Materielle Geschichte zwischen Ding und Kontext. Perspektiven für die Erschließung und Erforschung im Digitalen

Materielle Geschichte zwischen Ding und Kontext. Perspektiven für die Erschließung und Erforschung im Digitalen

Organisatoren
Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam
Ort
Potsdam
Land
Deutschland
Vom - Bis
16.11.2015 -
Url der Konferenzwebsite
Von
Axel Drieschner, Berlin / Eisenhüttenstadt

Das Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam veranstaltete den Workshop am 16.11.2015 im Rahmen seines Projekts „Materielle Kultur als soziales Gedächtnis einer Gesellschaft“. Dieses sucht unter der Leitung von Andreas Ludwig am Beispiel der Sammlung des Dokumentationszentrums Alltagskultur der DDR in Eisenhüttenstadt nach neuen Wegen der Verknüpfung von zeithistorischer Forschung und der Analyse von Dingquellen. Im Workshop wurden die Möglichkeiten ausgelotet, die Objektdatenbanken im Internet hierzu eröffnen. Die Referenten beleuchteten das Problemfeld aus der Perspektive der Museen, der historischen und sachkulturellen Forschung und teils vonseiten des Kommunikationsdesigns. Breiten Raum beanspruchte die Frage, wie umfassend Dingquellen in Onlinedatenbanken kontextualisiert und interpretiert werden sollten. Einige werteten die narrative Einbindung kritisch, da sie die Beschäftigung mit dieser polyvalenten Quellensorte in der Recherchephase nicht bereits durch Deutungen beeinflusst sehen mochten, andere erblickten gerade in der umfassenden Verknüpfung von Objekt- mit Kontextinformationen ein wesentliches Potential von Internetportalen. Im Fokus stand außerdem die Frage der Repräsentierbarkeit des Materiellen im Digitalen, inwiefern also Dingquellen in ihrer Web-förmigen Vermittlung „lesbar“ und verstehbar sind.

Der Historiker FRANK BÖSCH (Potsdam) bot einleitend einen praxisorientierten Problemaufriss. Die Arbeit mit Objektdatenbanken besitze in der Geschichtsforschung bislang einen geringen Stellenwert. Lange etablierte Angebote wie die Onlinedatenbank des Deutschen Historischen Museums (DHM) würden nur wenig genutzt. Anderseits setzten sich die Protagonisten der Material History zu wenig mit den Erfordernissen und Möglichkeiten virtueller Präsentationen auseinander. Die beiden wichtigsten Überblickswerke, das „Oxford Handbook of Material Culture Studies“1 sowie das „Handbuch Materielle Kultur“2 enthielten keine Kapitel zu Fragen der digitalen Präsentation.

Sodann veranschaulichte Bösch das Erkenntnispotential einer mehrschichtigen Objektanalyse und die konkrete Vorgehensweise bei der Recherche anhand eines populären Beispiels, der ab den 1950er- bis in die 1970er-Jahren als Comicheld und Spielpuppe beliebten „Mecki“-Figur. In den Datenbanken des DHM habe er dazu nur wenige Basisdaten vorgefunden. Die Forschung benötige jedoch umfassendere Angaben, etwa zum Gebrauchskontext des Objekts und zu seiner kulturellen Genese. Als unbefriedigend bezeichnete er auch die weitmaschige Verschlagwortung von Sammlungsdatenbanken wie jener des DHM und ferner, dass aus mitunter überzogener Rücksichtnahme auf urheberrechtliche Belange vielfach Abbildungen fehlten. Darüber hinaus sei es sinnvoll, Nutzer von Internetdatenbanken anhand der Kommentarfunktion nach ihren Erfahrungen und ihrer Expertise zu befragen.

In der Verknüpfung der unterschiedlichsten historischen Facetten von Objekten sieht Bösch die genuine Chance des „digitalen Ausstellens von Dingen“. Dabei würden digitale Präsentationen - ähnlich klassischen Museumsausstellungen - zugleich Angebote für eine zeithistorische Narrativierung gegenständlicher Quellen liefern. Objektdatenbanken wie diejenigen des DHM mit ihren auf Elementardaten reduzierten Angaben könnten dies aufgrund ihrer „willkürlichen Kleinteiligkeit“ nicht leisten. Andererseits erkannte Bösch in der „egalitären Fragmentierung und Vereinzelung der Objekte“ auch eine Qualität, die sich von der Hierarchisierung und Inszenierung von Exponaten in musealen Ausstellungen abhebe.

KATJA BÖHME und ANDREAS LUDWIG (beide Potsdam) erläuterten ihr Vorhaben der Entwicklung einer „Digitalen Wissensplattform für materielle Kultur“. Ihre Kernfrage, zugleich die zentrale Fragestellung des Workshops, lautete: Wie lassen sich Objektdokumentationen und narrative Elemente auf digitaler Ebene so verbinden, dass daraus neue Forschungsansätze und Erkenntnismöglichkeiten erwachsen? Sie präsentierten eine Auswahl bürokratischer Herrschaftsobjekte aus der Sammlung des Dokumentationszentrums Alltagskultur der DDR und gliederten sie nach Begriffen wie „Planung“, „Kontrolle“ oder „Büroarbeit“. Diese Kategorisierung entspreche nicht dem Ordnungssystem der Sammlung, sondern sei gezielt auf forschungsrelevante Problemstellungen ausgerichtet.

Als ein Beispiel führte Ludwig den in Büros und Betrieben (freilich auch im privaten Bereich) allgegenwärtigen Papierkorb aus der Produktion des VEB Plastverarbeitungswerks Staaken an. Von 1960 bis 1989 hergestellt, avancierte der Artikel zu einem Klassiker der DDR-Produktkultur. Entsprechend gut stelle sich der Forschungsstand dar, so dass viele Informationen vorlägen, bis hin zur Biographie des Designers. Als allgemeinen Entstehungshintergrund werde die geplante Webpräsentation auf die Chemie-Konferenz von 1958 verweisen, mit Angabe von Literatur und Archivbeständen.

Böhme demonstrierte sodann, welche Möglichkeiten sich eröffnen, wenn eine rückwirkende Rekonstruktion der Objektgeschichte gelingt. Ihr Beispiel befand sich irrtümlich in der Sachgruppe „Kinderspielzeug“ der Sammlung des Dokumentationszentrums. Nach Recherchen in Archiven und bei Zeitzeugen habe sie es als selbstgebastelte Zählmaschine, die in einer Bibliothek zur Erfassung von Benutzerzahlen und Ausleihen diente, identifizieren können. Aus diesen Erkenntnissen erwüchsen neue Fragen, etwa wie und mit welchen Resultaten das Leseverhalten in der DDR analysiert wurde. Hierzu seien andere Quellengattungen wie Statistiken oder interne Analysen hinzuzuziehen. Darin zeige sich, so Böhme, das Potential materieller Quellen, Fragen aufzuwerfen, die von einer einseitig textbasierten Forschung unbeachtet blieben. Die im Aufbau begriffene digitale Präsentation werde die Zählmaschine unter der Kategorie „Kontrolle“ aufnehmen, neben Objekten wie einem Hausbuch, einem Passierschein, einem Kundenbuch der Konsumgenossenschaft oder einer Kaderakte mit betrieblichen Einschätzungen.

In der Diskussion wurde der Einwand geäußert, der Ordnungsstruktur der Objektpräsentation fehle es an Nachhaltigkeit, da sich mit der Zeit neue Tableaus von Fragestellungen formierten. Vielleicht entspreche der Ansatz zu sehr dem Konzept des analogen Ausstellungskatalogs. Problematisiert wurde ferner das Verhältnis von Informationsbereitstellung und Deutung. Die kontextualisierenden Essays legten die Benutzer zu sehr auf bestimmte Interpretationen fest, wobei freilich die Ansprüche von Forschern andere seien als jene breiter Zielgruppen.

JOHANNA SÄNGER (Leipzig) erblickte den Forschungsauftrag der Museen nicht in der Generierung neuer Ansätze für die Geschichtswissenschaft, sondern sah ihn auf die Bewertung und Erschließung des Sammlungsguts begrenzt. Dieses Wissen schlage sich heute zumeist in den Objektdatenbanken der Museen nieder und weniger in den ausstellungsbegleitenden Publikationen. Hierzu eröffneten Onlinedatenbanken zwar eine Alternative, doch seien nur wenige Museen zu einem Angebot vergleichbar demjenigen des DHM imstande. Plattformen, die eigenständige Nutzerrecherchen im Internet erlaubten, blieben die Ausnahme. Auch große Einrichtungen wie das Haus der Bayerischen Geschichte, das Militärhistorische Museum Dresden oder die Gedenkstätte Buchenwald beschränkten sich auf eine kleine Auswahl von Objekten.

Ihre Erfahrungen mit Nutzern der Sammlungsdatenbank des Stadtgeschichtlichen Museums Leipzig habe gezeigt, dass das Interesse an umfassenden Kontextinformationen gering sei. Im Vordergrund stünden Anfragen von Besitzern oder Spezialisten, von deren Kenntnissen das Museum auch seinerseits profitieren könne. Dem breiten Publikum genüge es, wenn knappe Leittexte zu den jeweiligen Epochen den geschichtlichen Hintergrund grob skizzierten. Insgesamt sei jedoch die Nutzerzahl der Onlinedatenbanken im Vergleich zur Besucherzahl von Museen vergleichsweise gering.

Im Kern blieben digitale Objektkataloge, entstanden aus dem Zettelkatalog, interne Arbeitsmittel der Museen. Bei einer Öffnung für den virtuellen Raum ergebe sich im übrigen die Frage, welche der hinterlegten Daten überhaupt allgemein zugänglich gemacht werden dürften. Viele Rechtsfragen seien hier nicht eindeutig geklärt, wie in der Diskussion ergänzt wurde.

Ähnlich Sänger betonte MANFRED WICHMANN (Berlin), dass die „mehrschichtige Dimension“ gegenständlicher Quellen auch im Digitalen zur Geltung komme müsse. Dann eröffne sich die Chance, ein Schaudepot im virtuellen Raum zu errichten. Dort dürften die Objekte aber nicht lediglich als „Typen“ behandelt werden, vielmehr sei ihre individuelle ‚Biographie’ zu berücksichtigen. Gerade für Gegenstände der Alltagskultur seien Daten zur Nutzung, Rezeption und Verbleibgeschichte essentiell. Die so geschaffene Verfügbarkeit großer Objektquantitäten könnten neue Forschungsansätze freisetzen, den Besuch der Museumssammlung und die physische Begegnung mit dem Objekt letztlich aber nicht ersetzen.

Ein Problem vieler Plattformen erkannte Wichmann in der fehlenden redaktionellen Bearbeitung der Beiträge. Für eine professionelle Kontinuität in der Pflege bedürfe es einer festen redaktionellen Stelle. Erst dies ermögliche die Einhaltung von Mindeststandards in der Darstellung, welche erforderlich seien, um Forschern eine gezielte Suche zu ermöglichen. In der Diskussion wurde angemerkt, dass große Verbundprojekte wie museum-digital oder das Kulturportal europeana diesbezüglich im Vorteil seien, auch wenn die Expertise zu den Objekten bei den Museen verbleibe, die die Datensätze einstellten.

Nach diesen Ausführungen aus der Museumsperspektive kam ANKE ORTLEPP (Kassel) zurück auf die Position der materiellen Kulturforschung. Sie unterstrich die Bedeutung der gegenständlichen Überlieferung für die Historiographie. Dingliche Quellen sollten in jeder Untersuchung Berücksichtigung finden, wovon die zeithistorische Forschung mit ihrer Privilegierung textlicher Quellen weit entfernt sei. Als vorbildlich führte Ortlepp die Erforschung marginalisierter Gruppen wie der afroamerikanischen Bevölkerung in den USA an, zu der Dingquellen einen wesentlichen Beitrag leisteten. Das sich auf schriftarme Kulturen beziehende Beispiel, ließe sich einwenden, ist allerdings nicht per se stichhaltig für Forschungsgebiete mit breiter Textüberlieferung.

Für die Präsentation dinglicher Quellen im Netz seien drei Grundanforderungen zentral: die Berücksichtigung der Dreidimensionalität von Gegenständen vermittels mehransichtiger fotografischer Darstellungen; eine präzise verbale Objektbeschreibung, einschließlich Oberflächenbeschaffenheit, Gewicht, gegebenenfalls auch Geruch und Geräuschen (zu Letzteren könnten Audiofiles eingestellt werden); Entstehungsgeschichte, Provenienz und weitere Kontextdaten seien umfassend anzugeben, jedoch ohne historische Narrativierung.

In ihrem Kommentar hob ANNETTE CREMER (Gießen) die Grenzen der medialen Repräsentierbarkeit von Objekten hervor. Die ‚Übertragung’ dinglicher Quellen ins Digitale vermindere ihr Erkenntnispotential einschneidend. Die Vermehrung der Abbildungszahl könne dieses Manko nicht kompensieren, denn das methodische Grundproblem, die physische Abwesenheit des Gegenstands, bleibe bestehen. Die Aufmerksamkeit richte sich im Netz nicht auf diesen selbst, seine Körperlichkeit, spezifische Materialität und Haptik, sondern auf Begleitinformationen und Interpretationen. Dabei bleibe dem Nutzer die Differenz zwischen dem „Original“ und seiner medialisierten Darstellung verborgen, er könne die daraus erwachsende Vorstrukturierung seiner Erkenntnismöglichkeiten nicht ermessen.

Ortlepp sah die Aufgabe von Objektdatenbanken dezidiert auf Grundfunktionen der Objektinformation und -verwaltung beschränkt. Ihre Nutzung könne die forschende Beschäftigung mit dem Objekt nur vorbereiten, niemals ersetzen. Einige Diskutanten wähnten hinter dieser Position eine kulturpessimistische Sichtweise, die den Mehrwert virtueller Formate außeracht ließe, so die erweiterten Möglichkeiten der Kontextualisierung und Partizipation. Ohnehin würden sich die sinnlichen Qualitäten der Exponate selbst im musealen Raum, wo sie in Vitrinen, bei einer bestimmten Beleuchtung usw. gezeigt würden, ebenfalls nicht ungefiltert vermitteln; auch dort seien sie nicht „authentischen“ erfahrbar. Jede Form der Objektrepräsentation enthalte bereits das Moment der Interpretation, verfüge über eigene Möglichkeiten und Begrenzungen.

Eher am Rande berührte die Diskussion ein pragmatisches Ergebnis der fortschreitenden virtuellen Zugänglichkeit von Sammlungsgut, die verminderte Beanspruchung empfindlicher Originale. Exemplarisch wurde die Plansammlung der Technischen Universität Berlin angeführt, die eine sehr erhebliche Abnahme der Vorlagefrequenz von Planblättern verbuchte. Freilich reflektiert dieses Beispiel aus der ‚zweidimensionalen Welt’ nur bedingt auf den Umgang mit dinglichen Quellen.

MARIAN DÖRK (Fachhochschule Potsdam) plädierte für innovative und experimentelle Ansätze bei der Visualisierung von Kultursammlungen. Es gelte, die technischen und ästhetischen Möglichkeiten des Internets auszuschöpfen und sich vom Vorbild tradierter Formate wie Kataloge oder Museumsdatenbanken freizumachen. Lösungsansätze ließen sich nur in disziplinübergreifender Kooperation von Geschichtsforschern, Museumsexperten und IT-Designern entwickeln. Der Beitrag der Museen läge in der Einbringung ihrer „ureigensten kuratorischen Kompetenz“, Objekte im Kontexte zu präsentieren und solche – auch aus verschiedenen Sammlungen oder heterogenen Charakters – nach sinnhaften Kriterien zusammenzuführen. Die kuratorische Professionalität, mit der Ausstellungen entwickelt würden, sei auch im Digitalen zu erbringen, hier stehe man aber noch ganz am Anfang.

Als Qualitätskriterien für Onlinedatenbanken formulierte Dörk eine „freudig-überraschende Verfügbarwerdung“ von Exponaten und Informationen, die Reichhaltigkeit des Angebots sowie eine auch für Nichtexperten einladende Aufbereitung. Dies könne beispielsweise die Implementierung von Audioguides einschließen. Um den „Spalt zwischen Materialität und Digitalität“ zu überwinden, müsse der Kulturbereich bereit sein, sich teils von seinen Schätzen zu lösen. Der Export der Daten sei barrierefrei zu ermöglichen - wenigstens unter bestimmten Bedingungen oder für bestimmte Projekte, wie Diskutanten einwarfen. Eine Ausrichtung der Onlinepräsentationen auf bestimmte Nutzertypen empfahl Dörk nicht, da sich Wissenschaftler wie ‚Laien’ zunächst einen Überblick verschaffen wollten, bevor sie auf Vertiefungsebenen zugriffen.

Für die Schlussdiskussion bündelte und kommentierte JÜRGEN DANYEL (Potsdam) wesentliche Punkte der Tagung. Er verstand sie als Beitrag zu einer notwendigen Annäherung von akademischer Forschung und Museumsarbeit. Die Befassung mit der physischen Überlieferung wertete er als „selbstverständliche Disziplin der Zeitgeschichte“. Allerdings stehe für die Frage, welchen Stellenwert die Objektforschung in übergeordneten Forschungskontexten beanspruche, „der Lackmustest noch aus“. Die Ausstrahlung des längst etablierten Forschungszweiges Material History auf die Zunft insgesamt sei noch immer gering. Mit Hilfe von Objektplattformen könne sich dies ändern, doch sei ein Mentalitätswandel bei den Akteuren erforderlich. Die Museen etwa sollten die Chance erkennen, sich auch im virtuellen Raum durch Öffnung zu legitimieren.

Bei der kuratorischen Aufbereitung von Internetpräsentationen komme nur ein exemplarisches Vorgehen infrage, da nicht alle Sammlungsobjekte mit detaillierten Kontextinformationen versehen werden könnten. Die Angebote seien gleichermaßen an Fachleute wie an das breite Publikum zu adressieren. Daraus erwüchsen unterschiedliche Anforderungsprofile, die jedoch nicht auf distinkte Nutzergruppen auszurichten seien, sondern auf verschiedene Nutzungslogiken. Die Rückkopplung mit der Nutzerexpertise relativiere in der Konsequenz die hierarchische Kommunikation zwischen den Museen und dem Publikum, die Deutungshoheit über die Sammlungsstücke werde abgegeben. Der Sinn von Onlinedatenbanken erschöpfe sich somit nicht im Vorstellen und Ausstellen der Sammlungsbestände, ebenso wichtig sei der Austausch mit den Nutzern. Über Letztere sei indessen viel zu wenig bekannt. In der Diskussion wurde daher eine Nutzerforschung zu Museumsportalen angemahnt, vergleichbar der klassischen Besucherforschung.

Übereinstimmung bestand darin, dass Onlinekataloge die Sammlungen möglichst vollständig wiedergeben sollten, verbunden mit umfassenden objektbezogenen Informationen. Inwiefern deutende Essays empfehlenswert seien, blieb strittig. Einige hielten solche zumindest bei Orientierung auf das breite Publikum für sinnvoll und sahen in narrativen Komponenten die Chance, das klassische Ausstellungsformat im Digitalen neu zu erfinden.

Die Frage nach dem Wünschenswerten sollte den Blick auf das Machbare aber nicht verstellen. Für die Mehrheit der Museen ist der Aufbau umfassender digitaler Parallelangebote nicht leistbar. Verbundlösungen wie museum-digital bieten hier zwar Alternativen. Diese wahrnehmen zu können, erfordert aber eine digitale Grunderfassung der Bestände, inklusive (publikationsfähiger) Objektfotos. Die dabei bestehenden Defizite abzubauen, bleibt vordringlich.

Die Tagung ließ mitunter sehr weitgesteckte Erwartungen an die „materielle Kultur“ aufscheinen. Zwar ist es wichtig, für diese Quellensorte zu werben, notwendig ist jedoch eine differenzierte Argumentation, die auch Grenzen benennt. Oft werden Sachzeugen als Projektionsflächen für Bedeutungen eingesetzt, die auf anderen Wegen generiert werden. Sie vermögen dann zwar geschichtliches Wissen zu veranschaulichen, nicht aber zu erweitern.

Konferenzübersicht:

Frank Bösch (Potsdam): Zeithistorisches Forschen im Internet. Was man sich wünschen sollte

Katja Böhme, Andreas Ludwig (Potsdam): Digitale Wissensplattformen für materielle Kultur

Museumsperspektive

Johanna Sänger (Leipzig): Bilden, Werben, Wissen tauschen - Sammlungsobjekte im Internet

Manfred Wichmann (Berlin): Kommentar

Materielle Dinge in der Zeitgeschichte

Anke Ortlepp (Kassel): Dingforschung 2.0 - Webobjekte als Gegenstand (zeit-)historischer Forschung

Annette Cremer (Gießen): Kommentar

Digitale Plattformen

Stefan Rohde-Enslin (Berlin): „museum-digital“ - Das Mögliche als Richtschnur aber nicht als Endpunkt

Marian Dörk (Potsdam): Kommentar

Schlussdiskussion

Jürgen Danyel (Potsdam): Moderation

Anmerkungen:
1 Mary C. Beaudry, Dan Hicks (Hrsg.), The Oxford Handbook of Material Culture Studies, Oxford 2010.
2 Stefanie Samida, Manfred K.H. Eggert, Hans Peter Hahn (Hrsg.), Handbuch Materielle Kultur. Bedeutungen, Konzepte, Disziplinen, Stuttgart 2014.


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