Venedig als Bühne. Organisation, Inszenierung und Wahrnehmung europäischer Herrscherbesuche

Venedig als Bühne. Organisation, Inszenierung und Wahrnehmung europäischer Herrscherbesuche

Organisatoren
Romedio Schmitz-Esser, Deutsches Studienzentrum in Venedig; Knut Görich, Ludwig-Maximilians-Universität München; Jochen Johrendt, Bergische Universität Wuppertal
Ort
Venedig
Land
Italy
Vom - Bis
09.12.2015 - 11.12.2015
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Von
Sabina De Luca, Ludwig-Maximilians-Universität München

Über die Jahrhunderte kamen europäische Herrscher und ihre Gesandte zu Besuch in die Lagunenstadt, mit unterschiedlichem Anlass und Ablauf, je nach Absicht des Besuchers und Interessenlage in der Stadt.

Dieser Befund bildete den Ausgangspunkt der Tagung „Venedig als Bühne. Organisation, Inszenierung und Wahrnehmung europäischer Herrscherbesuche“. Sie vereinte am konkreten Beispiel Venedigs zwei üblicherweise getrennt voneinander untersuchte Themenbereiche einer neuen Kulturgeschichte des Politischen, die anders als die traditionelle Politikgeschichte ihr Augenmerk weniger auf politische Ideen und vermeintlich objektive Machtstrukturen richtet, sondern auf symbolische Repräsentation und deren Wahrnehmung abzielt. Gemeint sind die Themenbereiche des adventus und die Herrscherbegegnung. Die Tagung schlug eine zeitliche Brücke vom Frühmittelalter bis ins 18. Jahrhundert und setzte neben der geschichtswissenschaftlichen Herangehensweise vor allem auf eine kunsthistorische Perspektive. Ziel war es, neben den politischen Gründen der Besuche ihrer praktischen Organisation, ihrer rituellen Ausgestaltung und ihrer Wahrnehmung nachzugehen.

Der Direktor des Studienzentrums Romedio Schmitz-Esser erklärte in einer kurzen Einführung die Leitfragen der Tagung, unter anderem, warum für den jeweiligen Besuch Venedig gewählt wurde, wie er ablief, welche Rolle der Doge und die Venezianer spielten, und wie sich der Besuch in der Historiographie und der späteren Rezeption niederschlug.

Als erstes gab GERD ALTHOFF (Münster) einen einleitenden Überblick zur Inszenierung des Besuchs in der Vormoderne, wobei er die Möglichkeit einer übergreifenden Deutung der Besuche, die im Laufe der Tagung untersucht werden sollten, ansprach. Herrscherbesuche in Mittelalter und Neuzeit würden nämlich durch rituelle Handlungen konstituiert, die Verbindlichkeiten für die Zukunft schaffen sollten; demgegenüber würden solche zeremoniellen Handlungen in der Moderne keine 'Wirklichkeit' mehr schaffen. Im ersten Fall bestimme der Ablauf der Herrscherbesuche das zukünftige Verhältnis der beiden anwesenden Seiten, indem gegenseitige Rechte und Pflichten ersichtlich wurden. Der Charakter einer 'Aufführung' bei so einem Besuch werde auch dadurch verdeutlicht, dass man in ihrer Beschreibung Begriffe aus dem theatralischen Wortschatz benutzte.

Anschließend dazu stellte ACHIM HACK (Jena) mit Ludwig II. den ersten belegten Besuch eines karolingischen Königs (und eines Königs überhaupt) in der Lagune vor. Hack zog das Chronicon Venetum des Johannes Diaconus heran, welches auch für zukünftige Besuche eine der Hauptquellen darstellen sollte. Im Chronicon wird das wichtigste Ereignis des Aufenthaltes von Ludwig II. in Venedig beschrieben: Die Übernahme der Patenschaft von Seiten Ludwigs über die Tochter des Dogen. Damit sollte eine Tradition der compaternitas begründet werden, die als liturgischer Akt auch bei späteren Besuchen die geistliche Verwandtschaft von Kaisern bzw. Königen und dem amtierenden Dogen postulierte.

Anders als die Inkognito-Besuche während des Spätmittelalters oder der Neuzeit unterlag der Besuch Kaiser Ottos III. in Venedig im Jahre 1001 tatsächlich strikter Geheimhaltung. Ausgehend von der Beobachtung, dass nicht nur der Inhalt der Gespräche des Ottonen mit dem Dogen Pietro II. Orseolo geheim blieben, sondern die Tatsache des Gesprächs an sich verheimlicht wurde, suchte KNUT GÖRICH (München) in den innervenezianischen Verhältnissen eine Erklärung für diese Auffälligkeit. Sie lag wohl in der Tatsache begründet, dass der Orseolo als Repräsentant einer Gruppe Doge geworden war, die Distanz zum benachbarten ottonischen Imperium wahrte. Die Spaltung der politischen Führungsschicht hätte einen öffentlichen Besuch mitsamt seinen symbolischen Verhaltensweisen allzu leicht zu einem Sprengsatz für den inneren Frieden der Stadt und die Position des Dogen werden können – ein Zusammenhang, für den der Bericht des Johannes Diaconus wegen seiner Idealisierung des Orseolo-Dogen nur wenig transparent ist.

In einem öffentlichen Abendvortrag stellte NICCOLÒ ZORZI (Padova) die Besuche von byzantinischen Kaisern in Venedig vor. Während die Venezianer schon seit dem 10. Jahrhundert in Konstantinopel ansässig waren, verließen die byzantinischen Herrscher aus ideologischen Gründen lange nicht ihre Stadt. Eine Ausnahme bot die Bedrohung durch das Osmanische Reich, weswegen sich zwischen dem 14. und 15. Jahrhundert drei Kaiser aus Konstantinopel auf den Weg nach Venedig machten. Eine militärische Unterstützung sollte daraus nicht resultieren, trotzdem wurden die Kaiser ihrer Würde entsprechend prunkvoll empfangen und gefeiert. Zorzi ging außerdem auf eine Veränderung in der venezianischen Gesellschaft ein, in der sich im Rahmen der Kontakte mit dem byzantinischen Reich neben der kaufmännischen Schicht eine Gruppe griechisch geprägter Intellektueller etablierte.

Den nächsten Abschnitt zu den Saliern leitete ROMAN DEUTINGER (München) mit einem Vortrag zum Venedigbesuch von Heinrich IV. ein, der gegen Papst Urban II. in der Stadt einen Partner zu finden hoffte. Der Kaiser versprach als Gegenleistung die Reisefreiheit der venezianischen Kaufleute im Reichsgebiet, während sich die Deutschen bis nach Venedig et non amplius bewegen durften – was de facto den Seehandel als Monopol der Lagunenstadt mitbegründete. Da Venedig jedoch schon auf ähnliche Privilegien von byzantinischer Seite setzen konnte, sollte sich Heinrichs Besuch in der Historiographie vor allem im Zusammenhang mit der Auffindung der Reliquien des Heiligen Markus niederschlagen, bei der der Kaiser als Zeuge aufgelistet wurde. Damit initiierte Heinrich IV. eine neue Art des Besuches orationis causa, welche bei den späteren Besuchen als neuer topos wieder auftauchte.

Eine weitere Interessenkonvergenz begründete bei Heinrichs IV. Sohn, Heinrich V., zu Beginn seines zweiten Italienfeldzuges im März 1116 eine Reise nach Venedig. JÜRGEN DENDORFER (Freiburg) wies dabei auf die noch ausstehende kritische Urkundenedition zu Heinrich V. hin: Vor allem die fehlenden einleitenden Kommentare erschweren die Einordnung der Herrschaftsdiplome. Heinrichs zweiter Italienfeldzug sei quasi unerforscht. Für die Unterstützung des Feldzuges zur Einnahme des Erbes der eben verstorbenen Matilde von Canossa konnte Heinrich sich an Venedig wenden, da er zu diesem Ort – im Unterschied zu anderen norditalienischen Städten – ein unbelastetes Verhältnis pflegte. Als Gegenleistung hätte Heinrich Venedig Hilfe im Krieg gegen die Ungarn um die Besetzung Dalmatiens angeboten. Auffällig im Vergleich zu den anderen Herrscherbesuchen sei bei Heinrich V. vor allem die unproblematische, geradezu routinierte Ausübung von herrscherlicher Tätigkeit, die in Placita zum Ausdruck kommt.

Den Übergang von den Saliern zu den Staufern schlugen JOCHEN JOHRENDT (Wuppertal) und ROMEDIO SCHMITZ-ESSER (Venedig) mit zwei Vorträgen über das Zusammentreffen von Friedrich Barbarossa und Papst Alexander III. in Venedig, aus dem 1177 der gleichnamige Frieden hervorgehen sollte.

Den Aufenthalt Alexanders III. untersuchte Jochen Johrendt. Es handelte sich um den einzigen eindeutig nachweisbaren Papstbesuch im mittelalterlichen Venedig, das sich von diesem Sonderfall abgesehen als 'papstfreie' Zone erweist. Venedig als Treffpunkt wurde zwar von Barbarossa vorgeschlagen, hatte aber für die Kurie durchaus seine Vorteile, unter anderem, den Gegner mit einem Zeichen des Entgegenkommens auf den Erfolg der Verhandlungen zu verpflichten. Während Friedrich in der Tradition der weltlichen Herrscher im Dogenpalast weilte, wurden der Papst und die Kurie in der Residenz des Patriarchen untergebracht. Auch das entsprach dem üblichen Procedere, da der Papst, wenn er nicht in Rom weilte, in der Residenz des Bischofs der jeweiligen Stadt residierte. Die Friedensverhandlungen dauerten zwischen März und Oktober, wobei die Kurie vollkommen funktionsfähig blieb. Die spätere Verformung des Papstbesuches in Verbindung mit angeblichen Indulgenzen, die Alexander III. bis hin zum Plenarablass für San Marco ausgestellt haben soll, dienten der venezianischen Historiographie auch als Vorlage für die angeblichen Papstbesuche Benedikts III. und Leos IX. in Venedig, die sich erstmals im Werk des Andrea Dandolo fassen lassen.

Diskutiert wurden bei den Vorträgen von Johrendt und Schmitz-Esser Anlass und Funktion einer Liste von Namen, die im Rahmen der Historia ducum Veneticorum überliefert ist. Johrendt schlug vor, darin zum Teil eine Liste der Anwesenden bei der dem Frieden folgenden Synode zu erkennen, was die hohe Zahl an geistlichen Würdenträgern in ihr erklären könnte. Romedio Schmitz-Esser hingegen sah darin einen organisatorischen Zweck: Es könne sich um eine Gästeliste handeln, die z.B. für die Organisation der Unterkünfte in der Lagune verfasst wurde. Schmitz-Esser konzentrierte sich in seinem Vortrag auf den Aufenthalt von Friedrich Barbarossa in Venedig. Dabei stellte er fest, dass sich in der Historiographie das Bild eines 'gedemütigten' Kaisers etabliert habe, welches seine aktive Rolle im Frieden nicht ausreichend berücksichtige. Eigentlich hätte in Venedig ein gleichrangiges Treffen stattgefunden; genauso sei in der Ausschmückung der Prozession für die beiden Besucher zu sehen, dass eher die wiederhergestellte Ordnung als eine der beiden Seiten zelebriert wurde. Zum Schluss stellte Schmitz-Esser noch den bedeutendsten, aber auch unbekanntesten Bestandteil der Erinnerung an den Friedensschluss vor: Die Errichtung der beiden Säulen von San Marco und San Tòdaro auf der Piazzetta vor dem Markusplatz könnte ursprünglich der Erinnerung an diesen diplomatischen Erfolg des Dogen Sebastiano Ziani durch seinen Sohn, den Dogen Pietro Ziani, gedient haben.

Der Vortrag von HUBERT HOUBEN (Lecce) zeigte, dass der Venedigbesuch des staufischen Kaisers und Königs von Sizilien Friedrich II. im März 1232 in einer Zeit stattfand, in der das Verhältnis zwischen dem Herrscher und der nicht zu seinem Herrschaftsbereich gehörenden Stadt noch entspannt war. Venedig verhielt sich in der Auseinandersetzung Friedrichs mit der lombardischen Liga und den Päpsten neutral, und der Kaiser gewährte den venezianischen Kaufleuten bei seinem Besuch weitgehende Vergünstigungen in Süditalien und Sizilien. Erst als Venedig nach dem Sieg Friedrichs über den Lombardenbund bei Cortenuova (1237) seine Neutralität aufgab und sich auf die Seite der Gegner des Kaisers stellte, verschlechterte sich das Verhältnis: Als Reaktion auf Angriffe venezianischer Schiffe ließ Friedrich 1240 Pietro Tiepolo, den Sohn des Dogen Jacopo Tiepolo und ehemaligen Podestà von Mailand, der bei Cortenuova gefangen genommen worden war, hinrichten. In der Geschichtsschreibung fand der Venedigbesuch des Kaisers nur geringe Beachtung. Aus venezianischer Sicht war er nur eine Episode, die ebenso bald vergessen wurde wie die Hinrichtung des Dogensohns.

Der Beitrag von EVA SCHLOTHEUBER (Düsseldorf) beleuchtete ein weiteres, schwieriges Verhältnis zwischen einem Herrscher und Venedig. Der Luxemburger Karl IV. versuchte den Krieg zwischen Venedig und Verona für eigene Territorialgewinne zu nutzen. Karl selbst beschreibt in seiner Autobiographie, wie er einem Besuch in der Lagunenstadt, den die Venezianer erzwingen wollten, durch die Flucht von einem Boot entkam. Venedig hoffte durch einen offiziellen Besuch Karl als Bündnispartner präsentieren zu können. Einem Bündnis mit der Liga von Venedig und Florenz gegen die Scala von Verona stimmte Karl allerdings nur zu, nachdem er seine Stellung im Tirol gesichert hatte. Der venezianische Notar Jacopo Piacentino erwähnt im Bellum Veneto-Scaligerum nicht Karls Flucht vor dem Empfang in der Lagune, sondern seinen adventus in Venedig im August 1337, welches das offizielle Bündnis zwischen dem König und der Stadt zeichnen sollte. Der Krieg in Oberitalien und der Schachzug gegenüber Venedig begründete nach Schlotheuber das selbstständige historische Handeln von Karl IV.

Die Beiträge zum Mittelalter abschließend stellte CLAUDIA MÄRTL (München) die Aufenthalte Friedrichs III. in Venedig vor. Bei den drei Besuchen Friedrichs ließen sich einige topoi nachvollziehen, die die Tagungsdiskussionen prägten. Der Kaiser entschied sich zwar nicht für einen Besuch in Inkognito, soll aber neben seinem herrscherlichen Auftreten beim Dogen auch auf eine Aufhebung der Distanz bestanden haben, wenn es um Besuche bei Kaufläden, Klöstern oder Festen ging. Dabei handelte es sich nicht, wie es in späteren Zeiten die Mode werden sollte, um eine Flucht vor politischen Verpflichtungen, sondern um eine bewusste Form der Selbstdarstellung: Friedrich III. markierte stets, ob er als Herrscher, frommer Christ oder Privatmann auftreten wollte. Die politische Sphäre sollte auch bei Friedrichs letzter Venedigreise demonstrativ im Hintergrund bleiben: Während die Venezianer versuchten, bei ihm Hilfe im Krieg gegen das Osmanische Reich zu gewinnen, deklarierte Friedrich seinen Besuch in der Stadt von Anfang an als Pilgerfahrt.

Die letzte Sektion der Tagung beschäftigte sich mit der Neuzeit, die Venedig in einer Phase des politischen Abstiegs erlebte, zu dem sich jedoch parallel das kulturelle Angebot umso mehr vergrößerte, als die Serenissima zu einer europäischen Hauptstadt der Vergnügung wurde. Dementsprechend erfolgten auch die Herrscherbesuche aus anderem Anlass und mit anderem Ablauf. TOBIAS WEISSMANN (Berlin / Rom) zeigte Anhand von vier Herrscherbesuchen im 17. und 18. Jahrhundert, wie Venedig durch Prunkregatten auf dem Canal Grande versuchte, den Besucher und vor allem sich selbst zu inszenieren. Trotz der wachsenden Beliebtheit der Reisen im Inkognito bei den Sprösslingen des europäischen Adels auf Grand Tour, welches eine offizielle Inszenierung des Besuchs zu vermeiden helfen sollte, versuchte Venedig mit der Ersetzung des offiziellen ingresso durch die Regatta Grande ein Mittel der Selbstdarstellung zu gewinnen. Es handelte sich dabei ursprünglich um einen sportlichen Wettkampf, der in diesem Fall sowohl als Festzug als auch als Darstellung der militärischen und kulturellen Kraft der Stadt durch die teilnehmenden venezianischen Männer diente.

Auf ähnliche Weise versuchten die Venezianer den Besuch des polnischen Königs Heinrich III. von Valois, der sich 1574 auf der Durchreise nach Paris aufhielt, um dort die kaiserliche Krone zu empfangen, für die eigene Selbstdarstellung zu nutzen. EVELYN KORSCH (Erfurt) verwies auf bemerkenswerte Parallelen zwischen der Inszenierung des Einzuges des französischen Königs in die Stadt und der via sacra entlang des Forum Romanum, die in späterer Zeit für den päpstlichen possesso benutzt wurde. Zu Beginn des Einzuges, der dem traditionellen Weg der Heirat des Dogen mit dem Meer (Sensa) entsprach, wurde beispielsweise ein Triumphbogen in Nachahmung des Bogens des Septimius Severus aufgestellt. Während Heinrich mit der Hoffnung eines Darlehens für seinen Kampf gegen die Hugenotten nach Venedig kam, nutzte die Stadt den Aufenthalt des rex christianissimus drei Jahre nach der Schlacht von Lepanto somit für die eigene Darstellung als politisches und wirtschaftliches Zentrum.

STEFANIE COSSALTER-DALLMANN (Frankfurt / Kassel) stellte schließlich in ihrem Vortrag den Herrscherempfängen die offiziellen Empfänge ihrer Repräsentanten gegenüber. Dabei konnte sie anhand bislang weitgehend unpublizierten Archivmaterials die Entwicklung einer ab dem 16. Jahrhundert fortschreitenden Institutionalisierung der Strukturen des venezianischen Empfangszeremoniells nachzeichnen, anlässlich der Akkreditierung ausländischer Botschafter in Venedig, einem der Geburtsorte der modernen Diplomatie. Vor allem aber machte sie auf eine topographische Neustrukturierung des Zeremoniells aufmerksam, deren Reflexionen bis in den lagunaren Stadtraum Venedigs ausstrahlten. Neben den vier bereits für den offiziellen Empfang politischer Würdenträger bestimmten Zufahrten in die Lagune etablierte sich beispielsweise die Begrüßung der Botschafter auf jeweils festgelegten Inseln, entsprechend der sie entsendenden Höfe.

Im abschließenden Vortrag der Tagung beschäftigte sich STEPHAN OSWALD (Parma) noch einmal ausgiebig mit dem bereits mehrmals angesprochenen Inkognito. Oswald definierte das Inkognito als Gegen-Zeremoniell mit festen Regeln, das im Venedig des Settecento, zu der Zeit die Vergnügungsmetropole schlechthin, von regierenden Fürsten und hochrangigen Adelsvertretern während ihres Aufenthalts gewählt wurde. Politische Unannehmlichkeiten ließen sich damit vermeiden und zugleich erlaubte es, in größerer Freiheit am öffentlichen Leben teilzunehmen. Das Inkognito sollte dabei durchaus nicht die Reise selbst verheimlichen; fiktive und tatsächliche Identität seien vielmehr austauschbar gewesen. Eine Entsprechung hatte das Inkognito in der venezianischen Gesellschaft im allgemeinen Tragen von Masken, deren Gebrauch zu bestimmten Anlässen und Zeiten des Jahres genau festgelegt war. Eines der Motive war das durch die räumliche Enge der Stadt erzwungene enge Zusammenleben, in dem die Maskierung den Patriziern größere Bewegungsfreiheit und Sicherung der Privatsphäre gewährleistete. Das Inkognito hochadeliger Reisender führte jedoch zu einem doppelten Dilemma, da die gewünschte Anonymität den Interessen Venedigs, das die ranghohen Besucher glanzvoll empfangen wollte, oftmals zuwiderlief, während die Besucher selbst durch den gewählten niedrigeren Inkognito-Status nicht mehr von der Bevölkerung abgegrenzt und der öffentlichen Neugierde ausgesetzt waren.

Die übergreifende chronologische und vergleichende Vorgehensweise brachte erstaunliche Kontinuitäten vom Frühmittelalter bis ans Ende der Vormoderne zu Tage, die jedoch bedingt durch die unterschiedliche Quellenlage nicht immer im gleichen Maße eindeutig zu fassen sind. Etliche der ab dem 15. Jahrhundert deutlich zu greifenden Momente sind in der bisweilen kargen Quellenlage des Früh- und Hochmittelalters bereits ansatzweise zu erkennen. Die lange zeitliche Perspektive ließ zudem die immer stärkere Verfestigung des adventus in seiner Norm erkennen, die jedoch vor allem durch das in Venedig immer wieder zum Tragen kommende Moment des Inkognito aufgebrochen werden konnte.

Konferenzübersicht:

Sektion I: Einführung in das Tagungsthema

Begrüßung und Einführung durch die Organisatoren

Gerd Althoff (Westfälische Wilhelms-Universität Münster), Die Inszenierung des Besuches in der Vormoderne

Sektion II: Karolinger und Ottonen

Achim Hack (Friedrich-Schiller-Universität Jena), Die Karolinger und Venedig

Knut Görich (Ludwig-Maximlians-Universität München), “Im Dunkel der Nacht” - Kaiser Otto III. besucht Venedig (1001)

Öffentlicher Abendvortrag: Niccolò Zorzi (Università degli Studi di Padova ), Imperatori fuori di Bisanzio: Venezia e altri viaggi

Sektion III: Salier und Päpste

Roman Deutinger (Bayerische Akademie der Wissenschaften), Vom toten Winkel auf die Bühne: Heinrich IV. in Venedig

Jürgen Dendorfer (Albert-Ludwigs-Universität Freiburg), Heinrich V. und Venedig

Jochen Johrendt (Bergische Universität Wuppertal), Venedig als 'papstfreie' Zone und die Bedeutung der Ausnahme

Sektion IV: Die Staufer und das Spätmittelalter

Romedio Schmitz-Esser (Deutsches Studienzentrum in Venedig), Friedrich Barbarossa zu Besuch: Zwischen Gästeliste und Wahrnehmung des Friedens von Venedig

Hubert Huoben (Università del Salento), Kaiser Friedrich II. und Venedig - Versuch einer Annäherung

Eva Schlotheuber (Heinrich Heine Universität Düsseldorf), Ein schwieriges Verhältnis – Karl IV. und Venedig

Claudia Märtl (Ludwig-Maximilians-Universität München), Friedrich III. und Venedig

Sektion V: Die Neuzeit bis zur Auflösung der Republik

Tobias Weißmann (Humboldt-Universität zu Berlin/Deutsches Historisches Institut Rom), “Il Canal grande pareva un teatro”- Prunkregatten, Festmusiken und ephemere Architekturen zu Ehren ausländischer Fürsten im Venedig des 17. und 18. Jahrhunderts

Evelyn Korsch (Universität Erfurt), “Der Welt schönstes Spektakel”- Inszenierung und Rezeption des Besuchs Heinrichs III. von Valois (1574)

Stefanie Cossalter (Museumlandschaft Hessen Kassel), Der Empfang der Herrscherrepräsentanten in der Serenissima

Stephan Oswald (Università degli Studi di Parma), Inkognito in Venedig: Der Hochadel zu Besuch in der Stadt


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