – Leibniz-Institut für deutsche Schifffahrtsgeschichte (DSM)
Ort
Bremerhaven
Land
Deutschland
Vom - Bis
19.03.2016 -
Url der Konferenzwebsite
Von
René Swen Kaminska, Deutsches Schiffahrtsmuseum

Innovationsfähigkeit gilt als eine Kernkompetenz der deutschen maritimen Wirtschaft, deren Erhalt und Ausbau für den Schiffbaustandort Deutschland gerade im Kontext der anhaltenden globalen Konkurrenz von höchster Bedeutung ist. Aufgrund der Relevanz dieses Themas veranstaltete das Deutsche Schiffahrtsmuseum am 19. März 2016 einen Workshop zum Thema „Innovationen im Schiffbau (20. und 21. Jahrhundert)“. Neben geladenen Experten und Wissenschaftler/innen nahmen an der öffentlichen Veranstaltung auch Studierende und ein breites Publikum teil. Es moderierten Christian Ebhardt und Katharina Bothe, wissenschaftliche Mitarbeiter am DSM.

Zu Beginn des Workshops eröffnete die Geschäftsführende Direktorin des Deutschen Schiffahrtsmuseums, Sunhild Kleingärtner, die Veranstaltung. Sie sprach von der Neuausrichtung des Museums und dem Ziel, unterschiedliche Perspektiven miteinander zu verbinden – historische und zukünftige sowie die von Museum und Wirtschaft. JOCHEN THOLEN (Bremen) präsentierte in seinem Impulsreferat Entwicklungen des globalen Schiffbaus und zeigte auf, wie sich der deutsche Spezialschiffbau dort verortet. Dabei stellte Tholen vor allem die Dominanz der asiatischen Schiffbauländer in den Vordergrund. Südkorea, Japan und China nehmen eine Vorreiterrolle im globalen Schiffbau ein, insbesondere im Container- und Tankerschiffbau. In Deutschland stehen hingegen hoch spezialisierte und individualisierte Schiffstypen im Fokus, die ein beträchtliches technisches Know-How erfordern. Als ein globales Problem stellte Tholen das Kapazitätsproblem ins Zentrum. Viele Werften könnten aufgrund von Überproduktionen ihre Kapazitäten nicht mehr nutzen. Als Beispiel nannte er die südkoreanische Werft Hyundai Heavy Industries, die nur noch 60 Prozent ihrer Kapazitäten ausschöpfe.

Im Anschluss sprach JOCHEN MARZI (Hamburg) über die Planbarkeit von Innovationen im Schiffbau. Er betonte, dass Innovationen im Schiffbau grundsätzlich planbar seien, was auf deren verbesserte Berechenbarkeit zurückzuführen sei. Exemplarisch führte er die Energieeffizienzsteigerung moderner Schiffe um durchschnittlich fünf Prozent an, die durch die Berechnungen der HSVA möglich gemacht worden seien. Dennoch stellte Marzi fest, dass die Planbarkeit und die Berechnungen von Innovationen nur gelingen könnten, wenn die nötigen Rahmenbedingungen in Forschung und Entwicklung geschaffen würden. Hierbei seien umweltpolitische Entwicklungen („Green Shipping“) und bildungspolitische Maßnahmen sowie Investitionen von Bedeutung wie etwa eine verbesserte Ausbildung von Ingenieuren.

In seinem Vortrag „Vom ‚Seefalke‘ zur ‚Nordic‘: Innovation aus Tradition“ zeigte CARSTEN WIBEL (Hamburg), Projektleiter von der Bugsier-Reederei auf, inwiefern Innovationen aus Traditionen aufgrund langfristiger Partnerschaften erwachsen. Nur durch Vertrauen zum Partner könne Effektivität im Schiffbau geschaffen werden. In diesem Zusammenhang stellte Wibel einen zielorientierten Kreislauf vor, der die Zusammenarbeit und Interdependenzen zwischen der Reederei, dem Entwickler, dem Zulieferer und der Werft beschreibt. Wenn dieser eingehalten würde, wäre der deutsche Schiffbau im internationalen Wettbewerb gut aufgestellt. Nur durch eine vertrauensvolle und partnerschaftliche Arbeit auf Augenhöhe innerhalb dieses Kreises könne ein effektives Produkt gelingen. Dabei spiele die Tradition eine besondere Rolle, denn es werde kontinuierlich mit Unternehmen zusammengearbeitet, mit denen bereits erfolgreich Projekte durchgeführt wurden.

KARINA WIESELER (Bremen) beschäftigte sich in ihrem Beitrag mit LNG (Liquefied Natural Gas) als maritimen Kraftstoff in den Bremischen Häfen. Wieseler stellte die Neuausrichtung von Bremenports vor. Hier stehe der umweltbewusste und nachhaltige Hafen unter dem Stichwort „Green Ports“ im Zentrum. Um dieses Vorhaben zu verwirklichen, solle verstärkt auf LNG zurückgegriffen werden. Der Erdgasantrieb werde derzeit vor allem in Skandinavien und in den Niederlanden verstärkt eingesetzt. Bremenports möchte aus umweltpolitischer Sicht eine Weiterentwicklung in diese Richtung vorantreiben. Als noch zu lösendes Hindernis wies Wieseler darauf hin, dass bisher keine hafenübergreifenden Sicherheitsrichtlinien im Zusammenhang von LNG existieren. Sie betonte, dass vor allem beim Bebunkern verstärkte Sicherheitsanforderungen erforderlich seien, während beim Be- und Entladen von LNG-Schiffen keine besonderen Sicherheitsmaßnahmen durchgeführt werden müssten.

CHRISTIAN OSTERSEHLTE (Bremen), Archivar der Lürssen Werft, widmete sich in seinem Vortrag „Spezialschiffbau in Vergangenheit und Gegenwart“ der historischen Entwicklung des Spezialschiffbaus. Zu Beginn seines Vortrags verwies Ostersehlte auf ein definitorisches und terminologisches Problem bei der Auseinandersetzung mit der Materie. Er konnte deutlich machen, dass eine genaue Definition von Spezialschiffbau bisher nicht existiere, jedoch sei er durch bestimmte Charakteristika gekennzeichnet. Es handele sich dabei um Schiffe, die durch bestimmte Fähigkeiten oder durch eine spezifische Konstruktion hergestellt beziehungsweise verwendet würden. Exemplarisch stellte er einige Schiffstypen vor, darunter Eisbrecher, Schlepper oder Kühlschiffe. Dementsprechend sei das Spezialschiff kein industriel gefertigtes Massenprodukt, sondern häufig eine Einzelanfertigung.

HARALD WIXFORTH (Bochum) betrachtete in seinem Beitrag „Nische oder Königsweg“? den Spezialschiffbau als zukunftsweisende Unternehmensstrategie in der deutschen Werftindustrie. Hierbei bettete er die Entwicklung des Spezialschiffbaus in die gesamtstaatliche wirtschaftliche Entwicklung ab 1945 ein. Dabei stellte er Bezüge zu den Entwicklungspfaden anderer Industriezweige, beispielsweise der Automobilindustrie, in Deutschland her.

HAJO NEUMANN (Mannheim) widmete sich Innovationen im Schiffbau aus musealer Perspektive. Konkret erläuterte er Möglichkeiten der musealen Aufbereitung des nukleargetriebenen Schiffes „Otto Hahn“. Zunächst nannte Neumann die Originalobjekte, die sich in der Sammlung des DSM befinden. Darunter fallen der Maschinen- und Reaktorleitstand, ein Brennstäbehalter, der Schornstein sowie ein Modell der „Otto Hahn“ aus den Beständen der Gesellschaft für Kernenergieverwertung in Schiffbau und Schiffahrt (GKSS). Neumann verwies darauf, dass eine museale Aufarbeitung der „Otto Hahn“ über die reine Darstellung eines kernenergiebetriebenen Schiffes hinausgehen sollte. Hierbei seien vor allem umweltgeschichtliche, kulturelle und politische Aspekte mit einzubinden.

Abschließend berichtete RINSKE JURGENS (Rotterdam) über die Neukonzeption ihres Museums. Ihr Fokus lag dabei auf dem Ausstellungsbereich „Offshore“, dessen Neukonzeption und Umsetzung Jurgens in enger Partnerschaft zwischen Industrie und Museum realisierte. Diese Kooperation biete dem Museum die Möglichkeit, authentische Objekte, vor allem aus der Offshore-Industrie, zu zeigen. Damit könne auch der Museumsbesucher aktuelle Arbeitsbereiche und Aufgaben der Industrie innerhalb des Museums erleben. Durch die enge Kooperation könnten die Ausstellungen zudem immer wieder zeitnah gestaltet werden. Auch können Unternehmer das Museum als Veranstaltungsort nutzen.

In der Abschlussdiskussion präsentierte Ruth Schilling, wissenschaftliche Ausstellungs- und Forschungskoordinatorin am DSM, die Neuausrichtung des Deutschen Schiffahrtsmuseums in Bezug auf die Neugestaltung der Ausstellungen. Dem Thema Schiffbau werde hier zukünftig ein bedeutender Stellenwert zukommen. Forschung solle im „Prozess“ sichtbar gemacht werden. Dabei sind Kooperationen zu Institutionen, die im Bereich Schiffbau tätig, sind erwünscht. Durch den Workshop wurde ein guter Grundstein dafür gelegt.

Im Verlauf des Workshops „Innovationen im Schiffbau (20. und 21. Jahrhundert)“ hat sich herauskristallisiert, dass das Thema vielfältige Facetten aufweist, die weit über die rein technische Entwicklung des Schiffbaus hinausgehen. Die Bandbreite der behandelten Themen reichte von mikrohistorischen Fallbeispielen über innovationstheoretische Überlegungen bis hin zu den notwendigen politischen, rechtlichen und sozialen Rahmenbedingungen, die wirtschaftliche Innovationsleistungen befördern oder einschränken. Durch den Einbezug musealer Fachbeiträge konnten darüber hinaus die Möglichkeiten einer perspektivischen Erweiterung technikhistorisch ausgerichteter Ausstellungen und Kooperationsformen für Ausstellungsprojekte an konkreten Beispielen diskutiert werden.

Konferenzübersicht:

Begrüßung: Sunhild Kleingärtner (DSM)

Session I: Rezente Entwicklungen

Jochen Tholen (IAW/Universität Bremen) »Historische Zyklen und zukunftsfähige neue Felder des globalen Schiffbaus – wie verortet sich darin die seit 2008 (notgedrungene) Konzentration des deutschen Schiffbaus auf den Spezialschiffbau?«

Jochen Marzi (HSVA) »Planbarkeit von Innovationen – Wunsch und Wirklichkeit (im Schiffbau)«

Carsten Wibel (Bugsier-Reederei) »Vom ‚Seefalke‘ zur ‚Nordic‘: Innovation aus Tradition«

Karina Wieseler (bremenports) »LNG als maritimer Kraftstoff in den Bremischen Häfen«

Session II: Historische und museologische Perspektiven

Christian Ostersehlte (Lürssen Werft) »Spezialschiffbau in Vergangenheit und Gegenwart«

Harald Wixforth (Ruhr-Universität Bochum) »Nische oder Königsweg? Der Spezialschiffbau als zukunftsweisende Unternehmensstrategie in der deutschen Werftindustrie«

Hajo Neumann (Technoseum Mannheim) »(Wie) Kann man komplexe Zusammenhänge mit musealen Objekten darstellen? Das Atomschiff OTTO HAHN im Deutschen Schiffahrtsmuseum«

Rinske Jurgens (Maritiem Museum Rotterdam) »Offshore energy experience; for, by and with the industry«

Abschlussdiskussion


Redaktion
Veröffentlicht am
Autor(en)
Beiträger
Klassifikation
Region(en)
Weitere Informationen
Land Veranstaltung
Sprache(n) der Konferenz
Deutsch
Sprache des Berichts